Archiv für den Monat: Januar 2023

Nimmersatt

In den Begleittext menschlichen Lebens gehören die Reichen, die Armen und alle diejenigen Menschen, die zumindest weniger haben, als eine überschaubare Anzahl wohlhabender Menschen. Während die einen trotzig ihren Reichtum zur Schau stellen und verteidigen, beklagen die anderen die aus der Abwägung ersichtliche Ungerechtigkeit, die darin liegt, dass sie weniger als die Reichen haben. Die wirklich Bedürftigen und Armen spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle. Es sind einfach zu viele.

Im Kräftemessen zwischen den Reichen und den weniger Vermögenden geht es in erster Linie darum, dass jeder so viel haben möchte, wie der andere auch. Neid ist ein verlässlicher Gerechtigkeitsparameter. Aber wem sollte der Reiche etwas neiden?

Niemandem. Er hat aber ein anderes Anliegen. Zu seiner Grundausstattung gehört es, mit aller ihm gebotenen Macht, seinen Besitzstand zu verteidigen. Er codiert seine Macht durch Gesetze, Abschreckung, Kriege und alle ihm sonst gebotenen Möglichkeiten. Er ist auch gierig, weil allein seine Gier Verlusten vorbeugen kann. Und vor diesen hat der Reiche Angst.

Neid und Gier sind aber Vorder- und Rückseite derselben Medaille. Es geht dem Reichen und dem nicht so Wohlhabenden keineswegs um Verarmung, sondern um existenzielle Lebensgefährdung, gut vergleichbar mit einer schweren körperlichen Krankheit oder einem psychischen Defekt. Der Konflikt zwischen „reich“ und „arm“ bzw. auch nicht so wohlhabend, hat somit auch eine medizinische Komponente, die Fachärzte auf den Plan rufen sollte.

Es ist festzustellen, dass das fortschreitende Alter und die Erwartung, dass der Tod einem auf die Pelle rückt, eher dazu führt, dass der Reichtum noch rabiater verteidigt wird bzw. die Gier zunimmt. Die Abwehr der drohenden Gefahren schließt dabei Selbstgefährdung mit ein, weil alles als Bedrohung empfunden wird. Den Kindergeschichten nach wird aus der Raupe Nimmersatt ein genügsamer Schmetterling. Wie verhält es sich beim Menschen? Wird er ein Engel?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Steuern

Als Rechtsberater in Erbangelegenheiten werde ich bei der Neuaufnahme eines Mandats regelmäßig mit der Frage konfrontiert, dass eine Lösung gefunden werden müsse, die die Erbschaftsteuer vermeide oder zumindest erheblich mindere. Auf meinen Hinweis an den potentiellen Erblasser, dass nicht er, sondern seine Erben möglicherweise Steuern zu zahlen haben, reagiert dieser regelmäßig irritiert, als habe er dies erstmalig vernommen. Er ist aber auch erleichtert, wenn ich ihn bitte, zunächst einmal bekanntzugeben, was er denn wolle. Um die Steuern könnten wir uns dann schließlich auch noch kümmern.

Steuern, vor allem Steuervermeidung treibt die Menschen um. Sie unternehmen fast alles am Rande oder unter Überschreitung der Legalität, um dem Staat und den Gemeinden nicht das zukommen zu lassen, was diese begehren, um die Infrastruktur in unserem Staat aufrecht zu erhalten. Auch diejenigen, die Steuerzahlungen vermeiden oder mindern wollen, bezweifeln diese Legitimität des Staates in keiner Weise, sondern mahnen diese sogar lautstark an. Sie sagen: „Wenn ich schon Steuern zahlen muss, dann soll der Staat auch liefern.“

Und genau da liegt das Problem, denn die Rechnung geht nicht eins zu eins auf. Ich kann beim Staat keine Leistung bestellen und diesen verpflichten zu liefern. Die Höhe der Steuern ist sicher auch ein Problem, aber das entscheidende Problem ist, dass die Erhebung der Steuern zwar zuweilen mit einer Infrastrukturmaßnahme begründet wird, nicht aber in der Regel.

Die meisten Steuern werden dort eingesetzt, wo Länder, Städte und Kommunen Handlungsbedarf sehen. Sie werden nicht dort eingesetzt, wo der Einzelne Handlungsbedarf sieht, weil er das Schulgebäude seines Kindes marode findet oder dringend einen neuen Pass benötigt. Es wird wenig dazu getan, beim Einsatz von Steuermitteln dankbar gegenüber dem Steuerpflichtigen dessen Beitrag zu vermitteln, im Gegenteil, die durch Wahlen erzeugte Herrschaftsgewalt über Steuermittel wird als selbstverständlich angesehen.

Wer nicht spurt, muss mit Konsequenzen rechnen, wer und wie viel zu zahlen hat, entscheidet der Verwender, also der Staat. Gefallen kann dies nicht, insbesondere nicht denjenigen, die mit Einkommens- und Mehrwertsteuer ohnehin die größte Steuerlast zu tragen haben. Es entsprach aber schon immer dem gemeinsamen Bedürfnis aller Steuerpflichtigen, diese zu vermeiden. Bei dieser Rigorosität gerät allerdings aus dem Fokus der Betrachtung, welche Wirkung mit Einnahmen und Ausgaben erzielt werden soll.

Welchen Sinn verfolgen wir mit unserem Handeln, ob als Staat, als Gemeinschaft oder als Einzelner? Um auf das Eingangsbeispiel zurückzukommen: Ist es nicht vielleicht sinnvoller, beim Vererben an Kinder zu fragen, warum man das tue, als an Steuern zu denken? Ist es nicht vielleicht sinnvoller, in Städten und Gemeinden, sogar im ganzen Land für Vorhaben zu werben, die dann planvoll mittels Abgaben umgesetzt werden?

Das heutige Steuersystem ist dagegen obrigkeitsstaatlich. Ich setze fest, nehme ein und dann überlege ich mir, was ich damit tue. Dies widerspricht nicht nur der Tugend der Freiheit, sondern schränkt auch dort Potentiale ein, wo auch sämtliche finanzielle Kräfte gehoben und erfolgversprechend eingesetzt werden könnten. Wenn wir Steuern zahlen, weil die Bürokratie funktionieren müsse, der Bildungsauftrag erfüllt werden sollte und die Energieversorgung gewährleistet bleibt und wir dann feststellen, dass das alles gleichwohl nicht funktioniert, dann kann es nicht wirklich verwundern, dass Menschen alles daransetzen, die an sich dringend benötigten Steuern und Abgaben zu vermeiden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Inszenierung

Schafft das Leben sich selbst oder darf man es als eine Inszenierung verstehen, als Darbietungen, welche den Regeln oder auch den spontanen Einfällen von Dramaturgen und Regisseuren entsprechen? Aber wo sind die Regisseure, die das Leben, unser Leben und dasjenige der Anderen gelingend macht?

Wenn es diese geben sollte, so wirken sie unsichtbar und aus der Fernem, haben aber ihre Assistenten, die sich stets mit großem Einsatz darum bemühen, den einzelnen Darbietungen und der gesamten Inszenierung, in welche die Stücke eingebettet sind, einen Sinn zu verleihen.

Die Schar der Regieassistenten ist groß und umfasst Kirchenvertreter, Kriegstreiber, Wirtschaftsbosse und tätige Menschen gleichermaßen. Die Inszenierungen werden für das jeweilige Klientel ausgerichtet.

Um aber eine Kakophonie zu vermeiden, hat man verständlicherweise religiöse oder kriegerische Klärungsprozesse als geeignete Bausteine von Inszenierungen zugelassen. Die Genialität der Inszenierungen ist am Applaus zu messen, den sich alle Beteiligten schlussendlich bewilligen. Der Applaus gilt dem Durchhaltevermögen der Beteiligten. Welches Stück gerade gespielt wird, ist dabei uninteressant.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Preis

Alles hat seinen Preis! Wer hat diesen unerbittlichen Satz nicht schon öfters vernommen? Und er trifft ins Schwarze. Alles hat seinen Preis. Der Preis schafft ein Gleichgewicht zwischen den Ansprüchen und den Möglichkeiten, diese zu befriedigen.

Hätte die Verwirklichung unserer Ansprüche keinen Preis, wären sie uferlos. Der Preis dämpft unsere Möglichkeiten, spornt aber unsere Kräfte an und schafft denjenigen Vorteile, die sich schließlich den Preis leisten können. Ist das ungerecht?

Eher nicht, denn auch diejenigen, die sich einen höheren Preis als andere leisten können, werden sogar abwägen, ob sie zugreifen, oder vielleicht eher darauf setzen, dass der Preis nachgibt. So erkennen wir, dass der Preis eine Spiegelung unserer eigenen Verhaltensweise ist, unserer Begehrlichkeit, unseres Charakters, unserer Opferbereitschaft, unserer Begierde, unseres Verzichts und sogar unserer Vernunft.

So, wie der Preis damit Ausdruck unserer selbst ist, verleitet er uns, ihn zur Durchsetzung unserer Vorhaben zu nutzen und zu demonstrieren, dass wir größer, leistungsfähiger und sogar mächtiger als andere Menschen sind. Wir setzen die Preise fest. Indem wir den Preis aber instrumentalisieren und zum Maß aller Dinge machen, bewerten wir uns selbst und alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu handeln, zu tauschen, zu horten und umzuschichten.

Der Preis wird so das Gewicht, das die Waage zu bändigen vermag, Zukunft ermöglicht oder einschränkt. Der Preis bestimmt unseren Einsatz, kalkuliert unseren Gewinn oder besiegelt das Ende sämtlicher Möglichkeiten: Der Preis ist zu hoch.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski