A füllte Formulare aus. Das misslang. Es missfiel ihm aber nicht. Er blieb geduldig. Solange er Formulare ausfüllte, kamen die anderen Gedanken nicht, zum Beispiel, dass er eigentlich noch auf den Markt gehen müsste. Er hatte somit beides: eine Aufgabe und eine Ausrede. Er hoffte, dass es noch lange dauern würde, und die Länge der Formulare gaben ihm recht. So war ihm eigentlich alles kommod. Er war zufrieden mit sich und warf ab und zu einen kleinen dankbaren Blick in Richtung des Beamten, der die Ausgabe der Formulare überwachte. Die sich häufenden Fehler beim Ausfüllen der Formulare wurden von dem Beamten zunächst gleichmütig, aber dann mit persönlichem Interesse registriert. Ob es die Angst war, dass die Formulare ausgehen könnten, oder der Argwohn, auf Seiten As läge Absichtlichkeit vor, der Beamte sah allmählich doch mit wachsend strenger Aufmerksamkeit A beim Ausfüllen der Formulare zu, öffnete leicht den Mund bei jeder schwierigen Entscheidung und klappte ihn zu, wenn sich zwischen der Beantwortung einer Frage und der Anspannung bei Lösung der nächsten eine Pause ergab. So ging das eine ganze Weile. Verpatzte A eine Frage und machte dadurch den ganzen Fragebogen wertlos, konnte man im Gesicht des Beamten beobachten, wie mit der Zeit Ärgerlichkeit in Trauer und Verzweiflung umschlug. Das Verhalten von A entsprach ganz seiner persönlichen Situation. Von Sabotage konnte keine Rede sein. Das musste also nun gemeinsam durchgestanden werden. Der Beamte widmete sich den Fragen, beriet A, dem er sich jetzt völlig zuwandte und die Formulare dabei fast achtlos zum Verbrauch einsetzte. Jede gelungene Beantwortung wurde zum gemeinsamen Sieg, jeder Fehlschlag brachte sie einander näher. Der Beamte griff selbst hin und wieder ein, korrigierte und formulierte Antworten. Es gab Fragen, die beide in tiefe, ernsthafte Gespräche verwickelten und solche, deren gelungene Lösung einem gemeinsamen Triumph gleichkam. Unangenehm waren Meinungsverschiedenheiten. Man einigte sich darauf, eine andere, zufällig anwesende Person als Schiedsrichter anzurufen, ohne natürlich zu versäumen, dem Schiedsrichter aufgrund des gewonnenen Erfahrungsvorsprungs ebenfalls gute Ratschläge zu erteilen. Schwierig wurde es bei Fragen, die keiner von beiden verstand. Sie wurden zurückgestellt, wobei die weißen Stellen, die die fehlende Antwort markierten, etwas beunruhigten. Man kam immer wieder darauf zurück. Eine Antwort war erkennbar nicht zu greifen, deshalb fingen sie an, die Fragen zu interpretieren. Schließlich konnte man ja alles so oder so sehen. Nicht, dass sie es gewagt hätte, den Fragebogen grundsätzlich infrage zu stellen, aber doch die Einstellung zu den Fragen. Dass dabei Vorwürfe gegen den Fragesteller selbst laut wurden, war zunächst eher unabsichtlich und beiläufig, später allerdings deutlich – sie kamen nicht mehr darum herum, die Fragen zu korrigieren, anders zu stellen, um die leeren Felder zu beseitigen. Es verwirrte A, dass es der Beamte in einem Anflug von Unbeherrschtheit selbst war, der eine ganze Frage plötzlich strich und sie als überflüssig tilgte. A bestand darauf, dass man es sich nicht so einfach machen dürfe und alles, was gedruckt sei, schließlich einen Sinn habe. Es entwickelte sich eine Diskussion, die prinzipiell geführt wurde. Festzuhalten bleibt, dass es dem Beamten gelang, sich durchzusetzen. War es zunächst nur eine Frage, die er strich, kannte seine Kühnheit bald keine Grenzen mehr. Ganze Komplexe wurden geschwärzt, Sätze gestrichen; ein Blick genügte. A widersprach nicht mehr, gab sich geschlagen. Und als schließlich der Beamte den ganzen Fragebogen durchstrich und mit Unterschrift und Stempel bescheinigte, dass damit alles erledigt sei, befiel A eine tiefe Trauer. Er zweifelte an der Kompetenz des Beamten und befürchtete, dass es der Beginn einer neuen Zeit sein könnte, in der er, statt Fragebögen auszufüllen, auf den Markt zu gehen hätte und ihm weder geistige Aufgaben noch Ausreden blieben. Seine Situation war trostlos, grußlos verließ er die Amtsstube.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski