Archiv für den Monat: August 2023

Bilder

Es ist sicher nicht nur Instagram zu verdanken, dass wir diese Welt vorwiegend bildhaft begreifen. Durch Selfies versichern wir uns und anderen, dass wir vorhanden sind, teilhaben am großen Weltspektakel. Nicht Texte, sondern Bilder fluten die Smartphones insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Die Pose ist Bildinhalt und muss den „Wischtest“ bestehen. Die Interaktion zwischen Bild und Betrachter ist entscheidend für die Beständigkeit im Konsum des bildhaft Dargestellten.

Auf der Konsumentenebene beanspruchen Bilder aber keine Ewigkeit. Sie vermitteln vielmehr zeitlich und örtlich Zustände, die mit jeder neuen Aufnahme wieder zur Disposition gestellt werden können. Die durch das Bild vermittelten Eindrücke sind niemals wahr, denn sie berücksichtigen keine Umstände, die außerhalb des Bildausschnittes liegen.

Woher wissen wir aber, dass selbst das, was wir vordergründig als Abbildung der Wirklichkeit begreifen, in Wahrheit nicht nur ein durch Manipulationen erzeugter Bildeindruck ist?

Das Bild ist eine Fiktion der Wirklichkeit, hat aber die Kraft, uns täglich nicht nur bei der optischen Wahrnehmung, sondern auch in unserem Handeln zu beeinflussen, selbst gar zu bestimmen. Zu dem Abbild einer konkret behaupteten Wirklichkeit, gesellt sich aber auch das Bild, dass zwar niemals behauptet, die Wirklichkeit zu kopieren, aber in seiner Ausdrucksstärke geeignet sein kann, uns einen Aspekt der Wirklichkeit aufzuzeigen, der unsererseits zwar mit Augen aufgenommen, aber nicht visuell verarbeitet werden kann.

Diese Bilder erzeugen Geschichten, die uns dabei unterstützen können, die Wirklichkeit zu begreifen und uns Möglichkeiten eröffnen, mehr zu erkennen, als ein Abbild dies jemals vermag.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Leistung

Dass Leistung sich wieder lohnen müsse, ist einer in Tarifstreitigkeiten oft vernommener Appell an den Arbeitgeberpartner. Gemeint damit ist eine gerechte persönliche Kompensation für geleistete Arbeit.

Wie aber ist es um Leistung und deren Kompensation außerhalb des durch Arbeit und Wirtschaft geprägten Lebensraums bestellt? Schlecht, so ist jedenfalls mein Eindruck, denn es geht dabei oft nicht um eine vorhandene Leistung, die durch Entgelt kompensiert werden soll, sondern um die Förderung von Leistung an sich. Der Begriff Leistung wird in unserer Gesellschaft leider misstrauisch beäugt. Leistung scheint ein Privileg zu sein, Ausdruck sozialer Ungerechtigkeit und zudem belastend für diejenigen, die sie erbringen sollen. Leistungsdruck und jede Form des Wettbewerbs an Kitas, Schulen und Universitäten werden als schädlich für Kinder und Heranwachsende gebrandmarkt. Statt Leistung wird schon das Bemühen um Ausbildung und zuweilen sogar die schiere Anwesenheit als ausreichend und anerkennungswert erachtet.

Wird man aber mit dieser oft pädagogisch begründeten Genügsamkeit den Erwartungen junger Menschen gerecht? Ich glaube das nicht. Menschen sind von Geburt an bereit, Erwachsene zu werden und haben daher einen Anspruch auf ein Ausbildungsleben, dass das Ziel zur Gewissheit werden lässt. Weil zielführende Förderung von den Eltern, Erziehern und Lehrern erwartet wird, müssten sie von den Kindern und Heranwachsenden Leistungen fordern und diesen dabei einen Vergleichsmaßstab vermitteln.

Leistung und Konkurrenz sind Partner der Förderung, die diese erfahren müssen, um sich im Leben auszubilden und sich dem Druck, den Schule, Familie, soziale Medien und weitere Herausforderungen ausüben, gewachsen zu sehen. Sie sollten sich persönlich und gemeinschaftlich profilieren und dabei Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewinnen. Das Erkennen eigener Fähigkeiten verleiht zudem die Möglichkeit, auch ein Scheitern als eine Form der Leistung anzusehen und dieses ehrgeizig und kraftvoll wieder zu überwinden. „Ich lerne für mein Leben gern!“ Die Leistungen junger Menschen sind anzuerkennen und nicht als nebensächlich zu relativieren. Wenn kein Maßstab für Leistungen geboten wird, ist es naheliegend, dass Heranwachsende selbst bestimmen, ob und mit welcher Intuition und welchen Zielen sie ihre Leistung erbringen.

Die Kraft und Möglichkeit, alles zu schaffen, werden sie haben. Ob sie diese Kraft aber tatsächlich in ihrem Interesse, im Interesse ihrer Eltern, ihrer Familie und der Gesellschaft insgesamt einsetzen, ist stets eine offene Frage, die von den Chancen und Möglichkeiten dieser Menschen, sich zu beweisen, abhängt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Weltbild

Das Leben der meisten Menschen, zumindest in Deutschland, ist von einem hohen Sicherheitsbedürfnis bestimmt. Da jedem Menschen bewusst ist, dass ein Sicherheitsbedürfnis nur dann wirksam bedient werden kann, wenn die Allgemeinverbindlichkeit eines bestimmten Weltbildes erreicht wird, schaffen die Menschen Strukturen, innerhalb derer sich eine gemeinsame Sichtweise entwickeln und verfestigen soll. Ob das durch diese Sichtweise geschaffene Weltbild mit der Wirklichkeit kongruent ist, ist dabei offenbar weniger bedeutend als die Verbindlichkeit, die durch die gemeinsame Anschauung dieser Menschen begründet wird.

Das so gewonnene Weltbild grundsätzlich in Frage zu stellen, ist ausgeschlossen, abweichende Sichtweisen werden nur dann akzeptiert, wenn sie im Kern keiner Aufgabe des bisherigen Standpunktes, sondern nur dessen Bekräftigung dienen. Allerdings führt dies für den Fall, dass sich Weltbild und eine sich stets verändernde Wirklichkeit auch nicht mehr ansatzweise decken, dazu, dass sich Menschen nicht mehr in dieser Welt zurechtfinden.

Verschiebt sich der Fokus der Betrachtungsmöglichkeiten, mag der Einzelne noch Korrekturen für möglich erachten, innerhalb einer Gruppe fördern dagegen Anzeichen von tatsächlichen Veränderungen die Angst, wieder in den unsicheren Zustand vor der Festigung eines Weltbildes zurückzufallen. Wenn Weltbild und Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmen, weil sich die Wirklichkeit verändert, dann fördert dies zudem die Bereitschaft von Menschen, die Wirklichkeit entsprechend ihren Vorstellungen anders zu gestalten, ggf. unter Einsatz von politischer und physischer Gewalt.

Sollte dies eintreten, dann ist es naheliegend, dass die so neu geschaffene Wirklichkeit nunmehr wieder Projektionsfläche für ein Weltbild wird, das ebenfalls Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit bis zur nächsten durch Gruppeninteressen rückversicherten Sichtweise auf die Welt erhebt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wünsche

Einmal las ich, dass Wünsche das Rechnen gelernt hätten. Dieser zunächst völlig fremde Eindruck erschloss sich mir beim näheren Betrachten allerdings als zutreffend. Wünschende und diejenigen, die Wünsche erfüllen, begeben sich in einen Dialog, der Erwartungshaltung gegen Nutzen ausspielt. Wünschende vergnügen sich nicht damit, eine Erfüllung ihrer Wünsche als möglich erscheinen zu lassen, sondern versehen ihre Wünsche bereits mit berechenbaren Attributen.

Dadurch erleichtern sie einerseits deren Erfüllung, schaffen andererseits auch die potentielle Gefahr des Misstrauens, dem Wünschenden durch Versagungsrituale zu begegnen zu versuchen. Bei jeder Erfüllung eines Wunsches soll es möglichst darum gehen, diesem Prozess den Anschein der Freiwilligkeit zu geben, die in erkennbarem Widerspruch zum Wunsch selbst steht. Jeder Wunsch erwartet seine Befriedigung.

Nun wird natürlich nicht jeder Wunsch befriedigt, aber auch dieses Defizit ist kalkulierbar. Selbst nicht erfüllte Wünsche sind in der Lage, berechenbare Vorteile dem Wünschenden zu verschaffen, denn nur der Wünschende selbst weiß, wie auch der Adressat des Wunsches, auf welcher Ebene gerechnet wird. So kann auch der versagte Wunsch sich als besonders wertvoll erweisen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Schnäppchen

Wenn jemand einen Fisch verführerisch blinken sieht, wird er davon überzeugt sein, dass sich ihm ein Schnäppchen bietet. Er beißt zu und ist damit meist am Haken. Die Analogie zum menschlichen Verhalten ist gewollt. Ein Schnäppchen lohnt für uns den Einsatz. Risiken werden ausgeblendet. Risiken?

Schnäppchen werden landläufig eher mit Vorteilen gespiegelt. Schnäppchen bieten sich uns an, weil sie vermitteln, dass wir anbeißend besonders clever sind und der Ignorant besonders dusselig. Bei Schnäppchen geht es stets um uns zugemessene Vorteile. Es geht nicht darum, ob diese objektiv vorhanden sind, sondern um unsere Überzeugung. Um einem Schnäppchen öffentlich Wirkung zu verleihen, benötigt es die Anerkennung anderer Menschen. Sollten wir allerdings unsere Schnäppchenerfahrung mit anderen Menschen teilen, laufen wir Gefahr, dass Neid aufkommt oder wir dahingehend belehrt werden, dass wir leider einem Eigenschaftsirrtum aufgesessen seien, unser Schnäppchen nur ein vermeintliches sei.

Wird uns die Anerkennung des Schnäppchens schließlich gänzlich versagt, weil wir die erwartete Würdigung unserer Cleverness nicht erfahren, macht sich bei uns Unsicherheit und Misstrauen breit. Was wissen, was denken die Anderen? Wegen fehlender Anerkennung oder Gleichgültigkeit vergeht uns jeder Spaß. Unser Triumph wird durch Ernüchterung, Enttäuschung und Infragestellung erledigt. Der gerade noch vorhandene Schnäppchenjägerstolz erlischt.

Wem ist noch zu trauen? Es folgen Rückzug und Einsamkeit, Entwurzelung oder Schlimmeres. Genug, genug, gehen wir lieber weiter auf Schnäppchenjagd! Ja, wir optimieren unseren Einsatz, kaschieren, panaschieren, nutzen alle denkbaren legalen und halblegalen, vielleicht auch noch illegalen Möglichkeiten, unser Schnäppchen zu machen! Ist das nicht die sublimste Form der Nachhaltigkeit? Was schert denn den Pawlow´schen Hund bei so viel Selbstgewissheit noch die Anerkenntnis anderer, wenn er in der Lage ist, sich selbst zu belohnen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski