Wenn von Fürstenhäusern die Rede ist, vernimmt man häufig Ausführungen zur Tradition und zum Stammbaum. Es wird ausführlich davon berichtet, wer sich mit wem eingelassen hat und welche Erwartungen die Öffentlichkeit an diese Verbindung knüpfen darf. Eine entsprechende mediale Aufmerksamkeit wird auch Genies geschenkt. Politiker und Sportler verweisen ebenfalls gern auf ihr Elternhaus mit dem Zusatz, dass sie es gerade deshalb oder auch trotzdem geschafft haben, ihre berufliche Stellung zu erringen.
Ansonsten nehmen die meisten Menschen ihre Verwandtschaft oft nur bei Familienfeiern wahr, entweder als lästig oder unumgänglich bzw. hilfreich. Eine tiefere Auseinandersetzung mit Verwandtschaft und Abstammung erfolgt in der Regel nicht und systematische Bearbeitung, wie es zur Tier- und Pflanzenwelt praktiziert wird, nur dann, wenn es darum geht, Menschen in einen gesellschaftlichen oder anthroposophischen Zusammenhang zu stellen. Detailfragen zur persönlichen Verwandtschaft werden oft nur im Zusammenhang mit Erbschaften geklärt und Geburts-, Heiratsurkunden, alte Briefe, Fotos, Taufbescheinigungen und Kirchenbuchauszüge selten genutzt, um sich eine Übersicht über die vielfältigen menschlichen, kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Verbindungen innerhalb der Familie zu verschaffen.
Warum ist die oft vernachlässigte Vergewisserung über Familie, Verwandtschaft und Abstammung eigentlich so wichtig? Ich meine, durch das Entdecken der vielfältigen Beziehungen, die uns verbinden, durch das Eintauchen in die Vergangenheit und das Aufdecken von Zusammenhängen kommen wir unserer eigenen Existenz näher und werden uns bewusst, was alles erforderlich war, um uns zu dem Menschen werden zu lassen, der wir heute sind.
Meines Erachtens schafft das Sicherheit und verlangt gleichzeitig Demut, denn bei der Erforschung sind uns unter Umständen nicht nur wunderbare Überraschungen gewiss.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski