Archiv des Autors: Sabine Büttner

Steuern

Als Rechtsberater in Erbangelegenheiten werde ich bei der Neuaufnahme eines Mandats regelmäßig mit der Frage konfrontiert, dass eine Lösung gefunden werden müsse, die die Erbschaftsteuer vermeide oder zumindest erheblich mindere. Auf meinen Hinweis an den potentiellen Erblasser, dass nicht er, sondern seine Erben möglicherweise Steuern zu zahlen haben, reagiert dieser regelmäßig irritiert, als habe er dies erstmalig vernommen. Er ist aber auch erleichtert, wenn ich ihn bitte, zunächst einmal bekanntzugeben, was er denn wolle. Um die Steuern könnten wir uns dann schließlich auch noch kümmern.

Steuern, vor allem Steuervermeidung treibt die Menschen um. Sie unternehmen fast alles am Rande oder unter Überschreitung der Legalität, um dem Staat und den Gemeinden nicht das zukommen zu lassen, was diese begehren, um die Infrastruktur in unserem Staat aufrecht zu erhalten. Auch diejenigen, die Steuerzahlungen vermeiden oder mindern wollen, bezweifeln diese Legitimität des Staates in keiner Weise, sondern mahnen diese sogar lautstark an. Sie sagen: „Wenn ich schon Steuern zahlen muss, dann soll der Staat auch liefern.“

Und genau da liegt das Problem, denn die Rechnung geht nicht eins zu eins auf. Ich kann beim Staat keine Leistung bestellen und diesen verpflichten zu liefern. Die Höhe der Steuern ist sicher auch ein Problem, aber das entscheidende Problem ist, dass die Erhebung der Steuern zwar zuweilen mit einer Infrastrukturmaßnahme begründet wird, nicht aber in der Regel.

Die meisten Steuern werden dort eingesetzt, wo Länder, Städte und Kommunen Handlungsbedarf sehen. Sie werden nicht dort eingesetzt, wo der Einzelne Handlungsbedarf sieht, weil er das Schulgebäude seines Kindes marode findet oder dringend einen neuen Pass benötigt. Es wird wenig dazu getan, beim Einsatz von Steuermitteln dankbar gegenüber dem Steuerpflichtigen dessen Beitrag zu vermitteln, im Gegenteil, die durch Wahlen erzeugte Herrschaftsgewalt über Steuermittel wird als selbstverständlich angesehen.

Wer nicht spurt, muss mit Konsequenzen rechnen, wer und wie viel zu zahlen hat, entscheidet der Verwender, also der Staat. Gefallen kann dies nicht, insbesondere nicht denjenigen, die mit Einkommens- und Mehrwertsteuer ohnehin die größte Steuerlast zu tragen haben. Es entsprach aber schon immer dem gemeinsamen Bedürfnis aller Steuerpflichtigen, diese zu vermeiden. Bei dieser Rigorosität gerät allerdings aus dem Fokus der Betrachtung, welche Wirkung mit Einnahmen und Ausgaben erzielt werden soll.

Welchen Sinn verfolgen wir mit unserem Handeln, ob als Staat, als Gemeinschaft oder als Einzelner? Um auf das Eingangsbeispiel zurückzukommen: Ist es nicht vielleicht sinnvoller, beim Vererben an Kinder zu fragen, warum man das tue, als an Steuern zu denken? Ist es nicht vielleicht sinnvoller, in Städten und Gemeinden, sogar im ganzen Land für Vorhaben zu werben, die dann planvoll mittels Abgaben umgesetzt werden?

Das heutige Steuersystem ist dagegen obrigkeitsstaatlich. Ich setze fest, nehme ein und dann überlege ich mir, was ich damit tue. Dies widerspricht nicht nur der Tugend der Freiheit, sondern schränkt auch dort Potentiale ein, wo auch sämtliche finanzielle Kräfte gehoben und erfolgversprechend eingesetzt werden könnten. Wenn wir Steuern zahlen, weil die Bürokratie funktionieren müsse, der Bildungsauftrag erfüllt werden sollte und die Energieversorgung gewährleistet bleibt und wir dann feststellen, dass das alles gleichwohl nicht funktioniert, dann kann es nicht wirklich verwundern, dass Menschen alles daransetzen, die an sich dringend benötigten Steuern und Abgaben zu vermeiden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Inszenierung

Schafft das Leben sich selbst oder darf man es als eine Inszenierung verstehen, als Darbietungen, welche den Regeln oder auch den spontanen Einfällen von Dramaturgen und Regisseuren entsprechen? Aber wo sind die Regisseure, die das Leben, unser Leben und dasjenige der Anderen gelingend macht?

Wenn es diese geben sollte, so wirken sie unsichtbar und aus der Fernem, haben aber ihre Assistenten, die sich stets mit großem Einsatz darum bemühen, den einzelnen Darbietungen und der gesamten Inszenierung, in welche die Stücke eingebettet sind, einen Sinn zu verleihen.

Die Schar der Regieassistenten ist groß und umfasst Kirchenvertreter, Kriegstreiber, Wirtschaftsbosse und tätige Menschen gleichermaßen. Die Inszenierungen werden für das jeweilige Klientel ausgerichtet.

Um aber eine Kakophonie zu vermeiden, hat man verständlicherweise religiöse oder kriegerische Klärungsprozesse als geeignete Bausteine von Inszenierungen zugelassen. Die Genialität der Inszenierungen ist am Applaus zu messen, den sich alle Beteiligten schlussendlich bewilligen. Der Applaus gilt dem Durchhaltevermögen der Beteiligten. Welches Stück gerade gespielt wird, ist dabei uninteressant.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Preis

Alles hat seinen Preis! Wer hat diesen unerbittlichen Satz nicht schon öfters vernommen? Und er trifft ins Schwarze. Alles hat seinen Preis. Der Preis schafft ein Gleichgewicht zwischen den Ansprüchen und den Möglichkeiten, diese zu befriedigen.

Hätte die Verwirklichung unserer Ansprüche keinen Preis, wären sie uferlos. Der Preis dämpft unsere Möglichkeiten, spornt aber unsere Kräfte an und schafft denjenigen Vorteile, die sich schließlich den Preis leisten können. Ist das ungerecht?

Eher nicht, denn auch diejenigen, die sich einen höheren Preis als andere leisten können, werden sogar abwägen, ob sie zugreifen, oder vielleicht eher darauf setzen, dass der Preis nachgibt. So erkennen wir, dass der Preis eine Spiegelung unserer eigenen Verhaltensweise ist, unserer Begehrlichkeit, unseres Charakters, unserer Opferbereitschaft, unserer Begierde, unseres Verzichts und sogar unserer Vernunft.

So, wie der Preis damit Ausdruck unserer selbst ist, verleitet er uns, ihn zur Durchsetzung unserer Vorhaben zu nutzen und zu demonstrieren, dass wir größer, leistungsfähiger und sogar mächtiger als andere Menschen sind. Wir setzen die Preise fest. Indem wir den Preis aber instrumentalisieren und zum Maß aller Dinge machen, bewerten wir uns selbst und alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu handeln, zu tauschen, zu horten und umzuschichten.

Der Preis wird so das Gewicht, das die Waage zu bändigen vermag, Zukunft ermöglicht oder einschränkt. Der Preis bestimmt unseren Einsatz, kalkuliert unseren Gewinn oder besiegelt das Ende sämtlicher Möglichkeiten: Der Preis ist zu hoch.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Leben

Das Leben erscheint mir zuweilen als eine Abfolge spektakulärer und weniger spektakulärer Begebenheiten, die sich im Gewesensein erschöpfen. Frei nach Breton, welchen Nutzen, welchen Gewinn ziehen wir daraus?

Das ist nicht auszumachen, kann nicht entschieden werden, und zwar aus einem einfachen Grund: Wenn wir eine Zeit lang das Spektakel angeschaut haben oder auch Teil des Spektakels waren, irgendwann ist alles zu Ende, spätestens zum Zeitpunkt unseres Todes.

Aber, warum machen wir das alles, warum zetteln wir Kriege an, wie dieser Herr Putin, begehen unfassbare Gräueltaten und helfen andererseits anderen Menschen, retten sie, befreien sie von Krankheiten und Leiden. Warum häufen wir gigantische Vermögen an und verteidigen unseren Besitzstand mit Klauen und Zähnen? Warum sind uns Arbeitszeitnormen und wirtschaftlichen Vorteile sowie Spekulationsgewinne jenseits unseres Bedürfnisses so wichtig?

Mit der DNA wäre es zu erklären, wenn es stimmen würde. Würden die beschriebenen Verhaltensweisen nicht an der Erosion des Lebens auf dem Planeten beteiligt sein, entsprächen sie dem allgemeinen Verständnis, uns Menschen zu erhalten. Wäre dieses Verständnis vorhanden, zögen alle an einem Strang und würden sich in ihren Fähigkeiten ergänzen. Diese Bereitschaft scheint nicht zu bestehen.

Es geht vielmehr um Vorteile. Ein transzendentales Leben, wie Religionen verheißen, das ließe Elend und Ungerechtigkeiten ertragen. Ist aber der „Himmel“ abgeschafft bzw. geraubt, ein transzendentales Paradies unerreichbar, was bietet dann noch das Leben? Vielleicht Hoffnung? Aber worauf? 

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ahne

Wir waren noch Lausbuben und trieben ab und zu unsere Späße mit dem „Ahne“. Der Ahne? Das war der alte Mann, der oben unter´m Dach wohnte, meistens im Bett lag und niemals mehr das Zimmer verlassend, die schmale Holzstiege hinab in die Küche des Bauernhofs kletterte, wo wir meistens alle zusammen waren, wenn es nichts zu tun gab.

So war das damals Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts in einem abgeschiedenen Dorf des Schwarzwaldes. Der alte Mann, also der Ahne, war der Großvater, vielleicht nicht mehr ganz richtig im Kopf, wenig beweglich, von der schweren Arbeit auf dem Hof gezeichnet. Die Schmerzen setzten ihm zu. Aber dennoch freute er sich immer, wenn wir zu ihm nach oben stiegen und nahm uns die Neckereien offensichtlich nicht übel.

Der Ahne, welch verheißungsvolles Wort. Es bringt zum Ausdruck, dass er sich bereits zu Lebzeiten den Ahnen näherte. Mit Vorname hieß er zwar Adam, aber wir nannten ihn alle den Ahne, bis auf seine Frau, die sich um ihn kümmert, soweit ihr eigenes Alter dies noch zuließ. Sie sorgte für sein Essen, richtete sein Bett und das Nachtgeschirr, welches regelmäßig geleert wurde. Sie wusch ihn und las ihm am Abend aus der Bibel vor.

Zuweilen kamen auch ein Arzt und der Pfarrer, letzterer wahrscheinlich um einzuschätzen, wann mit dem Ableben zu rechnen sei. Die Rituale führten den Ahnen Tag für Tag, Stunde um Stunde seinem Ende näher und es war zu spüren, dass die Ahnen erwarteten, ihn in ihren Reihen aufzunehmen. Außer dem Warten auf den Tod, gab es für ihn auf Erden nichts mehr zu erledigen. Abgesehen von unseren Neckereien herrschte Frieden in dieser Dachkammer, alles war authentisch und stimmig und nun, was erwartet den Ahnen unserer Tage? Was erwartet mich, wenn ich alt bin?

Sicher kein Altenteil in einem Bauernhof. Vielleicht kümmern sich gelegentlich oder regelmäßig Pflegekräfte um mich oder ich komme in ein Pflegeheim? Kinder und Enkelkinder kommen ab und zu zu Besuch, bringen Kekse und gute Wünsche mit und versichern, dass für alles gesorgt sei. Der Ahne war kein Geschäftsmodell, wie ist es aber um den alten Menschen heute bestellt? Die Alten werden älter, die Ahnen müssen warten. Das Geschäft muss erst erledigt, der Ahne ausgelesen sein.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Meta-War; War-Games

Internetkriege sind zeitgegenwärtig. Alltägliche Cyber-Kriege finden in fast jedem Haushalt statt. Kriege gehören zur Menschheit und Dank der Spieltheorien kann erprobt werden, mit welcher Taktik man einem Ziel näherkommt. Inzwischen haben wir die Plattformen, auf denen wir im Internet agieren, mit Grundstücken, sonstigen Vermögen und Avataren angereichert.

Zunehmend gelingt es so, auch im Cyberspace Infrastrukturen zu schaffen, die unserer analogen Welt nicht unähnlich sind. Dies zwingt uns auch im Internet, unser Eigentum und unsere Besitzungen zu schützen, ermöglicht aber auch, unter Einsatz von Gewalt, unseren Reichtum zu mehren. Zunehmend wird all das, was wir bereits in unserer realen Welt erprobt haben, als Blaupause für das Metaverse gelten.

Auch in dieser digitalen Sphärenwelt können wir wirkungsvoll all diejenigen Möglichkeiten ergreifen, Konflikte austragen und Machtstrukturen schaffen, wie dies auf Erden bereits möglich war und ist. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied. Im digitalen Universum besteht zwar wie auf Erden ein enormer Energiehunger und hat unser Handeln auch Einfluss auf unsere Psyche, unsere Physis und unser Vermögen, führt aber nicht zu unmittelbaren Beschädigungen und Zerstörungen, wie sie uns in der realen Welt geläufig sind. Dieses Wissen verschafft Vorteile insofern, als wir darüber nachdenken sollten, Kriege künftig nur noch im digitalen Raum zu führen, um dadurch das Leben auf unserem Planeten zu schonen und mittels Spielanleitungen Erkenntnisse zu gewinnen, die es uns ermöglichen, kriegerische Auseinandersetzungen auf Erden einzudämmen.

Durch eine solche Sphärenergänzung, ggf. auch einen Sphärentausch, sollte es gelingen, trotz Einsatz der raffiniertesten Waffen und von vielfältigsten Kriegern, die noch bestehende reale Welt zu erhalten und uns so zu schützen, dass nach jeder Zerstörung kostenintensive Wiederherstellungsmaßnahmen entfallen und keine Toten zu beklagen sind.

Da der virtuelle Raum umfassende Spielmöglichkeiten bei Waffenentwicklung, Zerstörung und Wiederaufbau erleben lässt und dies in der analogen Welt kaum abbildbar ist, erscheint mir das Kriegsgeschehen im digitalen Raum vorteilhafter für alle Beteiligten. Dies schließt sogar einen Atomschlag mit ein, vergleichbar mit der Handlung, dass eine der Kriegsparteien den Stecker zieht. Dann ist es zwar im Internet zappenduster, doch auf Erden mag das Leben dennoch weitergehen, hoffentlich!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Klimakatastrophe

Wie wollen wir die Klimakatastrophe verhindern? Durch Festkleben auf der Straße? Durch gezielte Würfe von Brei auf Bilder in Museen? Müssen wir uns hier nicht fragen, wer von solchen Aktionen so beeindruckt wird, dass er im Rahmen des ihm Möglichen alles unternimmt, um die Klimakatastrophe zu verhindern? Dass die Klimakatastrophe höchstwahrscheinlich kommen wird, davon sind die meisten Wissenschaftler, Politiker und auch Menschen weltweit überzeugt.

An wen richten sich also dann Straßenblockaden und Gemüsebreiwürfe? Rütteln sie vielleicht den noch nicht ganz überzeugten Mitbürger auf? Möglich. Ist das aber wirkungsvoll? Da habe ich meine Zweifel. Ich befürchte vielmehr, dass die Aktionen, einmal abgesehen von der öffentlich geteilten Empörung der Autofahrer und Museumsbesucher, völlig vergeblich sind. Ich hege vielmehr den Verdacht, dass es den Handelnden vor allem darum gehen könnte, sich selbst zu entlasten, zu verdeutlichen, dass sie sich künftig nicht mehr dafür verantwortlich erachten, sollte der Katastrophenfall eintreten.

Diese Aktionsform der Freisprechung ist geschichtlich und religiös verbürgt, deshalb leicht verständlich, aber stellt keine Möglichkeit dar, persönlich oder kollektiv der Katastrophe zu entgehen. Die Katastrophe wird auch diejenigen treffen, die sich zu Recht oder zu Unrecht weniger schuldig fühlen. Tatsächlich unschuldig kann allerdings kein Mensch, keine Politik, kein Staat oder wirtschaftliche Einrichtung sein. Wir alle haben uns kenntnisreich in diese Auseinandersetzung hineinmanövriert.

Es herrscht Krieg, und zwar Klimakrieg. Nachdem die Natur eine Zeit lang zur Kenntnis nehmen musste, wie wir sie ausbeuten, uns ihrer Ressourcen bemächtigen und sie auf jede nur denkbare Art und Weise verwunden, hat sie selbst den Spieß umgedreht und uns den Krieg erklärt, uns in einen Kampf gezwungen, den wir allen Prognosen zufolge verlieren werden. Wenn dies unser Erkenntnisbild ist, was können wir, was müssen wir tun, um diesen Krieg zu beenden?

Sehen wir dies einmal so: Die Antwort liegt in unserer langen Erfahrung mit Kriegen begründet. Wir Menschen hatten schon oft Gelegenheit, diese Kriege aus Einsicht oder den Umständen entsprechend zu beenden. Warum nutzen wir also dann nicht unsere Erfahrung und fordern diejenigen, die Kriege führen und auch Kriege beenden können, uns bei der Prüfung aller Möglichkeiten zu unterstützen?

Aber auch noch weitere Erfahrungen könnten uns bei der Katastrophenbewältigung hilfreich sein, und zwar die der Pandemie, aktuell die Corona-Pandemie. Auch hier haben wir gelernt, welche Maßnahmen hilfreich sein könnten, um die Katastrophe zu verhindern. Plötzlich war diese Erkenntnis da und es gab auch zumindest ansatz- und zeitweise eine internationale Gemeinsamkeit bei der Überwindung der Pandemie. Warum sollte es nicht gelingen, bei einer noch weitreichenderen Katastrophe, also der Klimakatastrophe, dieselben Mechaniken in Gang zu setzen?

Ich befürchte, weil wir im Gegensatz zu Kriegen und Pandemien noch keine Erfahrung mit Klimakatastrophen und deren Wirkungsweisen haben. Ich glaube, dies unter anderem an der Selbstgefälligkeit, mit der alle Beteiligten bisher mit dieser Katastrophe umgehen, festmachen zu können. Die Natur ist nicht der Aggressor, den Planeten gilt es, nicht zu bekämpfen, aber vielleicht betrachten wir uns als ein Virus, welches ein Interesse daran hat zu überleben und nach einem Ausweg sucht, angesichts der Fähigkeit unserer Umwelt, unseres Planeten und der Sonne, uns zu vernichten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Lügen

„Etwas ist faul im Staate Dänemark.“ So lässt Shakespeare Marcellus in seiner Tragödie „Hamlet“ klagen. Ist etwas faul im Staate Deutschland? Diesen Eindruck müssen wir gewinnen, ganz egal, welche Medien wir konsumieren oder wem wir zuhören. Überall ist von Lügen, Betrug, Korruption und vergifteten, rassistischen, sexualisierten und antisemitischen Tiraden die Rede. Auf den Straßen skandieren Personen, erklären sich zum Volk, ob Montagsdemonstrationen oder auch Gelegenheitsdemonstrationen, sie verbreiten ihre Ansichten, dass wir vergiftet, ins KZ gesteckt, ausgeplündert, hintergangen, abgezockt und um unsere Freiheit gebracht werden.

Lesen, sehen oder hören wir zu, ganz egal, wir erfahren, dass Deutschland eine einzige Orgie der staatlichen Gewalt und des Betruges, des Raubes und der Lüge sei. Stimmt das aber für Deutschland, dem tolerantesten, liberalsten, weltoffensten Land der Welt, wo jede Person von morgens bis abends alles denken und sagen kann, was sie will, soweit sie damit nicht gegen den Grundkonsens unserer Gesellschaft verstößt, Verleumdungen und Beleidigungen vermeidet und keine Gewalt anwendet?

Die Antwort der darauf angesprochenen Person lautet: „Das stimme zwar schon, aber …“ Dann folgt eine Pause. Aber was? Was hat diese trotz aller Freiheiten verbreitete Unzufriedenheit vieler Menschen ausgelöst und was bewirkt sie? Die Meisten von uns meinen: Lass sie doch reden! Es gibt aber auch viele, die begreifen, dass das permanente Schüren von Misstrauen gegenüber anderen Menschen, den Politikern und Institutionen eine Erosion des demokratischen Zusammenhalts unserer Gesellschaft herbeiführen könnte.

Denjenigen, denen Streit, Hass und Missgunst Lebenselixier ist, mag dies gerade recht sein, aber für die Mehrheit unserer Gesellschaft, die im kritischen Respekt voreinander gemeinsam die Zukunft gestalten, ist dies ein lebensvernichtendes Szenario. Stimmt. Wir Menschen sind seit unserer Entstehung mit allen Eigenschaften, den schlechten und den guten, ausgestattet, aber in der Lage, diese im gemeinsamen Interesse in Schach zu halten.

Problematisch ist aber die Vervielfältigung, die abfällige Ansichten und Meinungen durch Medien erfahren, die, um ihre eigene Wirksamkeit zu erhöhen, das Problematische verbreiten, Skepsis sähen und Lösungen als unnahbar erscheinen lassen. Diese Vermengung von persönlichem Anerkennungsstreben mit der Zurverfügungstellung von Verbreitungsplattformen kann sich für unsere Gesellschaft weltweit, aber auch in Deutschland als zersetzend erweisen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Hallo

„Hallo“, das klingt wie ein Weckruf. Dabei bin ich schon längst wach, „aber hallo“! Hallo hier, hallo dort, landesweit „Hallot“ es durch Deutschland. Überall, ob beim Supermarkt oder auf der Arbeitsstelle werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass außer mir sich dort noch jemand befindet, der durch sein „Hallo“ signalisiert, dass er mich wahrnimmt und darauf besteht, ihn wahrzunehmen. Das gilt für Mann und Frau gleichermaßen.

„Hallo“ ist absolut gendergerecht und auch biologisch völlig neutral. Es ist für Tiere und Pflanzen aber noch ungeeignet, solange diese unserer Sprache nicht mächtig sind. Telefonate beginnen mit „hallo“ und Briefe oft neuerdings auch. Warum nicht einfach darauf verzichtet wird, verstehe ich allerdings nicht. Ich bin doch wach und habe auch mitbekommen, dass eine Person etwas von mir will.

Es muss kein „Grüß Gott“ sein, aber ein herzliches „guten Tag“ oder Vergleichbares und der Tageszeit angepasst, würde ich mir schon wünschen. Ich fühle mich geehrt, wenn ich so angesprochen werde und verzichte gerne auf die dem Hallo oft folgende völlig unpersönliche Du-Vertraulichkeit.

Ich bin nicht irgendeine Person da draußen, sondern jemand, der persönlich wahrgenommen und geschätzt werden will. „Hallo“ verweigert mir diese Anerkennung. Vielleicht folgt auf „Hallo“ aber bald auch nur noch ein „Hi“, dann ein Zischlaut oder gar nichts mehr. Ich würde mich nicht wundern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wohlstandsverdruss

Deutschland in Feierlaune! Nach pandemischen Jahren und trotz des Krieges in der Ukraine und wissend um die auf uns zukommenden Einschränkungen aufgrund Energieverknappung und zwingenden Umweltschutzmaßnahmen, die Biergärten und Straßenlokale sind voll besetzt, Events boomen und wer noch nicht gefeiert hat, der feiert jetzt!

Und doch scheint etwas nicht zu stimmen. Die Szene mutet zwanghaft an, trotziges Feiern, gibt es das? Ich glaube ja. Nichts ist mehr, wie vor der Pandemie und dem Krieg in Ukraine. Davor erschien alles so selbstverständlich. Klimaschutz, naja, aber so schlimm wird es nicht werden und wir schaffen das!

Das waren Merkel-Jahre und wir blieben gelassen. Da hat sich etwas geändert. An 2019 können wir nicht anknüpfen, die Merkel-Jahre sind vorbei, die Zuversicht ist verloren. Den Mundschutz sind wir vorübergehend los, aber wir bleiben gezeichnet durch die Jahre der Pandemie. Wir sind misstrauisch geworden. Verwundert und hartnäckig, an alte Rituale uns erinnernd, klammern wir uns an alle möglichen Festivitäten, als seien sie Strohhalme, die uns das Überleben sichern.

Wir wollen festhalten an gewohnten Besitzständen, sind aber unsicher, wie lange uns die Gnade des Wohlergehens noch gewährt wird. Der uns so vertraute Wohlstand wird durch Kriege, Bedrohungen, Zinserhöhungen, Lieferkettenprobleme und schließlich auch durch gravierende Energie- und klimabedingte Einschränkungen belastet.

Noch wäre es falsch, dies offen zu bekennen, aber gerade der Wohlstand hat uns diese Misere eingebrockt. Es ist viel leichter, das Licht einzuschalten, als es auszuschalten, auf ein paar Bequemlichkeiten verzichten zu müssen, als in der Erwartung zu leben, sich erheblich einschränken zu müssen. Einschränkungen, die wir erfahren, begreifen wir als politisches Versagen und Eingriff in unsere Persönlichkeitsrechte. Wir sind es gewohnt, Ansprüche zu formulieren und nun werden wir mit einem Pflichtenheft konfrontiert? Ist vielleicht daran der Wohlstand schuld? Nachdem wir uns der Antworten aller übrigen „Verdächtigen“ vergegenwärtigt haben, fangen wir an, den Wohlstand selbst als einen möglichen Auslöser unserer Misere zu begreifen.

Verbesserungen der Lebensbedingungen, Fortschritt und Wohlstand, all dies schien sich zu bedingen, jeden Tag waren wir in Feierlaune. Nun wird uns aber bewusst, wie trügerisch dieser Wohlstand ist, dass er nicht zu halten bereit ist, was er verspricht und unsere Feiern eher denjenigen auf einem Vulkan ähneln, als dem Siegesfest nach einer überstandenen Pandemie.

Es gibt Menschen und die scheinen nicht wenige zu sein, die sind diesen Wohlstand satt und wünschen sich eher ein verlässliches, auskömmliches, verantwortbares und solidarisches Menschenleben für ihre Kinder und sich selbst. Auch dies kann Wohlstand sein, auch wenn er nicht tage- und nächtelang auf Straßen und Plätzen gefeiert wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski