Cogito ergo sum. Ich denke, also bin ich. Dieses lateinische Mantra sprechen wir zwar oft gedankenlos, versichern uns aber dadurch unseres Seins. Dieses Sein ist abgegrenzt von dem Sein des anderen. Ich denke. Ich bin. Nur, was denkt da? Wer ist das? Da wir das bestätigungsorientierte Denken anderer Lebewesen ausschalten, bleibt nur einer übrig: Der Mensch.
Der Mensch denkt und versichert sich dadurch seiner Existenz. Um diesen Erfolg zu erzielen, ist die Existenz anderer Menschen erforderlich, denn die Existenz in einem kreatürlichen Vakuum würde unserer Existenz keine Sinnhaftigkeit verleihen, das Denken vergeblich machen. Es gäbe keinen Sinn für das Denken. Die Sinnhaftigkeit des Denkens leitet sich ab von der Existenz anderer Menschen, die sich mit unserer Sinnhaftigkeit verketten in einem Gewebe unendlich vieler denkender Menschen. Auf der Erde sind es Milliarden, die denken. Also denkt die Kreatur, denken wir. Unser Denken ist ein Beitrag zum Denken aller und nicht begrenzt auf unser eigenes Potenzial. Jeder Mensch denkt „ich“ als „wir“. Selbst dann, wenn er seine ureigensten Selbstsüchte zum Gegenstand seiner gedanklichen Betrachtungen macht. Auch wenn der Mensch glaubt, er denkt mit seinem Großhirn, verarbeitet er dort die Angebote seiner Umwelt nach deren Prinzipien, verrät ihm das gefühlte Denken, dass seine Ganzheit wesentlichen Einfluss auf seine kognitiven Erlebnisse hat.
Wir Menschen denken organisch, angefangen von den kalten Füßen über den Bauch bis zum Kopf. Das denkende Ich im Menschen ist bereits ein Wir und dieses Wir ist im Organismus sämtlicher Menschen vorhanden. Wir denken individuell und komplex und gestalten dadurch den realen und gefühlten Denkapparat des Menschseins insgesamt. Dieses „Wir denken“ ist vorstellbar als ein offenes, durch Sterben und Werden bestimmtes System der Möglichkeiten, was allerdings sehr eindeutigen, die Matrix prägenden Prinzipien folgt. Diese sind unsere Erhaltung und unser Überleben, unsere Entwicklung entsprechend unserer Fähigkeiten und die dauerhafte Sicherung des Existenzrechts der Menschen auf dieser Erde. Es geht hier nicht darum, sämtliche Grundgravuren der menschlichen Matrix aufzuzeigen, sondern darum, deutlich zu machen, dass unser „Wir denken“ immer um einen Punkt oszilliert: „Wie bleiben wir uns erhalten?“
Die Existenz jedes einzelnen Menschen wäre sinnlos, wenn wir nicht alle zumindest temporär wären. Die Erschöpfung, die wir bei dem Erhaltungsauftrag erfahren, sublimiert unsere Anstrengungen, gedanklich alle Werkzeuge zu schaffen, die es uns erlauben, für uns und unsere Kinder diese Welt auf Dauer zu erhalten. Die Steuerung dieses ganzen Prozesses ist in der menschlichen Matrix festgelegt. Sie ist bereits vorhanden, weshalb es müßig ist, darüber zu streiten, ob Gott ständig in den Lauf der Dinge eingreift oder nicht. Diejenigen, die um die Existenz Gottes wissen, erfahren dadurch die Zuversicht des gemeinsamen Gelingens. Atheisten glauben an das Superhirn. Letztlich ist jedem gedient, allein durch die Erfahrung der gesamtmenschlichen Denkleistung – auch der gefühlten.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski