Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen gesellschaftsrelevanten Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Inter-Journey II

Vor Jahrzehnten lernte ich, mich in meinem Körper zu bewegen und Kontakt aufzunehmen mit meinen Organen, insbesondere dann, wenn sie vorübergehend gestört waren. Ich nahm so Schmerzen in den Füßen wahr, begab mich mental dorthin, besprach die Situation und wir, also mein Bewusstsein und das Organ, fanden eine Lösung.

Inter-Journey beruht auf einem Bewusstseinstraining und es kann die Frage erlaubt sein, ob wir die Fähigkeit im Körper mit eigenen Organen Kontakt aufzunehmen nicht auch auf unser Bewusstsein, ggf. auf andere Lebewesen und die Natur insgesamt ausdehnen können. Wir sind in unserem Bewusstsein unbegrenzt und auch in der Natur und mit der Natur ein und dasselbe. Immerzu definieren wir aber unsere Grenzen und unsere Abgrenzungen, damit wir wohlgestaltet unser Leben in endlos erprobten Ritualen bewältigen können.

So wie viele es vermeiden, sich selbst in ihrem Körper zu begegnen und zum Beispiel mit dem Darm Kontakt aufzunehmen, nachdem wir gerade einen Doppelcheeseburger gegessen haben. So vermeiden wir auch, uns in das Tier hinein zu empfinden, was getötet werden musste, damit uns der Burger schmeckt. Es geht mir bei dieser Betrachtung gar nicht darum, für Vegetarier oder Veganer zu werben, sondern generell das Bewusstsein für die Vorgänge allgemein zu fördern und darauf zu drängen, dass wir durch Reisen in unser Inneres durch Wahrnehmung komplexer Zusammenhänge mehr erfahren, als nur einen Schmerz, ein Gefühl der Sättigung oder des Überdrusses. Es gilt, immer wieder etwas zu entdecken, vorzudringen in bisher nicht bedachte Räume, die mit einer entsprechenden Selbstermächtigung zu einer reflektierten Reise eröffnet werden können.

Natürlich erfordert dies Mut, weil auf dieser Expedition ins eigene Bewusstsein auch Unangenehmes zu Tage treten kann, aber insgesamt verschafft die Erweiterung von Erkenntnissen Freude und schließlich auch Glück.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Würde

Kaum ein Artikel des Grundgesetzes wird so viel bemüht, wie Artikel 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Diese Bestimmung postuliert nicht nur den Abwehranspruch des Bürgers gegen den Staat und die Rechtsgewährung durch den Staat, sondern entspringt auch einem humanistischen Ideal, dass im Kollektiv die Würde jedes einzelnen Menschen zu erhalten ist.

Nichts ist dagegen zu sagen, aber was bei dieser Betrachtung vergessen wird, ist, dass der Mensch, dem die Würde zuteil wird, auch den Anspruch darauf erheben muss. Selten habe ich gehört, dass ein Mensch von sich sagt, dass er seine Würde beanspruche. Ein Mensch, der das tut, verlässt mit diesem Anspruch den Bereich der Zuweisung im gesellschaftlichen System und gefährdet dadurch die „väterliche“ Aufsicht.

Der seiner Würde bewusste Mensch beansprucht Teilhaberschaft, Freiheit und Verantwortung. Jede staatliche Zuweisung fordert zum Widerspruch auf und jede durch Sinn begründbare Einschränkung seiner Freiheit kann er annehmen oder ablehnen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für das Verhältnis zum Staat, sondern auch im Verhältnis zu jeglicher Ideologie, Religion und sonstigen Lenkungsstrukturen.

Ein sich seiner Würde bewusster Mensch lässt eine Zuweisung als „abgehängt“ genauso wenig zu, wie die eine „Heuschrecke“ zu sein. Es ist vielmehr seine durch Verantwortung definierte Selbst- und Kollektivwahrnehmung, die sein Bewusstsein und sein Handeln bestimmt. Zweifellos ist ein sich seiner Würde bewusster Mensch schwerer zu manipulieren und zu steuern, als ein solcher, dem die Würde nur noch als Trostpflaster in einer ungerecht empfundenen und vom Konsum, Sozialhilfe und Hartz-IV bestimmten Gesellschaft verbleibt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Terror

Was sich täglich in den Köpfen der Menschen und auf der Straße terroristisch entwickelt, ist weit entgrenzt. Dem verbalen Terror in Medien und auf der Straße kann nicht mehr mit Polizeimaßnahmen und Justiz begegnet werden. Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Verachtung anderer Menschen bis hin zur blanken Zerstörungswut haben Besitz nicht nur von einzelnen Menschen, sondern auch Gruppen gewonnen und erobern sich zunehmend Deutungshoheit.

Dies wird verstärkt durch Klüngel und Parteien. Darauf mit Entsetzen und Abscheu zu reagieren, schafft Terrorismus nicht ab, sondern verstärkt nur dessen Auswirkung durch Selbstbestätigung der Protagonisten. Wer in der Gruppe stolz auf sein Verhalten ist, wird durch Angriffe auf dieses soziale Selbstverständnis in seiner Haltung noch bestärkt, anstatt zur Aufgabe bewogen.

Was könnte dann helfen? Möglicherweise der Ansatz, dass die Medien und wir in der Gesellschaft, auf der Straße und in der Politik davon reden, dass nicht nur unsere deutsche, sondern auch unsere europäische Errungenschaftsgemeinschaft ein Erfolgsmodell aller erster Güte ist. Ich persönlich möchte in keinem anderen Land der Welt leben. 70 Jahre ohne Krieg, ein Land, das liberal, offen und in der Lage ist, die Fehler ihrer Politiker zu verschmerzen, sich entwickelt, Einkommen sichert und jedem Menschen unfassbare Möglichkeiten eröffnet.

Es ist es wert, täglich dafür anerkannt und gelobt zu werden, anstatt es mit Hasstiraden zu überziehen. Mögen manche glauben, sie seien das Volk, aber ein Volk ist keine Momentaufnahme und schon gar nicht eine Gruppe, ein Volk sind alle Menschen, die in einem Gebiet leben und Völker in noch mehr Gebieten. Keiner kann sich anmaßen, mehr Volk als der andere zu sein und schon gar niemand ist berechtigt, dem anderen weißmachen zu wollen, er sei mehr Volk als er.

Wer sein Volk liebt, der freut sich an der Bundesfahne, der Hymne und der Vielfältigkeit der Menschen, die hier leben. Sie tun alle etwas dafür, dass es uns so gut geht, sei es im Osten, sei es im Norden, Süden oder Westen. All das, was für Deutschland gilt, gilt auch für Europa, wir verdanken ihm unsere Einheit, unseren Wohlstand, unser Glück und unsere Lebensperspektive.

Wir sollten uns zu Deutschland bekennen aus Respekt gegenüber unseren Vorfahren und aus Achtung gegenüber unseren Kindern, die dafür sorgen werden, dass es mutvoll und glücklich mit unserem Land weitergeht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wachstum

War bis noch vor Kurzem Wachstum der Schlüssel zur gesellschaftlichen, nein sogar menschlichen Entwicklung, erfährt Wachstum heute eine negative Aufladung. Die einen meinen, dass Wachstum erforderlich sei, um die zivilisatorischen Errungenschaften zu sichern und dabei auch weiter auszubauen, während andere meinen, Wachstum zerstöre unser ökologisches Gleichgewicht und sei schädlich für die Welt. Die einen fürchten das ungebremste Wachstum, die anderen meinen, ein gebremstes Wachstum sei möglich und schließlich wollen einige sogar auf jedes Wachstum verzichten.

Dabei ist immer von dem ökonomischen Wachstum, das Auswirkungen auf unsere Lebensgestaltung habe, die Rede. Unbestreitbar hat ökonomischer Wachstum zeitweilig zumindest für einige zu enormen wirtschaftlichen und kognitiven Möglichkeiten beigetragen. Wachstum hat nicht nur Kriege ermöglicht, sondern diese auch verhindert, ist mitverantwortlich für Lebensverlängerung und Gesundheit. Wachstum hat Demokratie ermöglicht und Liberalität erzeugt.

Es wäre daher aus meiner Sicht falsch, Wachstum als verwerflich abzustrafen und den Versuch zu unternehmen, Wachstum auf null zu stellen bzw. umzudrehen. Nicht das Wachstum ist schuld an unserer ökologischen Misere, sondern es sind wir selbst, weil wir offenbar übersehen, dass Wachstum nur ein wichtiges Werkzeug dazu ist, auch künftigen Generationen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen und diesen Planeten für die Menschen zu erhalten.

Wachstum muss sich allerdings entkoppeln vom Shareholder Value und sich einklinken beim Stakeholder Value. Nicht der Reichtum Einzelner kann das Wachstumsziel sein, sondern das Nutzen der Renditen, um uns alle weiter voranzubringen. Dort, wo geschaffen wird, entstehen Gewinne, das ist selbstverständlich, aber, ob und wie Gewinne verwandt werden, ist ein noch zu bestellendes Feld.

Wir haben Chancen und Möglichkeiten, unsere vorhandenen Errungenschaften zu nutzen, um neue Tätigkeitsfelder zu erschließen, wenn wir Wirtschaft und Ethik nicht als Gegner oder Ethik allenfalls unter Compliance-Gesichtspunkten sehen. Die Ganzheitlichkeit in wirtschaftlichen Prozessen, die Philanthropie könnte uns die Augen zu neuen und umfassenderen Tätigkeitsfeldern eröffnen, wenn wir ressourcenschonend, gemeinschaftlich orientiert, bedarfsgerecht die Ziele unseres Einsatzes definieren. Geld ist tot. Der Kapitalismus alter Prägung ist tot. Wenn wir die bisherigen systemischen Erfahrungen aus der Wirtschaft nutzen und Neues erproben, dürfte sich ein Kosmos neuer Möglichkeiten auftun. Packen wir es an!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bürgertum

Es entspricht dem Zeitgeist, den Wertverfall zu beklagen und in diesem Zusammenhang das Bürgertum als Hort des Wertes zu benennen. Das war es dann aber auch. Die Werte selbst, die das Bürgertum schützen soll, detailliert aufzuzählen, das geschieht dann doch lieber nicht. Das aus gutem Grund. Werte entstehen nicht aus sich heraus, sondern Werte werden geschaffen. Sie werden von denjenigen geschaffen, die für sich selbst daraus Vorteile ableiten, seien diese individuell oder kollektiv.

Wenn mehrere dann gleicher Meinung sind, entstehen Verbindlichkeiten, die, soweit Macht und Einfluss reicht, auch für diejenigen als allgemeinverbindlich angeordnet werden können, die derselben Wertegemeinschaft eigentlich nicht angehören. So verhält es sich mit dem Kirchenkodex, dem Kodex des Adels und selbstverständlich auch des Bürgertums.

Die Form bestimmt den Inhalt und die Möglichkeit, durch soziale Kontrolle auf die Einhaltung der Normwerte zu achten. Dessen eingedenk, wie sieht es denn heute mit den bürgerlichen Werten aus? Wer erklärt sie für allgemeinverbindlich? Wer schützt sie? Gibt es noch ein Bürgertum, das durch gemeinsame Selbstbehauptung in der Lage ist, einen verbindlichen Kodex der Verhaltensweise aufzustellen und auch bereit ist, sich selbst noch an diesem Kodex jenseits des individuellen Anspruchsverhaltens zu orientieren?

In einer Zeit des „anything goes“ ist es wohlfeil, mit der Hülle des Bürgertums durch die Gegend zu laufen und diese Hülle als Mäntelchen für jedwede Ansicht zu nutzen, die dem eigenen sektierischen Anspruch genügt. Eine Bürgerlichkeit, die wertetragend sein könnte, ist nur durch eine gesellschaftliche Verabredung jenseits von Einzelinteressen zu haben. Bürgerlichkeit ist kein Kampfbegriff, sondern die mehrheitliche Überzeugung, geschaffen durch einen Contrat Social. Die Werte, die diese Vereinbarung beinhalten sollte, dürften sich fügen aus Menschlichkeit, Demut, Akzeptanz, Rücksichtnahme, gemeinsamem Wollen, Teilen, Umweltbewusstsein, Offenheit für Neues, Respekt und Anerkennung von Leistungen auch der anderen Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Authentizität

Der Charakter eines Menschen wird bestimmt durch die Eigenschaften, die er hat. Manche sind genetisch bestimmt, andere werden im Laufe des Lebens erworben. Ein Mensch ändert sich nicht. Er kann auch sich selbst nicht infrage stellen, denn ansonsten verlöre er seine Authentizität. Der Verlust der Authentizität macht den Menschen unberechenbar für andere Menschen und schafft ein Potenzial der Gefährdung für sich und andere. Was ist gut daran und was ist schlecht daran, dass sich der Mensch nicht ändert? Um mit dem Schlechten zu beginnen: Keiner der wohlmeinendsten Lebensentwürfe wird von den Menschen um seiner selbst willen übernommen.

Das Gute daran ist, dass wir uns darauf verlassen können. Sicher ist der Mensch verführbar, wenn ihm der Verführer und der Gegenstand der Verführung Vorteile versprechen. Sein Charakter ist aber eine träge und zähe Masse, die durch die Verführung zwar bewegt wird, aber nur wenig aus dem Gleichgewicht kommt. Veränderte Umstände, andere Herausforderungen und schon wirkt ein anderes Versprechen. Der Mensch ist verführbar, sein Charakter zumindest vorübergehend verformbar, aber er birgt auch Potenziale, die zu entdecken und zu fördern sich lohnt. Durch Vorhaltungen ist das nicht zu bewirken. Weder durch die Androhung von Strafen noch durch das Versprechen von Vergünstigungen. Der Mensch, der sich treu bleibt, breitet seine Eigenschaften aus wie auf einem Basar, bietet sich an, lädt ein zur Abgabe von Gegenangeboten, die wir ihm unterbreiten. In jedem anderen Menschen ist ein Stück von uns selbst in seiner Natürlichkeit, in seinem Charakter und seiner Einmaligkeit. Das nötigt uns einerseits dazu, unseren Eifer zu zügeln, wenn wir versuchen, aus ihm etwas anderes zu machen, als er selbst ist, zum anderen sind wir so gezwungen, ihn für die gemeinsame Sache zu gewinnen. Diese ist dann seine Sache und auch unser aller Sache.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kontrollverluste

Kontrollverluste sind nicht ungewöhnlich. Wir nehmen sie in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesundheit täglich war. Aber trotz der Allgegenwart von Kontrollverlusten, vermögen wir uns daran, die Kontrolle zu verlieren, nicht zu gewöhnen. Woran liegt das? Natürlich wird jeder Verlust negativ beschrieben, der Verlust der Arbeitsstelle oder eines wichtigen Gegenstandes. Aber, mit einer derartigen Verlustangst hat der Kontrollverlust wenig zu tun. Die Kontrolle zu verlieren, greift vielmehr tief in unsere Wesenheit ein, macht uns schutzlos. Dabei wissen wir gar nicht, ob die Kontrolle, die wir ausüben wollen, tatsächlich sinnvoll ist.

Womöglich versuchen wir etwas zu kontrollieren, was sich unserer Kontrolle eigentlich entzieht, sich unabhängig von unserem Ordnungssinn gemacht hat. Dann ist der Verlust mit Angst und Unsicherheit verbunden. Je mehr wir meinen, die Kontrolle zurückerobern zu müssen, desto mehr verfangen wir uns in der Ausweglosigkeit, die Kontrolle zu behalten. Kontrolle behauptet, dass es ein System gäbe, eine Ordnung, die einzuhalten bestimmten klaren Vorgaben entspricht.

Diese Vorgaben können sehr persönlich sein, aber auch gesellschaftlich, wirtschaftlich oder politisch geprägt. Da wir die Angemessenheit und Wichtigkeit unseres Systems behaupten, beanspruchen wir auch deren Kontrolle. Wir erleiden Kontrollverlust, wenn sich das System oder – im persönlichen Bereich – zum Beispiel der Körper dieser Herrschaft entzieht.

Ohne unsere Ermächtigung könnten in allen denkbaren menschlichen, gesellschaftlichen oder technischen Bereichen andere Systeme die Kontrolle übernehmen und uns Verluste zufügen, ohne dass dadurch die Richtigkeit unserer Ordnung prinzipiell in Frage gestellt wird. Kontrolle stellt die Machtfrage und nicht die Frage nach Vernunft, Richtigkeit und Angemessenheit. Der Verlust der Kontrolle ist daher auch keine Katastrophe, sondern nur das Übel einer temporär oder auf Dauer angelegten Machtlosigkeit in bestimmten Umständen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Cyborg

Mensch und Maschine verschmelzen ineinander. Ist dies Science-Fiction oder eine auf uns zustürzende Realität? Da gehen die öffentlichen Betrachtungen weit auseinander. Zumindest noch. Augenblicklich arbeiten wir uns an den digitalen Möglichkeiten und der Einschätzung künstlicher Existenz ab. Handelt es sich hierbei um eine verlängerte Werkbank oder ein selbstlernendes System?

Stets werden die Mutmaßungen und Einsichten von der Beschwichtigung begleitet, dass eine Maschine auch nur so arbeiten könne, wie es der Mensch erlaube. Also scheint gewährleistet zu sein, dass der Mensch die Maschine abstellen kann, wenn diese versucht, etwas zu bewerkstelligen, was ihr nicht beigebracht wurde. Stimmt das auch wirklich? Können wir aufatmen? Ich glaube nicht.

Wissenschaftler arbeiten heute schon im organischen Bereich an Substanzen, die nicht nur Leben simulieren, sondern Leben hervorbringen. Sie züchten Zellen, lassen dabei deren Kulturen sich aus an- und organischen Zutaten entwickeln. Dies geschieht in einem Umfange, der zur Eigenständigkeit dieser Zellcluster führt, soweit ihnen Nahrung zugeführt wird. Das dies nicht mehr des lebenden Menschen, sondern nur noch organischer Zutaten bedarf, um menschenähnliche Zellkulturen zu entwickeln, ist hinlänglich bekannt.

Gelingt es zur Zellenzucht auch die passende DNA zu liefern, dann ist es auch möglich, mit dem 3-D-Drucker die gewünschten Organe herzustellen. Was bei Mäuseherzen schon gelungen ist, wartet auf eine Bestätigung durch die Herstellung menschlicher Organe. Der Zweck heiligt die Mittel.

Die Absichten sind natürlich wohlmeinend: Verlängerung des Lebens, Ersatz schadhafter Organe, Beseitigung tumorzerfressener Gewebe usw. Ich gebe allerdings zu bedenken: Wenn uns dann alles schließlich gelingt, was möglich ist, was sollte uns dann davon abhalten, menschlichen Odem auch Wesen einzuhauchen, die wir selbst aus den sich bietenden Möglichkeiten geschaffen haben. Homunculus. Der Cyborg ist kein Menschheitstraum oder – Trauma. Wir wussten doch schon immer, dass es irgendwann soweit kommen wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Teile und herrsche – Sharing Economy

Nicht die Welt ist aus den Fugen geraten, sondern unsere Wahrnehmung von Veränderungen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, klimatischen und politischen Bereich eröffnet uns die Möglichkeit, nicht nur mit den bereits erprobten und daher bekannten Handlungsmodellen auf gegenwärtige und künftige Herausforderungen zu reagieren, sondern vielfältiger, sensibler, komplexen und auch fragiler. Dabei sollten wir allerdings nicht verkennen, dass alle unsere Überlegungen und Handlungsangebote selbst Entwicklungsprozessen ausgesetzt sind, also alle die Endgültigkeit anstrebenden Modelle keine Verwirklichungschance haben.

Es gibt rationale Gründe dafür, aber auch emotionale Überzeugungen, dass der bisherige demokratische Kapitalismus keine Zukunft hat. Bewährtes wird möglicherweise zumindest auf Zeit erhalten bleiben, aber insgesamt werden keine Lösungen mehr möglich sein, die nicht auf permanenten Fragestellungen beruhen. Um der Zersplitterung und Beliebigkeit zu entgehen, ist es dabei erforderlich, gesellschaftliche Nenner aufzutun, die die gesellschaftliche Orientierung für viele komplexe Fragen erlauben, seien diese aus dem Bereich Klimaschutz, Müllvermeidung und Altenpflege, um nur drei wichtige Punkte zu benennen.

Ein gesellschaftliches System, selbst wenn es ausgedient haben sollte, wieder einfach durch ein anderes zu ersetzen, wird künftig keine Handlungsempfehlung mehr sein. Erfahrungen sind wichtig, aber wir sind frei, umfassend neu zu empfinden, zu denken und Möglichkeiten zu erproben. Unsere Gesellschaft hat sich global und partikulär Dank Internet, der Plattformen der Begegnung und sonstiger technischer Möglichkeiten partizipativ entwickelt.

Was liegt daher näher, als dieses Partizipationsmodell als Role-Model zu verwenden und dabei darauf zu achten, dass alle Kräfte freigesetzt und auch gebündelt werden, um gemeinsame Ziele, klimatisch, wirtschaftlich, politisch und sozial zu erreichen. Durch „recoupling“ wird wirtschaftlicher und sozialer Erfolg verbunden, die Wirtschaft der Zukunft ist gemeinwohlorientiert und findet ihren Ausdruck in Sharing Economy, Kreislaufwirtschaft, Co-Working und gemeinsamer Anstrengung, diesen Planeten als lebenswert zu erhalten. Alles von Menschen für Menschen. Wir sind vor neue umfassende Aufgaben gestellt. Das vermag in uns einen Pioniergeist zu entzünden, schafft Lebensbestätigung und Gestaltungsmut.
Packen wir es an!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Rationalisierung

Merken wir uns: Alles, was wir machen, ist von Menschen für Menschen gemacht. Wie verträgt diese Behauptung sich aber mit der progredienten Wegrationalisierung von Menschen im Arbeitsprozess? Was sind die Konsequenzen? Ist die Behauptung denn dann richtig, wenn man bedenkt, dass überall Arbeitskräfte gesucht werden im Handwerk oder Pflegebereich?

Beides hat miteinander zu tun. Das Fehlen der Arbeitskräfte und die Rationalisierungsmaßnahmen. Das Wegrationalisieren von Arbeitskräften und deren Ersatz durch Maschinen, Optimierung von Handlungsabläufen und Kosteneinsparungsmaßnahmen, haben dazu geführt, dass Arbeitshierarchien entstehen und diejenigen, die im ersten Arbeitsbereich wegrationalisiert wurden, stufenweise abstiegen, um dann bei Hartz IV oder in der Sozialhilfe zu landen. Dieser Prozess hat nicht nur Arbeitnehmer entmutigt, die keine adäquate Arbeit mehr hatten, sondern bildete auch das eindrucksvolle Beispiel für andere, sich um potentiell abstiegsgefährdete Arbeiten überhaupt nicht mehr zu bemühen.

Die Eintragung in das soziale Arbeitsstammbuch lautete: Die Ausbildung lohnt sich nicht, da keine Gewissheit mehr besteht, auf Dauer noch in dem angestrebten Beruf zu arbeiten, weil technische und disruptive Entwicklungen, keine verlässliche Berufsverwirklichung in den gewünschten Unternehmen mehr zulassen. Selbst Menschen, die keine persönliche Erfahrung mit der Wegrationalisierung gemacht haben, sind Zeugen des nicht nur in der Wirtschaft gepflegten Rationalisierungsprozesses. Rationalisierung bedeutet in erster Linie Kosteneinsparung.

Es werden Kosten bei Unternehmen eingespart, die aufgrund gesellschaftlicher Fürsorgemaßnahmen dann von der Gemeinschaft übernommen werden müssen. Dass der Staat dafür eintritt, bedeutet genau dies. Wir zahlen Steuern, um Unternehmen ihre Rationalisierungsmaßnahmen zu ermöglichen. Diese Form der Umverteilung, um wirtschaftliche Ergebnisse für Unternehmer und Anleger zu stärken, halte ich für bedenklich. Sie birgt nicht nur finanzielle Folgen für uns alle, sondern belastet unsere Gesellschaft auch emotional und wirtschaftlich.

Wir werden belastet durch Verhaltensweisen, die zu Unzufriedenheiten in unsere Gesellschaft beitragen, zu politischen Verwerfungen führen und deren Kosten bei weitem den Nutzen für die Gesellschaft und auch für die Wirtschaft übersteigen. Zudem bemerken wir bitter, dass diese Rationalisierungsmaßnahmen zum Beispiel bei der Einsparung von Lehrern, Polizisten, Angehörigen im öffentlichen Dienst, aber auch in Wirtschaftsunternehmen die gesamtgesellschaftlichen Prozesse erschweren, sogar behindern, anstatt sie zu beschleunigen.

Deshalb sollten wir uns – koste es, was es wolle – darauf besinnen, dass alles, was wir tun, von Menschen für Menschen gemacht sein sollte und danach handeln.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski