Demokalypse, ein interessant sperriges Wortgetüm, zusammengesetzt aus Demografie und Apokalypse, gehört erstmalig am 24.11.2015 auf einer Veranstaltung des „Convent für Deutschland“. Zur Gestaltung des demografischen Wandels wurden vorgestellt und dabei, wie auch in der anschließenden Diskussion, Vorschläge unterbreitet, wie man einer alternden Gesellschaft Herr zu werden gedenkt. Von der Arbeitswilligkeit der älteren Bevölkerung war die Rede, von Zumutungen für junge Menschen, vor allem in ökonomischer Sicht, von Stärkung der Bildungseinrichtungen auch für die Kleinsten und Chancen und Risiken durch Abfederung des demografischen Ungleichgewichts durch arbeitsfähige Flüchtlinge.
Es war insgesamt ein durchaus unterhaltsames Potpourri an Ideen und ich würde nicht leugnen wollen, dass wir uns alle immer gerne an Ideensammlungen und ad hoc-Analysen gerne beteiligen. Vielleicht entsteht daraus irgendwann auch so etwas wie eine Konzeption, die unsere Gesellschaft überzeugt. Dafür ist es erforderlich, dass nicht Staat und Politik die Vorreiterrolle im Diskurs übernehmen, sondern die Bürger selbst die Policy entwickeln. Nur wo und wie sollte dies geschehen, wenn stets politische Zirkel die Deutungshoheit hinsichtlich eines Problems beanspruchen?
Um den erforderlichen gesellschaftlichen Diskurs z. B. auch zur demografischen Entwicklung zu führen, um dann in einem Contrat social mit den Bürgern die weitere Vorgehensweise abzustimmen, habe ich schon vor Jahr und Tag das Humboldtforum in Berlin als Gestaltungsort vorgeschlagen. Die Vorschläge sind durchaus auf Interesse gestoßen aber keiner, auch ich nicht, wagte jemals, auf die Umsetzung solcher Vorhaben zu hoffen. Der Staat und die Politik bestimmen, wo es lang geht und beim Humboldtforum eher in Richtung staatliche Ausdeutung der Vergangenheit. Mit einem solchen Verhalten lässt sich aber Zukunft nicht gestalten.
Wir müssen grenzenlos spinnen, um einen einzigen verwertbaren Gedanken zur Lösung unserer Probleme zu finden. Der Schlüssel dazu liegt nach meiner Vermutung in einer Neubewertung unserer Existenz. Was sind wir für Menschen im 21. Jahrhundert? Was ist uns wichtig? Worauf kommt es an? Die Liste der Fragen ist lang und Antworten darauf sicher nicht ad hoc zu formulieren. Mir scheint allerdings bedenkenswert, dass ich kaum den Eindruck habe, dass die Menschen ihr Leben als eine lange wunderbare Veranstaltung begreifen, welche sie mit Genuss, Zuversicht und wechselseitiger Anteilnahme für sich und mit anderen in der Gesellschaft führen dürfen. Es scheint, dass selbst Optimierung, Anpassung, Konkurrenz, Gier, Neid und Opferhaltung unser Leben wesentlich mitprägen. Das ist auch nicht verwunderlich, bedenkt man, dass die Ökonomisierung des Lebens nebst einigen religiösen Ansätzen wesentlich die Matrix des Lebens bestimmen. Warum eigentlich? Ist es denn gesellschaftlich akzeptabel, dass einige jenseits ihrer Bedürfnisse sich die Taschen vollstopfen und einherstolzieren mit der Behauptung, sie seien die Elite? Ist es denn nicht völlig gegen die Regel, dass ein großer Teil unserer Gesellschaft glaubt, andere müssten bezahlen, was sie anrichten, vor allem mit sich selbst? Ist die Bildungsstute denn richtig aufgezäumt, wenn wir noch mehr staatliche Bildungseinrichtungen schaffen, statt die Eltern von ihrer Urzuständigkeit für die Bildung ihrer Kinder zu überzeugen und diese unterrichten, für ihre Kinder mehr zu tun und vor allem da zu sein, wenn sie benötigt werden? Elternbildung schafft Kinderbildung, vor allem in den ersten wichtigsten sieben Monaten nach der Geburt eines Kindes.
Es sind vor allem die weichen Faktoren, die viele ältere und junge Menschen von der Sinnhaftigkeit ihres Lebens überzeugen. Freiheit gehört dazu, aber auch Zumutung, die Zumutung innerhalb und außerhalb der Familien, Mitmenschen als ebenbürtige Partner bei dem Streben nach Glück wahrzunehmen, mit diesen zu teilen und sich anzustrengen, neben dem persönlichen Wohlergehen, auch einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Ich glaube, viele Menschen sind dazu bereit, die Verabredung zum „Ruck“ der durch unsere Gesellschaft gehen sollte, muss nur bald ausgelöst werden.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski