In den Begleittext menschlichen Lebens gehören die Reichen, die Armen und alle diejenigen Menschen, die zumindest weniger haben, als eine überschaubare Anzahl wohlhabender Menschen. Während die einen trotzig ihren Reichtum zur Schau stellen und verteidigen, beklagen die anderen die aus der Abwägung ersichtliche Ungerechtigkeit, die darin liegt, dass sie weniger als die Reichen haben. Die wirklich Bedürftigen und Armen spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle. Es sind einfach zu viele.
Im Kräftemessen zwischen den Reichen und den weniger Vermögenden geht es in erster Linie darum, dass jeder so viel haben möchte, wie der andere auch. Neid ist ein verlässlicher Gerechtigkeitsparameter. Aber wem sollte der Reiche etwas neiden?
Niemandem. Er hat aber ein anderes Anliegen. Zu seiner Grundausstattung gehört es, mit aller ihm gebotenen Macht, seinen Besitzstand zu verteidigen. Er codiert seine Macht durch Gesetze, Abschreckung, Kriege und alle ihm sonst gebotenen Möglichkeiten. Er ist auch gierig, weil allein seine Gier Verlusten vorbeugen kann. Und vor diesen hat der Reiche Angst.
Neid und Gier sind aber Vorder- und Rückseite derselben Medaille. Es geht dem Reichen und dem nicht so Wohlhabenden keineswegs um Verarmung, sondern um existenzielle Lebensgefährdung, gut vergleichbar mit einer schweren körperlichen Krankheit oder einem psychischen Defekt. Der Konflikt zwischen „reich“ und „arm“ bzw. auch nicht so wohlhabend, hat somit auch eine medizinische Komponente, die Fachärzte auf den Plan rufen sollte.
Es ist festzustellen, dass das fortschreitende Alter und die Erwartung, dass der Tod einem auf die Pelle rückt, eher dazu führt, dass der Reichtum noch rabiater verteidigt wird bzw. die Gier zunimmt. Die Abwehr der drohenden Gefahren schließt dabei Selbstgefährdung mit ein, weil alles als Bedrohung empfunden wird. Den Kindergeschichten nach wird aus der Raupe Nimmersatt ein genügsamer Schmetterling. Wie verhält es sich beim Menschen? Wird er ein Engel?
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski