Kritisch wurde vor Kurzem in den Medien darüber berichtet, dass eine Waldorfschule in Berlin die schulische Aufnahme eines Kindes mit der Begründung abgelehnt habe, der Vater sei Mitglied der AfD im Abgeordnetenhaus. Zwar wurde in Medienberichten eingeräumt, dass Waldorfschulen durchaus das Recht haben, als Privatschulen frei über die Aufnahme oder Ablehnung eines Schülers zu entscheiden, dies aber im Hinblick auf die AfD-Zugehörigkeit des Vaters bedenklich sei. Bei der AfD handele es sich ja um eine rechtsstaatlich legitimierte Partei, das Verhalten der Waldorfschule sei daher diskriminierend.
Ist das so? Der AfD will ich ihre Legitimation überhaupt nicht absprechen. Ich unterstelle zudem, dass es sich bei dem AfD-Abgeordneten durchaus um einen persönlich integren Mann und einen bemühten Vater handelt, der seinem Kind die Chance einer breiten musischen und kulturellen Entwicklung bieten wollte. Vielleicht war er selbst einmal Waldorfschüler gewesen. Womöglich war es völlig falsch, dem Kind den Zugang zur Waldorfschule zu verweigern, weil die Rückbezüglichkeit zum Elternhaus vorteilhaft für alle gewesen wäre.
Aber! Dieses Aber bleibt wichtig und steht für sämtliche Aber der Zukunft, die verhindern sollen, dass unser auf Würde begründetes Leben gefährdet wird. Dieses Aber nehme ich auf, wenn ich die AfD als rechtsstaatlich legitimiert anerkenne, aber jeden der ihr angehört und für sie spricht, dafür verantwortlich mache, was in ihrem Namen gesagt oder getan wird. Da gibt es keine Halbheiten, keine persönlichen Zuweisungen, sondern neben der persönlichen Verantwortung auch die Gruppenverantwortung für alle Behauptungen, Ausgrenzungen und Diskriminierungen, ob sie in diesem oder jenem Zusammenhang geäußert werden.
Alles, was die pädagogische Pluralität, die Ausbildung zur Empathie, Verantwortung und die Bereitschaft zu geben, untergräbt, kann nicht – weder moralisch noch demokratisch – legitimiert werden. Toleranz verträgt keine Beliebigkeit, kein Changieren in der Moral und dem Abwägen von Einzelinteressen. Es geht um den Schutz unseres pluralistischen integren Lebens.
Das Verhalten der Waldorfschule finde ich daher im Ergebnis konsequent und richtig. Kinder müssen die Maßstäbe für den Zugang zu unserer Gesellschaft erlernen, sehen, dass Aufnahmebewilligungen dort versagt werden, wo die Gefährdung eines würdevollen menschlichen Lebens auftreten könnte. Wenn die Gefahr manifest geworden ist, ist es zu spät.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski