Archiv für den Monat: Juli 2020

Catuskoti

Neulich las ich bei Wikipedia über Catuskoti, wobei es um die logischen Argumente auf vier Fragen geht, die Buddha gestellt werden und Buddha dabei auf alle Fragen, ob etwas existiere oder nicht existiere antwortet, dass er das nicht behaupte.

Mir ist dabei aufgefallen, dass es bei der Beurteilung, die hier exemplarisch mit Buddha verbunden, aber auch sonst bei logischen Fragestellungen praktiziert wird, meist nicht um den Gegenstand der Betrachtung geht, sondern um das Urteil des Betrachters. Müsste es nicht aber so sein, dass Logik sich nicht an dem begrifflich bereits Festgelegten orientiert, sondern an der Rückbezüglichkeit vom Gegenstand der Betrachtung zum Betrachter selbst?

Wer ist der Betrachter, welche Maßstäbe legt er bei seinen Betrachtungen an? Welche Begriffe wählt er und warum? Eine nicht statuarische, sondern prozessuale Vorgehensweise bei der Gestaltung eines logischen Prozesses lässt möglicherweise die Sprache verstummen, wenn sie aufgrund ihrer Vorbefasstheit keine Antwort darauf hat, was logischerweise richtig oder falsch ist. Logik ist nicht die Dopplung von Objekt und Betrachtung, sondern eine Stimmigkeit, die wir versuchen zu dechiffrieren, dabei zerlegen und mühevoll versuchen, wieder auf einen Nenner zu bringen, was wir dann als logisch bezeichnen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Konsumismus

Die Wirtschaft wieder ankurbeln. Das ist das zentrale Anliegen der Regierungen trotz Corona-Epidemie. Die ist nicht vorbei, hat aber einen anderen Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung erfahren. Menschenleben gegen Wohlstand. Die Abwägung geschieht klammheimlich, denn mit der Wirtschaft geht es bergab und wenn der Markt nicht mehr funktioniert, hat der Staat auch keine Einnahmen. Steuern sind indes wichtig, um die ungeheuren Schulden zu bezahlen, die sich in Europa und jeder anderen europäischen Nation auftürmen.

Da die Märkte global angelegt sind, beschränkt sich die Verschuldung nicht auf Europa, sondern hat globale Aspekte. Wer soll die Wirtschaft wieder in Schwung bringen? Unsere Regierung gibt die Antwort: der Konsument. Deshalb wird zumindest vorübergehend die Umsatzsteuer gesenkt und werden und wurden Geldgeschenke verteilt. Die Aufforderung ist unmissverständlich. Der Konsument soll alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einschließlich Reserven nutzen, um auf den Markt zu gehen und zu kaufen und die Käufe zu feiern. Dies natürlich vorzugsweise nicht im Ausland, sondern im Heimatland.

Das ist nicht der Ruck, sondern der „Wumms“, der durch Deutschland gehen soll. Der Konsument ist gefragt, die Shopping Malls sind rund um die Uhr wieder geöffnet. Der strategische Nutzen für die Wirtschaft, wie wir sie bisher kannten, ist nachvollziehbar. Die Frage ist allerdings, ob dies so weitergehen kann und soll.

Erlaubt uns Corona nicht vielleicht die Möglichkeit, wieder grundsätzlicher nachzudenken? Hat denn Menschen das Shoppen, der ständige Konsumismus attraktiver und glücklicher gemacht? Ich glaube nicht. Über die Vorsorge, die Bedürfnisse und die Notwendigkeiten hinaus zu konsumieren, schafft einen Warenreichtum, der nicht nur die Umwelt belastet, sondern auch keinerlei Befriedigung verschafft. Durch den Konsumismus werden die Menschen in ein Anspruchsverhalten gelockt, dass wie eine Droge ihnen abverlangt, dieses Anspruchsverhalten nie wieder aufzugeben.

Ansprüche machen indes nicht nur einsam, sondern verstärken die Ich-Sucht. Wenn Anspruch auf Anspruch folgt und dies auch staatlich befürwortet wird, dann ist es naheliegend, dass jeder, ob reich oder arm, und zwar jeder auf seinem Niveau den Eindruck hat, er sei zu kurz gekommen, seine Ansprüche seien nicht hinreichend bedacht und befriedigt. Die Folge von Konsumismus ist Egozentrik, die unnachgiebig auf das eigene Wohl bedacht ist, das allerdings aufgrund des permanenten Anspruchsverhaltens niemals befriedigt werden kann.

Wenn wir in Corona-Zeiten etwas lernen dürften, dann Aussagen, wie das Handeln des Staates, der Gesellschaft, der Wirtschaft und unser eigenes Verhalten zu hinterfragen sei. Wir sollten anfangen, uns auf unsere wirklichen Bedürfnisse zu beschränken und dadurch zu einer Entlastung der Gesellschaft von Überflüssigem beizutragen. Dann würde ein Ruck durch Deutschland gehen, der uns hellsichtiger und reicher machen würde.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Das Böse lehren lernen

Denkmäler werden geschliffen. Nicht nur diejenigen von bekannten Sklavenhändlern, sondern auch von geschichtlichen Wegweisern wie Christoph Columbus. Nach Auffassung einiger Menschen kann deren Verhalten nicht gerechtfertigt werden, weil sie für Sklaverei, Menschenhandel, Diskriminierung anderer Menschen und Kolonialismus verantwortlich seien.

Ziel der Kampagne ist es aufzuzeigen, dass unsere Menschheitsgeschichte auch immer eine schreckliche, andere diskriminierende und verachtende Geschichte gewesen ist. Unter Benennung aller Einzelheiten, persönlichen und kollektiven Fehlverhaltens verbiete es sich, dieses Verhalten geschichtlich zu relativieren, in dem man den Vorgang nur in seiner Zeit und aus seinen Umständen heraus betrachtet. Vielmehr sei alles, was geschehen ist und Menschen sich wechselseitig angetan haben, höchst gegenwärtig und werden durch Verhaltensweisen und ggf. auch Denkmäler bezeugt. Deshalb müssten diese weichen und diejenigen, die entwicklungsgeschichtlich eher den Tätern zuzurechnen seien, sich in Buße üben. Buße bedeute dabei, sich der Rolle zu vergegenwärtigen, die die heutigen Menschen damals gespielt haben könnten, wären sie am Leben gewesen.

Keineswegs könnten aber heutige Menschen, die sich im Wahrnehmungskreis der Täter befänden, eine Opferdeutungsrolle übernehmen, ganz gleich, ob dies im geschichtlichen Kontext oder im Zusammenhang mit denjenigen stehe, die heute noch das Stigma des Opfers tragen müssten. Zwischen Opfer und Täter, ob geschichtlich oder gegenwärtig, gibt es so nur einen angestrengten Weg der Verständigung, nur über Buße und Nachsicht. Dabei gäbe es einen Weg, gemeinsam zu lernen und das Böse, das Menschen anderen angetan haben und immer wieder antun, als Lehrmeister auszubilden für das eigene Verhalten und daraus die Kraft des Verstehens, der Überwindung und der Vergebung zu schöpfen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Dunkelziffer

Dunkelziffer? Ist eine solche Ziffer im mathematischen Darknet zu Hause? Warum ist diese Ziffer lichtscheu und zeigt sich uns nicht? Gibt es diese Ziffer überhaupt oder ist sie nur ein Phantom? Wie ist diese Ziffer beschaffen, etwa wie jede Hellziffer oder ganz anders? Wenn es diese Ziffer geben sollte, wofür steht sie? Benennt sie etwas Vorhandenes oder verweist sie nur in einen Raum, der tatsächlich nicht erfassbar ist? Was ist in diesem Raum vorhanden, dass es sich in Ziffern ausdrücken ließe? Wer ist auf die Idee gekommen, dass es Dunkelziffern gäbe? Ist es eine Erfindung, eine fixe Idee des Verwenders eines solchen Begriffs?

Natürlich weiß ich, dass mit Dunkelziffern landläufig etwas beschrieben wird, von dem man annimmt, dass es auf Ergebnisse Einfluss nimmt und diese daher korrigiert werden müssten, wenn man die Dunkelziffer benennen könnte. Dunkelziffer ist eine Ziffer im Konjunktiv. Sie gibt es oder sie gibt es nicht. Mit ihr wird etwas ausgedrückt oder unterlassen, sie ist Platzhalter für das Unbestimmte. Das Unbestimmte sind Selbstmorde, Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Sexualdelikte, Gewaltdelikte, Beleidigungen und sonstige Umstände, die nicht erfasst und so auch nicht gänzlich in Statistiken untergebracht werden konnten.

Die Ziffer ist eine Unbekannte und versucht, uns einen Raum zu dechiffrieren, den wir nicht kennen. Dunkelziffern haben keine eigene Existenz, sondern sind von unserer Zuweisung abhängig. Wir geben der Dunkelziffer einen Auftrag. Sie soll etwas benennen, von dem wir annehmen, dass es das gibt, es aber nicht wissen. Auch, wenn wir die Dunkelziffer benennen, sind wir stets bemüht, ihr den Platz, den wir ihr zumessen, streitig zu machen.

Man könnte auch sagen, dass wir der Ziffer in die Dunkelheit folgen, um zu sehen, was sich an ihr erhellen ließe. Auf die Dunkelziffer können wir nicht verzichten, denn das ganze Spektrum unseres Lebens wird nur dann sichtbar, wenn wir uns auch der Dunkelziffer vergewissert haben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski