Archiv für den Monat: September 2019

Determinante

Was bestimmt uns auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln? Allgemein wird dies so beantwortet, dass unser Bewusstsein das Handeln bestimmt. Was allerdings unser Bewusstsein prozessual bedeutet, das wissen wir bis heute nur ansatzweise. In Fachbüchern ist von neuralem Geflimmer die Rede, von historischen Erfahrungen aus der Menschheitsgeschichte, Gefühlen und Ratio. Aber das letzte Wissen von unserem Bewusstsein fehlt, weil unser Bewusstsein eine Projektionsfläche für unser Handeln benötigt, sich also in den Ergebnissen zeigt, aber nicht im ersten logischen Moment.

Unser Bewusstsein offenbart zudem nicht alle Zutaten, die es ausmachen und verschweigt schließlich die Realität. Unser Bewusstsein kann sich in jedem beliebigen Raum verwirklichen. Es beinhaltet einen Moment des menschlichen Urknalls, den ich hier als Determinante bezeichnen möchte.

Wir Menschen machen sinnlose und nutzlose Dinge, mehren Reichtum, wo es nicht nötig ist, zerstören dort, wo wir uns schaden, rüsten auf und quälen und foltern, gestalten kurzum die Welt auf eine Weise, die sogar das Überleben der Menschheit gefährdet. Das mag irrational sein, beinhaltet aber einen möglichen tieferen Sinn. Diesen Sinn haben Menschen in der Vergangenheit bei Gott verortet. Gott als unser Determinator. Er bestimmt und wir müssen seinen Ratschluss nicht unbedingt verstehen. Dessen Unerklärlichkeit bestimmt den Glauben.

Wenn wir heute den Glaubensverlust erleben und Gottes Existenz bezweifeln, fehlt uns für die Unerklärlichkeit des Lebens eine Begründung. Diese können uns weder Wissenschaft, noch Philosophie oder Einsicht liefern. Irgendwann hat etwas mit uns begonnen, was über unsere Existenz als Wesen hinausgreift und auch ein Verhalten bestimmt, das unserem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Selbst, wenn Seele und Gemüt als Träger dieses Unerklärlichen nicht taugen und auch Gott in unserem Bewusstsein abdanken muss, vermögen wir uns dieses, uns bestimmenden Umstandes, der uns unbegreiflich bleibt, nicht zu entledigen. Die Materie erklärt uns nicht, sondern ist lediglich Behältnis für eine Determinante, die unser Leben bestimmt. Es ist an uns, diese zu bezeichnen: Schicksal, Gott oder Seele? Wie es uns beliebt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Cyborg

Mensch und Maschine verschmelzen ineinander. Ist dies Science-Fiction oder eine auf uns zustürzende Realität? Da gehen die öffentlichen Betrachtungen weit auseinander. Zumindest noch. Augenblicklich arbeiten wir uns an den digitalen Möglichkeiten und der Einschätzung künstlicher Existenz ab. Handelt es sich hierbei um eine verlängerte Werkbank oder ein selbstlernendes System?

Stets werden die Mutmaßungen und Einsichten von der Beschwichtigung begleitet, dass eine Maschine auch nur so arbeiten könne, wie es der Mensch erlaube. Also scheint gewährleistet zu sein, dass der Mensch die Maschine abstellen kann, wenn diese versucht, etwas zu bewerkstelligen, was ihr nicht beigebracht wurde. Stimmt das auch wirklich? Können wir aufatmen? Ich glaube nicht.

Wissenschaftler arbeiten heute schon im organischen Bereich an Substanzen, die nicht nur Leben simulieren, sondern Leben hervorbringen. Sie züchten Zellen, lassen dabei deren Kulturen sich aus an- und organischen Zutaten entwickeln. Dies geschieht in einem Umfange, der zur Eigenständigkeit dieser Zellcluster führt, soweit ihnen Nahrung zugeführt wird. Das dies nicht mehr des lebenden Menschen, sondern nur noch organischer Zutaten bedarf, um menschenähnliche Zellkulturen zu entwickeln, ist hinlänglich bekannt.

Gelingt es zur Zellenzucht auch die passende DNA zu liefern, dann ist es auch möglich, mit dem 3-D-Drucker die gewünschten Organe herzustellen. Was bei Mäuseherzen schon gelungen ist, wartet auf eine Bestätigung durch die Herstellung menschlicher Organe. Der Zweck heiligt die Mittel.

Die Absichten sind natürlich wohlmeinend: Verlängerung des Lebens, Ersatz schadhafter Organe, Beseitigung tumorzerfressener Gewebe usw. Ich gebe allerdings zu bedenken: Wenn uns dann alles schließlich gelingt, was möglich ist, was sollte uns dann davon abhalten, menschlichen Odem auch Wesen einzuhauchen, die wir selbst aus den sich bietenden Möglichkeiten geschaffen haben. Homunculus. Der Cyborg ist kein Menschheitstraum oder – Trauma. Wir wussten doch schon immer, dass es irgendwann soweit kommen wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Teile und herrsche – Sharing Economy

Nicht die Welt ist aus den Fugen geraten, sondern unsere Wahrnehmung von Veränderungen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, klimatischen und politischen Bereich eröffnet uns die Möglichkeit, nicht nur mit den bereits erprobten und daher bekannten Handlungsmodellen auf gegenwärtige und künftige Herausforderungen zu reagieren, sondern vielfältiger, sensibler, komplexen und auch fragiler. Dabei sollten wir allerdings nicht verkennen, dass alle unsere Überlegungen und Handlungsangebote selbst Entwicklungsprozessen ausgesetzt sind, also alle die Endgültigkeit anstrebenden Modelle keine Verwirklichungschance haben.

Es gibt rationale Gründe dafür, aber auch emotionale Überzeugungen, dass der bisherige demokratische Kapitalismus keine Zukunft hat. Bewährtes wird möglicherweise zumindest auf Zeit erhalten bleiben, aber insgesamt werden keine Lösungen mehr möglich sein, die nicht auf permanenten Fragestellungen beruhen. Um der Zersplitterung und Beliebigkeit zu entgehen, ist es dabei erforderlich, gesellschaftliche Nenner aufzutun, die die gesellschaftliche Orientierung für viele komplexe Fragen erlauben, seien diese aus dem Bereich Klimaschutz, Müllvermeidung und Altenpflege, um nur drei wichtige Punkte zu benennen.

Ein gesellschaftliches System, selbst wenn es ausgedient haben sollte, wieder einfach durch ein anderes zu ersetzen, wird künftig keine Handlungsempfehlung mehr sein. Erfahrungen sind wichtig, aber wir sind frei, umfassend neu zu empfinden, zu denken und Möglichkeiten zu erproben. Unsere Gesellschaft hat sich global und partikulär Dank Internet, der Plattformen der Begegnung und sonstiger technischer Möglichkeiten partizipativ entwickelt.

Was liegt daher näher, als dieses Partizipationsmodell als Role-Model zu verwenden und dabei darauf zu achten, dass alle Kräfte freigesetzt und auch gebündelt werden, um gemeinsame Ziele, klimatisch, wirtschaftlich, politisch und sozial zu erreichen. Durch „recoupling“ wird wirtschaftlicher und sozialer Erfolg verbunden, die Wirtschaft der Zukunft ist gemeinwohlorientiert und findet ihren Ausdruck in Sharing Economy, Kreislaufwirtschaft, Co-Working und gemeinsamer Anstrengung, diesen Planeten als lebenswert zu erhalten. Alles von Menschen für Menschen. Wir sind vor neue umfassende Aufgaben gestellt. Das vermag in uns einen Pioniergeist zu entzünden, schafft Lebensbestätigung und Gestaltungsmut.
Packen wir es an!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski