Archiv des Autors: Sabine Büttner

Restitution

Es ist gut, dass Bewusstsein und Sensibilität dafür wachsen, dass geraubte oder nicht ethisch sauber erworbene Kunst- und Kulturgegenstände wieder an frühere Eigentümer bzw. Besitzer zurückzugeben seien. Dies sollte allerdings nicht nur das Naziraubgut, die Enteignung und Übervorteilung von Juden betreffen, sondern alles, was in Kriegen oder unter Ausnutzung von Machtpositionen direkt oder indirekt entwendet wurde.

Nach meiner Auffassung ist die Begrifflichkeit hier weit zu fassen, denn, wie der Volksmund zu Recht weiß: „Unrecht Gut gedeiht nicht gut.“ Das heißt, der Raubbegriff sollte auch diejenigen Artefakte mitumfassen, die nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv Einfluss auf das Herausgabebegehren ehemaliger Rechteinhaber haben. Es geht nicht nur um Rechtspositionen, sondern auch um Würde und Integrität.

Was sich auf persönlicher Ebene vollziehen sollte, gilt gleichermaßen für ehemalige Kolonien, Mandatsgebiete und andere Machtsphären, die zur Unterdrückung von Kulturen, Wesensarten und Traditionen missbraucht wurden. Nicht nur die materielle, sondern auch die immaterielle Restitution ist unumgänglich, um nicht nur zwischen den Völkern dieser Welt einen Austausch auf Augenhöhe stattfinden zu lassen, sondern Erfahrungen zu erlauben, die durch selbstermächtigte Interpretation, Anmaßung und Verweigerung des selbstbestimmten „Anderen“ verschlossen sind.

Kulturschätze anderer Völker glänzen im Licht ihrer Regionen, Bezüge und jahrtausendalten Interpretationen ganz anders in unserem Bewusstsein, als das intrinsische Vorbild unserer eigenen historischen und kulturellen Apologie. Wir müssen mehr in Restitutionsfragen investieren, um nicht museal zu erstarren, sondern aus dem materiellen und ideellen Besitztum an geborgten Gegenständen Kraft für Neues schöpfen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kinderaugen

Das Wesentliche findet sich im Verborgenen. Um dies zu entdecken, wäre es hilfreich, auf kindliches Wissen zurückzugreifen. Die Kindeserfahrung gilt nicht nur dem Offensichtlichen, sondern Sinne, Gelüste und Erwartungen sind auch auf das gerichtet, was das Ding im Inneren ausmacht. Das Kind erfährt die Erlebnisintensität jeden Augenblicks, auch schon des nächsten. So, wie das Kind die sich ihm öffnenden Möglichkeiten erfährt, können auch wir wieder eintauchen in das Wesentliche, das sich hinter dem Offensichtlichen verborgen hält.

Um zum Wesentlichen vorzudringen, benötigen wir Hilfsmittel, die uns erlauben, durch Zeit und Wirklichkeiten unserer Wahrnehmung zu reisen und auch Gegenden zu besuchen, die seelisch und gedanklich in unserer Vergangenheit liegen oder uns in der Zukunft einladen. Begeben wir uns auf diese Inter-Journey der Gedanken und Gefühle, kann jeder Moment ein Abenteuer sein, ein Moment des weiten Schauens mit der Chance, Dinge zu entdecken, die wir bisher übersehen haben oder auch bei uns bisher nicht vorgekommen sind.

Indem wir in uns selbst reisen, erweitern wir unseren Horizont der Wahrnehmung, erkennen neue Instrumente der Daseinsbewältigung auch im realen Raum. Die Reisen, die wir in unser Bewusstsein und Unterbewusstsein antreten können, sind gleichermaßen entgrenzt, wie die eines Kindes. Erinnern wir uns doch, dass das, was wir uns als Kind vorgestellt haben, sich ereignete, in einem Tapetenmuster, einem Wolkenbild oder in der völlig unkonkreten aber passenden Vorstellung. Sind wir in der Lage, alle unsere früher so behänd beherrschten Hilfsmittel wieder zu nutzen, öffneten sich nicht nur die Möglichkeiten des Sehens, sondern auch des Tuns.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Es geht voran

Überall lesen wir, dass nichts voranginge, neues Denken erforderlich sei und wir – gemeint sind selbstverständlich nur die Politiker – bei der Bildung, im Wohnungsbau, im Pflegedienst, bei den Renten und bei der Verkehrswegeplanung versagten. Sicher habe ich nicht alle offenen Felder benannt, wie auch, bei dem Ausmaß an Anschuldigungen dessen, was hierzulande nicht funktioniert.

Davon etwas beindruckt, las ich einen Beitrag der früheren Senatorin für Justiz in Berlin und Hamburg, Frau Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit, die ihre gewichtige Stimme immer wieder zu Fragen der Familie, Ehe und Kindern erhebt. Nicht, dass mir die Umstände, von denen die Autorin berichtet, völlig fremd gewesen seien. Sie waren mir nur nicht mehr ganz gegenwärtig. Es war mir nicht mehr gegenwärtig, dass bis in die Nachkriegszeit hinein für Ehemänner und Väter einseitig begünstigte Rechtsvorschriften galten und sich diese auf die Bevormundung der Ehefrau, das Güterrecht und die Sorgeberechtigung für Kinder entscheidend auswirkten. Alles stets zum Nachteil der Frauen.

Und doch sind seit 1976 maßgebliche Reformen im Familienbereich angeschoben und umgesetzt worden, und zwar mit der Tendenz, da nicht stehen zu bleiben, sondern weitere Klippen zu meistern, um Familien zu stabilisieren und Frauen und Kindern mehr Rechte einzuräumen. Ist das nicht großartig? Sicher muss immer noch mehr getan werden, aber wir haben auch schon viel erreicht in der Energiewende, in der Bekämpfung der Armut, im Bildungs- und im Pflegebereich.

Verbesserungsprozesse sind nie am Ende, aber es geht voran. Wir sind in der Lage, auf allen Gebieten demokratisch prozessual Lösungen zu entwickeln, die uns helfen, unsere rechtsstaatliche und sozialstaatliche Freiheit weiter zu genießen. Wir benötigen kein „neues“ Denken, keine Revolution, keinen Umsturz der Verhältnisse, sondern eine Übersicht, aus der sich Ideen entwickeln lassen, die nach Selbstvergewisserung über Sinn des Handelns auch dazu führen, dass wir handeln.

Was für die gleichgeschlechtliche Ehe gilt, kann auch für die Integration von Flüchtlingen und Ausländern gelten. Der Prozess des Verstehens und der Analyse führt zwangsläufig zur Entscheidungsfindung und zur Integration. Aufgrund des inzwischen eingesetzten gesellschaftlichen Bewusstseinswandels kann sich heute wohl kaum mehr einer daran erinnern, dass erst 1994 die Strafbarkeit der Homosexualität in Deutschland abgeschafft wurde.

So wird es dereinst auch einmal zum gesamten Integrationsprozess von Ausländern heißen: „Was? Wir verstehen das überhaupt nicht, weshalb Ausländer in Deutschland einmal verfolgt, diskriminiert und abgelehnt wurden. Mit ihrer Einbürgerung sind sie wichtiger Garant für die Entwicklung unserer Gesellschaft geworden.“ Wir haben noch viel vor. Packen wir es an.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fußballmuseum Dortmund

„Der Ball ist rund“, „Vor dem Spiel ist nach dem Spiel“ – derartige Binsenweisheiten finden Sie auch im Fußballmuseum Dortmund. Diese Weisheiten sind stimmig und passen eigentlich nicht zu einem Museum. Das Fußballmuseum Dortmund ist auch kein Museum. Es ist Erinnerung, Begegnung und eine Verheißung für jedes nächste Spiel, das kommen wird.

Der Chef der TRIAD Berlin, Lutz Engelke, hat uns die Türen geöffnet und den Weg bereitet für bleibende Erlebnisse, ausgelöst durch konkrete Tatsachen und große Gefühle, wie sie sonst nur in Opern oder Musicals entwickelt werden können.

Ja, das Fußballmuseum Dortmund ist auch großes Theater, Informationsbörse, aber auch Wahrer unserer Erinnerungen. Diese sind stets gegenwärtig, ausgelöst durch legendäre Spiele 1954 und 2014 mit einem Abstand von 60 Jahren, um nur zwei davon zu benennen. Zum Leben erweckte Spieler-Ikonen weisen auf die großen Augenblicke des Fußballs hin, schaffen Verbindungen zu unserer Kindheit, wenn wir uns mit einem der Spiele identifizieren wollen, wenn wir den Ball vor uns hertreiben oder ihn im Tor fangen.

Ja, Fußball ist eben Teil unserer Entwicklung ganz persönlich und in der Gemeinschaft mit anderen Menschen. Wir sind frei, uns zu dem Ball und zu denen, die ihn treten, zu bekennen, ohne dass wir uns lächerlich machen. Für uns Menschen, und zwar für alle, ist Fußball trotz aller Gegnerschaften von Vereinen und Fußballnationen eine uns bindende Möglichkeit des grandiosen Erlebens von Körperlichkeit, Kampf und Versöhnung.

Die vom Museum vermittelte Sicht auf Fußball lässt Kriege unter Menschen, Hass, Rassismus, Erniedrigung und Intoleranz absurd erscheinen. Ich wünsche mir, dass viele Menschen Gelegenheit haben, sich dessen im Fußballmuseum Dortmund zu vergewissern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Johnny Appleseed

Wenn wir nur einige wenige Apfelbäume pflanzen, können wir bald einen köstlichen Apfelkuchen essen. Das ist die Botschaft von Johnny Appleseed!

Es handelt sich hierbei um eine der anrührendsten Sagen der Vereinigten Staaten. Johnny Appleseed versteht sich mit Menschen und Tieren, aber vor allem pflanzt er Apfelbäume und erfährt, was man alles Leckeres aus Äpfeln zubereiten kann, von apple tart bis Saft. Diese Geschichte zeugt vom Entdeckungsdrang des Menschen, der westwärts zieht in unbekannte wilde Gebiete, der aber auch Verantwortung übernimmt für seine Umwelt, für Mensch und Tier und sich selbst. So beinhaltet „Johnny Appleseed“ nicht nur eine Botschaft, die typisch amerikanisch ist, sondern auch Anleitung für innovatives Handeln weltweit sein kann und auch sein muss.

Wir müssen aufbrechen in eine neue Welt, nicht nur unser Verhalten schulen, sondern auch unsere Wahrnehmungsfähigkeit gegenüber Dingen, die uns bisher deshalb verschlossen geblieben sind, weil wir uns nicht öffnen wollten.

Die Anleitung zum Handeln erarbeiten wir uns durch Aufgeschlossenheit gegenüber der Welt, die Wahrnehmung von akzeptablem und nicht akzeptablem Verhalten in allen Regionen dieser Erde. Durch den Vergleich von Verhalten und Möglichkeiten festigen wir unsere Überzeugung, die uns befähigt, tatsächlich etwas zu ändern. Nur, wenn grenzenlos denken, ist auch unser Geben und Nehmen nicht begrenzt. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass jede Erschütterung im letzten Winkel dieser Erde Auswirkungen auf unser Verhalten hat.

So ist Johnny Appleseed eine Hinführung zu einer Weltordnung, die die Merkmale ihrer Verbesserungsfähigkeit, als prozessuales Verhalten, in sich birgt. Junge Menschen sollen durch die Welt ziehen, um sie mit neuen Augen kennen zu lernen, die sich nicht nur an Erfahrungen, sondern an der Lust des Ausprobierens orientiert. Wenn unsere Kinder und Jugendlichen zunächst auch nur wenige Apfelbäume pflanzen, so können sie uns doch bald dazu einladen, einen köstlichen Apfelkuchen zu essen. Das ist die hoffnungsfrohe Botschaft von Johnny Appleseed. Geben wir uns also – auch um unser selbst Willen – einen Ruck und packen wir es gemeinsam an. Ich bin hungrig auf den Kuchen nach dem ersten Rezept. Aber natürlich mit Sahne.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vertrauen

Vertrau mir! Auf allen Kanälen wird um Vertrauen geworben. Vertrauen in die Politik, in die Währung und sogar ins Internet. Vertrau mir! Das ist das mit Erwartungen verbundene Mantra unserer Gesellschaft. Ist das aber so einfach?

Derjenige, der vertraut, hat aufgrund konkreter Verabredungen die Überzeugung, dass das Vorgestellte sich auch erfüllt. Vertrauen basiert also nicht auf Mutmaßungen und vagen Erwartungshaltungen, sondern folgt konkreten, strukturierten, erfassbaren Gegebenheiten. Das auf dem Markt und in den Medien eingeworbene Vertrauen basiert in der Regel aber nicht auf Fakten, ist nicht strukturiert und auch nicht spezifiziert, obwohl jeder Adressat dieses Werbens sich angesprochen fühlen soll.

Es gibt ohnehin kein allgemeines „Vertrauen“, sondern nur spezifisches Vertrauen. Es gibt ein Vertrauen des Gebers und ein Vertrauen des Nehmers. Das Vertrauen des Gebers basiert auf der eigenen Einschätzung der Umstände einschließlich des Risikos, im eigenen Vertrauen getäuscht zu werden. Der Vertrauensbruch hat dann auch keine unüberwindbaren Konsequenzen, sondern führt allenfalls zur Veränderung des eigenen Verhaltens und Anpassung an neu zu beurteilende Umstände. Die Erwartungshaltung des Adressaten eingeworbenen Vertrauens ist dagegen ganz anders strukturiert.

Die Erwartungshaltung ist weit verletzlicher, gefühlsbetont und ohne Berücksichtigung des Scheiterns. Die Vertrauensbekundung des Empfängers korrespondiert allerdings mit Misstrauen und lässt es so zu, dass all das, was noch kurz zuvor für richtig empfunden wurde, bei Gefährdung des Vertrauens nun als abwegig behandelt wird. Das Misstrauen mag nicht gerechtfertigt sein, bemächtigt sich aber, obwohl es nicht faktengestützt ist, des Empfängers einer Botschaft. Daher wäre es sinnvoll, vom inflatinonären Gebrauch des Begriffes „Vertrauen“ abzusehen und vielmehr die konkrete Basis des Vertrauens so zu strukturieren, dass auch der Empfänger entsprechender Verlautbarungen sich darauf verlassen kann. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Das ist gut gesagt, aber in der Wirklichkeit nicht zu meistern. Die Kontrolle versagt an den Möglichkeiten des eigenen Beurteilens und Eingreifens, zumindest in der Regel. Daher sollte von Vertrauen nur dann die Rede sein, wenn man sich darauf verlassen kann und der Missbrauch des Vertrauens nicht nur mit Konsequenzen bedroht wird, sondern diese im Falle des Missbrauchs auch umgesetzt werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Brandmal

Kritisch wurde vor Kurzem in den Medien darüber berichtet, dass eine Waldorfschule in Berlin die schulische Aufnahme eines Kindes mit der Begründung abgelehnt habe, der Vater sei Mitglied der AfD im Abgeordnetenhaus. Zwar wurde in Medienberichten eingeräumt, dass Waldorfschulen durchaus das Recht haben, als Privatschulen frei über die Aufnahme oder Ablehnung eines Schülers zu entscheiden, dies aber im Hinblick auf die AfD-Zugehörigkeit des Vaters bedenklich sei. Bei der AfD handele es sich ja um eine rechtsstaatlich legitimierte Partei, das Verhalten der Waldorfschule sei daher diskriminierend.

Ist das so? Der AfD will ich ihre Legitimation überhaupt nicht absprechen. Ich unterstelle zudem, dass es sich bei dem AfD-Abgeordneten durchaus um einen persönlich integren Mann und einen bemühten Vater handelt, der seinem Kind die Chance einer breiten musischen und kulturellen Entwicklung bieten wollte. Vielleicht war er selbst einmal Waldorfschüler gewesen. Womöglich war es völlig falsch, dem Kind den Zugang zur Waldorfschule zu verweigern, weil die Rückbezüglichkeit zum Elternhaus vorteilhaft für alle gewesen wäre.

Aber! Dieses Aber bleibt wichtig und steht für sämtliche Aber der Zukunft, die verhindern sollen, dass unser auf Würde begründetes Leben gefährdet wird. Dieses Aber nehme ich auf, wenn ich die AfD als rechtsstaatlich legitimiert anerkenne, aber jeden der ihr angehört und für sie spricht, dafür verantwortlich mache, was in ihrem Namen gesagt oder getan wird. Da gibt es keine Halbheiten, keine persönlichen Zuweisungen, sondern neben der persönlichen Verantwortung auch die Gruppenverantwortung für alle Behauptungen, Ausgrenzungen und Diskriminierungen, ob sie in diesem oder jenem Zusammenhang geäußert werden.

Alles, was die pädagogische Pluralität, die Ausbildung zur Empathie, Verantwortung und die Bereitschaft zu geben, untergräbt, kann nicht – weder moralisch noch demokratisch – legitimiert werden. Toleranz verträgt keine Beliebigkeit, kein Changieren in der Moral und dem Abwägen von Einzelinteressen. Es geht um den Schutz unseres pluralistischen integren Lebens.

Das Verhalten der Waldorfschule finde ich daher im Ergebnis konsequent und richtig. Kinder müssen die Maßstäbe für den Zugang zu unserer Gesellschaft erlernen, sehen, dass Aufnahmebewilligungen dort versagt werden, wo die Gefährdung eines würdevollen menschlichen Lebens auftreten könnte. Wenn die Gefahr manifest geworden ist, ist es zu spät.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Team

Lasst uns ein Team bilden! Teambuilding ist in der Moderne eine so selbstverständliche Anforderung an eine Verhaltensweise, die – wie zum Beispiel zum Thema „Gendergerechtigkeit“ – keinen Widerspruch zulässt. Wer in einer bestimmten Situation nicht für Teambuilding ist, sondern seinen eigenen Weg gehen will, muss sich vergegenwärtigen, als Ausgrenzer gebrandmarkt zu werden. Nicht stets andere Menschen mit „an Bord zu nehmen“, sondern diese vielleicht sogar abzuweisen, gilt oft als sozial bedenklich. „Gemeinsam sind wir stark“, „we work“, „kooperatives Handeln“ oder „WeQ statt IQ“.

An unserem gemeinsamen Handeln werden wir gemessen, ob in Betrieben, Kultureinrichtungen und sogar privat. Die moderne Form der Teilhaberschaft wird begründet mit ihrem Mehrwert, ihrer demokratischen Legitimation, Inklusion und sozialer Verantwortung. Sie findet ihre Bestätigung in Vereinen, Verbänden, Selbsthilfegruppen und Gewerkschaften.

Neu ist das natürlich nicht. Waren es früher Brigaden oder Volksgemeinschaften, formieren sich heute wieder Gruppen oder Teams, deren Verhalten auf ein gemeinsames Ziel gerichtet ist. Ein solches Verhalten kann wirkungsmächtig sein. Zu befürchten ist allerdings, dass es auch Widersprüche verhindert, Kreativität lähmt und persönliche Verantwortung unterbindet. Deshalb sollte sich jede teambildende Gemeinschaft einem Regelwerk stellen, welches Widerspruch zulässt und niemanden ächtet, der eigene Wege geht, den Nutzen abwägt und sich dem Team verweigert.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vorsätze

Das neue Jahr ist gespickt mit guten Vorsätzen. Essen und Trinken werden eingeschränkt. Sport steht an erster Stelle. Neben mehr Bewegung, streifen die guten Vorsätze auch die Bereitschaft, mehr Achtsamkeit zu zeigen, Rücksicht auf andere zu nehmen, das Mobbing einzustellen und das Grab der Eltern besser zu pflegen.

Es gibt die verlautbarten guten Vorsätze und die geheimen. Sehr anspruchsvolle Vorsätze können, wenn sie nicht veröffentlicht wurden, schnell wieder revidiert werden. Ungebundene Vorsätze erhalten uns die Freiheit, schwer wiegen dagegen die publizierten Vorsätze, an denen wir mit Kopfschütteln, Häme oder „ich hab´s doch gleich gesagt“ gemessen werden. Aber, statt mich darüber lustig zu machen, will ich für die guten Vorsätze eine Lanze brechen.

Sie sind unverzichtbar, um uns selbst und ggf. auch anderen zu zeigen, dass wir veränderungsbereit sind. Die Veränderungsbereitschaft wartet nur auf den Funken, der diese Fähigkeit entzündet. Wie immer im Leben, kommt es dabei auf das richtige Timing an. Es gilt zur richtigen Zeit den richtigen Impuls aufzunehmen, um dann während des Jahres nicht nachzulassen in der Pflege des guten Vorsatzes.

Wenn der richtige Zeitpunkt gewählt wurde, beschränkt sich der Vorsatz nicht auf den Monat Januar, sondern übersteht auch das ganze Jahr, um sich im folgenden Jahr noch stärker zu manifestieren. Für viele ist der 1. Januar als Impulsgeber des guten Vorsatzes willkürlich gewählt. Für den guten Vorsatz kann auch der 1. Juli oder 1. August oder der 30. September oder sonst ein Tag taugen.

Gute Vorsätze sind nicht an Jahreszeiten gebunden, sondern ereilen uns bei Bedarf. Und dieser Bedarf besteht ständig. Mangels eigener Kreativität bei der Entwicklung von guten Vorsätzen, können wir ungeniert auf diejenigen anderer zurückgreifen, denn gemeinsam ist man sicher am stärksten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Rotationseuropäer

Wie bitte? Sie haben noch nie etwas von einem Rotationseuropäer gehört? Das verwundert nicht, macht aber neugierig auf eine Begriffsdefinition, die Sie selbst liefern. Dass Sie dies tun sollten, beruht auf einem einfachen Grund. Ich weiß nämlich auch nicht, was einen Rotationseuropäer ausmacht, bin aber gespannt auf Ihre fantasievolle Beschreibung.

Ich gebe ein paar Stichworte. Sind es vielleicht Europäer, die von einem Land in das andere europäische Land reisen? Sind es vielleicht Arbeitnehmer, die nach den an sie gestellten Anforderungen zum Beispiel auf dem Bau oder in der Spargelernte von Arbeitgebern durch europäische Lande durchgereicht werden? Oder sind es gar Asylanten mit eingeschränktem Bleiberechte, die entsprechend eines europäischen Aufteilungsschlüssels – soweit möglich – quotengerecht in Europa verteilt werden?

Alles erscheint denkbar, liefert womöglich auch das Stichwort für einen künftigen Verteilungsschlüssel bezüglich sämtlicher Europäer, um eine vielfach angemahnte Gerechtigkeit zwischen Ländern, Städten, Gebieten und gar Nationen zu schaffen. Deutsche sollten nach Frankreich aufbrechen, die verbleibenden Deutschen ergänzen sich durch „Brexit-Flüchtlinge“ aus Großbritannien. Alles natürlich auf Zeit. Rotation heißt Bewegung. Wir rotieren also europäisch weiter und reichen Skandinavier nach Italien durch, Ukrainer nach Portugal und Finnen nach Malta.

So entsteht überall Bewegung, Dank der Rotation kommen Engländer dann irgendwann wieder auf die Insel zurück und polyglotte Türken in das Land ihrer Väter. Sie alle haben dann mächtig viel von dem zu berichten, was sie unterwegs erleben durften und freuen sich auf die nächste Rotation. Make Europa great again!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski