Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen gesellschaftsrelevanten Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Selbsterkenntnis

„Erkenne dich selbst.“ Dieses Zitat wird Chilon von Sparta zugeschrieben. Selbsterkenntnis? Wer bin ich, wer sind wir? Ich weiß es nicht, vielleicht aber meine geneigten Leser. Möglicherweise dadurch, dass sie mir dabei behilflich sind, durch die dialogische Praxis des Schreibens zumindest Aspekte meines Selbst zu erfahren. Schaffen sie Erkenntnis?

Meine Leser sind dann der Lackmustest, Katalysator oder Spiegel. Auch, wenn ich meine Leser nicht kenne, bin ich doch in deren Augen nach ihrer Beurteilung und in ihrem Empfinden der- oder diejenige Person. Ich bin selbst für mich aber eher unbekannt, ein Mensch aus Körper, Genen, Geist und Seele, von der Natur vorgegeben, von den Umständen geprägt, programmatisch auf dieses Leben eingerichtet. Die Umstände schaffen dann eine Eigenbewertung, die in der Gemeinschaft eine stete Anpassung erfordert, mich prägt und meine Fähigkeit, mich selbst zu täuschen, verstärkt und mich stets zwingt, Opportunitäten folgende neue Identitäten zu schaffen.

Dies geschieht durch andauernde Selbstbetrachtung und Einübung von Rollenklischees, und zwar mit einer derartigen Intensität, dass ich letztlich geneigt bin zu glauben, das eigene entworfene Ich sei für mich stimmig. Glauben das andere auch? Zu meiner Beruhigung und Enttäuschung bin ich selbst davon überzeugt, weil sie ihrerseits Kostüme schneidern, in die sie mich einzwängen, darauf beharren, das Kleid sei für mich stimmig, obwohl es aus den Nähten platzt, in allen Generationen-, Alters- und Geschlechterklischees.

Das Selbst wird vom Klischee bestimmt, die Selbsterkenntnis verweigert. Um aus den Klischees herauszufinden, benötigen wir die Erarbeitung einer ganzheitlichen wissenschaftlichen Erfahrung des Menschen, die weder selbstbehauptend, noch reaktiv ist, weder vorspiegelt noch eingrenzt sondern offen ist. Das Selbst ist facettenreich, komplex und einzigartig. Dies zu erfahren und zu erfassen, könnte uns dabei helfen, uns in Zeiten eines sich bereits am Horizont schemenhaft abbildenden Maschinenwesens, in Stellung zu bringen als uns selbst erkennende Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ethic Solutions (Teil 2)

Kein Bereich ist ausgenommen und kein Instrument ungeeignet, dafür einen menschlichen Mehrwert unter Einschränkung des Ressourcenverbrauchs zu schaffen. Wir begreifen, dass der Lebenssinn im Tätigsein an sich und nicht im Geld besteht. Macht ist eine Frage der Fähigkeit, mit vorhandenen Instrumenten Neues zu erproben und Erfolge in der Reduzierung von Verschwendungen zu erlangen. Die Konzentration auf das Wesentliche und der Pluralität ist ein Teil des ethischen Kanons.

Dass wir uns etwas vormachen, glaube ich nicht. Wir haben nur den Hebel noch nicht gefunden, um unsere Ansprüche in eine neue Richtung zu lenken. Revolutionen sind uns verdächtig und angepasst lebt es sich scheinbar bequemer. Aber nicht die Angst, sondern die Neugier führt zur Erprobung von Möglichkeiten, die uns dabei helfen können, auch unseren Kindern eine Welt zu öffnen, die ihnen Lust und Freude bei der Verwirklichung ihrer Bedürfnisse erlaubt.

So geht es um die Anwendungen und Umsetzungen ethischer Grundsätze im privaten und öffentlichen Bereich, in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft, in Unternehmen und der Politik. Wir alle haben schon als Kinder von den Eltern vernommen, was man zu tun habe und was man besser lässt. Diese Grundsätze müssen Auswirkungen auf unser integres Verhalten lebenslang haben und unsere Kinder ermutigen, diese Grundsätze ebenfalls zu beachten. Allein schon die Beachtung des Fremdnutzens vor Eigennutz, die Bereitschaft zu geben, anstatt immer nur zu fordern, kann ein Schlüssel zur philanthropischen Welt bieten, der Ressourcen schont, wahre Bedürfnisse erkennen lässt, Anmaßungen vermeidet und Verantwortung wahrnehmen lässt.

Es kommt nicht darauf an, ob alle gleich mitmachen, denn jeder kann Vorbild sein und desto mehr Vorbilder es gibt, desto mehr Nachahmer sind erwartbar. Dank Influencer und Enabler wächst die Schar derer, die den Planten für erhaltungswürdig erachten. Na dann mal los!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ethic Solutions (Teil 1)

Die Welt ist schön! Vor Jahrtausenden haben wir damit begonnen, sie nach unseren Bedürfnissen zu gestalten. Wir haben immer alles von Menschen für Menschen gemacht und dabei entsprechend unserer Bedürfnisse auch auf die Ressourcen dieser Welt zurückgegriffen. Bei der Übertreibung unserer Nutzungsmöglichkeiten haben wir viele Fehler gemacht. Wir haben großen Schaden angerichtet, aber vieles ist uns auch gelungen. Probleme, die im Anthropozän besonders sichtbar geworden sind, beruhen auf unserer Fähigkeit, Entwicklungen auf allen Gebieten voranzutreiben.

Das Ergebnis ist ein enormes Bevölkerungswachstum, aber auch weniger Seuchen und Krankheiten, eine enorme Energieausbeute mit allen bekannten Konsequenzen, aber auch weniger Hunger, mehr Arbeit und Beschäftigung, kurzum mehr Lebensperspektive. Wir müssen alles sehen. Auch die großen Fortschritte, obwohl sie stets eine Kehrseite aufweisen, die uns Angst macht und uns verzagen lässt: Überbevölkerung, Verseuchung der Meere, Abschmelzen der Pole, Klimawandel, Atomkraft, Digitalisierung und schließlich „artificial intelligence“. Wir dürfen uns aber von der Verantwortung nicht zurückziehen, sondern haben Grund zu handeln, nicht völlig anders, weil dies unserem Leben nicht entspricht, aber mit abweichenden Perspektiven als bisher.

Kein „anderes Wesen“ kann uns retten, sondern wir können selbst unsere Fähigkeiten nutzen, die wir bei der Ressourcenausbeutung erworben haben. Vor dem Handeln steht das Erkennen. Unsere Welt ist unternehmensbestimmt. Sie ist aufgrund der industriellen Revolution, wie wir sie nennen, auf den Warenverkehr ausgerichtet, der den Stakeholdern, aber auch den Destinatären nutzt. Die dadurch gewonnenen Erfahrungen im Kapitalismus sollten ausgedehnt werden auf einen bisher kaum erschlossenen Bereich, um auch dort Mehrwerte zu schaffen, die uns gesellschaftlich und persönlich voranbringen. Philanthropie steht da für ein ethisches Verhalten, das kapitalistische Befähigungen mit den Möglichkeiten verbindet, ideell und finanziell einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen und zu nutzen.

Dies kann in allen Bereichen geschehen und geschieht bereits jetzt schon in der Gesundheitsfürsorge, der Pflege, der Bildung, der Müllvermeidung, der Zweit- und Drittnutzung von Gegenständen, der Finanzierung, der Ernährung, der Energie und der Wohnungswirtschaft.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kinderaugen

Das Wesentliche findet sich im Verborgenen. Um dies zu entdecken, wäre es hilfreich, auf kindliches Wissen zurückzugreifen. Die Kindeserfahrung gilt nicht nur dem Offensichtlichen, sondern Sinne, Gelüste und Erwartungen sind auch auf das gerichtet, was das Ding im Inneren ausmacht. Das Kind erfährt die Erlebnisintensität jeden Augenblicks, auch schon des nächsten. So, wie das Kind die sich ihm öffnenden Möglichkeiten erfährt, können auch wir wieder eintauchen in das Wesentliche, das sich hinter dem Offensichtlichen verborgen hält.

Um zum Wesentlichen vorzudringen, benötigen wir Hilfsmittel, die uns erlauben, durch Zeit und Wirklichkeiten unserer Wahrnehmung zu reisen und auch Gegenden zu besuchen, die seelisch und gedanklich in unserer Vergangenheit liegen oder uns in der Zukunft einladen. Begeben wir uns auf diese Inter-Journey der Gedanken und Gefühle, kann jeder Moment ein Abenteuer sein, ein Moment des weiten Schauens mit der Chance, Dinge zu entdecken, die wir bisher übersehen haben oder auch bei uns bisher nicht vorgekommen sind.

Indem wir in uns selbst reisen, erweitern wir unseren Horizont der Wahrnehmung, erkennen neue Instrumente der Daseinsbewältigung auch im realen Raum. Die Reisen, die wir in unser Bewusstsein und Unterbewusstsein antreten können, sind gleichermaßen entgrenzt, wie die eines Kindes. Erinnern wir uns doch, dass das, was wir uns als Kind vorgestellt haben, sich ereignete, in einem Tapetenmuster, einem Wolkenbild oder in der völlig unkonkreten aber passenden Vorstellung. Sind wir in der Lage, alle unsere früher so behänd beherrschten Hilfsmittel wieder zu nutzen, öffneten sich nicht nur die Möglichkeiten des Sehens, sondern auch des Tuns.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Es geht voran

Überall lesen wir, dass nichts voranginge, neues Denken erforderlich sei und wir – gemeint sind selbstverständlich nur die Politiker – bei der Bildung, im Wohnungsbau, im Pflegedienst, bei den Renten und bei der Verkehrswegeplanung versagten. Sicher habe ich nicht alle offenen Felder benannt, wie auch, bei dem Ausmaß an Anschuldigungen dessen, was hierzulande nicht funktioniert.

Davon etwas beindruckt, las ich einen Beitrag der früheren Senatorin für Justiz in Berlin und Hamburg, Frau Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit, die ihre gewichtige Stimme immer wieder zu Fragen der Familie, Ehe und Kindern erhebt. Nicht, dass mir die Umstände, von denen die Autorin berichtet, völlig fremd gewesen seien. Sie waren mir nur nicht mehr ganz gegenwärtig. Es war mir nicht mehr gegenwärtig, dass bis in die Nachkriegszeit hinein für Ehemänner und Väter einseitig begünstigte Rechtsvorschriften galten und sich diese auf die Bevormundung der Ehefrau, das Güterrecht und die Sorgeberechtigung für Kinder entscheidend auswirkten. Alles stets zum Nachteil der Frauen.

Und doch sind seit 1976 maßgebliche Reformen im Familienbereich angeschoben und umgesetzt worden, und zwar mit der Tendenz, da nicht stehen zu bleiben, sondern weitere Klippen zu meistern, um Familien zu stabilisieren und Frauen und Kindern mehr Rechte einzuräumen. Ist das nicht großartig? Sicher muss immer noch mehr getan werden, aber wir haben auch schon viel erreicht in der Energiewende, in der Bekämpfung der Armut, im Bildungs- und im Pflegebereich.

Verbesserungsprozesse sind nie am Ende, aber es geht voran. Wir sind in der Lage, auf allen Gebieten demokratisch prozessual Lösungen zu entwickeln, die uns helfen, unsere rechtsstaatliche und sozialstaatliche Freiheit weiter zu genießen. Wir benötigen kein „neues“ Denken, keine Revolution, keinen Umsturz der Verhältnisse, sondern eine Übersicht, aus der sich Ideen entwickeln lassen, die nach Selbstvergewisserung über Sinn des Handelns auch dazu führen, dass wir handeln.

Was für die gleichgeschlechtliche Ehe gilt, kann auch für die Integration von Flüchtlingen und Ausländern gelten. Der Prozess des Verstehens und der Analyse führt zwangsläufig zur Entscheidungsfindung und zur Integration. Aufgrund des inzwischen eingesetzten gesellschaftlichen Bewusstseinswandels kann sich heute wohl kaum mehr einer daran erinnern, dass erst 1994 die Strafbarkeit der Homosexualität in Deutschland abgeschafft wurde.

So wird es dereinst auch einmal zum gesamten Integrationsprozess von Ausländern heißen: „Was? Wir verstehen das überhaupt nicht, weshalb Ausländer in Deutschland einmal verfolgt, diskriminiert und abgelehnt wurden. Mit ihrer Einbürgerung sind sie wichtiger Garant für die Entwicklung unserer Gesellschaft geworden.“ Wir haben noch viel vor. Packen wir es an.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fußballmuseum Dortmund

„Der Ball ist rund“, „Vor dem Spiel ist nach dem Spiel“ – derartige Binsenweisheiten finden Sie auch im Fußballmuseum Dortmund. Diese Weisheiten sind stimmig und passen eigentlich nicht zu einem Museum. Das Fußballmuseum Dortmund ist auch kein Museum. Es ist Erinnerung, Begegnung und eine Verheißung für jedes nächste Spiel, das kommen wird.

Der Chef der TRIAD Berlin, Lutz Engelke, hat uns die Türen geöffnet und den Weg bereitet für bleibende Erlebnisse, ausgelöst durch konkrete Tatsachen und große Gefühle, wie sie sonst nur in Opern oder Musicals entwickelt werden können.

Ja, das Fußballmuseum Dortmund ist auch großes Theater, Informationsbörse, aber auch Wahrer unserer Erinnerungen. Diese sind stets gegenwärtig, ausgelöst durch legendäre Spiele 1954 und 2014 mit einem Abstand von 60 Jahren, um nur zwei davon zu benennen. Zum Leben erweckte Spieler-Ikonen weisen auf die großen Augenblicke des Fußballs hin, schaffen Verbindungen zu unserer Kindheit, wenn wir uns mit einem der Spiele identifizieren wollen, wenn wir den Ball vor uns hertreiben oder ihn im Tor fangen.

Ja, Fußball ist eben Teil unserer Entwicklung ganz persönlich und in der Gemeinschaft mit anderen Menschen. Wir sind frei, uns zu dem Ball und zu denen, die ihn treten, zu bekennen, ohne dass wir uns lächerlich machen. Für uns Menschen, und zwar für alle, ist Fußball trotz aller Gegnerschaften von Vereinen und Fußballnationen eine uns bindende Möglichkeit des grandiosen Erlebens von Körperlichkeit, Kampf und Versöhnung.

Die vom Museum vermittelte Sicht auf Fußball lässt Kriege unter Menschen, Hass, Rassismus, Erniedrigung und Intoleranz absurd erscheinen. Ich wünsche mir, dass viele Menschen Gelegenheit haben, sich dessen im Fußballmuseum Dortmund zu vergewissern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Johnny Appleseed

Wenn wir nur einige wenige Apfelbäume pflanzen, können wir bald einen köstlichen Apfelkuchen essen. Das ist die Botschaft von Johnny Appleseed!

Es handelt sich hierbei um eine der anrührendsten Sagen der Vereinigten Staaten. Johnny Appleseed versteht sich mit Menschen und Tieren, aber vor allem pflanzt er Apfelbäume und erfährt, was man alles Leckeres aus Äpfeln zubereiten kann, von apple tart bis Saft. Diese Geschichte zeugt vom Entdeckungsdrang des Menschen, der westwärts zieht in unbekannte wilde Gebiete, der aber auch Verantwortung übernimmt für seine Umwelt, für Mensch und Tier und sich selbst. So beinhaltet „Johnny Appleseed“ nicht nur eine Botschaft, die typisch amerikanisch ist, sondern auch Anleitung für innovatives Handeln weltweit sein kann und auch sein muss.

Wir müssen aufbrechen in eine neue Welt, nicht nur unser Verhalten schulen, sondern auch unsere Wahrnehmungsfähigkeit gegenüber Dingen, die uns bisher deshalb verschlossen geblieben sind, weil wir uns nicht öffnen wollten.

Die Anleitung zum Handeln erarbeiten wir uns durch Aufgeschlossenheit gegenüber der Welt, die Wahrnehmung von akzeptablem und nicht akzeptablem Verhalten in allen Regionen dieser Erde. Durch den Vergleich von Verhalten und Möglichkeiten festigen wir unsere Überzeugung, die uns befähigt, tatsächlich etwas zu ändern. Nur, wenn grenzenlos denken, ist auch unser Geben und Nehmen nicht begrenzt. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass jede Erschütterung im letzten Winkel dieser Erde Auswirkungen auf unser Verhalten hat.

So ist Johnny Appleseed eine Hinführung zu einer Weltordnung, die die Merkmale ihrer Verbesserungsfähigkeit, als prozessuales Verhalten, in sich birgt. Junge Menschen sollen durch die Welt ziehen, um sie mit neuen Augen kennen zu lernen, die sich nicht nur an Erfahrungen, sondern an der Lust des Ausprobierens orientiert. Wenn unsere Kinder und Jugendlichen zunächst auch nur wenige Apfelbäume pflanzen, so können sie uns doch bald dazu einladen, einen köstlichen Apfelkuchen zu essen. Das ist die hoffnungsfrohe Botschaft von Johnny Appleseed. Geben wir uns also – auch um unser selbst Willen – einen Ruck und packen wir es gemeinsam an. Ich bin hungrig auf den Kuchen nach dem ersten Rezept. Aber natürlich mit Sahne.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vertrauen

Vertrau mir! Auf allen Kanälen wird um Vertrauen geworben. Vertrauen in die Politik, in die Währung und sogar ins Internet. Vertrau mir! Das ist das mit Erwartungen verbundene Mantra unserer Gesellschaft. Ist das aber so einfach?

Derjenige, der vertraut, hat aufgrund konkreter Verabredungen die Überzeugung, dass das Vorgestellte sich auch erfüllt. Vertrauen basiert also nicht auf Mutmaßungen und vagen Erwartungshaltungen, sondern folgt konkreten, strukturierten, erfassbaren Gegebenheiten. Das auf dem Markt und in den Medien eingeworbene Vertrauen basiert in der Regel aber nicht auf Fakten, ist nicht strukturiert und auch nicht spezifiziert, obwohl jeder Adressat dieses Werbens sich angesprochen fühlen soll.

Es gibt ohnehin kein allgemeines „Vertrauen“, sondern nur spezifisches Vertrauen. Es gibt ein Vertrauen des Gebers und ein Vertrauen des Nehmers. Das Vertrauen des Gebers basiert auf der eigenen Einschätzung der Umstände einschließlich des Risikos, im eigenen Vertrauen getäuscht zu werden. Der Vertrauensbruch hat dann auch keine unüberwindbaren Konsequenzen, sondern führt allenfalls zur Veränderung des eigenen Verhaltens und Anpassung an neu zu beurteilende Umstände. Die Erwartungshaltung des Adressaten eingeworbenen Vertrauens ist dagegen ganz anders strukturiert.

Die Erwartungshaltung ist weit verletzlicher, gefühlsbetont und ohne Berücksichtigung des Scheiterns. Die Vertrauensbekundung des Empfängers korrespondiert allerdings mit Misstrauen und lässt es so zu, dass all das, was noch kurz zuvor für richtig empfunden wurde, bei Gefährdung des Vertrauens nun als abwegig behandelt wird. Das Misstrauen mag nicht gerechtfertigt sein, bemächtigt sich aber, obwohl es nicht faktengestützt ist, des Empfängers einer Botschaft. Daher wäre es sinnvoll, vom inflatinonären Gebrauch des Begriffes „Vertrauen“ abzusehen und vielmehr die konkrete Basis des Vertrauens so zu strukturieren, dass auch der Empfänger entsprechender Verlautbarungen sich darauf verlassen kann. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Das ist gut gesagt, aber in der Wirklichkeit nicht zu meistern. Die Kontrolle versagt an den Möglichkeiten des eigenen Beurteilens und Eingreifens, zumindest in der Regel. Daher sollte von Vertrauen nur dann die Rede sein, wenn man sich darauf verlassen kann und der Missbrauch des Vertrauens nicht nur mit Konsequenzen bedroht wird, sondern diese im Falle des Missbrauchs auch umgesetzt werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Brandmal

Kritisch wurde vor Kurzem in den Medien darüber berichtet, dass eine Waldorfschule in Berlin die schulische Aufnahme eines Kindes mit der Begründung abgelehnt habe, der Vater sei Mitglied der AfD im Abgeordnetenhaus. Zwar wurde in Medienberichten eingeräumt, dass Waldorfschulen durchaus das Recht haben, als Privatschulen frei über die Aufnahme oder Ablehnung eines Schülers zu entscheiden, dies aber im Hinblick auf die AfD-Zugehörigkeit des Vaters bedenklich sei. Bei der AfD handele es sich ja um eine rechtsstaatlich legitimierte Partei, das Verhalten der Waldorfschule sei daher diskriminierend.

Ist das so? Der AfD will ich ihre Legitimation überhaupt nicht absprechen. Ich unterstelle zudem, dass es sich bei dem AfD-Abgeordneten durchaus um einen persönlich integren Mann und einen bemühten Vater handelt, der seinem Kind die Chance einer breiten musischen und kulturellen Entwicklung bieten wollte. Vielleicht war er selbst einmal Waldorfschüler gewesen. Womöglich war es völlig falsch, dem Kind den Zugang zur Waldorfschule zu verweigern, weil die Rückbezüglichkeit zum Elternhaus vorteilhaft für alle gewesen wäre.

Aber! Dieses Aber bleibt wichtig und steht für sämtliche Aber der Zukunft, die verhindern sollen, dass unser auf Würde begründetes Leben gefährdet wird. Dieses Aber nehme ich auf, wenn ich die AfD als rechtsstaatlich legitimiert anerkenne, aber jeden der ihr angehört und für sie spricht, dafür verantwortlich mache, was in ihrem Namen gesagt oder getan wird. Da gibt es keine Halbheiten, keine persönlichen Zuweisungen, sondern neben der persönlichen Verantwortung auch die Gruppenverantwortung für alle Behauptungen, Ausgrenzungen und Diskriminierungen, ob sie in diesem oder jenem Zusammenhang geäußert werden.

Alles, was die pädagogische Pluralität, die Ausbildung zur Empathie, Verantwortung und die Bereitschaft zu geben, untergräbt, kann nicht – weder moralisch noch demokratisch – legitimiert werden. Toleranz verträgt keine Beliebigkeit, kein Changieren in der Moral und dem Abwägen von Einzelinteressen. Es geht um den Schutz unseres pluralistischen integren Lebens.

Das Verhalten der Waldorfschule finde ich daher im Ergebnis konsequent und richtig. Kinder müssen die Maßstäbe für den Zugang zu unserer Gesellschaft erlernen, sehen, dass Aufnahmebewilligungen dort versagt werden, wo die Gefährdung eines würdevollen menschlichen Lebens auftreten könnte. Wenn die Gefahr manifest geworden ist, ist es zu spät.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Team

Lasst uns ein Team bilden! Teambuilding ist in der Moderne eine so selbstverständliche Anforderung an eine Verhaltensweise, die – wie zum Beispiel zum Thema „Gendergerechtigkeit“ – keinen Widerspruch zulässt. Wer in einer bestimmten Situation nicht für Teambuilding ist, sondern seinen eigenen Weg gehen will, muss sich vergegenwärtigen, als Ausgrenzer gebrandmarkt zu werden. Nicht stets andere Menschen mit „an Bord zu nehmen“, sondern diese vielleicht sogar abzuweisen, gilt oft als sozial bedenklich. „Gemeinsam sind wir stark“, „we work“, „kooperatives Handeln“ oder „WeQ statt IQ“.

An unserem gemeinsamen Handeln werden wir gemessen, ob in Betrieben, Kultureinrichtungen und sogar privat. Die moderne Form der Teilhaberschaft wird begründet mit ihrem Mehrwert, ihrer demokratischen Legitimation, Inklusion und sozialer Verantwortung. Sie findet ihre Bestätigung in Vereinen, Verbänden, Selbsthilfegruppen und Gewerkschaften.

Neu ist das natürlich nicht. Waren es früher Brigaden oder Volksgemeinschaften, formieren sich heute wieder Gruppen oder Teams, deren Verhalten auf ein gemeinsames Ziel gerichtet ist. Ein solches Verhalten kann wirkungsmächtig sein. Zu befürchten ist allerdings, dass es auch Widersprüche verhindert, Kreativität lähmt und persönliche Verantwortung unterbindet. Deshalb sollte sich jede teambildende Gemeinschaft einem Regelwerk stellen, welches Widerspruch zulässt und niemanden ächtet, der eigene Wege geht, den Nutzen abwägt und sich dem Team verweigert.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski