Archiv der Kategorie: Soziales

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen sozialen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Selbstvergewisserung

Seitdem der Mensch bei sich ein Bewusstsein festgestellt hat, versucht er herauszufinden, was nicht nur die Welt, sondern ihn auch selbst persönlich zusammenhält. Dabei orientiert sich der Mensch in der Regel am Offensichtlichen und verschweigt zum Selbstschutz seiner Persönlichkeit, dass er eigentlich nichts weiß. Wir denken, meinen, fühlen und handeln.

Das Bewusste und das Unbewusste unseres Stammes, geschichtliche Erfahrungen und sonstige Umstände von Zeit und Ort unserer Verwirklichung sind uns gegenwärtig und damit Maßstab unserer Erkenntnis. Von Selbst- und Fremdbestimmtheit ist die Rede, von DNA und Umweltfaktoren, aber zunehmend tun sich auch Einflüsse auf, die jeder kognitiven Wahrnehmung widersprechen.

Wie jedes Lebewesen ist auch der Mensch ein biologisches Gesamtkunstwerk, dass freundliche und feindliche Mikroben miteinschließt. Wir sind deren Wirt und sie unterstützen uns bei der Bewältigung des Lebens oder verhindern ein bestimmtes Handeln, wenn sie damit nicht einverstanden sind. Wir sind in einem steten symbiotischen Austausch mit unseren Mikroben, und zwar nicht nur im Darm, sondern in jedem Bereich unseres menschlichen Körpers. Ohne unsere Mikroben geht nichts, könnten wir uns weder ernähren, noch denken.

Es ist daher naheliegend, nicht nur vom Einfluss dieser Mikroben zu reden, sondern auch von deren Bestimmtheit, wenn es um die Verwirklichung unserer Aufgaben geht. Die DNA unserer Mikroben haben dabei einen starken, ggf. auch bestimmenden Einfluss und unterscheiden dabei nicht nur zwischen sympathisch und unsympathisch, sondern gestalten unser Leben nach ihren Anforderungen mit. Dies gilt auch bei der Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Menschen und ist eine Frage unserer Souveränität, die Entscheidungskompetenz dort zu übernehmen, wo Mikroben ihre Zuständigkeit behaupten. Erst dann, wenn wir Mikroben und Viren als Teil unseres Lebensprozesses anerkennen, sind wir in der Lage, Einfluss auf Bereiche zu nehmen, in denen pathogene Mikroben versuchen, nicht nur unseren Körper, sondern unsere Gesellschaft zu attackieren und ggf. zu zerstören.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Blickwinkel

So mancher erinnert sich gern an Friedrich Luft „Die Stimme der Kritik“ und auch viele mit etwas Beklommenheit an den Großmeister der Kritik Reich-Ranicki. Kritikern wie diesen sind Theater, Literatur und natürlich auch die Darbietungen von Opern und konzerntanten Stücken anvertraut. In den klassischen Disziplinen sind die Kritiker die höchsten Instanzen und weisen verbindlich für Zuschauer und Zuhörer den Weg zum Verständnis.

Durch die unerbittlich lobende Bewertung oder gleichermaßen unerbittliche Verurteilung eines künstlerischen Beitrags öffnen sie den Olymp oder sorgen dafür, dass ein Schafott nicht ungenutzt bleibt. Kritiker erfreuen sich ihrer Macht, die sie mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Emotionen verbindlich machen können. Die Kritik wirkt. Zuhörer und Zuschauer wollen sich in ihrer zustimmenden Anschauung bestätigt sehen oder im Widerspruch dazu.

Vor allem schlagen sie sich auf eine Seite. Sie sind der Meinung: Schauspieler können nicht spielen, Dirigenten nicht dirigieren, ganze Orchester nicht musizieren und so mancher Schriftsteller überhaupt nicht schreiben. Andere wiederum werden über den grünen Klee gelobt. Alles verständlich, aber so frage ich mich: Ist das alles? Kann nicht ein schlecht gespieltes Theaterstück auch inhaltlich stark sein und zur eigenen Orientierung beitragen? Kann das nicht für alles gelten, was wir erleben?

Wenn wir statt mit Ablehnung zu reagieren, versuchen zu verstehen und das Erfahrene in unseren Vorstellungen entspiegeln, schafft das nicht eine Souveränität jenseits der Bevormundung? Kritiken können dabei sehr hilfreich sein, wenn sie uns Werkzeuge für die eigene Beurteilung an die Hand geben und unsere Beurteilung sich nicht auf das Offensichtliche beschränkt, sondern den Gewinn daran misst, dass uns Gelegenheit geboten wird, unsere Erfahrungen selbst anzureichern und daraus zu lernen. In diesem Sinne profitiere ich von jedem künstlerischen Angebot. Es ist einfach eine Frage der Perspektive, welchen persönlichen Nutzen ich daraus ziehe.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sensibilisierung

Wer früher als sensibel bezeichnet wurde, erfuhr eine unterschiedliche Bewertung. Ein sensib­les Kind war dafür vorgesehen, Musikinstrumente zu erlernen. Die Ermahnung „Sei doch nicht so sensibel“ signalisierte dagegen, dass die festgestellte Empfindsamkeit nicht angemessen sei.

Sensible Kinder haben es schwer. Wie verwegen mutet daher die Aufforderung vor allem aus dem politischen Raum an, wenn von uns verlangt wird, wir sollten sensibler reagieren. Da diese Voraussetzungen nicht bei allen Menschen vorhanden sind, sollen wir uns sensibilisieren. Faszinierend! Aber, wie soll das geschehen? Wie funktioniert Sensibilisieren? Wie kann jemand, der keine sensiblen Eigenschaften aufweist, sensibilisiert werden, ohne dass er durch die Decke geht? Wie ist der Widerspruch zu überbrücken, dass Sensibilität oft als Lebenseinschränkung gesehen und andererseits aber gefordert wird?

Fangen wir nun alle an, Musikinstrumente zu lernen oder Hausarbeitskreise zu gründen, wenn wir sensibilisiert werden? Welche Kraft soll in uns wirken, die uns in die Lage versetzt, uns entgegen aller Prognosen der Politik sensibel zu machen? Vielleicht schaffen wir dies mit Achtsamkeitstraining und wer dann, bitte schön, ist dafür zuständig? Welche Vorteile bringen uns Sensibilisierung und Achtsamkeit? Taugt die öffentliche Hand, taugen die Vertreter des Staates und die Politiker als Vorbilder? Wie sensibel sind Vertreter von Parteien und Verbänden?

Ich fürchte, solche Forderungen nach angestrengter Sensibilität bewirken genau das Gegenteil. Sie verharmlosen das Problem einer auf Machtverhältnissen basierenden Gesellschaft, der nur mit Regeln, Gesetzen und verlässlichen Vorbildern an Integrität beizukommen ist. Unerfüllbare Forderungen bewirken das Gegenteil, verharmlosen das Problem und setzen diejenigen, die sich selbstverständlich an Gesetz und Regeln halten, der Lächerlichkeit aus. So wird ein sensibler, achtsamer und integrer Mensch zur Witzfigur. Das dürfen wir nicht wollen und müssen daher aufhören, sinnlose Phrasen zu dreschen, die nur den Ignoranten Vorteile verschaffen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Hoffnung

Was baut uns auf, was schafft uns Hoffnung auf ein schönes und erfülltes Leben für uns selbst, unsere Kinder und Enkelkinder? Fernsehen? Die Verkehrsteilnehmer? Das Internet? All das sicher nicht. Neben dümmlichen Rateshows werden im Fernsehen fast nur Krimis, wie den Tatort ausgestrahlt, die uns stark daran zweifeln lassen, ob Täter und Polizisten nicht vor allem ein psychisches Problem haben.

Derartige Sendungen bauen uns nicht auf, sondern verstärken Depressionen, die wir bereits in öffentlichen Verkehrsmitteln, als Teilnehmer am Straßenverkehr oder in Kaufhäusern einfangen können. Auch kurzzeitige Entlastungen verschaffen kein Glücksgefühl, denn das fehlende Maß verbaut die Möglichkeit einer glückschaffenden Befriedigung.

Die Hoffnungslosigkeit zieht sich wie ein Band durch unser Leben, angefangen von persönlichen Unzulänglichkeiten, eingeschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten, gesundheitlicher Instabilität, politischer Unvernunft und das Fehlen der supranationalen Einsicht, dass alles getan werden müsste, um unseren Planeten zu retten. Wenn alles so hoffnungslos ist und wir uns aber danach sehnen, dass alles gut ist, warum haben wir dennoch Schwierigkeiten, eine erwartungsfrohe Hoffnung zu gestalten?

Vielleicht deshalb, weil dies anstrengend ist, vielleicht deshalb, weil andere dies tun sollten, vielleicht deshalb, weil es keinen offensichtlichen Gewinn bringt, vielleicht deshalb, weil wir von Hoffnung nichts halten? All dies mag eine Rolle spielen, sollte uns aber mahnen, dafür einzutreten, dass wir im Fernsehen, wie auf unseren Straßen lieber erfreulichere Erlebnisse erfahren, geprägt von Zuversicht, Hilfsbereitschaft und Fröhlichkeit. Ich bin davon überzeugt, dass dies in kürzester Zeit anstiftend wirken und unser Leben hoffnungsfroher machen würde.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Positiv

„Positiv zu sein, ist eine Chance.“ Diese und ähnliche Parolen las ich auf der Hauptstraße einer Landgemeinde in Südafrika. Gemeint war, dass derjenige, der positiv auf HIV getestet wurde, seine Chance auf Leben wahrnehmen darf und sollte.

Diesen Appell verdanken wir Hugo Tempelman, einem nicht nur begnadeten Arzt, der in Südafrika wirkt, sondern auch dessen großem sozialen Verständnisses. Wer positiv denkt, überwindet nicht nur Krankheiten, sondern gewinnt auch eine Lebenseinstellung, die vieles ermöglicht, was auf den ersten Blick unerreichbar erscheint.

Wieso? Es passiert, dass die ganzen Kräfte sich darauf konzentrieren, Möglichkeiten zu erkennen, vorhandene einschränkende Denkmuster überwunden werden und sich Zuversicht und Freude dabei einstellt, Neues und Unerwartetes auszuprobieren. Das Verharren in individuellen, sozialen und politischen eindimensionalen Denkstrukturen bewegt nichts.

Aus Frustration entsteht Selbsthass und Selbsthass steigert den Hass auf alles, was sich dagegen nicht wehren kann. Jede Selbstbeschränkung, sei diese ideologisch oder emotional, stärkt die Erreger von seelischen Krankheiten und verhindert jeden Heilungsverlauf. Wenn wir dem gesunden und kollektiven Selbstempfinden eine Chance geben wollen, müssen wir anfangen, positiv zu denken, zu empfinden und zu handeln. Diese Chance hat jeder einzelne Mensch und wir alle zusammen als Gruppe, Gemeinschaft, Volk und Weltenbürger.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Trost

Bist du denn noch bei Trost? Bei dieser irritierenden Ansprache spielt der Begriff Trost zwar auch eine Rolle, aber eher in der Form der Entrüstung. Ein Mensch, der so angezählt wird, erfährt keine Zuwendung, sondern gerade diese wird ihm entzogen. Dabei könnte doch der auslösende Moment des Unverständnisses trostbedürftig sein.

Ein Mensch benötigt oft dann Trost, wenn der Grund des Kummers nicht augenscheinlich ist, überhaupt nicht geäußert wird und auch nicht geäußert werden kann. Trost ist nicht ein Signal des Einverständnisses, sondern des Verständnisses. Eine Zusicherung, dass das Geschehen nicht beseitigt, aber überwunden werden kann. Trost fühlt mit, aber bleibt auf Distanz.

Zuwendung überschreitet die vom Trost gezogene Linie und mischt sich ein. Der sich einem anderen zuwendende Mensch begreift das Anliegen in seiner ganzen Dimension und bietet Hilfe zur Überwindung schwieriger Zustände an. Der Zuwender wird Pate des Zuwendungsempfängers. Er hat eine Aufgabe übernommen, die erst dann endet, wenn der Zuwendungsempfänger selbst bereit ist, auf diese zu verzichten. Trost benötigt er dazu nicht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Nahsicht

Aus naher Sicht geht es in Deutschland, in Europa, in der Welt und im gesamten Universum sehr turbulent zu. In Deutschland machen uns Singularitäten jeder Farbschattierung, Gleichmacherei, soziale Unterschiede, Gier, Wut, Rechthaberei, Anmaßung, Furchtsamkeit, Hinterhältigkeit, Mutlosigkeit und Selbstbespiegelung zu schaffen.

In Europa und in der Welt ist das nicht anders, unterschiedlich allein sind Felder, auf denen sich diese Gefühle austoben. Aus der Ferne betrachtet, entspricht dies immer dem menschlichen Reigen seit unseren Anfängen an. Dort, wo der Mensch Opportunitäten erkennt, nimmt er sie wahr, ob in der Politik, in der Wirtschaft, im öffentlichen Raum oder im Privaten. Der Mensch ist eher anpassungs-, als lernfähig, betrachtet Vergangenes als vergangen und Künftiges als nicht da. Wegen seines Nahsichtgeräts fällt es dem heutigen Menschen schwer, wahrzunehmen, dass sich die geschichtliche DNA nicht verändert hat, sondern zeitgemäß anzupassen ist und schon die heutige Gestaltungs- und Verhaltensweise nicht mehr diejenige von Morgen sein muss.

Wir haben Schwierigkeiten, dieses Morgen mit zu bedenken, haben allerdings Kinder und Enkelkinder, die heute zwar schon geboren sind, aber noch nichts zu sagen haben. Es ist dennoch unverantwortlich, wenn wir unsere Kinder und Enkelkinder in die Gestaltung unserer Zukunft nicht mit einbeziehen. Es geht nicht darum, was wir in diesem Moment für opportun erachten, sondern wir müssen bedenken, was alles künftig geschehen wird. Jede Generation gibt ein Versprechen, das es einzulösen gilt. Früher war die Parole: „Unsere Kinder sollen es besser haben“.

Heute wäre es hilfreich, nicht nur die Kinder, sondern auch die Gesellschaft, andere Menschen, die Umwelt und die Welt zu bedenken, indem man schon zu seinen Lebzeiten die Weichen für sie günstig stellt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Und es bewegt sich doch

Vom Vermögen ist die Rede. Was vermag der Mensch? Oder was vermag das Geld? Vermag der Mensch mit dem Geld oder vermag das Geld mit dem Menschen etwas zu bewegen? Irgendwelche Wechselbeziehungen scheinen zu bestehen. Diese drücken sich in der Verfügbarkeit des anderen aus, landläufig in der Verfügbarkeit des Geldes. Geld bewegt die Welt. Aber stimmt das denn? Für ein Teil der Geldmengen sicher ja, denn Geld wird benötigt, um den Lebenskreislauf in Bewegung zu halten. Vermögen ist allerdings in erster Linie dafür da, vermehrt zu werden. Dieses Vermögen ist mit seiner Gegenwart meist nicht für den Verzehr bestimmt, sondern soll weitere Gewinne ermöglichen, meist durch die bloß abstrakte Gegenwart des Geldes.

Dieses Vermögen wird nicht bewegt, sondern es verharrt unerschütterlich im Hintergrund. Ein Garant des Wohlstandes. Vermögen als die gezähmte Kraft des Möglichen. Im Vermögen sind sämtliche Phänotypen der Gestaltungsmacht angelegt. Ein Hinweis auf das Vermögen genügt, schon kann der Inhaber des Vermögens die Puppen tanzen lassen, ohne dass er sein Vermögen selbst in irgendeiner Form antasten muss. Mit den Erträgen des Vermögens lassen sich steuerliche Vorteile, geschäftliche Zusatzerfolge und vor allem soziale Anerkennung erwirtschaften. Der Vermögensstock selbst bleibt unangetastet. Vermögensverluste, das heißt die Partizipation anderer am geschaffenen Vermögen, würden zur Sinnkrise des Vermögenden führen. Die Erkenntnis des Vergeblichen und dass er trotz aller Mühen nichts mehr oder nicht mehr so viel, wie er sich vorgestellt hat, vermag, wäre der Anfang vom seinem Ende, sein Tod.

Vermögensverlust bedeutet Verlust der Lebenskraft, Ansteckungsgefahr, nicht nur im Sinne des schwindenden Geldes, sondern auch der schwindenden Gesundheits- und Lebensfreude. Lebensfreude? Denkbar. Vermögen bedeutet vielleicht auch Freiheit, Unabhängigkeit und Erkenntnis. Erkenntnis ist mit Argwohn verwandt. Die Wahrheit des Vermögenden ist: Ohne mein Vermögen bin ich nichts oder noch unbeholfener gegenüber dem Leben als diejenigen, die niemals Vermögen besessen haben oder Vermögen besitzen werden. Die Konkurrenz schläft nicht. Diejenigen, die über kein finanzielles Vermögen verfügen, müssen ein anderes Vermögen entwickeln. Ein Vermögen an körperlicher oder geistiger Potenz, ein Vermögen der Lebensbejahung und des Natursinns. Ein Vermögen der Gaumenfreuden, der Zuwendungen gegenüber anderen Menschen und der Liebenswürdigkeit. Dieses andere Vermögen ist sicher auch vermehrbar und sicher auch gefährdet durch Neid, Missgunst und Ausnutzerei. Was bleibt, ist aber die Fähigkeit, dieses Vermögen entsprechend seiner Anlage immer wieder neu aus sich selbst heraus entstehen und wachsen zu lassen. Es ist nicht inflationsgefährdet, keinem wirtschaftlichen Zusammenbruch ausgeliefert. Dieses Vermögen ist beständig, aber zuweilen nicht so attraktiv wie das abstrakte finanzielle Vermögen. Das ist verständlich. Denn dieses Vermögen wächst, einmal in Gang gesetzt, nicht von alleine, sondern bedarf der ständigen Erneuerung und Fürsorge. Der finanziell Vermögende ist gelangweilt, denn welchen Anteil hat er noch am Zuwachs seines Vermögens? Um seinen Einfluss zu komplettieren, versucht er, auch das Vermögen von Künstlern und Intellektuellen noch unter seine Fittiche zu bekommen. Er lässt deren wahres menschliches Vermögen an Kreativität und Lebenssinn für sich arbeiten und verspricht Belohnung aus den Erträgen seines Vermögens. Dabei stellt er die Dinge auf den Kopf, denn die Fähigkeiten eines Menschen stellen das wahre Lebensvermögen da, die finanzielle Entsprechung ist dabei eher nebensächlich und sollte ausschließlich dazu dienen, den herz- und verstandvermögenden Menschen das Leben zu erleichtern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Menschenrechte

Dass Menschen Rechte haben, diese Ansicht wird heute schon von vielen Mitmenschen geteilt. Was das aber bedeutet, darüber herrscht weitgehend Unklarheit. Ist das Menschenrecht ein Naturrecht oder werden Menschenrechte verliehen? Vom Staat, von Gesellschaften oder Organisationen? Sind Menschenrechte Universalrechte oder speziell ausgestattete Normen für Menschen?

Über diese und weitere Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, gibt es ausufernde historische, politische, rechtliche, natur- und geisteswissenschaftliche Abhandlungen. Aber, so wage ich zu fragen, kommt es denn vielleicht auf etwas viel Wichtigeres als die Klärung dieser Frage an, und zwar auf das Menschliche an sich, das sicher auf den rechtlichen Schutzraum oft nicht verzichten kann, aber vor allem einem viel tieferen Verständnis vom Menschen folgt, zur Selbstbehauptung weder Rechte, noch Pflichten benötigt, natürlich auch keine Garantien und sonstige Versprechen. Ecce Homo. Seht, da ist der Mensch.

Als Mensch, Teil der Natur und des Universums, dieser Gewissheit wohnt die Anschauung eines Selbstverständnisses der menschlichen Existenz zugrunde, die Wahrnehmung einer Aura des Schutzes und der Unversehrbarkeit durch andere Menschen, und zwar unabhängig davon, ob deren verletzende Aktivitäten aus ihrer Sicht gerechtfertigt erscheinen oder nicht. Indem sie Anderen zu nahetreten, sie verletzen oder auf sie einwirken, beschädigen sie nicht nur die psychische, geistige und physische Gestalt des Mitmenschen, sondern stellen sich selbst als Mensch in Frage. Es ist so, dass jede Angriffshandlung auf einen anderen Menschen selbstbeschädigend wirkt. Dies nicht nur individuell, sondern auch insgesamt traumatisierend.

Möge dies jeder bedenken, der aus politischen, religiösen oder sonstigen Gründen sich in irgendeiner Form eines anderen Menschen bemächtigt. Er entkommt seiner Selbstbeschädigung nicht, er schließt sich auf Dauer heimatlos aus der menschlichen Gemeinschaft aus, es sei denn, er begreift, um was es im menschlichen Leben geht, und zwar um alles und nicht um ihn oder irgendeine Anschauung vom Anderen, seien diese subjektiv oder kollektiv hervorgebracht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Würde

Kaum ein Artikel des Grundgesetzes wird so viel bemüht, wie Artikel 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Diese Bestimmung postuliert nicht nur den Abwehranspruch des Bürgers gegen den Staat und die Rechtsgewährung durch den Staat, sondern entspringt auch einem humanistischen Ideal, dass im Kollektiv die Würde jedes einzelnen Menschen zu erhalten ist.

Nichts ist dagegen zu sagen, aber was bei dieser Betrachtung vergessen wird, ist, dass der Mensch, dem die Würde zuteil wird, auch den Anspruch darauf erheben muss. Selten habe ich gehört, dass ein Mensch von sich sagt, dass er seine Würde beanspruche. Ein Mensch, der das tut, verlässt mit diesem Anspruch den Bereich der Zuweisung im gesellschaftlichen System und gefährdet dadurch die „väterliche“ Aufsicht.

Der seiner Würde bewusste Mensch beansprucht Teilhaberschaft, Freiheit und Verantwortung. Jede staatliche Zuweisung fordert zum Widerspruch auf und jede durch Sinn begründbare Einschränkung seiner Freiheit kann er annehmen oder ablehnen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für das Verhältnis zum Staat, sondern auch im Verhältnis zu jeglicher Ideologie, Religion und sonstigen Lenkungsstrukturen.

Ein sich seiner Würde bewusster Mensch lässt eine Zuweisung als „abgehängt“ genauso wenig zu, wie die eine „Heuschrecke“ zu sein. Es ist vielmehr seine durch Verantwortung definierte Selbst- und Kollektivwahrnehmung, die sein Bewusstsein und sein Handeln bestimmt. Zweifellos ist ein sich seiner Würde bewusster Mensch schwerer zu manipulieren und zu steuern, als ein solcher, dem die Würde nur noch als Trostpflaster in einer ungerecht empfundenen und vom Konsum, Sozialhilfe und Hartz-IV bestimmten Gesellschaft verbleibt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski