Was für eine Spezies ist wohl ein Deutscher? Lese ich von Interpretationsversuchen, dann ist von historischer Verantwortung, Nazis in der Familie, Strebsamkeit, Neurosen, Angst, Heimat, Landflucht, Start-Ups, wirtschaftlichem Aufschwung, Hartz IV und verkorksten Weltmeisterschaften die Rede.
Wenn ich das höre und lese, fühle ich mich richtig zu Hause. Das Gefühl, wie Rothenburg ob der Tauber bei Regen stellt sich ein. Danach habe ich mich in einem mörderheißen Sommer in Griechenland gesehnt. Als ich vor Kurzem das zweite Mal in Rothenburg war, begegnete ich dort vielen Touristen, vor allem aus Japan und Korea. In Rothenburg ob der Tauber ist ausstellungsbedingt ständig Weihnachten. Das ist bei Fernosttouristen beliebt.
Überhaupt scheint man uns Deutsche zu mögen, wie der Massentourismus belegt. Mancherorts ist man in Deutschland ein Fremder, wenn man Deutsch spricht. Ganz genau weiß ich nicht, ob wir mehr Touristen in Deutschland haben als Flüchtlinge. Ich glaube, das Erste ist richtig, aber wir Deutschen sind auch noch da und die Geburtenrate steigt.
Wenn ich es richtig bedenke, ist dies nicht nur eine Frage der Quantität, sondern auch der Qualität. Wir Deutschen verfügen über eine belastbare Demokratie, sind anpassungsfähig und herrlich verschieden. Wir Deutschen kritisieren alles und jeden, aber zucken auch mit den Achseln, wenn wir nicht weiterkommen. Wir sind Schrebergärtner und sehnsüchtig, alle Plätze der Welt einmal in unsrem Leben zu besuchen. Manchmal behaupten wir, dass wir uns selbst nicht leiden können, sind verzweifelt über das Verhalten anderer, die aus unserer Sicht alles falsch machen, um uns Deutsche dann doch im Kreis unserer Freunde selbst zu feiern.
Deutschland ist wirtschaftlich erfolgreich, gut aufgenommen in der Weltgemeinschaft und sicher in seinen Grenzen vor den Nachbarn, mit denen wir heute nicht mehr im Streit sind. Trotz mancher Unruhestifter. Bei uns herrscht Frieden, und zwar nicht der Friede eines Friedhofs, sondern der lebendige Friede des Disputs, des Erinnerns und der Perspektiven. Wir sind leistungsbereit und fähig, mit Schwierigkeiten umzugehen, ohne uns Dank der historischen Erfahrungen wieder in den Abgrund zu stürzen.
Für Deutschland habe ich eine gute Prognose: Als Deutscher, der ich bin oder werden kann, nehme ich Platz im freiheitlichsten und schönsten Land der Welt. Nicht Deutschland zuerst ist die Parole, sondern Deutschland: „Auf geht´s“. Wir haben noch viel zu erledigen, bleiben wir dran mit guten Gefühlen und einer vernünftigen Einstellung.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski