Archiv für den Monat: April 2018

Querung

Straßen sind gefährlich. „Schau nach links und schau nach rechts, bevor du über die Straße gehst“, so lautet die Ermahnung der Eltern an ihre Kinder. Verkehrserziehung. So lautet der Sammelbegriff aller Maßnahmen zum Schutz des Menschen.

Und die Wirklichkeit? Die Autofahrer, die eigentlichen Damen und Herren der Straße. Sie fahren wie immer schnell und zügellos, wenn sie nicht durch Ampeln und Verkehrseinschränkungszeichen gebremst werden. Dasselbe gilt für Motorradfahrer. Und für Fahrradfahrer. Im Rudel oder sehr individuell schießen sie aus allen denkbaren Ecken in den Verkehr hinein, von vorne, von hinten, von links, von rechts, egal wie die Straße verläuft oder die Fahrtrichtung. Weder Verkehrszeichen noch Ampelanlagen halten sie auf. Flächen ihres sportlichen Engagements sind aber nicht nur Straßen, sondern auch Gehwege und Plätze. Der Protest des Fußgängers bleibt nicht aus. Was der Fahrradfahrer kann, kann ich schon lange. Ampeln werden ignoriert, aber vor allem der Verkehr insgesamt. Individuelle Straßenquerung als Zeichen des Selbstbewusstseins. Sollen die Kraftfahrzeuge doch damit zurechtkommen. Und wenn etwas geschieht, dann ist doch ohnehin der Kraftfahrer schuld, denn in seinem Fahrzeug ist die Gefahr beheimatet. Ein gefährliches Werkzeug. So sagen die Gerichte.

Die Kommunen stimmen zu, legen verkehrsberuhigte Straßen an, verstümmeln sie mit Pollern und sonstigen Fahrhindernissen, heben Fußgänger, Radfahrer in die Ebenbürtigkeit mit Kraftfahrzeugen oder erteilen schließlich sogar Fahrrädern den Vorrang vor jeder anderen Art der Fortbewegung: die Fahrradstraße. Und? Werden die Straßen sicherer? Wohl nicht. Aber der Verunfallte hat seinen Kontrahenten, den anderen Verkehrsteilnehmer, von dem er immerhin möglicherweise Schadenersatz verlangen kann. Dadurch erhöht sich leider die allgemeine Unvorsichtigkeit und wird nicht gemindert. Verkehrsteilnehmer rechnen nicht mehr miteinander, sondern sie rechnen miteinander ab. Sie rechnen nicht damit, dass jemand sie überfährt, weil sie den Verkehr ignorierend die Straße gekreuzt haben. Sie orientieren sich nicht am Verkehr, sondern gehen davon aus, dass schon nichts passiert, weil Gesetze und Rechtsprechung ihnen das versprechen. Ein früher Merkspruch lautete: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Ist heute die Gefahr gebannt, weil verkannt? Der Prozess der Verdrängung des Verkehrs als Gefahrenquelle geht einher mit jeder Form der Wirklichkeitsverdrängung in unserer Gesellschaft. Dabei mag die Hoffnung Pate stehen, es passiere ja nichts, und wenn etwas passiere, gäbe es dafür wieder eine Entschuldigung oder Schadenersatz.

Das Leben aber ist eine Risikogemeinschaft, der mit Verdrängung nicht beizukommen ist. So wie die Verkehrsteilnehmer den Straßenverkehr zu verdrängen trachten, indem sie ihn aus ihrer Beobachtung nehmen, verdrängen viele Menschen heute die Gefahren ihres Essverhaltens, des Konsums der medialen Langeweile und der mangelnden Bildungsbereitschaft. Sie wähnen sich in der Sicherheit der sozialen Verschränkung mit anderen und bedenken meist nicht, dass sie trotzdem wachsam sein müssen und ihre Vorsicht bei der Überquerung der Straße von keinem anderen übernommen werden kann. Wenn ein Mensch überfahren wird, so ist er tot oder schwerverletzt. Die Frage der Verantwortlichkeit und des Schadenersatzes ist dabei nebensächlich. Ein verantwortlicher Mensch schaut genau hin, was passiert. Im Verkehr genauso wie im restlichen Leben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Haben und Sein

In seinem 1976 erschienen Buch „Haben oder Sein“ versucht Erich Fromm zu belegen, dass der am Haben orientiere Mensch Opfer der Warenwelt sei und an diesem Fetisch scheitern müsse. Der Mensch, der nach dem Sein strebe, lerne dagegen alle Aspekte der Liebe kennen und erfahre dadurch inneren Reichtum und Zuwendung. Natürlich habe ich in dieser Zusammenfassung das Anliegen von Erich Fromm äußerst stark und subjektiv gekürzt und bin fernab davon, diesem Werk in irgendeiner Weise inhaltlich gerecht zu werden. „Haben oder Sein“ habe ich mit großer Faszination gelesen und meine, dass Fromm in vielen Punkten den Nagel auf den Kopf trifft. Es gibt aber einen Generalvorbehalt gegen das Werk: Zuerst kommt der Mensch und dann die Moral. Was will ich damit sagen. Der Mensch ist. Der Mensch will haben. Er will haben als Sammler und Jäger. Er orientiert sich an seinen Vorteilen und ist stets darauf bedacht, sein Überleben zu sichern.

Die Eigenschaften des Menschen kann man nicht a priori ändern. Mit diesen Eigenschaften müssen der mit ihnen ausgestattete Mensch und auch wir alle mit ihm in Gemeinschaft leben. Zudem ist kein Mensch dem anderen gleich. Die Nuancen des Habenwollens sind vielfältig und reichen von scheinbar ausschließlicher materieller Gier über ein abgestuftes System der Selbstbelohnung bis hin zum Habenstolz des wohltätigen Menschen. Aber gerade darin liegt das Problem der Schrift von Erich Fromm. In der fehlenden Anerkennung des habenden Menschen. Der Mensch hat einen Charakter. Er hat gute und schlechte Eigenschaften. Er hat materielle Lebens­angst. Er hat Sorgen. Er hat Ehrgeiz und Verstand. Er hat den an sich selbst gerichteten Anspruch, für andere etwas zu tun. All dies ist dem Haben-Bereich des Menschen zuzuordnen und sollte ihm nicht abgesprochen werden. Auch der verstockteste Mensch will sein. Als Baby will er angenommen werden, und dies womöglich sein ganzes Leben lang. Doch es will ihn keiner haben. Das vielleicht. Oder es will ihn jemand haben, er wird geliebt und kann lieben. Dann ist er womöglich im Sein und hat noch vieles, um zu geben.

Wer gibt, kann haben, was er gibt. Er muss auf das Haben nicht verzichten, um zu geben. Möglicherweise ist er nicht daran interessiert, seinen Besitz anzuhäufen oder tut das auch nur, um noch nachhaltiger geben zu können. Wer vermag dies zu entscheiden? Aber wir wollen, dass der Mensch gibt, dass er seine Integrität anerkennt, man ihm vertrauen kann und er dem Sein verbunden ist. Um dorthin zu gelangen, ist es nicht hilfreich, dem Menschen vorzuhalten, was er alles falsch mache und wie viel besser es wäre, wenn er im Sein und nicht im Haben leben würde. Was würde der Mensch dann tun? Er wird vielleicht sagen: Haben ist mir lieber. Dumm. Er wird möglicherweise, weil er sich schämen würde, auf das Haben reduziert zu sein, behaupten, er lebe im Sein. Er würde sich und seine Eigenschaften alle dem Sein unterordnen, obwohl sie gerade das Gegenteil offenbaren. Vielleicht würde er glauben, was er behauptet. Auch der Mensch zählt dazu, der, dem Sein eigentlich von Herzen zugewandt, bei seiner Selbstprüfung erfährt, wie er vom Haben angezogen wird. Würde er diesen Widerspruch mit sich selbst klären können oder weiter heucheln und lügen? Das kennen wir genug aus der Geschichte aller Kirchen und Religionen. Der Rigorismus, mit dem Gegensätze geschaffen werden, ist daher nicht hilfreich, sondern fördert gerade das, was vermieden werden soll. Im Sein findet der Mensch seine Vollendung. Um dahin zu gelangen, müssen Zweifel und Irrtümer überstanden werden. Der Mensch muss aber auch lernen, alle seine Eigenschaften zu nutzen. Naheliegenderweise würde ein Persönlichkeitsberater sagen, „gehe deinen eigenen Weg“. Der eigene Weg ist, zu erkennen, dass es sinnvoll ist, zu helfen, denn der, der hilft, dem wird auch geholfen. Alles Binsenweisheiten, von denen der Mensch profitieren kann. Wichtig erscheint mir angesichts des Respekts vor anderen Menschen und ihren Fähigkeiten und Eigenschaften, diese positiv herauszufordern, indem man ihnen erklärt, dass man nichts von ihnen erwartet und sie nicht bestimmen will. Es ist ihre Entscheidung, zu haben oder nicht zu haben. Es ist ihre Entscheidung, zu sein oder nicht zu sein. Den Weg, den sie zu gehen gedenken, können sie selbst wählen und dabei mit Hilfe rechnen. Sie dürfen jagen und sammeln, aber wenn es anderen dabei gut geht, geht es ihnen noch besser. Keiner trachtet mehr nach ihrem Haben und spricht ihnen den Willen zum Sein ab. Sie sind selbstbestimmte Menschen und dürfen dies sein. Jeder Mensch hat immer wieder Chancen, zu lernen. Und dies ein ganzes Leben lang.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Schön leben Mensch

Der Alltag vieler Menschen ist so anstrengend, dass sie manchmal schier verzweifeln mögen. Es scheint oft, als ob die Menschen immer neue Schwierigkeiten erfinden müssten, um sich das Leben besonders schwer zu machen. Behinderungen und Einschränkungen ihrer Beweglichkeit erhalten Menschen fast täglich zu Hause, bei der Arbeit oder in Behörden. Überlieferte Sätze wie „Das haben wir noch nie gemacht“, unverständliche Fragebögen und Ablehnungen zeugen aber meist eher von Unsicherheit, Rechtfertigungsdruck und eigenem Überlebenswillen als von Durchtriebenheit und Gemeinheit. Menschen haben Angst vor vielem Fremden, bleiben aber menschlich, danken für den Vortritt durch eine Tür oder eine prompte Erledigung ihres Anliegens. Trotz aller Mühen, die sie verursachen, sind das Schönste am Leben die Menschen. Die Menschen mit ihren großen Potenzialen an Verständnis, Mitleidensbereitschaft und Freude an gemeinsamen Ereignissen.

Im Abgleich von Erfahrungen, Gespräche über Erlebnisse, Austausch über Reisen und Familie erleben sie durch die Feststellung von Gemeinsamkeiten ein großes Maß an Ruhe und sozialer Bindung. Der Mensch kann sich vereinzeln, seine Individualität betonen, sehnt sich aber doch nach der Gemeinschaft, die ihn erhält, ihm seine Besonderheit erst ermöglicht. Ohne Menschen gäbe es diese Welt, die wir so vielfältig erfahren dürfen, für uns nicht. Wenn wir vor die Türe treten, sind wir neugierig auf die Menschen, süchtig danach, von ihnen angenommen zu werden, und nach gemeinsamem Erleben. Das Schönste an dieser Welt sind daher wie zum Trotz die Menschen!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Der moderne Hiob

Vielleicht vermögen einige von uns, sich an Hiob zu erinnern, diesen alttestamentarischen Leidensmenschen, dem Gott sämtliche Pestilenzen und Krankheiten schickt, um ihn dadurch in seinem Glauben zu erproben. Hiob zweifelt zwar, wird aber von Krankheit zu Krankheit stärker und zögert schließlich nicht, das Leid der ganzen Welt auf sich zu nehmen, um sich seiner Fähigkeit, Gott trotz aller Strafen zu vertrauen, sicher zu sein.

Der moderne Hiob glaubt nicht mehr und findet fast für jedes Leid irgendeinen Arzt, zumindest eine Tröstung. Also hat Hiob abgedankt. Es gibt ihn heute nicht mehr.

Weit gefehlt! Die Prämissen haben sich verschoben. Der leidensmächtige Hiob ist Sinnbild des gemarterten Menschen. Dadurch, dass viele Gott als die Autorität des Lebens nicht mehr anerkennen, wird das menschliche Leid nicht beseitigt. Aids, Alzheimer und Krebs, um nur drei moderne Geißeln zu benennen. Auschwitz steht für sich, aber es gibt auch Kambodscha und Ruanda. Folter in Kriegen, Folter in Gefängnissen, Vergewaltigungen von Kindern und Frauen, wo immer diese stattfinden. Elend, Not und Entwürdigung. Nicht auf Gottes Geheiß, sondern aus eigenem Antrieb erproben wir unsere Überlebensfähigkeit als Täter und Gedemütigte. Dies aber nicht nur mit an Schwären und Wunden leicht sichtbaren Erkrankungen, sondern auch mit denen im Geheimen und Verborgenen. Die Spuren sollen nicht mehr festgestellt, die Tat unerkannt bleiben. Warum diese Exerzitien? Wollen wir uns in unserer Leidensfähigkeit vollenden? Wollen wir, indem wir andere beschädigen, uns davor schützen, selbst gedemütigt zu werden? Das würde von der Kurzsichtigkeit der Täter und Opfer zeugen. Wie hieß es zu Zeiten der französischen Revolution? „Die Revolution frisst ihre Kinder.“ Und so war es auch. Kaum einer der Täter kam davon. Gleiches gilt für die Oktoberrevolution und deren Folgen in Russland. In Stalins Gulags landeten später auch die Täter. Von Reue und Sühne keine Spur. Ein Kreislauf des Unrechts. Der Mensch als Täter um den Preis des Verlustes seiner Integrität, aber geklammert an die Hoffnung, selbst noch einmal davonzukommen.

Der moderne Hiob. Das große Menschheitsdrama ist profane alltägliche Geschichte. Nichts hören von dem Leid anderer Menschen, nicht teilnehmen müssen an deren Schicksal, sondern wegschauen. Vielleicht trifft es mich nicht. Das ist die Regel, aber die Rechnung geht nicht auf. Auch wenn der moderne Hiob seinen Glauben verloren hat, bleiben ihm doch die gleichen Herausforderungen, er muss dulden und erdulden, um in seiner Überzeugung des Richtigen fest zu werden. Die Formung seiner Integrität ist das Vorhaben. Die zu gewinnende Erkenntnis lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch seine Würde. Mit dieser Erkenntnis setzt er alle Täter gegenüber dem Opfer ins Unrecht. Für immer.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Henne oder Ei (Teil 2)

Alleine deshalb, weil diese Bürger-Staats-Beziehung nichts mit Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein zu tun hat? Das ist nicht zu erwarten, vielmehr muss der Staat selbst das Schrittmaß für den Bürger vorgeben, in dem er sich einschränkt und dadurch diesem Entfaltungsmöglichkeiten überlässt, sein Leben selbst zu bestimmen.

Vergegenwärtigt man sich für einen Moment unsere Gesellschaft als einen Körper, so wird jeder Betrachter dieses Bildes sofort begreifen, dass nicht jede Zelle dieses Körpers vom Gehirn aus gesteuert und kontrolliert werden kann. Vielmehr ist jede Zelle autonom und doch bilden alle Zellen das Ganze, indem sie mit anderen Zellen kommunizieren und ihre Erfahrungen an diese Zellen, aber auch an das Gehirn weitergeben.

Die allein durch die bewusste Wahrnehmung des Gehirns entstehenden Störungen werden bis zur möglichen, aber vom Menschen nicht gewünschten Kapitulation seiner zerebralen Fähigkeiten von den Zellen des Körpers korrigiert und einer Heilung zugeführt. Am Beispiel des Körpers und seiner Zellen kann der Bürger lernen, was Selbstvertrauen, Verantwortung, Zuversicht und Zuverlässigkeit vermag, und zwar jeder Bürger für sich und in der Gemeinschaft. Man muss nur den Willen haben, sich aufeinander zu verlassen und wissen, dass dieser Wille von der Aufnahme- und Umsetzungsfähigkeit eines anderen Bürgers seine Rechtfertigung erhält.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Henne oder Ei (Teil 1)

In seinem steuerpolitischen Verhalten treibt der Staat seinen Souverän, den Bürger vor sich her. Der Bürger erbringt Arbeitsleistungen und versucht, sein Einkommen zu vermehren. Diese Rechnung geht nicht auf. Der Bürger wird in seinen Erwartungen getäuscht, denn er bekommt letztlich weniger als er verdient hat; einen Großteil seines Einkommens verliert er durch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern. Der Bürger versteuert sein Einkommen jedoch nicht nur einmal, sondern ständig mit jeder Aktivität, meist wird ihm dies nicht einmal bewusst. Die mit den Sozialversicherungsbeiträgen erworbenen Rentenanwartschaften z. B. sind zwar ihm gegenüber abgegebene Versprechungen, sind aber genauso wenig sicher, wie jeder andere ungesicherte Lebensstandard. Um sich diese vermeintliche Sicherheit und den vermeintlichen Lebensstandard zu erhalten und zudem die Anforderungen des Staates zu bedienen, erhöht der Bürger kontinuierlich die Schlagzahl seiner Tätigkeit auf Kosten seiner Lebenszeit, seiner Gesundheit, seiner Effizienz und Lebensfreude. Obwohl er der Souverän ist, ist der Bürger gleichwohl bisher nur selten den staatlichen Gelderwerbssystemen entgegengetreten, sondern hat sie sogar meist befürwortet. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Weil die meisten Bürger hoffen, dass der Staat für Abgabengerechtigkeit eintrete, haben Sie letztlich keine Einwände dagegen, dass der Staat Steuern einzieht und sogenannte „Steuersünder“ unerbittlich verfolgt.
  • Vielen Bürgern scheint es aufgrund der eigenen gewohnt bequemen Lebensführung angemessen, wenn andere Bürger – also die Politiker – den Takt vorgeben und das System vorhalten, welches ihnen Lebensstandard und Sicherheit verspricht.
  • Der Rückfluss von Steuermitteln in den sozialen Bereich oder auch sonstige Steuervergünstigungen und Subventionen erwecken bei den Begünstigten den Eindruck, das Steuersystem bevorzuge ihre Haltung, was allerdings einer Wahnvorstellung gleichkommt.
  • Ein Großteil der Bürger ist Nutznießer der staatlichen Geldverteilungspolitik und nimmt daher gerne, was ihm gegeben wird. Richtig ist, dass der Bürger als interessensgesteuerter Mensch kaum bereit ist, seine Komfortzone zu verlassen, solange der Lebensstandard nicht gänzlich in Frage steht und der Besitzstand gewahrt ist. Warum sollte er seine Einstellung ändern?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bildungsmacht

Die Kontinuität der Unterbreitung von Bildungsangeboten an Eltern und Kinder schafft die Voraussetzung dafür, auch künftige Krisen in unserer Gesellschaft auf allen Gebieten zu meistern. Bildung ist nicht das Privileg von Wenigen, sondern überlebensnotwendig. Bildung muss dort wirken, wo Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, d. h. schon bei den Eltern, die sich vorbereiten auf die Geburt ihres Kindes. Das noch nicht geborene Kind hat bereits einen Bildungsanspruch, der vom ersten Lebenstag an verwirklicht werden muss.

Bildung ist nicht nur Wissen, sondern beinhaltet vor allem die Fähigkeit der Erkenntnis, jenseits rationaler oder gefühlter Einschätzung von Situationen. Ohne die Erkenntnisfähigkeit wird auch in Krisen nur scheinobjektiv gehandelt und bleiben Fragen auf der Strecke, ob die jeweiligen Störungen systembedingt sind oder bereits Veränderungsprozesse in Gang setzen. Bildungsträger sind dazu geeignet, allen Menschen und den Märkten, auf denen sie tätig sind, das Handwerkszeug zu erklären, mit dem sie die jeweiligen Krisen meistern können. Die Krise als Chance. Im Rahmen dieses Diskurses muss auch das grenzenlose, nicht nur normative Denken zum Zuge kommen, um die daraus gewonnene Erfahrung dann konkret zu verwirklichen, und zwar durch den Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gelassenheit

Wahrlich, wir leben in schlimmen Zeiten! Weil es so lustig ist, Macht zu haben und sie auch zu zeigen, tötet die ISIS wahllos Menschen, mitunter auch die eigenen. Das Ganze ist dann noch verbrämt mit einer theologischen Ideologie. Das kommt bei jüngeren Menschen offenbar ganz gut an, weil sich einige von ihnen ohnehin nicht leiden können oder sich gern von anderen führen lassen. Es fehlt an allen Ecken und Enden der eigene Vater und auf die Mutter will der Sohn auch nicht mehr hören. Macht ist geil und weil man ja auffallen will, sich erproben möchte und auf Anerkennung hofft, macht man halt mit, zumindest für einige Zeit. Aussteigen gibt es aber nicht. Das ist bei allen Sekten so, denn dann funktioniert der ganze Apparat nicht mehr.

Also: Im Nahen Osten wird getötet und an den Grenzen der Ukraine gezündelt. Möglicherweise gibt es wieder Krieg in Europa, denn auch hier gilt: Wer Macht hat, sucht für die Ausübung seiner Macht eine Begründung. Auch gibt es entweder den inneren oder den äußeren Feind. So erhält man sich eben seine Macht, ob man Putin oder Assad heißt. Sterben müssen Menschen allemal, sei es in Afghanistan, in Afrika oder auf Flüchtlingsschiffen. Also gelassen bleiben. Wir können es ohnehin nicht ändern, weder durch Pegida noch durch Gegendemonstrationen.

Es ist außerordentlich schwer, Menschen etwas begreifbar zu machen, und zwar dass man Menschen erst Kinder zur Welt bringen lässt, um dann die Kinder anschließend wieder umzubringen. Man könnte meinen, dem Menschen sei das Leben anvertraut, damit er etwas Nützliches, bleibend Schönes oder herausragend Fortschrittliches in dieser Welt verwirklicht. Aber, stattdessen wird er schon bei Zeiten totgeschlagen, dass man niemals erfahren wird, zu welchen erhabenen Großtaten dieser Mensch tatsächlich fähig gewesen wäre, was er uns hätte erzählen können aufgrund seiner Erfahrungen, seinen Einsichten, entwickelnden Gedanken und Taten. Tot ist der Mensch. Damit basta!

Es gibt ja noch andere, sogar viele, also kann es auch auf den einzelnen Menschen gar nicht so ankommen? Sieht der einzelne Mensch, der sich entwickelnde Säugling dies genauso? Saugt er an der Brust seiner Mutter voll Verachtung? Betrachtet er seine Umgebung mit Abscheu? Ist ihm die Berührung seines Vaters verhasst? Nein, nein, sterben will ich nicht, würde das Kind schreien. Es war doch anstrengend genug, auf die Welt zu kommen und nun will ich erfahren, um was es hier geht, mich ausbilden und mein Leben leben. Mir wohl und keinem übel, kurzum: Ich habe nichts dagegen, wenn die anderen Kinder auch leben, und zwar auch selbst dann nicht, wenn aus den Kindern einmal erwachsene Menschen werden sollten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski