Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen gesellschaftsrelevanten Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Rücksichtnahme

Bin ich in den einschlägigen Medien unterwegs, verwundert mich die augenblickliche Diskussion im Zusammenhang mit dem Corona-Virus. Es ist einerseits von der grassierenden Ansteckung die Rede, andererseits gibt es Querdenker, die in Massendemonstrationen durch die Straßen ziehen und offensichtlich billigend in Kauf nehmen, dass sie mit Corona infiziert werden.

Ihre Aufmärsche rechtfertigen sie mit ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und allgemeine Handlungsfreiheit, die nach ihrer Überzeugung den Verzicht auf Mundschutz mit einschließt. Was bei allem öffentlichen Lärm allerdings übersehen wird, ist, dass die politischen Entscheidungen einen eher untergeordneten Einfluss auf die Eindämmung der Pandemie haben.

Es geht nicht um Grundrechte und deren Verletzung, es geht nicht um Freiheit und die Zuweisung von Fehlern. Es geht vielmehr, und dies an erster Stelle, um menschliches Zusammenleben, um unser Grundverständnis des menschlichen Wesens, seiner Bedürfnisse und seiner Verpflichtung gegenüber Staat und Gesellschaft.

Hätten früher schon religiöse Hinweise ausgereicht, um Menschen an ihre Verpflichtungen gegenüber anderen Menschen zu erinnern, sind heute nach der Erosion der Religionen deutlichere Ermahnungen nötig. Es geht nicht um die im Grundgesetz verbriefte Handlungsfreiheit eines Menschen, sondern es geht um die Rücksichtnahme, die jeder Mensch einem anderen Menschen schuldet.

Es kann im Belieben jedes einzelnen Menschen stehen, sich mit Corona anzustecken und für die Folgen persönlich einzustehen, aber dies berechtigt ihn nicht, andere Menschen anzustecken, sondern im Gegenteil. Es ist ein auch für ihn geltendes Gebot der Menschlichkeit, dies zu verhindern. Derjenige, der ein solches Gebot weder aus seiner christlichen Überzeugung, noch aus seinem Menschenbild abzuleiten vermag, sollte Artikel 1 des Grundgesetzes prüfen, der den Schutz der Würde jedes einzelnen Menschen nicht nur gegenüber dem Staat sichern will, sondern auch als eine Selbstverpflichtung eines Menschen gegenüber einem Anderen ansieht.

Es ist mit der Würde eines Menschen nicht zu vereinbaren, einem anderen Menschen diese zu nehmen, indem er ihn der Gefahr aussetzt, sich bei ihm anzustecken. Daraus folgt, dass jeder Aufmarsch der Querdenker im höchsten Maße würdelos ist. Empathie bedeutet nicht, kranke Menschen zu bemitleiden, sondern alles zu tun, um deren Erkrankung zu verhindern. Was für den Krankheitsbereich gilt, umfasst auch alle anderen Lebensbereiche. Kein Mensch kann die Freiheit beanspruchen, sich zu Lasten anderer Menschen zu verwirklichen, sei dies körperlich, emotional oder geistig.

Unseren Handlungsoptionen sind durch unser Menschsein, unser soziales Zusammenleben und den Grundkonsens einer funktionierenden staatlichen Ordnung Grenzen gesetzt. Das Akzeptieren von Fakten, Respekt gegenüber anderen Menschen, demokratisch legitimierten Institutionen und Rücksichtnahme untereinander auch dann, wenn wir anderer Meinung sind, verbürgen zuverlässig unser eigenes Sein in der Gemeinschaft mit anderen Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Hass

Viele Menschen haben ihn inzwischen schon zu spüren bekommen und noch mehr Menschen haben über die Medien ausufernden Hass wahrgenommen. Hass tritt aber nicht nur verbal und schriftlich in Erscheinung, sondern auch tätlich durch Attacken in unterschiedlichster Form, permanenter Belästigung, Stalking, Körperverletzung, bis hin zum Mord.

Als Vorwand für Hass dienen den Tätern Religion, Geschlecht, Volkszughörigkeit, Nachbarschaft, Unterschiede in der Pigmentierung der Haut, soziale Benachteiligung, politische Einstellung und zusammenfassend ausgedrückt: das Anderssein. Dabei unterscheidet sich jeder Mensch von dem anderen, sei es durch Herkunft, Bildung, Aussehen, Gene und viele weitere Faktoren mehr. Das bedeutet aber wiederum, dass jeder Umstand, den der Hassende definiert, ihn nach seiner Auffassung auch zum Hass ermächtigt.

Der Hassende rechtfertigt also seinen Hass mit Maximen, die er selbst schafft, indem er dessen Voraussetzungen sich selbst erklärt oder praktischerweise den Hass anderer kopiert und diesen zu seinem eigenen macht. Vorlagen dazu gibt es in allen Lebensbereichen. Es sind nicht nur auf Internetplattformen Agitatoren am Werk, die ohne Unterlass Hassvorlagen für Nutzer ausarbeiten und liefern. Das ist ein gutes Geschäft, insbesondere dann, wenn es sich im Darknet vollzieht.

Es ist aber auch politisch opportun, denn mit Hass lassen sich Dank der Zuverlässigkeit von Hassenden vorteilhafte Prozesse für die Provider generieren. Hinzukommt, dass die Hassprovider selbst sich kaum mit den Folgen ihrer Taten beschäftigen müssen, sondern es allein Sache der Hassenden und ihrer Opfer ist, sich mit diesem und seinen Folgen zu befassen.

Von Vorteil ist die Anonymität der Anstifter im Netz, aber selbst dann, wenn sie aufgedeckt wird, bleiben die Verantwortlichen verschont. Dies gilt im Übrigen meist für alle Anstifter. Es ist ihnen schwerer als den Tätern ihren Beitrag zum Hass und seine Folgen nachzuweisen und sie dafür zur Rechenschaft zu ziehen. So klappt diese Hassmaschinerie wunderbar, insbesondere auch deshalb, weil die Hassenden keine Abgrenzung zwischen ihrer Person und ihrer Instrumentalisierung zum Hass durch die Anstifter ziehen können. Sie glauben vielmehr, dass der Hass mit ihnen zu tun habe, ihr alleiniges Werk sei. Das ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Rutger Bregman schreibt in seinem Bestseller „Im Grunde gut“ eindringlich, aber auch für mich zunächst verwunderlich, dass der Mensch eigentlich keine Bestie und folglich auch Hass keine immanent menschliche Eigenschaft sei.

Ich schließe daraus, dass Hass dort stattfindet, wo Menschen vermittelt wird, dass ihr Hass gut und nützlich nicht nur für sie selbst, sondern auch für die Gesellschaft, die Religion, ein Volk, die Tiere oder jedwede andere Gemeinschaft sei. Der Hassende glaubt also, er tue etwas Gutes, wenn er hasst. Aber gleichwohl spürt er, dass etwas nicht stimmt und versucht, sich selbst diesen Stachel zu ziehen, indem er noch hartnäckiger auf die Rechtfertigung seiner Verhaltensweise pocht und das Opfer beschuldigt. Der Mensch ist fähig, dies zu erkennen und sich davon zu verabschieden, wenn er sich seiner Einzigartigkeit und seiner Verantwortung bewusst wird, indem er seine Manipulation erkennt.

Es wäre daher notwendig, die Ursachen des Hasses aufzudecken, anstatt nur die Phänomene zu erklären. Es wäre wichtig, Hass gesellschaftlich zu reflektieren und als einen Bildungsinhalt bereits Kindern und Schülern als Herausforderung nahezubringen, die es zu überwinden gilt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wozu?

Die öffentlichen Medien und vor allem das Internet sorgen für eine Unübersichtlichkeit von Wissen und Meinungen, die kaum ein Mensch mehr zu entwirren in der Lage sein dürfte. Um Übersicht zu gewinnen und zu erhalten, benötigt der Mensch Fakten, eine Möglichkeit, diese einzuordnen und sich so ein persönliches System der Verlässlichkeit zu schaffen.

Um zu einer sicheren Einschätzung zu gelangen, ist Selbstvertrauen nötig, welches ausschließlich strukturiert zu nutzen ist. Wie soll dies aber angesichts von TikTok, Instagram, WhatsApp und anderen digitalen Flipperspielen vom Menschen erwartet werden können?

Diese Formate befeuern in Minuten-, oft sogar nur in Sekundentakten Menschen, die sogenannten „User“, mit irgendwelchen verbalen oder bildlichen Informationen, die zwar Emotionen zu beeinflussen in der Lage sind, aber ihrer Frequenz und Beliebigkeit geschuldet, keinen Erkenntnisprozesse in Gang setzen, die dem Menschen erlauben, Ereignisse systemisch bei sich selbst rückzuversichern. Wenn dies kritisch zu betrachten ist, wie ich dies hier mache, warum geschieht es dann doch und wozu soll es führen? Stellt es möglicherweise eine gewünschte Entlastung des Menschen vor eigenen Erkenntnissen dar?

Wird stattdessen ein beruhigendes Format für Einschätzungen jenseits der individuellen und menschlichen Verarbeitung geschaffen, die eine gesellschaftliche Allgemeinverbindlichkeit hervorbringt, das soziale Miteinander stärkt und es jedem Nutzer der digitalen Angebote erlaubt, seine eigene Meinung durch diese Rückvergewisserung mit anderen Menschen emotional aufzuladen und sich dabei wohl zu fühlen? Was bedeutet es, wenn wir Menschen konsequent dank der medialen Befeuerung vom eigenen Denken und Empfinden entlastet werden?

Sicher wird dies zunächst als Fortschritt wahrgenommen, da jede Errungenschaft die Singularität des menschlichen Seins bestätigt. Was geschieht aber dann, wenn die menschlichen Fähigkeiten des Abwägens, des Einschätzens und des Widerspruchs dabei verkümmern und wir uns den Formaten ergeben haben?

Das Menschheitsrätsel haben Philosophen, Vertreter von Religion und Wissenschaftler sich stets gestellt und zu lüften versucht. Das Rätsel wird unlösbar sein, was wiederum die Chance bietet, darauf zu vertrauen, dass weitere Kräfte darauf wirken, die Kapitulation vor der medialen Kakophonie zu verhindern. Es wird wieder die Frage nach der Zufriedenheit des Menschen mit seiner Existenz, seinem Staunen und seinen Fähigkeiten und natürlich auch seiner Genügsamkeit gestellt werden. Denn wozu soll der Mensch denn zu etwas Anderem werden, als das, was er ist?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gewalt

Neunjähriges Mädchen von Mitschüler angegriffen, Prellungen, Gehirnerschütterung und Zerrungen im Rippenbereich. Achtjähriger hinterrücks niedergeschlagen von gleichaltrigem Mitschüler, eine Gehirnerschütterung hat dies zur Folge, neunjähriges Mädchen von Mitschülerin mit einer Schere bedroht unter Ankündigung, sie niederzustechen. Dies ist eine kleine Auswahl alltäglicher Verletzungshandlungen, wie sie sich in Grundschulen abspielen.

Die Gewalt setzt im Bereich der Kinder früh an und steigert sich im Zuge der jugendlichen Entwicklungsstufen. Schubsen, Prügeln und dabei auch verübte Gemeinheiten sind an sich nichts Unbekanntes bei Kindern. Dennoch hat sich der Maßstab verändert. Die Veränderung drückt sich dadurch aus, dass es sich nicht mehr nur um ein Kräftemessen handelt, sondern um grundlose Aggressionen, die meist heimtückisch auf ein zufälliges Opfer zielen.

Kein Kind bleibt heute an Schulen von den Möglichkeiten der Verletzungshandlungen verschont. Es gibt Lehrer, die führen darüber Aufzeichnungen, andere bestellen Eltern ein, um sich über das Verhalten der Kinder zu besprechen und schließlich gibt es vereinzelt Versetzungsmaßnahmen. Die Gründe für die Aggressionen werden damit nicht aufgedeckt und zuweilen werden sogar Eltern zu Mittätern.

So wurde im oben genannten Beispiel des neunjährigen mit einer Schere bedrohten Mädchens, dieses von der Mutter der Angreiferin ihrerseits mit den Worten bedroht, dass sie sie töten werde, wenn sie ihre Tochter nochmals bei der Lehrerin verpetze. Manche Eltern streiten die Aggressivität ihrer Kind ab und bekräftigen Beschuldigungen der Täter, dass das andere Kind angefangen habe und sich das eigene Kind nur gewehrt hätte.

Viele Erzieher und Lehrer verhalten sich ratlos, wiegeln oft ab und hoffen auf eine allgemeine Beruhigung. Das ist aber ein Irrtum, dass dies geschehe, denn die nicht geklärten Aggressionen hinterlassen nicht nur psychische Spuren bei den Opfern, sondern fördern sogar systemische Verhaltensweisen, bei denen dann gewalttätige Vorgänge sich als normal und abwendbar in Schulen erweisen. Deshalb ist es unumgänglich und wichtig, nicht nachzulassen in der Aufklärung der Kinder, in den Klassen, auf den Schulhöfen. Deshalb ist es wichtig, Regeln durchzusetzen und dadurch den Kinder eine Orientierung zu geben.

Deshalb ist es schließlich wichtig, Verantwortung für das eigene Verhalten und Empathie für andere frühzeitig zu lehren und zu vermitteln, um einer selbst sich erzeugenden Gewaltspirale bereits bei den Kindern den Schwung zu nehmen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wahlrecht

Wessen Zukunft wird gerade verhandelt? Es ist – wie immer – die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Welches Gestaltungsrecht räumen wir dieser kommenden Generation ein? Keine bemerkenswerte, sieht man einmal von einer gewissen medialen Aufmerksamkeit bei Fridays for future und anderen Plattformen ab. Es sind aber die Kinder und Jugendlichen, die für uns den Kopf hinhalten, wenn es um Demokratie, Klima und auch künftigen Wohlstand geht.

Mit „altem“ Geld und „alten“ Rezepten sind die an unsere Kinder gestellten Herausforderungen nicht zu meistern. Wir haben Kinder in die Welt gesetzt und gegen unsere Enkelkinder nicht protestiert. Das war unverantwortlich, wenn wir glauben sollten, sie hätten kein Mitentscheidungsrecht daran, wie sie künftig leben. Wir wissen alle um die enormen Herausforderungen, die auf die nächsten Generationen zukommen, ob dies unsere Alterssicherung anbetrifft, den Klimaschutz, den Umbau der Wirtschaft, die Mobilität, den Bevölkerungszuwachs und die Migration, um nur einige Felder zu nennen.

Dank Internet sind die Jugendlichen heute schon früh über das Weltgeschehen informiert, zu sagen haben sie allerdings in der Realität nichts, was dazu führt, dass sie ihre Auseinandersetzungen mit unserer Welt im Internet austragen. Dabei bekommen viele Jugendliche ein falsches Bild von unserem demokratisch, gesellschaftlichen Partizipationsmodell.

Ich halte Jugendliche daher ab dem Alter von 15 bis 16 Jahren für geeignet und interessiert genug, an Wahlen teilzunehmen und damit eine verantwortliche Stimme zu erheben. Aber auch ein Kinderwahlrecht schließe ich nicht aus, meine allerdings, dass dieses im Interesse ihrer Kinder von Eltern wahrgenommen werden sollte. Es ist mir durchaus bewusst, dass dabei auch einiges mangels Qualifikation der Eltern schiefgehen kann. Allerdings erfährt gerade ein solches Wahlrecht eine verlässliche Bestätigung dadurch, dass die meisten Eltern im Interesse und zum Wohle ihrer Kinder wählen und deren Anliegen sorgfältig dadurch bestätigen würden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Schlagen und singen

Der eine ist Boxfan, der andere Opernfan. Der Boxfan hat, soweit er dies organisieren und sich auch leisten konnte, keinen wesentlichen Boxkampf der letzten fünf Jahrzehnte ausgelassen. Von dem Opernfan ist zu berichten, dass er im etwa im gleichen Zeitraum sämtliche gängigen Opern und diese sogar weltweit angesehen hat. Beide haben Archive ihrer Leidenschaften an­gelegt.

In Gesprächen habe ich versucht herauszufinden, wie sie ihre Zuwendungen erlebt haben, welche Perspektiven sich daraus ergeben und was sie verbindet. Auf eine mir nachvollziehbare Art und Weise sind Singen und Schlagen einander verwandt. Auch wenn der eine kein Boxer und der andere kein Sänger ist, so haben sie sich doch Stellvertreter geschaffen, die rational und emotional das verkörpern, was sie selbst schon immer gewesen sind, aber aufgrund der Umstände objektiver und subjektiver Art nie sein konnten.

Dagegen mögen der soziale Hintergrund, die berufliche Stärke, die sie beweisen mussten und ihre eigenen Konstitutionen bzw. Fähigkeiten zu boxen oder zu singen, keine entscheidende Rolle gespielt haben. Aber gerade deshalb sind sie in dieser bei einem Besuch einer Veranstaltung und ihrer Vor- und Nachbereitung vorgenommenen Transformation in die Stellvertreter authentisch, möglicherweise viel wahrer als in der alltäglichen Verkleidung.

Was sie sich durch die Identifikation schaffen, entlastet sie von vielen alltäglichen Sorgen und Nöten. Es gibt ihnen die Sicherheit, sie selbst und ein anderer Mensch zu sein, der an einem Abend zu zeigen vermag, was alles noch in ihm steckt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fremd

Wie fremd ist uns das Fremde? Warum ist es so? Wie fremd sind wir anderen, auch uns selbst? Empfinden wir Fremdes als Belastung, als nicht zugehörig? Ist Fremdeln eine Haltung oder beruht sie auf der fehlenden Möglichkeit der Einschätzung? Ungewohntes ist uns fremd und wir benötigen eine Anleitung, um uns im Fremden zurechtzufinden, ob in einem fremden Land oder auch mit fremden Menschen.

Wenn wir uns mit dem Fremden zurecht gefunden haben, gelingt es uns, ein Arrangement zu treffen. Zuweilen kommt das Fremde uns auch entgegen, um unsere Scheu zu überwinden. In fremden Ländern stellen wir fest, dass vieles anders ist, aber auch die Gewohnheit uns den Umgang mit dem anderen erleichtert. Wenn wir uns sicher fühlen, empfinden wir das Fremde auch als wohltuende Herausforderung. Das Wissen kann dabei helfen, uns zum Beispiel die Fremdheit unter den Menschen zu erklären und dadurch eine Verbindung zu schaffen, die durch das Bemühen allein nicht zu erreichen ist.

Menschen können uns durch ihre Hautfarbe fremd sein. Um diese Fremdheit zu überwinden, reicht es nicht, dass wir erfahren, dass diese Menschen und wir genetisch völlig übereinstimmen. Wenn wir aber wissen, dass wir Europäer aufgrund der Lichtverhältnisse weiß geworden sind, können wir den Unterschied in der Hautfarbe besser einordnen und ihr die Relevanz bei der Beurteilung des Fremden nehmen.

Wissen schafft Verständigung und erlaubt es, ohne Schuldzuweisung für Fehlbeurteilungen in der Vergangenheit sich auf die Suche nach der Entdeckung des anderen zu begeben und daraus Vorteile für unsere Zukunft abzuleiten. Wir können nicht so tun, als seien wir alle gleich, aber die Bereitschaft, unser menschliches Verhalten zu reflektieren, eröffnet uns auch die Möglichkeit, nicht nur Momentaufnahmen zu menschlichem Versagen und Gier zu machen, sondern wir begreifen, dass die Ausbeutung anderer Menschen für eigene Zwecke aus Gründen der Nützlichkeit stigmatisierend wirkt und Fremdsein begründet.

Es liegt daher an uns, das Fremde dadurch zu schätzen, dass die Vorurteile, die uns in der Vergangenheit oft nützlich waren, überwunden und das Fremde neu bewertet werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Märchen

Mit der Ruck – Stiftung des Aufbruchs will ich Eltern auf die Bildungsinteressen ihrer Kinder aufmerksam machen. Dies geschieht dadurch, dass Kindern von Geburt an auch die Welt der Phantasie durch die Eltern erzählend nahegebracht wird. Kinder dürsten nach sinnlichen Erfahrungen. Sie sind in der Lage, das, was sie hören, sehen und begreifen, in ihrer Phantasie abzulegen, mit weiteren Eindrücken aus ihrem Alltag zu vergleichen und lebenslang Lehren daraus zu ziehen.

Wir müssen bedenken, dass Architekten und Maler, die Kristallpaläste entwarfen und Wasserstädte visionierten, später Begründer des Bauhauses wurden. Erzählen von Geschichten von Anfang an bedeutet also für zuhörende Kinder nicht nur die Erweiterung ihres Sprachschatzes, sondern es werden ihnen auch Maßstäbe zur Auswahl besserer Entscheidungen geboten.

Gut erzählte Märchen müssen nicht unbedingt das Phantasieprodukt erwachsener Menschen sein, sondern sie können sich auch aus der erzählenden Kommunikation mit dem Kind entwickeln. Wenn ich meinen Kindern wunschgemäß immer wieder das gleiche Märchen erzählte, haben sie mich an jedes vergessene Detail der Geschichten erinnert, so dass ich mich schließlich dazu entschloss, diese aufzuschreiben.

Wenn ich heute Lesungen aus Kinderbüchern bestreite, so gewinne ich aus der Erwartungshaltung des Publikums die gleiche gespannte Aufmerksamkeit, die mir meine Kinder seinerzeit haben zuteil werden lassen. Dies zeigt mir die Bedeutung, die jedem Märchen innewohnt. Als ich vor längerer Zeit vom polnisch-tschechischen Freundschaftsweg kommend die Schlucht zur Spindlermühle hinabkletterte, hatte ich das Empfinden, wenn jetzt Rübezahl aus dem Wald hervortrete, jedes Märchen auf einen Schlag wahr werden würde. Das war ein beglückender Moment und so nahe an der Wirklichkeit ,oder?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Globalisierung

Der Begriff Globalisierung wird mit dem Wirtschaftsverkehr, dem Austausch von Daten, Tourismus, Seuchen und Pandemien sowie Umweltzerstörung in Verbindung gebracht. Gibt es etwas Anderes? Für mich: ja. Vor einiger Zeit war ich im Iran. Einmal abgesehen von den Abgaswolken in Teheran begegnete ich den gepflegtesten, kultiviertesten und gastfreundschaftlichsten Menschen. Wie kann das sein trotz eines Systems, das Menschen unterdrückt, ihrer freien Meinungsäußerung beraubt und teilweise auf das Schrecklichste quält.

Vor einiger Zeit war ich in der Türkei, einem wunderbaren Land mit großzügigen und aufgeschlossenen Menschen, sehr verständnisvoll und witzig. Und auch in diesem Land muss ich zur Kenntnis nehmen, dass die Bürgerrechte weitgehend eingeschränkt sind und Willkür den Alltag kennzeichnet. Israel, ein von lebendigen Metropolen gekennzeichnetes Land mit aufgeschlossenen Menschen unterschiedlichster Verhaltensweisen, Einstellungen und Meinungen. Aber auch hier Intoleranz, Rechthaberei und Abgrenzung. Russland, dem ich familiär verbunden und schon aus diesem Grund dessen Kultur, Geschichte und Menschen sehr nahe bin, ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Auch in diesem Land gibt es „schwarze Männer“, die Unterdrückung und Bevormundung sowie Reglementierung als Staatsziel begreifen.

Ein Abdruck meines Herzens befindet sich in den USA, denn erfuhr ich doch als Austauschschüler dort das wohl prägendste Jahr meines Lebens. Gerade weil mich dieses Jahr auch zum Amerikaner gemacht hatte und ich viele großartige Menschen damals und auch bei meinen heutigen Besuchen in New York begegne, macht mich das Maß an Intoleranz, Dummheit und Menschenverachtung in Teilen dieser Gesellschaft fassungslos.

Die Menschen in Südafrika zeichnet Wärme, Gastfreundschaft und Lebensfreude aus. Dies trotz Apartheid, die nicht völlig überwunden zu sein scheint, Korruption und Feindseligkeiten den Alltag von Menschen erschweren und verhindern, dass HIV und Tuberkulose nachhaltig bekämpft werden können. Von arabischen Ländern, wie Jordanien, Syrien, dem Libanon und Ägypten möchte ich sprechen. Länder, die nicht nur eine großartige kulturelle Geschichte, sondern auch Freundlichkeit, Gastlichkeit, Kultur und Schönheit auszeichnet. Und doch weisen auch diese wunderbaren Länder auf der anderen Seite ihres Verständnisses schreckliche Momente der Verachtung des Menschen, seiner Interessen, seiner Entwicklungschancen und seiner Lebensinteressen aus. Und von Chile, einem Staat, in dem ich mich aufgrund einer Reise auch familiär verbunden fühle, kann ich ähnliches berichten und rufe zuletzt Frankreich und Deutschland auf. Zwei Länder, die ich in einem Atemzug nennen darf, weil ihre Verbindungen so mannigfaltig sind und trotz aller Unterschiedlichkeit ein Stück Heimat für mich darstellen. Auch in diesen beiden Ländern gibt es Bedrohungen, die allerdings nicht staatlich gelenkt, sondern sich aus dem Populismus heraus entwickeln mit dem Ziel, Deutungsmacht über das Leben anderer Landsleute zu gewinnen.

Bei meinen Aufzählungen habe ich kurz und knapp das Missfallen an Entwicklungen in den als Auswahl genannten Ländern nicht verschwiegen. Ich habe aber auch deutlich gemacht, dass ich überall in dieser Welt auch auf wunderbare Menschen, Hilfsbereitschaft, Wohlwollen, Gastfreundschaft und Zuneigung gestoßen bin. Für mich ist es ein Ausdruck der Globalisierung, diese Erfahrungen machen und mit anderen teilen zu dürfen. Es ist viel schöner auf dieser Welt und die Menschen sind trotz aller Belastungen und Einschränkungen so viel mutiger und optimistischer als wir uns dies wechselseitig oft glauben machen wollen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Catuskoti

Neulich las ich bei Wikipedia über Catuskoti, wobei es um die logischen Argumente auf vier Fragen geht, die Buddha gestellt werden und Buddha dabei auf alle Fragen, ob etwas existiere oder nicht existiere antwortet, dass er das nicht behaupte.

Mir ist dabei aufgefallen, dass es bei der Beurteilung, die hier exemplarisch mit Buddha verbunden, aber auch sonst bei logischen Fragestellungen praktiziert wird, meist nicht um den Gegenstand der Betrachtung geht, sondern um das Urteil des Betrachters. Müsste es nicht aber so sein, dass Logik sich nicht an dem begrifflich bereits Festgelegten orientiert, sondern an der Rückbezüglichkeit vom Gegenstand der Betrachtung zum Betrachter selbst?

Wer ist der Betrachter, welche Maßstäbe legt er bei seinen Betrachtungen an? Welche Begriffe wählt er und warum? Eine nicht statuarische, sondern prozessuale Vorgehensweise bei der Gestaltung eines logischen Prozesses lässt möglicherweise die Sprache verstummen, wenn sie aufgrund ihrer Vorbefasstheit keine Antwort darauf hat, was logischerweise richtig oder falsch ist. Logik ist nicht die Dopplung von Objekt und Betrachtung, sondern eine Stimmigkeit, die wir versuchen zu dechiffrieren, dabei zerlegen und mühevoll versuchen, wieder auf einen Nenner zu bringen, was wir dann als logisch bezeichnen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski