Eine Erbschaft wird vor allem mit dem Tod eines Menschen und der Weitergabe seines wirtschaftlichen Vermögens in Verbindung gebracht. Historisch ist dies nicht begründbar. Vererbt werden die genetischen Eigenschaften und bestimmte Verhaltensauflagen. Deshalb ist es im historischen Kontext gesehen nicht verwunderlich, dass die Vererbung von Rechten und Vermögen, wie zum Beispiel dem Hof oder dem Unternehmen, auch mit Pflichten einhergeht, die gleichermaßen vererbt wurden.
Diese Pflichten bestanden zum Beispiel in der Erhaltung des Vermögens, aber auch in der Sorge für die Arbeiter und Angestellten und die Familie. Erbschaft war somit ein umfassendes Sicherungssystem und diente nur mit entsprechenden Auflagen der Weitergabe von Vermögen zu dessen Erhaltung und Mehrung. Und heute?
Auflagen spielen bei Erbschaften auch heute noch eine Rolle, aber oft nicht mehr vordringlich. Nur noch selten werden Höfe und betriebliche Erhaltungsverpflichtungen innerhalb der Familie weitergeben. Im Vordergrund stehen Aktien, Wertgegenstände und Geldmittel, die von Todes wegen verteilt werden sollen. Es ist dabei mehr der Überfluss, als die Notwendigkeit, der das Handeln bestimmt. Wem gebe ich was und warum? Diese Fragen stellen sich viele Erblasser, ohne sie hinreichend begründen zu können.
Mit dem weitgehenden Verlust des Erhaltungsgebots geht das zunehmen fehlende Bedürfnis einer Erbengeneration einher. Sicher, ein vererbtes Vermögen wird nicht verschmäht, aber es verpflichtet in der Regel zu nichts und folgt meist anderen Regeln, als das früher der Fall war. Das Verhalten der Erben ist nicht auf Vermögenserhalt und die sinnvolle Nutzung auch im Sinne des Erblassers gerichtet, sondern Nachlässe werden zur Stillung eigener Bedürfnisse eingesetzt.
Dabei spielen die stets als ungerecht empfundene Erbschaftsteuer, Verschonungsbeiträge und Prüfung der Zuwendungen unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten eine viel ausschlaggebendere Rolle als die Sinnhaftigkeit der Erbschaft an sich. Umsichtige Erblasser fangen an, dieses Missverhältnis zu begreifen und versuchen, auch post mortem dem Nachlass einen bleibenden Sinn zu verleihen.
Dies geschieht durch die Einrichtung und Unterhaltung gemeinnütziger Einrichtungen, zum Beispiel Stiftungen, die nicht nur Vermögen erhalten, sondern auch dem ursprünglichen Ideal der Erbschaft entsprechend, das heißt der Erblasser selbst verpflichtet sich, kommenden Generationen eine Grundlage für das weitere Fortkommen zu schaffen, und zwar materiell als auch ideell.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski