Archiv für den Monat: März 2020

Positiv

„Positiv zu sein, ist eine Chance.“ Diese und ähnliche Parolen las ich auf der Hauptstraße einer Landgemeinde in Südafrika. Gemeint war, dass derjenige, der positiv auf HIV getestet wurde, seine Chance auf Leben wahrnehmen darf und sollte.

Diesen Appell verdanken wir Hugo Tempelman, einem nicht nur begnadeten Arzt, der in Südafrika wirkt, sondern auch dessen großem sozialen Verständnisses. Wer positiv denkt, überwindet nicht nur Krankheiten, sondern gewinnt auch eine Lebenseinstellung, die vieles ermöglicht, was auf den ersten Blick unerreichbar erscheint.

Wieso? Es passiert, dass die ganzen Kräfte sich darauf konzentrieren, Möglichkeiten zu erkennen, vorhandene einschränkende Denkmuster überwunden werden und sich Zuversicht und Freude dabei einstellt, Neues und Unerwartetes auszuprobieren. Das Verharren in individuellen, sozialen und politischen eindimensionalen Denkstrukturen bewegt nichts.

Aus Frustration entsteht Selbsthass und Selbsthass steigert den Hass auf alles, was sich dagegen nicht wehren kann. Jede Selbstbeschränkung, sei diese ideologisch oder emotional, stärkt die Erreger von seelischen Krankheiten und verhindert jeden Heilungsverlauf. Wenn wir dem gesunden und kollektiven Selbstempfinden eine Chance geben wollen, müssen wir anfangen, positiv zu denken, zu empfinden und zu handeln. Diese Chance hat jeder einzelne Mensch und wir alle zusammen als Gruppe, Gemeinschaft, Volk und Weltenbürger.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Corona-Virus

Eine lebenserfahrene Russin aus Sankt Petersburg hat mich darüber informiert, dass es sinnvoll sei, künftig orangefarbige Kleidung zu tragen, da das Corona-Virus diese Farbe nicht ausstehen kann. Wir lernen daraus, dass sich Probleme einfach lösen lassen, wenn man der passenden Farbe vertraut. Die Bhagwan-Anhänger sind eindeutig im Vorteil. Sannyasins holt eure Umhänge aus dem Schrank und ihr seid gerettet! Mein Aufruf verfängt.

Der Farbenschutz ist Gesprächsthema und bald werden nebst Mundschutz und Sterilisationsflüssigkeiten, auch Schuhe und Kleider in Orange nicht mehr zu haben sein. Wir erfahren, dass jede Seuche, jede Katastrophe oder auch nur Unannehmlichkeiten eine begleitende Geschichte benötigen, die uns wieder Hoffnung schöpfen lässt. Wir brauchen diese Hoffnung und die dazu passende Geschichte, da anderenfalls auch bei uns nichts mehr läuft. Fast alle Veranstaltungen wurden bisher abgesagt, Touristen bleiben weg und der Verkehr auf den Straßen wird nachlassen.

Wir verbessern unsere CO2-Bilanz, schlittern aber in die Rezession, wenn wir uns nicht zur richtigen Farbe bekennen. Deshalb sollten wir mutig sein und diese Pandemie als Auszeichnung für die Rettung unseres Planeten mit einer Verdienstplakette in Orange würdigen. Wir haben begriffen, dass wir alles tun müssen, um der Überbevölkerung Herr zu werden. Da Wissenschaftler nicht mit Hungersnöten rechnen und Kriege nicht mehr alles versprechen, was sie bieten, sind Pandemien naturgebotene Korrektive. Das erscheint nicht fair, da wir Menschen auf der westlichen Hemisphäre unseres Planeten nebst den Chinesen alles getan haben, um den Wohlstand der Menschen zu verbessern, die Lebensbedingungen zu optimieren und unserer Unsterblichkeit etwas näherzukommen.

Gibt es etwas, das wir übersehen haben? Gibt es etwas, das wir noch lernen müssen? Gibt es etwas, das sich bisher unserer Erfahrung entzog? Das wird sich dann zeigen, wenn sich herausstellen sollte, dass die lebenserfahrene Russin aus Sankt Petersburg doch nicht recht behalten sollte. Aber das ist natürlich unwahrscheinlich.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Trost

Bist du denn noch bei Trost? Bei dieser irritierenden Ansprache spielt der Begriff Trost zwar auch eine Rolle, aber eher in der Form der Entrüstung. Ein Mensch, der so angezählt wird, erfährt keine Zuwendung, sondern gerade diese wird ihm entzogen. Dabei könnte doch der auslösende Moment des Unverständnisses trostbedürftig sein.

Ein Mensch benötigt oft dann Trost, wenn der Grund des Kummers nicht augenscheinlich ist, überhaupt nicht geäußert wird und auch nicht geäußert werden kann. Trost ist nicht ein Signal des Einverständnisses, sondern des Verständnisses. Eine Zusicherung, dass das Geschehen nicht beseitigt, aber überwunden werden kann. Trost fühlt mit, aber bleibt auf Distanz.

Zuwendung überschreitet die vom Trost gezogene Linie und mischt sich ein. Der sich einem anderen zuwendende Mensch begreift das Anliegen in seiner ganzen Dimension und bietet Hilfe zur Überwindung schwieriger Zustände an. Der Zuwender wird Pate des Zuwendungsempfängers. Er hat eine Aufgabe übernommen, die erst dann endet, wenn der Zuwendungsempfänger selbst bereit ist, auf diese zu verzichten. Trost benötigt er dazu nicht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wer bin ich?

Vor kurzem war ich bei einer Veranstaltung der Einstein-Stiftung Berlin im Zeiss-Großplanetarium. Vortragender des Abends war Herr Professor Surjo Soekadar. Er ist Einstein-Professor für klinische Neurotechnologie an der Charité Berlin.

Sein Thema war: Wer kontrolliert hier wen? Eine Reise an die Schnittstelle von Gehirnen, künstlicher Intelligenz und Robotik. Die durch Projektionen begleitete Darstellung unserer Gehirnaktivitäten war für mich als Laie kaum nachvollziehbar, aber hoch interessant. Eine für viele eher nebensächliche Bemerkung des Referenten will ich allerdings mit meinen Lesern teilen.

Auf Nachfrage aus dem Publikum, wann ein Mensch tot sei, ging er zunächst auf die Beendigung des Lebens durch Ausbleiben von Gehirnströmen ein. Merkwürdigerweise ließ er es aber dabei nicht bewenden, sondern es klang in seinen Ausführungen nach, dass wir auch dann nicht wissen, was weiter im Gehirn eines Menschen vorgeht, weil die Komplexität des menschlichen Gehirns solche Eindeutigkeiten nicht zuließe.

Die genaue Wortwahl kann ich nicht wiedergeben, aber ich fand diese Aussage doch so erstaunlich, dass ich meine, diese mitteilen zu müssen. Wenn das so ist, wann können wir dann den Tod bescheinigen? Was denkt im Gehirn, wenn es abgeschaltet ist? Ist es vielleicht so, dass sich sämtliche Milliarden Daten des Menschen in eine Cloud zurückziehen? Fühlen mag man das schon, wenn ich bedenke, dass ich nach dem Tod meines Vaters am Vormittag seine Gegenwart noch bis zum Abend im Todeszimmer gespürt habe, dann war sie weg. Also, was haben wir nun: Den klinischen Tod, den philosophischen Tod und den transmedialen Datentod? Was gilt?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Nahsicht

Aus naher Sicht geht es in Deutschland, in Europa, in der Welt und im gesamten Universum sehr turbulent zu. In Deutschland machen uns Singularitäten jeder Farbschattierung, Gleichmacherei, soziale Unterschiede, Gier, Wut, Rechthaberei, Anmaßung, Furchtsamkeit, Hinterhältigkeit, Mutlosigkeit und Selbstbespiegelung zu schaffen.

In Europa und in der Welt ist das nicht anders, unterschiedlich allein sind Felder, auf denen sich diese Gefühle austoben. Aus der Ferne betrachtet, entspricht dies immer dem menschlichen Reigen seit unseren Anfängen an. Dort, wo der Mensch Opportunitäten erkennt, nimmt er sie wahr, ob in der Politik, in der Wirtschaft, im öffentlichen Raum oder im Privaten. Der Mensch ist eher anpassungs-, als lernfähig, betrachtet Vergangenes als vergangen und Künftiges als nicht da. Wegen seines Nahsichtgeräts fällt es dem heutigen Menschen schwer, wahrzunehmen, dass sich die geschichtliche DNA nicht verändert hat, sondern zeitgemäß anzupassen ist und schon die heutige Gestaltungs- und Verhaltensweise nicht mehr diejenige von Morgen sein muss.

Wir haben Schwierigkeiten, dieses Morgen mit zu bedenken, haben allerdings Kinder und Enkelkinder, die heute zwar schon geboren sind, aber noch nichts zu sagen haben. Es ist dennoch unverantwortlich, wenn wir unsere Kinder und Enkelkinder in die Gestaltung unserer Zukunft nicht mit einbeziehen. Es geht nicht darum, was wir in diesem Moment für opportun erachten, sondern wir müssen bedenken, was alles künftig geschehen wird. Jede Generation gibt ein Versprechen, das es einzulösen gilt. Früher war die Parole: „Unsere Kinder sollen es besser haben“.

Heute wäre es hilfreich, nicht nur die Kinder, sondern auch die Gesellschaft, andere Menschen, die Umwelt und die Welt zu bedenken, indem man schon zu seinen Lebzeiten die Weichen für sie günstig stellt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski