Archiv der Kategorie: Soziales

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen sozialen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Team

Lasst uns ein Team bilden! Teambuilding ist in der Moderne eine so selbstverständliche Anforderung an eine Verhaltensweise, die – wie zum Beispiel zum Thema „Gendergerechtigkeit“ – keinen Widerspruch zulässt. Wer in einer bestimmten Situation nicht für Teambuilding ist, sondern seinen eigenen Weg gehen will, muss sich vergegenwärtigen, als Ausgrenzer gebrandmarkt zu werden. Nicht stets andere Menschen mit „an Bord zu nehmen“, sondern diese vielleicht sogar abzuweisen, gilt oft als sozial bedenklich. „Gemeinsam sind wir stark“, „we work“, „kooperatives Handeln“ oder „WeQ statt IQ“.

An unserem gemeinsamen Handeln werden wir gemessen, ob in Betrieben, Kultureinrichtungen und sogar privat. Die moderne Form der Teilhaberschaft wird begründet mit ihrem Mehrwert, ihrer demokratischen Legitimation, Inklusion und sozialer Verantwortung. Sie findet ihre Bestätigung in Vereinen, Verbänden, Selbsthilfegruppen und Gewerkschaften.

Neu ist das natürlich nicht. Waren es früher Brigaden oder Volksgemeinschaften, formieren sich heute wieder Gruppen oder Teams, deren Verhalten auf ein gemeinsames Ziel gerichtet ist. Ein solches Verhalten kann wirkungsmächtig sein. Zu befürchten ist allerdings, dass es auch Widersprüche verhindert, Kreativität lähmt und persönliche Verantwortung unterbindet. Deshalb sollte sich jede teambildende Gemeinschaft einem Regelwerk stellen, welches Widerspruch zulässt und niemanden ächtet, der eigene Wege geht, den Nutzen abwägt und sich dem Team verweigert.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fremdes

Unser Leben besteht aus Selbstversicherungen. Wir gestatten uns, auf Wagnisse nur kontrolliert einzugehen oder im Spiel, weil es da nichts kostet. Bei allen anderen möglichen Wagnissen in unserem Leben rechnen wir das Risiko mit dem Gewinn auf, und zwar auch dann, wenn dieser sich letztlich nicht einstellen sollte.

„Wer wagt, gewinnt“, so heißt es zwar im Sprichwort, aber in Wirklichkeit ist uns das unbekannte Risiko nicht geheuer. Das ist zum einen genetisch bedingt, zum anderen fehlt uns die positive Erfahrung mit dem Fremden, dem Unbekannten, dem Wagnis. Dabei haben wir die ungewissen Möglichkeiten doch ständig im Blick, ob bei der Geburt oder dem ersten Baumausschlag im Frühling.

Diese Fremdheit anzunehmen, könnte sich bewähren. Sie kann auch methodisch gutgeheißen werden. Ganz anders verhält es sich allerdings mit Risiken, deren Wirkung wir nicht von vornherein abschätzen und kalkulieren können. Diese Fremdheit macht uns nicht nur Angst, sondern steht auch in Konkurrenz zu unserer Gewissheit. Das Fremde könnte uns herausfordern, uns überlegen sein. Deshalb sind wir gegenüber dem Fremden, selbst wenn es uns nützen könnte, eher kritisch und ablehnend.

Dabei ist es nur eine Frage der Anschauung und des Vertrauens, zu sehen, wie sich das Fremde entpuppt, ihm eine Chance zu geben und auf den eigenen Mehrwert bei der möglichen Bereicherung unseres Lebens zu hoffen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vergebung

Kürzlich las ich in der „Zeit“ von einer Mutter, die dem Mörder ihres Sohnes vergibt. Weitere Beispiele der Vergebung werden in diesem Beitrag auch genannt. Vergebung? Was bedeutet das eigentlich und was ist damit gemeint?

Vergebung bedeutet sicher nicht Billigung einer Verletzung. Sie bedeutet aber, dass sich der Verletzte mit dieser Verletzungshandlung auseinandergesetzt hat. Er hat vergebend begriffen, dass jeder Mensch verletzlich ist und auch verletzend sein kann. Durch die Vergebung bekennt sich der Mensch zunächst einmal zu sich selbst und seinen eigenen Schwächen und Fehlern. In der Distanzierung vom eigenen Schmerz, Wut oder Enttäuschung erfährt der vergebende Mensch Perspektiven für seine eigene Heilung. Wenn ich vergebe, erfahre ich die Gnade von der Befreiung eigener Last. Eine Verletzungshandlung bedeutet nicht nur den Eingriff in fremde Wesenheit, sondern der Verletzte selbst kann der Verletzungshandlung nie wieder entgehen, es sei denn, er kann vergeben und verzeihen.

Leider hilft hier eine Wiedergutmachungshandlung des Verletzers oder gar eines Dritten, zumal in finanzieller Art und Weise kaum. Eine Verletzungshandlung ist nicht kompensierbar. Jede Opferhilfe lindert vielleicht graduell den Schmerz, dieser flammt gleich wieder auf, weil ein richtiger Ausgleich gar nicht stattfinden kann. Der Verletzte selbst muss die Initiative ergreifen und ausloten, ob er in der Lage ist, um seiner selbst willen dem Verletzer zu vergeben. Diese Souveränität zu nutzen, ist selbst dann sinnvoll, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Verletzer das Geschenk annehmen kann oder will.

Eine Vergebung darf sich auch nicht von der Billigung anderer Menschen oder Institutionen abhängig machen, denn eine Verletzung ist stets ein individuelles Erfahren und kein kollektives Erleben. Die Interessen sind vielschichtig, um die Vorstellungen anderer Menschen an die Stelle des eigenen Wollens zu setzen. Wer vergibt, gewinnt an Stärke. Er vergisst nicht, aber kann mit sich selbst wieder ins Reine kommen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Dämon

Bei Geld hört die Freundschaft auf. So lautet eine gängige Volksweisheit. Was hat es damit auf sich, warum hat Geld ein so dämonisches Image? Möglicherweise hat es mit der Anonymität des Geldes zu tun, der fehlenden Realität einer konkreten Leistung, die dagegensteht und seiner Flüchtigkeit. Es heißt: Wer Geld hat, der hat auch Macht. Es wird aber auch gesagt, dass diejenigen, die Geld haben, vor allem auch viel Geld, trotzdem nicht sehr glücklich seien. Wie ist das zu erklären?

Ich glaube, dass im Gegensatz zu konkreten und auch ideellen Dingen die Substanzlosigkeit des Geldes die Verlustangst beim Menschen steigert, anstatt diese zu begrenzen. Geld steht in Konkurrenz zur Leistung. Meist wird die Leistung an sich weniger geschätzt, als das Geld, welches die Leistung kompensieren soll. Das ist paradox, weil das Vermögen eines Menschen eigentlich nicht Geld ausmacht, sondern seine Fähigkeit, etwas zu gestalten, zu denken, zu empfinden und uneigennützig zu geben.

Aber, was nichts koste, sei nichts wert, sagt der Volksmund. Also steht jede Leistung im Wettbewerb zum Geld und zieht dabei immer wieder den Kürzeren. Dabei ist es eigentlich leicht einzusehen, dass das Geld wertlos ist, wenn der Leistende nicht mehr bereit ist, sich unter Wert „zu verkaufen“.

Gelänge es uns, den Spieß einmal zu umzudrehen und den Geldverwaltern zu zeigen, dass sie für ihr Geld nur Leistungen bekommen, wenn sie sich darum bemühen, den Leistenden von sich zu überzeugen, dann käme eine Entwicklung in Gang, die Dämonen vertreibt und Leistende wie Geldbesitzer glücklicher macht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

 

Herrschaftszeiten

Ich sollte es mir ersparen, alles aufzuzählen, was der Welt in unserer Zeit zugemutet wird. Es sind jedenfalls viele involviert, uns den Garaus zu machen. Dabei geht es nicht nur um Politiker, Medienschaffende und Wissenschaftler, Urlauber und Handynutzer, keiner bleibt verschont, ich auch nicht.

Wir leben in Deutschland wie die Maden im Speck und finden das auch richtig. So soll es bleiben, Speckleben ist in Deutschland Menschenrecht. Keiner ist hier zur Umverteilung verpflichtet, keiner ist bereit, dort zu helfen, wo wirkliche Not ist, es sei denn, er hat etwas ganz Einfaches begriffen: Unser Speckleben in Deutschland ist purer Zufall.

So wenig es einen Anspruch auf Leben gibt, gibt es auch keinen Anspruch auf Speck. Neben umfangreichen theologischen Vorbehalten, ist unser Leben letztlich eine den Menschen überraschende Naturgabe, die uns auffordert, sie zu würdigen und gemeinsam mit anderen Menschen zu erhalten. Es geht dabei nicht um Geld, sondern es geht darum, das angenommene Leben zu gestalten. Es geht nicht um Fettlebe, sondern um Tun. Es geht nicht um Rechthaberei, sondern um Lernfähigkeit. Es geht auch nicht um Schönfärberei, sondern um Realitätssinn. Es geht also nicht um Dekor, sondern um Inhalt.

Sicher, die Neider, Gierhälse, Verächter und Anspruchsteller haben immer recht, denn sie sind ja so viele. Aber, hätten sie recht, wenn sie nicht schon im Speck leben würden? Könnte es sein, dass sie sich einfach weigern, ihre eigenen Potentiale zu entwickeln? Der tätige Mensch erwartet nicht, dass andere für ihn tätig werden, sondern ist Selbstgestalter. Da das Leben eine wunderbare Veranstaltung für jeden Menschen ist, kann gemeinsam das Werk gelingen, wenn – anstatt zu jammern – jeder anpackt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bünde

Was ist mit den jungen Menschen los? Diese Fragestellung beschäftigt Eltern, Schulen und Medien. Unsere Kinder wenden sich rechtsnationalem Gedankengut zu, so wird gesagt und haben wenig Verständnis für unsere Demokratie und den Rechtsstaat. Fassungslose Lehrer und Politiker bieten daher fast über Nacht Demokratieunterricht für Schüler an und versuchen, sie abzubringen von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

Wenn die Kinder sich aber davon überhaupt nicht abbringen lassen wollen, was dann? Gibt es einen Plan B im Umgang mit Jugendlichen, die es beim Denken und Meinen nicht belassen, sondern handeln? Ich fürchte nein. Den Grund dafür sehe ich allerdings weniger im rassistischen, nationalistischen und antidemokratischen Gedankengut, als darin, dass wir aufgehört haben zu verstehen, worauf es Kindern und Jugendlichen ankommt, und zwar auf Gruppenerlebnisse.

Unsere Eltern waren leider oft bei der Hitlerjugend oder beim BDM, wir selbst waren bei der FDJ oder den Pfadfindern. Meine Mutter war beileibe keine Nationalsozialistin, aber bezeichnenderweise beim BDM, obwohl die Nazis ihren Vater auf dem Gewissen hatten. Ich selbst war beim CVJM (Christlicher Verein junger Männer). Auch wenn wir für Gott und Jesus Christus kämpften, sangen wir oft die gleichen Lieder, wie sie schon bei der Hitlerjugend erklangen und unterzogen uns ähnlichen Ritualen. Es war mir damals wichtig, nachts beim Zelten andere Gruppen zu überfallen, ihnen die Fahne zu rauben und schließlich irgendwann aufzusteigen in der Hierarchie als Führer der Gruppe.

Da ich im Osten nicht gelebt habe, kann ich nicht abschließend behaupten, ob auch bei der FDJ sich alles nach diesem Muster vollzogen hat, gehe aber stark davon aus. Gruppenerlebnisse sind wichtig für den jungen Menschen, weil sie die Möglichkeit erlauben, Leben zu erproben, mit anderen Worten erwachsen zu werden, Inhalte spielen dabei weitaus weniger eine Rolle, als verlässliche Rituale. Keiner, der beim CVJM oder den Pfadfindern ist, bleibt später zwangsläufig Christ. Das gilt auch für diejenigen Kinder und Jugendlichen, die sich anderen ggf. völkischen Bewegungen anschließen. Sie tun es, weil wir versagen, ihnen keine konkreten alternativen Angebote unterbreiten, die sie Gruppenstolz, Auseinandersetzung und Hierarchien sowie deren Überwindung erleben lassen.

Da wir selbst alles in Frage stellen, Hierarchien, Autoritäten und jede Form von Unterschiedlichkeit, machen wir es den Kindern und Jugendlichen fast unmöglich, selbst einen Standpunkt zu erlangen, wenn sie mit der Angebotslosigkeit unserer Gesellschaft nicht einverstanden sind. Wo ist der Stolz, der Wagemut, die Autorität, das Vorbild, das Kämpferische, die Herausforderung und das überzeugende organisatorische Angebot für Kinder und Jugendliche? Wenn wir da zündende Ideen haben, erreichen wir sie wieder, lassen sie eine Welt erkennen, die jenseits von Individualismus, materiellem Gewinnstreben und Hedonismus noch eine Sinnperspektive bietet.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gender

Mit oder ohne Sternchen, sprachlich zumindest ist es außerordentlich schwierig geworden, das Geschlecht eines Menschen korrekt zu benennen. Die deutsche Sprache drückt in manchen Begriffen nicht gleichzeitig das Weibliche und Männliche aus und muss daher zu Umschreibungen finden, die zumindest sprachgerecht erscheinen. Das Anliegen verstehe ich zwar, kann den lauthals verkündeten „Wahnsinn“ darin nicht erkennen, begreife aber, wie vielleicht sogar viele Menschen nicht, um was es eigentlich geht.

Es geht anscheinend um die real wirkliche, aber auch sprachliche Gerechtigkeit für Lesben, Schwule, Transgender und Intersexuelle. Ich kann nicht verpflichtet sein, alles genau zu wissen und zu begreifen, aber ich verstehe sehr gut, dass sogar eine Vielgeschlechtlichkeit in einem Menschen angelegt sein kann, und zwar männlich und weiblich bestimmt.

Nicht begreifen kann ich aber, was das eigene sexuelle Verhalten als Metrosexueller, Schwuler oder Lesbe damit zu tun haben soll? Das eigene sexuelle Verhalten erscheint mir in erster Linie Privatsache zu sein und kann nicht eigentlich wirklich Gegenstand einer Debatte werden, die die eigene Zugehörigkeit zu einem Geschlecht mit Verhaltensweise vermengt und daraus Ansprüche ableitet. Menschen sollen Menschen lieben können, vielleicht Fetische oder auch Tiere, Menschen sollen Menschen partnerschaftlich verbunden sein und heiraten, wenn sie mögen, aber daraus, ob diesen oder jenem Geschlecht oder keinem angehören, ein sprachliches Monstrum zu schaffen, erscheint mir nicht angemessen.

Da wir wenig von uns wissen, wissen wir auch nicht, in welcher Geschlechtlichkeit wir auf die Welt kommen und wie sich diese später ausdrückt. Wir sollten daher auch darauf nie festgelegt sein, sondern uns jeweils opportun frei entscheiden können. Dies wiederum setzt voraus, dass wir optional alle Möglichkeiten lebenslang in uns verwahren und uns darauf besinnen, so der Körper, der Verstand oder die Gefühle uns dies sagen.

Ich bin daher dafür, sämtliche weiblichen und männlichen Endungen komplett zu streichen und in Pässen sowie allen sonstigen Ausweisdokumenten „intersexuell“ einzutragen. Diese Beschreibung der Sexualität wird dem Menschen am nächsten gerecht, belässt es auch bei allen öffentlichen Einrichtungen beim Status quo, gleichermaßen nutzbar für allerlei Geschlecht und auch einer digitalen Zukunft zugewandt. Ich denke, dass die Aufhebung der Geschlechtlichkeit zur Versöhnung beiträgt und auch dazu führen kann, dass keiner seines Geschlechts wegen mehr benachteiligt wird.

Wenn es nur noch ein Geschlecht gibt, versagen alle Argumente, Frauen und Männer unterschiedlich zu behandeln, sie zu diskriminieren oder schlechter zu bezahlen. Mit dieser letzten Anstrengung verwirklichen wir den amerikanischen Human-Right-Appell „All men are created equal“.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Selbstmitleid

Es herrscht großes Leid in dieser Welt. Dies ist nicht unvorstellbar, sondern vorstellbar, weil wir es täglich sehen. Aus unterschiedlichen Gründen sterben täglich Menschen weltweit unter höllischen Qualen, aber auch bei uns herrscht großes Leid.

Hiob ist keine ferne biblische Gestalt, sondern begegnet uns täglich auf unseren Straßen, mal als Bettler verkleidet, mal als Straßenkind, mal jung, mal alt. Viele Menschen tragen großes Leid. Manche dieser Menschen erfahren Mitleid, teils tatkräftig durch Helfer im Einsatz in Kriegsgebieten und Flüchtlingscamps, teils emotional durch Solidaritätserklärungen und Durchhalteappelle.

Was bedeutet nun Mitleid? Heißt es: „Dein Leid ist auch mein Leid und ich teile es mit dir?“ Angesichts der Unüberbrückbarkeit der Wahrnehmung eines in Afrika verhungernden Kindes und unserer wohlbehüteten Zuwendung erscheint mir dies kaum möglich. Und doch sind all die Menschen, die in dieser Welt unter erbärmlichen Umständen leben oder sterben, darauf angewiesen, dass wir hinschauen, uns ihrer Erbarmungswürdigkeit bewusstwerden.

Keine Distanziertheit tröstet uns darüber hinweg, dass Leid Teil eines weltumspannenden Prozesses des Werdens und Vergehens ist, da jeder von uns auch Teil des Ganzen ist. Deshalb ist es auch eine Frage des Selbstmitleids, das wir aufbringen müssen, um das Leid anderer zu erkennen, dieses zu verkraften und zu lindern. Wenn wir helfend handeln, dann auch um unser selbst Willen aus Selbstmitleid.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kleine Leute

Kleine Leute. Das ist keine Frage des Maßes, sondern der medialen Zuweisung in unserer Gesellschaft. Kleine Leute denken und empfinden wir so in ihrer Durchschnittlichkeit, ihrer Begrenztheit und Abhängigkeit. Kleine Leute bestimmen nach dieser Lesart den Durchschnitt unserer Gesellschaft durch ihre Präsenz als arbeitende Menschen und Konsumenten. Kleine Leute betrachten wir zudem als nicht gefährlich, sondern eher umgänglich.

Kleine Leute kümmern sich angeblich nur um sich selbst und bleiben lebenslang am Tropf des Staates. Sie stellen Ansprüche und werden versorgt. Sie bestimmen Wahlen und politische Agenden. Sie sind anonym und unbekannt. Die kleinen Leute sind die Könige von Deutschland, werden aber lächerlich gemacht und denunziert; sie seien beispielsweise bildungsfern, abgehängt und fremdenfeindlich.

Dass sie viele sind, beruhigt die einen und macht den anderen Angst. Wir müssen aber aufpassen, dass wir sie nicht zu dem machen, was sie überhaupt nicht sind, und zwar kleine Leute. Diesen, in der Mehrzahl uns unbekannten Menschen, fällt es leicht, sich in Ehrenämtern zu engagieren, anderen zu helfen, sie zu trösten, zu pflegen und zu beschützen. In ihren Wohnungen und Schrebergärten bewahren sie eine Kultur des Miteinander, Mitleidens und Verstehen.

Die kleinen Leute sind das Rückgrat jeder genossenschaftlichen Regelung, der Schaffung einer verlässlichen Gemeinschaft. Ohne die kleinen Leute funktioniert in unserer Gesellschaft überhaupt nichts. Deshalb ein Hoch auf diese tapferen Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gemeinwesen

Ja, ich leugne es nicht. Es gab auch eine Zeit, da wollte ich alles haben, Auto, Häuser, Reisen, aber vor allem Geld, um mir meine Wünsche zu erfüllen. Zu den Herausforderungen des Lebens gehört, so glaubte ich damals, dass man vor allem Eigentum und Besitz hat, Wohlstand, der Unabhängigkeit verschafft und Einfluss; Erben und Vererben gehörte nach meiner Vorstellung auch dazu. Davon ist wenig geblieben. Ein neues Auto brauche ich nicht. Ich fahre lieber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Grund- und Wohneigentum sind eher hinderlich.

Das Leben ist zu kurz, um die hohen Anschaffungskosten zu bestreiten. Mieten ist flexibler und meist günstiger. Die Ausbildung meiner Kinder war mir viel wert. Da habe ich investiert und nicht zu knapp. Aber vererben? Warum? Unsere Kinder sind volljährig, haben gute Berufe und können für sich selbst sorgen. Erbschaften bringen nach meiner Erfahrung meist Streit und verhindern, dass man des Verstorbenen nett gedenkt. Meine Frau ist versorgt, meine Kinder erwarten nichts.

Lieber gebe ich mein Vermögen den Stiftungen, die sinnvoll und nachfrageorientiert Projekte realisieren. Selbstlos bin ich bei weitem nicht. Ich genieße ein selbstbestimmtes und wirtschaftlich unabhängiges Leben. Niemals, so sage ich mir, würde ich auf das Amt gehen und um Hartz IV oder Sozialhilfe nachsuchen. Die Menschen, die dies tun müssen, respektiere und verstehe ich sehr. Ihnen muss geholfen werden, aber nicht auf die Art und Weise, wie dies hierzulande geschieht.

Auch die Altersarmut ist ein großes Problem. Wie wenig ist heute der Satz von Kindern zu hören, dass sie später gerne für ihre Eltern sorgen wollen. Eine solidarische Familie, eine solidarische Gesellschaft kennt das beschämende Verzichten-Müssen nicht. Ich aber darf und kann verzichten, auf Geschenke, Kleider, den Konsum an sich. Wenn ich es recht bedenke, benötige ich sehr wenig, um zufrieden zu sein. Mein Verzicht ist freiwillig und effektiv. Ich spare damit nicht nur Geld, sondern arbeite an meiner Bedürfnislosigkeit, die hoffentlich im Alter noch wachsen wird.

In einer konsumorientierten Gesellschaft ist dies eine problematische Aussage, das weiß ich wohl. Aber vielleicht geht es doch mit ein bisschen weniger Verschwendung und Konzentration auf wesentliche Vorhaben, die ebenso Freude bringen, aber ressourcenschonender, weniger aufwendig und kostspielig sind. Einschränkung und Verzicht könnte ein Bildungsauftrag sein, der uns und den nächsten Generationen zugutekommt.

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