Archiv für den Monat: April 2019

Erbe

Eine Erbschaft wird vor allem mit dem Tod eines Menschen und der Weitergabe seines wirtschaftlichen Vermögens in Verbindung gebracht. Historisch ist dies nicht begründbar. Vererbt werden die genetischen Eigenschaften und bestimmte Verhaltensauflagen. Deshalb ist es im historischen Kontext gesehen nicht verwunderlich, dass die Vererbung von Rechten und Vermögen, wie zum Beispiel dem Hof oder dem Unternehmen, auch mit Pflichten einhergeht, die gleichermaßen vererbt wurden.

Diese Pflichten bestanden zum Beispiel in der Erhaltung des Vermögens, aber auch in der Sorge für die Arbeiter und Angestellten und die Familie. Erbschaft war somit ein umfassendes Sicherungssystem und diente nur mit entsprechenden Auflagen der Weitergabe von Vermögen zu dessen Erhaltung und Mehrung. Und heute?

Auflagen spielen bei Erbschaften auch heute noch eine Rolle, aber oft nicht mehr vordringlich. Nur noch selten werden Höfe und betriebliche Erhaltungsverpflichtungen innerhalb der Familie weitergeben. Im Vordergrund stehen Aktien, Wertgegenstände und Geldmittel, die von Todes wegen verteilt werden sollen. Es ist dabei mehr der Überfluss, als die Notwendigkeit, der das Handeln bestimmt. Wem gebe ich was und warum? Diese Fragen stellen sich viele Erblasser, ohne sie hinreichend begründen zu können.

Mit dem weitgehenden Verlust des Erhaltungsgebots geht das zunehmen fehlende Bedürfnis einer Erbengeneration einher. Sicher, ein vererbtes Vermögen wird nicht verschmäht, aber es verpflichtet in der Regel zu nichts und folgt meist anderen Regeln, als das früher der Fall war. Das Verhalten der Erben ist nicht auf Vermögenserhalt und die sinnvolle Nutzung auch im Sinne des Erblassers gerichtet, sondern Nachlässe werden zur Stillung eigener Bedürfnisse eingesetzt.

Dabei spielen die stets als ungerecht empfundene Erbschaftsteuer, Verschonungsbeiträge und Prüfung der Zuwendungen unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten eine viel ausschlaggebendere Rolle als die Sinnhaftigkeit der Erbschaft an sich. Umsichtige Erblasser fangen an, dieses Missverhältnis zu begreifen und versuchen, auch post mortem dem Nachlass einen bleibenden Sinn zu verleihen.

Dies geschieht durch die Einrichtung und Unterhaltung gemeinnütziger Einrichtungen, zum Beispiel Stiftungen, die nicht nur Vermögen erhalten, sondern auch dem ursprünglichen Ideal der Erbschaft entsprechend, das heißt der Erblasser selbst verpflichtet sich, kommenden Generationen eine Grundlage für das weitere Fortkommen zu schaffen, und zwar materiell als auch ideell.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

SGB II

Feierlich verkünden Politiker bei Gelegenheit, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. Dies ist sogar unter Artikel 1 unseres Grundgesetzes verbürgt, und zwar als ein direkter Anspruch gegenüber dem Staat. Der Staat hat unsere Würde zu achten und alles zu unterlassen, was dieses Grundrecht beeinträchtigt.

Was macht nun die Würde eines Menschen aus? Zum einen geht es um seine persönlichen Belange wie Schutz vor Gewalt, ungestörtem Leben unter Beachtung der Rechtsordnung und den Erhalt materieller Lebensgrundlagen als auch garantierter Respekt vor seiner Selbstbestimmung als Mensch.

Das scheint mir aber durch SGB II nicht gewährleistet zu sein. Alles ist dort reglementiert, von der Grundsicherung bis zu Verschonungsbeiträgen. Was einem Menschen einerseits gewährt wird, kann ihm unter Umständen woanders wieder abgezogen werden. Es geht dabei auch um einmalige Ausstattungszuwendungen und Abschläge. Die als Sozialfälle hiervon betroffenen Menschen wissen viel weniger von den Grundlagen all der im Sozialgesetzbuch festgeschriebenen Anordnungen als die in den Sozialämtern tätigen Angestellten des öffentlichen Dienstes.

Sie kennen aber deren Wirkung. Die Wirkung ist Entmündigung. Wie oft auch als Konsument, wird hier der bedürftige Mensch zum Gestaltungssubjekt mächtiger staatlicher Anonymität. Ist diese Form der Ausgeliefertheit gegenüber staatlicher Macht noch mit der Würde des Menschen vereinbar? Ich glaube nicht. Ich glaube, dass wir anfangen müssen, die Bedeutung des Menschen in unserer Gesellschaft völlig urteilsfrei neu zu erfassen und in einer sich ändernden Wirklichkeit zu erproben. Wir müssen dem Menschen zutrauen, für sich selbst verantwortlich zu sein, Anspruchsverhalten nicht als Maßstab zu begreifen. Er muss vielmehr selbstbewusst einschätzen, was er für sich selbst und andere leisten kann.

Gefordert ist die Familie, die Gemeinschaft und schließlich wir alle. Jeder Mensch hat ein Recht auf ein würdevolles Leben, materiell und ideell. Die Würde des Menschen erfordert, dass man ihm Wohnraum zur Verfügung stellt, Kindergärten und Schulen ausrüstet, damit sie dem Bildungsauftrag gerecht werden können. Er muss Gelegenheit zur Beschäftigung haben, für die es sich lohnt zu leben. Wir müssen heraus aus der Beliebigkeit, aus der Bevormundung und dem Versuch, mit materiellen Zuwendungen nach Gutsherrenart den Menschen gefügig zu halten.

SGB II gehört abgeschafft. Grundeinkommen allein ist auch keine Lösung. Wir benötigen ein gesamtgesellschaftliches Modell aus familiärer Verantwortung, gesellschaftlicher Sinn, Beschäftigung, Pflege und Bildung. Mit den alten kapitalistischen Ansätzen ist das nicht zu schaffen, wagen wir daher einen Blick in eine Zeit philanthropischer Lösungsmöglichkeiten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski