Archiv für den Monat: November 2015

Hi!

Mündliche Begrüßungsformen: Guten Morgen Guten Abend Guten Tag Grüß Gott …

Schriftliche Begrüßungsformeln: Sehr Geehrter Liebe Verehrte …

Alles vorbei, tempi passati!

„Hallo“, das ist das Zauberwort der neuen Zeit und hat alle denkbaren Begrüßungsformen abgelöst, wie mir scheint sogar weltweit. „Hallo“ ist der Weckruf der Moderne, verkündet die Anwesenheit des Senders und bestätigt, dass der potentielle Empfänger dieser Kurznachricht von ihm wahrgenommen wird. „Hallo“ ist Emotion pur. Das „Hallo“ changiert als Begrüßungsformel von einem Juchzer bis zu einem depressiven Ausatmen.

Unvergesslich ist dabei Udo Lindenbergs „Hallöchen, Hallo“, wobei er einen spaßgefährdeten Ex-Regierungschef der DDR meinte. Aber so viel Vergnügen gönnen sich auch heute noch vor allem junge Menschen, die ihr „Hallöchen, Hallo“ munter durcheinanderzwitschern.

Weniger durch Emotion aufgeladen taucht das schriftliche „Hallo“ dagegen vor allem in den elektrisch versandten Briefen auf. Da ist „Hallo“ besonders praktisch, weil genderneutral und der Schreiber muss also überhaupt nicht überlegen, wem genau er jetzt gerade eine Mitteilung senden will oder muss, sondern ruft in den ungeheuren Raum des Brief- und Internetverkehrs sein „Hallo“, dessen Echo oft schon kurze Zeit später bei jemanden ankommt, sei dieser Mann, Frau oder …

Der Auftakt ist oft nur ein Klick und schon rattert die Botschaft los, taucht bei dem Empfänger auf, so wuchtig, dass auf ein Ende verzichtet oder ganz allgemein ein großes „LG“ angefügt wird. So verhält es sich wohl, aber ich bin nicht damit einverstanden. Ich stehe nicht auf „Hallo“. Ich will angemessen begrüßt und auch verabschiedet werden.

Was dem nicht genügt, geht zurück, an den Absender. Allerding überlege ich mir, ob ich mich auf Dauer den neuzeitlichen Begrüßungsritualen entziehen kann. Sollte ich mit meinen Vorbehalten scheitern, werde ich allerdings darauf bestehen, vor Abschaffung sämtlicher Begrüßungs- und Verabschiedungsmomente die Aufmerksamkeit zu gewinnen, mit einem hingehauchten „H“, das sich je nach Tageszeit und Inspiration in ein „Hi“, „Ha“, „Hu“, „Ho“, „Hü“, „Hä“ und „Hö“ verändern lässt.

Selbstverständlich kann ich auch bei Briefen auf diese Vielfalt zurückgreifen oder ich belasse es bei einem einleitenden und ausleitenden „H“, was immer das bedeuten und heißen mag. Wem „H“ nicht gefällt, kann selbstverständlich auch „Y“ oder „Z“ nehmen. So viel Individualität muss einfach sein.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wir sind das Volk!

Wir sind das Volk! So lautete der Schlachtruf einer Leipziger Menschenmenge, die durch ihr entschlossenes Auftreten die DDR ins Wanken brachte. So etwa geht die Heldenerzählung und es wird nicht in Frage gestellt, dass es das Volk war, welches die DDR beendete. Aber es war das Volk der DDR, eventuell sogar ein eher geringer Teil der Bürger der DDR, welches den Willen der Mehrheit zum Ausdruck brachte.

Nun geht Pegida auf die Straße und skandiert: Wir sind das Volk! Sind das die gleichen Volksmassen, wie diejenigen der DDR? Das wäre geografisch naheliegend, ist aber wohl nicht so gemeint. Ohne dass man die Volkszugehörigkeit hier eindeutig zuordnen könnte, ist aber wohl von dem Volk in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt die Rede, ob also in Bayern, Baden Württemberg, Saarland, Hamburg, Bremen und wo auch immer. Wieviel Volk machen aber 10.000 Demonstranten in Dresden aus? Wie kommen sie auf die merkwürdige Idee, das Volk sein zu wollen, wo sie doch nur im Promillbereich agieren?

Entweder glauben sie heimlich, dass die anderen auch so denken, wie sie oder dass sie deren Aufgaben zu ihrem besseren Nutzen miterledigen müssen. Also für mich geht das zu weit. Ich habe zwar unschuldigermaßen die Deutsche Volkszugehörigkeit und freue mich sogar darüber, aber weder sehe ich ein Einigvolk in aller Pluralität noch das Mandat für Pegidaanhänger, mich mit zu vertreten. Ich bin nicht Volk und finde es anmaßend, dass andere behaupten, es zu sein. Vielleicht ist die Pegida eine Internetmarotte von Menschen, die ihre dortigen virtuellen Spiele auf unsere Wirklichkeit übertragen wollen. Im Internet können durch kluge Programmierungen Völker geschaffen werden. Im Internet sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Anders in der Wirklichkeit. Das Interesse einer bestimmten Anzahl von Menschen, das Volk sein zu müssen, begegnet mein Interesse, einem anderen Volk anzugehören, aber nicht dem ihrigen. Wir haben ganz offensichtlich nicht den gleichen Volksbegriff. Deshalb erwarte ich auf der nächsten Pegidademonstration einen Zusatz der Deklamatoren etwa wie folgt:

Wir sind das Volk mit Ausnahme – und jetzt folgen etwa 79.000.000 Namen. Mit der Verlesung dieser Ausnahmen ist die Pegida bis zu ihrer Selbstauflösung in etwa 10 Jahren beschäftigt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kommunikation Null.Null

Auf die Frage, die ich Herrn Ramelow, dem Ministerpräsidenten des Landes Thüringen nach E-Government stellte, antwortete dieser Folgendes: Bei meiner Übernahme des Amtes des Ministerpräsidenten stellte ich fest, dass es in der Staatskanzlei Thüringens noch nicht einmal einen WLAN-Anschluss gab. Tatsächlich befindet sich die gesamte Bürokratie digital in der Steinzeit. Es besteht eine Zettelabheftungskultur. Ich glaube nicht, dass sich die Kulturen in den einzelnen Bundesländern wesentlich unterscheiden. Ich vermute sogar, dass selbst der Bund nur ansatzweise über digitale Verwaltungsstrukturen im Sinne von E-Government verfügt. Diese wären jetzt in der Flüchtlingsfrage natürlich sehr hilfreich und wichtig gewesen, weil Kommunikation, Logistik, schnelle Aufnahmen, Abschieben von Flüchtlingen, alles am besten digital zu regeln gewesen wäre. Aber wenn es schon immer keinen Plan hierzu gegeben hat, warum denn jetzt plötzlich darüber nachdenken. Die eigenen schwerwiegenden Fehler in der Kommunikation und Planung werden übertüncht durch gespenstige Diskussionen zum finanziellen Aufwand in der Flüchtlingsfrage, Schutz der Grenzen etc. Die politischen Protagonisten schüren bewusst öffentliche Ängste, um diese dann wieder mit moralischen Einwänden zu konterkarieren. Es gibt weder Plan noch Erkenntnisse z.B. dazu, wie wirklich welcher Arbeitsplatz weggenommen wird und was wirtschaftlich der Zustrom von 1.000.000 Flüchtlingen nach Deutschland bewegt. Mangels Kommunikation und evidenzbasierter Anhaltspunkte wird ein schwobeliges Bild der Flüchtlingssituation entworfen, das jede Sachlichkeit eliminiert und auf der emotionalen Ebene erlaubt. Für oder gegen Flüchtlinge zu sein, einfach so, wie es beliebt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Google-Welt

Als Beilage zu „Die Zeit“ ist mir ein Heft in die Hand gefallen, welches Google herausgibt und den Titel trägt „Deutschland 25 – eine Momentaufnahme zu 25 Jahren deutscher Wieder­vereinigung“. Herausgeber ist Google Deutschland. Es entstand ein „interaktives Porträt der neuen deutschen Generation“ von „Integration fördern“ über „Work Life Balance“ bis zur „Sharing-Kultur„. Die Lektüre zeigt, dass der Herausgeber auf alle dort gestellten Fragen eine Antwort hat, und zwar durchweg eine positive.

Das liest sich zum einen erfreulich, zum anderen macht ver­dächtig, dass durch das Maß der umfassenden Fürsorge die Möglichkeit des eigenen Wegs schrumpft. Wenn zum Beispiel behauptet wird, wir seien „bunt“, wie schaffen wir es mit dieser nichtssagenden Feststellung, Menschen anderer Kulturen und Identitäten näher zu bringen?

Es ist schwer, der Behauptung zu widerstehen, man sei ja auf „bunt“ eingestellt und dies anstatt Fragen zu trotzen. Das sprachgewandte Gutmenschentum als gesellschaftliche Verordnung ist aber fragwürdig, weil sie Wi­derspruch als Bruch einer anscheinend gemeinsamen Überzeugung unterstellt. Deshalb plädiere ich dafür, die sprachlichen und inhaltlichen Angebote genau zu prüfen und selbst zu entscheiden, was akzeptabel ist oder nicht. Google darf und kann hier nicht übernehmen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Smart Cities

Fast atemlos hetze ich von Veranstaltung zu Veranstaltung, bei denen es um New Solutions, Industries 0.4, Digital Corporations oder auch Smart Cities geht. Sehen wir einmal von den Anglizismen ab, die mehr Ahnungslosigkeit offenbaren als verschleiern, drängt es sich mir auf, darüber nachzudenken, was dieser „Hype“ in der „Community“ bedeutet.

Denkbar wäre anzunehmen, dass die englischen Schlagwörter bereits das gesamte Programm sind. Das wäre aber sicher zu kurz gedacht, denn erst das Programm, das die „User“ auch emotional mitnimmt, schafft es auf einen vorderen Platz im Ranking der Wahrnehmung. Dabei mag helfen, dass man sich zum Beispiel unter Smart Cities alles oder gar nichts vorstellen kann. Zu dem „Alles“ gehört, dass die Bürger sich wohlfühlen, in einer umweltfreundlichen Stadt, die digital und durch E-Gouvernement so gesteuert wird und dass alles hoch effizient gut gelingt.

Das schafft am besten ein selbstreferenzielles System, das alle Daten zu erfassen in der Lage ist, die Algorithmen wüten lässt und aus allen erfassba­ren Daten die „Convenience“ kocht, die den Stadtbürger zufrieden stellen soll. Ist Smart City aber tatsächlich zufriedenstellend? Verbürgt sich dahinter nicht nur eine aalglatte PR-Geschichte, die mit der Bekundung von Transparenz beginnt und mit der digitalen Verknechtung endet? Ist es für eine Stadt erstrebenswert, wenn auf eine smarte Art und Weise sämtliche Rauheiten, schroffen Gegensätze und Interessenswidersprüche eingeebnet und ein ausgeglichenes Leben nach dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ propagiert wird?

Ich zweifle an der Vernunft der umfassenden digitalen Einmischung, wenn diese selbst das Ruder übernommen hat und uns führt frei nach dem Motto: Gemeinsam sind wir stark, aber ich sag dir, wie das funktioniert.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kurze Männer

Neulich wohnte ich einer wirklich denkwürdigen Laudatio bei. Bei einer Präsentation der Werke des Malers Scharein huldigte Gregor Gysi dessen Wirken und schloss seine Betrachtungen mit dem Hinweis, dass sie beide etwa die gleiche Größe hätten, das Kleinsein sozusagen als Bestätigung ihrer Freundschaft. Der Maler Scharein von Gregor Gysi auch vertraulich Schari genannt, sekundierte dessen Ausführungen anschließend mit dem Hinweis, dass Gregor Gysi doch von beiden der Kürzere sei.

Ob es stimmt oder nicht, dürfte nebensächlich sein, denn sie begegnen sich wirkungsmäßig offensichtlich auf Augenhöhe. Es wäre ihnen sogar mit Napoleon gelungen, aber auch mit den lebenden bekannten Persönlichkeiten, Schröder, Berlusconi und Putin. Auch wenn diese ihren Behauptungswillen im Leben und ihre Durchsetzungskraft in der Politik aus ihrem knabenhaften Wuchs als Zeichen ihrer Überlegenheit schöpfen, so tendieren sie dennoch zu einer ergänzenden Erhöhung durch Plateauschuhe, Schemel und Kameraeinstellungen, die sie stets überlegener zeigen sollen, als sie eigentlich optisch sind.

Auch wenn ich das unangenehme Gefühl mit ihnen teile, selbst zu einem großen Menschen aufschauen zu müssen, so überrascht zuweilen, dass kleingewachsene Menschen dazu neigen, ihre angeblichen körperlichen Defizite durch virtuose Ergänzungs- und Ausgleichshandlungen und Erklärungen zu kaschieren. Ein kleiner Ex-Bundeskanzler spielte Fußball, ein noch russischer Präsident Eishockey und ein ehemaliger italienischer Politiker mit großen Frauen. Sie sind eigentlich ganz normale Männer, sie glauben es aber nicht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski