Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen gesellschaftsrelevanten Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Das Monstrum

Erfahrene Juristen habe ich vom Monstrum reden hören. Sie sprachen von der Datenschutzgrundverordnung. Eigentlich freuen sich Juristen über monströse Gesetzeswerke des Gesetzes- und Verordnungsgebers aus Europa bzw. dem eigenen Lande. Gesetze und Verordnungen geben dem Juristen Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen und damit Geld zu verdienen und dabei zu zeigen, dass er in der Lage ist, ein geschaffenes Rechtsgebilde für die Wirklichkeit kompatibel zu machen.

Dieser Subsumtionsprozess geschieht so, dass der Einzelne und eine Vielzahl von Menschen darin unterwiesen werden, ihr Leben demjenigen eines neuen Gesetzes oder Verordnung unterzuordnen. Da kann es schon vorkommen und so ist dies auch bei der Datenschutzgrundverordnung, dass sowohl der einzelne Bürger als auch ein Großteil des gesamten Volkes überhaupt nicht begreift, was mit einer Verordnung wie der Datenschutzgrundverordnung erreicht werden soll.

Dabei ist sie vom Ausgangspunkt ja wohlgemeint, ausgehend davon, dass Daten etwas höchst Persönliches sind und nicht gänzlich dem Verfügungsrecht eines Menschen entzogen werden dürfen und vor allem nicht Datenkraken Schindluder mit Daten treiben, diese für Geschäfte und kriminelle Machenschaften ausnutzen. Das war es dann aber auch.

Kann sich die Verordnung an den berechtigten Vorbehalten gegen Datenmissbrauch zufriedenstellend messen lassen? Nicht nur ich glaube, dass dies nicht der Fall ist. Ausgehend von einem vernünftigen Ansatz hat der Verordnungsgeber feststellen müssen, dass die gesamte Datenverarbeitung ein äußerst komplexes Thema ist und hat dann, statt sich zu bescheiden, alles versucht, das gesamte Datenthema in den Griff zu kriegen. Dass dies nicht funktioniert, dass dies schiefgeht, liegt auf der Hand. Ein Problem verantwortet die Geburt des Nächsten.

So türmt sich Vorschrift auf Vorschrift, schafft Ansprüche, generiert Ausnahmen und webt ein Netz technischer juristischer Unverständlichkeiten. Da kein Normalbürger das Gesetz und auch die an ihn gerichteten Anfragen liest, bildet sich hinter der Fassade des Rechts ein scheinbares Partizipationsmodell des Menschen an reinen Daten aus. Die wahren Datenverfügungsspezialisten sitzen aber außerhalb Europas, haben Daten dorthin verbracht und werden hier im Falle des Missbrauchs nicht zur Rechenschaft zu ziehen sein. Die Datenschutzgrundverordnung ist dazu geeignet, unsere Gesellschaft erheblich zu belasten, ggf. deren Kohärenz zu zerstören.

Für Europa stellt sie eine hohe Belastung dar, auch zumal sie in den europäischen Ländern unterschiedlich gilt und gehandhabt wird, dadurch Ungleichheiten entstehen, die sich rechtlich und in der tatsächlichen Handhabung auswirken. Eine Gesellschaft, zu deren Judiz die Datenschutzgrundverordnung nicht passt, wird misstrauisch und ein Teil der Gesellschaft rebelliert, der andere Teil der Gesellschaft empfindet „diebische Freude“, dass bestimmte Unternehmen, Stiftungen und Vereine große Probleme mit dieser Verordnung haben. Diese Probleme sind eklatant und werden von Experten auf diesen Gebieten in keiner Weise geleugnet. In der Konsequenz aber können sie dazu führen, dass wohlmeinende Mitbürger keine Stiftungen mehr gründen, Vereine nicht mehr entstehen und Hilfe für Menschen ausbleibt, die dringend auf die Unterstützung aus dem privaten Sektor angewiesen sind.

Insofern stellt die Datenschutzgrundverordnung auch wieder ein Herrschaftsmoment des Staates dar, wie auch das Transparenzregister oder auch das Geldwäschegesetz, Vorschriften, die es mit sich bringen, den Bürger noch mehr zu disziplinieren und ihn davon abzuhalten, Initiative zu entwickeln. Menschen, die den Gesetzgeber nicht mehr verstehen, ziehen sich in ihre Privatheit zurück. Sie verlangen vielleicht, dass ihre Daten gelöscht werden, sei es bei der Gebühreneinzugszentrale, ihrem Verein oder in der Schule. Dabei sind Daten trotz allen beklagenswerten Missbrauchs essentiell für unsere Gesellschaft und waren stets verfügbar, wenn auch nicht so rasant digital via Internet.

Aber anstatt dort Ordnung zu schaffen, wo eine Bürgerpolicy Handlungsbedarf sieht, schüttet die europäische Politik das Kind mit dem Bade aus. Ich fürchte, dass wir weitere Verordnungen wie diese erleben werden und sehen die Erosion Europas voranschreiten. Ein Europa, das die Bürger nicht verstehen, ist chancenlos. Dabei wäre es so einfach, Europa aus den Regionen heraus aufzubauen, eine kulturell vereinigende Verfassung zu schreiben und es im Übrigen den einzelnen Staatsräumen zu überlassen, ihre Angelegenheiten zu ordnen. Ich bin davon überzeugt, dass dies die Bürger Europas begrüßen würden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fußballweltmeisterschaft

Deutschland ist ausgeschieden! Deutschland? Das frage ich mich. Dass die Spieler die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, bezweifle ich natürlich nicht. Sie sind nun mal Passdeutsche, mit oder ohne Migrationshintergrund, ob sie sich als Deutsche fühlen oder als Engländer, Spanier, Italiener, Polen oder Amerikaner. Völlig belanglos ist natürlich auch, in welchem Fußballclub sie weltweit seit längerem spielen, wo Familie und Kinder leben, möglicherweise ihre Kinder geboren wurden und ob diese vorwiegend oder ausschließlich spanisch, polnisch, kroatisch oder japanisch sprechen. Aus einem breiten Angebot der Bewerber werden vom Bundestrainer 11 Spieler mit deutschem Pass ausgewählt, von den Ersatzspielern nicht zu sprechen.

Das bedeutet bei 80 Mio. deutschen Einwohnern und geringfügig weniger Passdeutscher und 30 Mio. aktiven oder passiven Fußballspielern 11 Spieler, die Deutschland verkörpern. Für mich ergeben sich da Unstimmigkeiten, die dringend geklärt werden müssen. Wie kommt es, dass 11 Spieler, die ansonsten irgendwo in dieser Welt spielen, 30 Mio. deutsche Fußballer bei der Weltmeisterschaft repräsentieren?

Ich kann mich auch nicht erinnern, dass wir sie oder den Bundestrainer jemals gewählt hätten? Und dennoch sollen wir unseres deutschen Gemüts wegen mit ihnen mitfiebern, für sie schreien, Bier trinken, tröten und konsumieren. Wir sollen es auch ertragen, dass nicht etwa sie, sondern Deutschland verliert, also wir 30 Mio. Fußballdeutsche, obwohl sich nur 11 Spieler erfolglos auf einem Fußballplatz in Russland tummelten.

Dass Deutschland verloren haben soll, das geht zu weit, wir haben keineswegs verloren, sondern nur die sich Deutschland anmaßenden Spieler einschließlich ihrer Funktionäre. Entweder bekommen wir künftig ein Mitspracherecht oder die Spieler und ihre Funktionäre müssten sich ein anderes Land suchen, dass nicht so bekloppt ist, diese nicht im eigenen, sondern im Landesnamen verlieren zu lassen. Wir sind eine große und stolze Fußballernation, oder?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Erosion

Haben Sie zuweilen nicht auch den Eindruck, dass zur Zeit alles aus den Fugen geraten könnte? Damit meine ich, dass dies nicht nur auf die Anmaßung herrschender Politiker zurückzuführen ist, sondern durch unser eigenes Verhalten bedingt wird. Wir sind nicht nur anderen, sondern auch uns selbst weniger verlässlich geworden. Unser eigenes Misstrauen gegenüber anderen sorgt dafür, dass diese Menschen uns möglicherwiese auch nicht mehr vertrauen. Das macht uns natürlich wiederum misstrauisch diesen gegenüber und so fort. Vertrauen, gemeinsame Ziele und Zuversicht sind der Kitt jeder Gesellschaft.

Was sind nun die Gründe für eine gefühlte Erosion unserer Gesellschaft, das Zerbröseln des Kittes. Ist es wirtschaftliche Unsicherheit, die Angst vor Flüchtlingen, Altersgefahren oder die Digitalisierung bzw. Vernetzung dieser Welt und dem damit verbundenen informativen „Overflow“? Von allem sicher ein wenig.

Es wird uns viel zugemutet und dies in sehr kurzen Erregungseinheiten. Die Frequenzen, in denen unser Geist und unsere Gefühlswelt bedient werden oder besser konfrontiert werden mit neuen oder unangenehmen Erfahrungen ist extrem kurz geworden, insbesondere der Nachschub mit überflüssigen Informationen weltweit klappt und belasstet unsere Aufnahmefähigkeit für Neues, vor allem Wichtiges.

Das Ergebnis ist nicht nur eine äußere Verunsicherung, sondern eine, die uns selbst ergreift, unsere eigene Haltung zum Leben. Wir kapseln uns ab, erwarten dennoch viel von anderen, sind aber schon aufgrund des erwähnten Misstrauens nicht bereit, auch viel zu geben. Dabei ist doch Geben gerecht und nicht Nehmen. Dem wird entgegengehalten, dass dies nur ein Spruch für die Wohlhabenden sei, die Wirklichkeit sehe doch anders aus.

Ja richtig, aber diese Wirklichkeit gestalten wir, die Menschen. Sie wird uns nicht aufgezwungen. Wir entscheiden selbst, wie wir uns verhalten, was wir essen, wie wir zu unseren Partnern, Freunden und Kollegen sind. Wir entscheiden selbst, ob wir uns für andere Menschen öffnen oder verschließen. Es ist der freie Wille eines Menschen für sich und sein Verhalten gegenüber anderen, Verantwortung zu übernehmen. Es ist der freie Wille, Abwehrkräfte gegen menschenmissachtende Einflussnahme zu errichten.

„Lügenpresse“ mag dabei nur ein Stichwort sein, wer aber so ruft, sollte zumindest erwägen, ob er nicht selbst verführt wurde durch diejenigen, die ihn anstifteten, hier mit einzustimmen. Wie kann derjenigen, der Lügenpresse ruft, sicher sein, dass er selbst in diesem Moment nicht lügt? Ist der Stein einmal ins Wasser geworfen, zieht er schnell Kreise. Auf Lügenpresse folgt „Absaufen“ und dann? Wovor macht derjenige noch halt, der sich selbst beim Lügen ertappt und stets zu unterdrücken versucht, dass die Lüge offenbar wird?

Er macht weiter, denn das schlechte Gewissen macht zornig. Was dann folgt, ist die Radikalisierung der Sprache und des Handelns bis alles so eskaliert und erodiert, dass unser menschliches Zusammenleben auseinanderfällt. Was dann? Zum Siegen, zum Rechthaben besteht dann auch kein Anlass mehr. Etwaige Parolen kann keiner mehr hören. Es ist ja keiner mehr da.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bünde

Was ist mit den jungen Menschen los? Diese Fragestellung beschäftigt Eltern, Schulen und Medien. Unsere Kinder wenden sich rechtsnationalem Gedankengut zu, so wird gesagt und haben wenig Verständnis für unsere Demokratie und den Rechtsstaat. Fassungslose Lehrer und Politiker bieten daher fast über Nacht Demokratieunterricht für Schüler an und versuchen, sie abzubringen von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

Wenn die Kinder sich aber davon überhaupt nicht abbringen lassen wollen, was dann? Gibt es einen Plan B im Umgang mit Jugendlichen, die es beim Denken und Meinen nicht belassen, sondern handeln? Ich fürchte nein. Den Grund dafür sehe ich allerdings weniger im rassistischen, nationalistischen und antidemokratischen Gedankengut, als darin, dass wir aufgehört haben zu verstehen, worauf es Kindern und Jugendlichen ankommt, und zwar auf Gruppenerlebnisse.

Unsere Eltern waren leider oft bei der Hitlerjugend oder beim BDM, wir selbst waren bei der FDJ oder den Pfadfindern. Meine Mutter war beileibe keine Nationalsozialistin, aber bezeichnenderweise beim BDM, obwohl die Nazis ihren Vater auf dem Gewissen hatten. Ich selbst war beim CVJM (Christlicher Verein junger Männer). Auch wenn wir für Gott und Jesus Christus kämpften, sangen wir oft die gleichen Lieder, wie sie schon bei der Hitlerjugend erklangen und unterzogen uns ähnlichen Ritualen. Es war mir damals wichtig, nachts beim Zelten andere Gruppen zu überfallen, ihnen die Fahne zu rauben und schließlich irgendwann aufzusteigen in der Hierarchie als Führer der Gruppe.

Da ich im Osten nicht gelebt habe, kann ich nicht abschließend behaupten, ob auch bei der FDJ sich alles nach diesem Muster vollzogen hat, gehe aber stark davon aus. Gruppenerlebnisse sind wichtig für den jungen Menschen, weil sie die Möglichkeit erlauben, Leben zu erproben, mit anderen Worten erwachsen zu werden, Inhalte spielen dabei weitaus weniger eine Rolle, als verlässliche Rituale. Keiner, der beim CVJM oder den Pfadfindern ist, bleibt später zwangsläufig Christ. Das gilt auch für diejenigen Kinder und Jugendlichen, die sich anderen ggf. völkischen Bewegungen anschließen. Sie tun es, weil wir versagen, ihnen keine konkreten alternativen Angebote unterbreiten, die sie Gruppenstolz, Auseinandersetzung und Hierarchien sowie deren Überwindung erleben lassen.

Da wir selbst alles in Frage stellen, Hierarchien, Autoritäten und jede Form von Unterschiedlichkeit, machen wir es den Kindern und Jugendlichen fast unmöglich, selbst einen Standpunkt zu erlangen, wenn sie mit der Angebotslosigkeit unserer Gesellschaft nicht einverstanden sind. Wo ist der Stolz, der Wagemut, die Autorität, das Vorbild, das Kämpferische, die Herausforderung und das überzeugende organisatorische Angebot für Kinder und Jugendliche? Wenn wir da zündende Ideen haben, erreichen wir sie wieder, lassen sie eine Welt erkennen, die jenseits von Individualismus, materiellem Gewinnstreben und Hedonismus noch eine Sinnperspektive bietet.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Echo

Ich erinnere mich genau, dass es anlässlich der Verleihung des Musikpreises „Echo“ zu einem Eklat kam, weil das Musikwerk von Rappern ausgezeichnet wurde, welches antisemitische, frauenverachtende und rassistische Textpassagen aufwies. Beim „Echo“ handelt es sich um einen Musikpreis, der nicht für die Güte eines Werkes, sondern für dessen Erfolg vergeben wird.

Offenbar waren diese Rapper, ihr Verlag, ihre Produzenten und Vertriebspartner sehr erfolgreich und vermochten viele Konsumenten davon zu überzeugen, sich deren Produkt zu kaufen. Viele ebenfalls ausgezeichnete Preisträger und Teilnehmer der Veranstaltung begegneten der Preisverleihung an die Rapper mit wütenden Protesten und gaben auch den ihnen verliehenen Echopreis zurück.

Neben den Protesten gegen die Rapper selbst richteten sich diese auch gegen den Verleiher des Echopreises, der inzwischen reagiert hat und das bisherige Format für erledigt erklärte. Merkwürdigerweise aber richtete sich der Protest nicht auch gegen die Konsumenten der menschenverachtenden Produkte. Offenbar treffen hier die Anschauungen der Rapper selbst, die auf ihre Meinungsfreiheit und künstlerisches Dürfen pochen, mit dem Recht der Konsumenten zusammen, alles zu erwerben, was auf dem Markt ist. Darin scheint mir allerdings ein Fehlschluss zu liegen.

Anspruch auf Freiheit hat meines Erachtens nur derjenigen, der auch bereit ist, Verantwortung für sein Handeln und dessen Auswirkungen auf andere zu übernehmen. Menschenverachtende Texte sind aber verantwortungslos. Ihnen kann nur mit einem gesellschaftlichen Konsens begegnet werden, sie zu ächten. Der Bürgermeister Bart Somers der belgischen Stadt Mechelen hat ein Beispiel dafür geschaffen, wie dies zu bewerkstelligen ist. Nach ihm geht es nur mit Zwang, also „Law and Order“, aber auch mit der Vermittlung einer Möglichkeit, den eigenen Hass zu überwinden, konstruktiv in der Gesellschaft zu wirken, Verantwortung zu übernehmen und Lebensfreude im Gleichklang mit anderen Menschen wiederzufinden.

Meines Erachtens sollte denjenigen, die antisemitische Parolen in Deutschland verbreiten, Gelegenheit geboten werden, Konzentrationslager zu besuchen, um sich selbst die Konsequenzen ihres Verhaltens vor Augen zu führen. Diejenigen, die Flüchtlinge daran hindern wollen, ihr Land zu verlassen und deshalb – wie in Dresden geschehen – skandieren: „Absaufen, absaufen“ müssten konkret zur Rede gestellt werden, ob sie es auch hinnehmen, dass ihr Kind oder Enkelkind „ersaufen“ soll, ob sie dies gar für ihre Familie und die Gesellschaft fordern, dass wir alle ertrinken in unserem allgemeinen Hass auf alles.

Wir hatten uns in dieser Gesellschaft einmal dazu verabredet, weltoffen, tolerant, menschenliebend, demütig und verzeihend zu sein. Dabei geht es nicht um eine im Detail ausformulierte Leitkultur unserer Gesellschaft, sondern um das Verfassungsgebot, die Würde des Menschen zu achten. Wer dieses Würdegebot gegenüber anderen Menschen verletzt, sollte in dieser Gesellschaft mit Konsequenzen rechnen müssen. Wer gegen unsere „ordre public“ verstößt, hat keine Entscheidungsfreiheit mehr. Sie sollte ihm von der Mehrheitsgesellschaft genommen werden.

Wehret den Anfängen. Der Opferschutz muss verstärkt werden und auch die Repression gegen jede Art von Tätern, die die Duldsamkeit unserer Gesellschaft herausfordern. Um konsequent vorgehen zu können, müssen Staatsanwalt und Gerichte sowie die Polizei personell und formell zu schnellerem Handeln in der Lage sein. Es müssen Zentren eingerichtet werden, in denen Jugendliche, aber auch Erwachsene nicht allein gelassen werden mit ihren Sorgen und Nöten.

Es müssen aber auch konkrete soziale Programme entwickelt werden, die nicht nur Gruppen, sondern auch dem Einzelnen Lebensperspektiven aufzeigen. Eine Gesellschaft, die es hinnimmt, dass viele in unserer Gesellschaft nur noch anwesend sind, aber nicht mit Herz und Seele hier leben, kann die Bedrohung, die aus einer kalten menschenverachtenden Gesellschaft sich entwickelt, schon heute erfahren. Es geht also nicht darum, nur den Anfängen zu wehren, sondern wir müssen konsequent handeln, und zwar jetzt. Wir müssen alle Volksverführern und verantwortungslosen Ideologen Einhalt gebieten. Das hat mit Zwang zu tun, schafft aber auch Orientierung und fördert den Respekt gegenüber einer entschlossenen Gemeinschaft freiheitsliebender Menschen. Diese ist und soll die Mehrheit bleiben. Dafür stehen wir, oder?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

 

Selbstgenügsamkeit

Was wäre, wenn alle Menschen so wären, wie ich. Ich verspreche: ein Paradies. Es gäbe keine Kriege mehr, kein Hass, keine Gewalt, keine Diebstähle, es herrschte nur Respekt und Höflichkeit. Jeder übernähme für sich und andere Verantwortung, um nur einige Aspekte zu nennen. Ob dies langweilig wäre, vermag ich nicht zu sagen, weiß aber ganz genau, dass diese utopische Vorstellung nicht funktioniert. Es wäre eine Welt ohne Pestizide, ohne Plastik und wenig Fleisch.

Die Autoindustrie wäre erledigt, da sie nur alle 30 Jahre ein Auto bauen dürfte, die Bekleidungsindustrie ohnehin und sämtliche Warenhäuser wären geschlossen, Amazon und Ebay gegenstandslos. Mit dieser Erkenntnis wehre ich mich, wenn auch etwas wehmütig, im Interesse meiner Mitmenschen dagegen, dass die Welt so ist, wie ich es mir wünsche und andere Menschen das genauso sehen sollten.

Die Schlussfolgerung daraus ist aber, dass keiner der Auffassung sein kann, das Leben anderer habe sich in seinen Vorstellungen von der Welt auszurichten. Würde es so funktionieren, gäbe es zum Beispiel im Frühjahr keinen Spargel mehr, da keine Menschen aus Rumänien, Syrien oder Afghanistan mehr in der Lage wären, unseren Spargel zu stechen, weil man sie nicht mehr ins Land ließe.

Da die „Urdeutschen“ für diese Arbeit nicht geeignet sind, fällt also die Spargelernte aus. Mangels Arbeitskräfte werden kontinuierlich auch die Rentenerwartungen abgebaut und Sozialleistungen gestrichen. Ganz zweifellos ist das bitter, aber nicht ungerecht, denn es wird eintreten, was gewollt war. Wir haben unser deutsches Paradies. Wir sind unter uns. Ohne Investitionen von außen, ohne fremde Menschen und Einmischungen. Wir hätten, was manche wollen, vielleicht sogar künftig eine Mehrheit der Deutschen, wenn wir ihrem Willen entsprächen.

Wenn dann später einmal das Klagen einsetzen sollten, sind diejenigen, die den Zustand zu verantworten haben, entweder verstorben oder haben sich neuen Ideen zugewandt. Verantwortung ist ausgesprochen flexibel, ob in Trumps Amerika, in Frankreich, Italien, Türkei und demnächst auch in Deutschland.

Dabei könnte alles so einfach sein: Anstatt uns auf die eigenen Interessen zu fixieren, könnten wir auch die Interessen anderer berücksichtigen und dabei unsere Möglichkeiten erweitern, anstatt sie zu verengen. In der Welt von morgen ist dies sogar unumgänglich, will man verhindern, in einem altzeitlichen Museum zu erstarren.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gender

Mit oder ohne Sternchen, sprachlich zumindest ist es außerordentlich schwierig geworden, das Geschlecht eines Menschen korrekt zu benennen. Die deutsche Sprache drückt in manchen Begriffen nicht gleichzeitig das Weibliche und Männliche aus und muss daher zu Umschreibungen finden, die zumindest sprachgerecht erscheinen. Das Anliegen verstehe ich zwar, kann den lauthals verkündeten „Wahnsinn“ darin nicht erkennen, begreife aber, wie vielleicht sogar viele Menschen nicht, um was es eigentlich geht.

Es geht anscheinend um die real wirkliche, aber auch sprachliche Gerechtigkeit für Lesben, Schwule, Transgender und Intersexuelle. Ich kann nicht verpflichtet sein, alles genau zu wissen und zu begreifen, aber ich verstehe sehr gut, dass sogar eine Vielgeschlechtlichkeit in einem Menschen angelegt sein kann, und zwar männlich und weiblich bestimmt.

Nicht begreifen kann ich aber, was das eigene sexuelle Verhalten als Metrosexueller, Schwuler oder Lesbe damit zu tun haben soll? Das eigene sexuelle Verhalten erscheint mir in erster Linie Privatsache zu sein und kann nicht eigentlich wirklich Gegenstand einer Debatte werden, die die eigene Zugehörigkeit zu einem Geschlecht mit Verhaltensweise vermengt und daraus Ansprüche ableitet. Menschen sollen Menschen lieben können, vielleicht Fetische oder auch Tiere, Menschen sollen Menschen partnerschaftlich verbunden sein und heiraten, wenn sie mögen, aber daraus, ob diesen oder jenem Geschlecht oder keinem angehören, ein sprachliches Monstrum zu schaffen, erscheint mir nicht angemessen.

Da wir wenig von uns wissen, wissen wir auch nicht, in welcher Geschlechtlichkeit wir auf die Welt kommen und wie sich diese später ausdrückt. Wir sollten daher auch darauf nie festgelegt sein, sondern uns jeweils opportun frei entscheiden können. Dies wiederum setzt voraus, dass wir optional alle Möglichkeiten lebenslang in uns verwahren und uns darauf besinnen, so der Körper, der Verstand oder die Gefühle uns dies sagen.

Ich bin daher dafür, sämtliche weiblichen und männlichen Endungen komplett zu streichen und in Pässen sowie allen sonstigen Ausweisdokumenten „intersexuell“ einzutragen. Diese Beschreibung der Sexualität wird dem Menschen am nächsten gerecht, belässt es auch bei allen öffentlichen Einrichtungen beim Status quo, gleichermaßen nutzbar für allerlei Geschlecht und auch einer digitalen Zukunft zugewandt. Ich denke, dass die Aufhebung der Geschlechtlichkeit zur Versöhnung beiträgt und auch dazu führen kann, dass keiner seines Geschlechts wegen mehr benachteiligt wird.

Wenn es nur noch ein Geschlecht gibt, versagen alle Argumente, Frauen und Männer unterschiedlich zu behandeln, sie zu diskriminieren oder schlechter zu bezahlen. Mit dieser letzten Anstrengung verwirklichen wir den amerikanischen Human-Right-Appell „All men are created equal“.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Distanziertheit

Populismus, was ist das eigentlich? Meist wird der Populismus – jedenfalls ist so meine Wahr­nehmung – aus einer Wirkung heraus erklärt. Die Wirkung selbst wird aber nur unscharf beschrieben, provozierend und/oder reaktiv auf ein Verhalten eines Teils der Bevölkerung hin. Politiker, die wir als Populisten bezeichnen, schaffen zwischen sich und dem angesprochenen Teil der Bevölkerung eine Wechselbezüglichkeit, die verbal stark ist und diesem Teil der Bevölkerung Wohltaten verheißt.

Mit dieser sehr unzulänglichen Betrachtungsweise sind wir aber dennoch dem Populismus nicht sehr nahe gekommen, denn verbale Kraftmeierei bei Politikern ist auch ohne populistische Absicherung möglich. Ist Verantwortungslosigkeit ein populistisches Zeichen?

Ich glaube, nein. Auch derjenige, der sich dem populistischen Raum zugehörig fühlt, also vorwiegend in seiner Echokammer verweilt, übernimmt durchaus Verantwortung durch seine Äußerungen und sein Verhalten. Er ist damit einverstanden. Mir scheint der Populist genauso facettenreich zu sein, wie jeder andere Politiker und Bürger auch. Es gibt diejenigen, die systemisch denken, frei nach dem Motto: „Macht kaputt, was euch kaputt macht.“ Es gibt Intellektuelle, die den populistischen Gemeinsinn als Möglichkeit begreifen, eigene und fremde Interessen so zu bündeln, dass sie wie ein neues gesellschaftliches Produkt aussehen.

Schließlich wird Populismus nicht nur durch kalkulierte, sondern auch durch freigewordene Emotionalität bewegt, denn daraus kann ein Lebenssinn entstehen, der angepasstes Bürgerverhalten nicht zu zeigen vermag. Populismus ist also nicht monokausal in seiner Ursache, geschweige denn phänomenal eindeutig bestimmbar.

Gerade der Chamäleon-Charakter des Populismus erschwert die Einordnung und die Möglichkeiten, Ihnen zu begegnen. Hilfelose Politiker reagieren auf Populismus entweder mit Abscheu oder Parolen, wie „wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen“ ohne durch geduldige Analyse Ursache und Wirkung zu erschließen. Schließlich kann Populismus auch nur dort gedeihen, wo nicht populistisch orientiere Gesellschaften für die Nahrung vorgesorgt haben, deren sich die Populisten bedienen.

Gelänge es dem Populismus, sich der Gesellschaft insgesamt zu bemächtigen, wäre diese erledigt. Der Populismus aber auch, weil er zwischenzeitlich an seinen eigenen inneren Widersprüchen zerbrochen wäre. Menschen haben es in der Hand, sich des Populismus zu entledigen. Verachtung ist dabei der falsche Weg.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Selbstmitleid

Es herrscht großes Leid in dieser Welt. Dies ist nicht unvorstellbar, sondern vorstellbar, weil wir es täglich sehen. Aus unterschiedlichen Gründen sterben täglich Menschen weltweit unter höllischen Qualen, aber auch bei uns herrscht großes Leid.

Hiob ist keine ferne biblische Gestalt, sondern begegnet uns täglich auf unseren Straßen, mal als Bettler verkleidet, mal als Straßenkind, mal jung, mal alt. Viele Menschen tragen großes Leid. Manche dieser Menschen erfahren Mitleid, teils tatkräftig durch Helfer im Einsatz in Kriegsgebieten und Flüchtlingscamps, teils emotional durch Solidaritätserklärungen und Durchhalteappelle.

Was bedeutet nun Mitleid? Heißt es: „Dein Leid ist auch mein Leid und ich teile es mit dir?“ Angesichts der Unüberbrückbarkeit der Wahrnehmung eines in Afrika verhungernden Kindes und unserer wohlbehüteten Zuwendung erscheint mir dies kaum möglich. Und doch sind all die Menschen, die in dieser Welt unter erbärmlichen Umständen leben oder sterben, darauf angewiesen, dass wir hinschauen, uns ihrer Erbarmungswürdigkeit bewusstwerden.

Keine Distanziertheit tröstet uns darüber hinweg, dass Leid Teil eines weltumspannenden Prozesses des Werdens und Vergehens ist, da jeder von uns auch Teil des Ganzen ist. Deshalb ist es auch eine Frage des Selbstmitleids, das wir aufbringen müssen, um das Leid anderer zu erkennen, dieses zu verkraften und zu lindern. Wenn wir helfend handeln, dann auch um unser selbst Willen aus Selbstmitleid.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Grenzen

Angesichts der Flüchtlingsströme versiegt die Debatte über das Schützen unserer äußeren Grenzen in Europa nicht. Es geht mir aber hier nicht um die äußeren Grenzen, sondern die inneren Grenzen, die wir ziehen, um Ereignisse nicht zuzulassen, weil wir sie bei anderen nicht respektieren wollen.

Das sind keine klar definierten Grenzen, sondern selbstverständliche oder verabredete Linien, deren Überschreitung Konflikte auslösen können. Der einzelne Mensch kann Grenzen setzen und erklären, bis dahin und nicht weiter. Um diese Grenzziehung zu verteidigen, muss er entweder darauf vertrauen, dass ein anderer diese Grenze achtet oder er bei Missachtung den Grenzverletzer zur Rechenschaft ziehen kann.

Wie die äußeren Grenzen sind folglich auch die inneren Grenzen von der Machtfrage geprägt, aber nicht nur. Innere Grenzziehungen beruhen auf dem Kalkül, dass deren Überschreiten Störungen verursacht, die den Verlust sozialer Anerkennung des Grenzverletzers mit einschließt. Das System der inneren Grenzen hat sich seit Bestehen der Menschheit bewährt und stellt daher den Kompass für eigenes Verhalten und das Verhalten anderer Menschen dar.

Aber gerade heute stellen wir vermehrt fest, dass Menschen bewusst zu Grenzverletzungen neigen. Sie verletzen diese bewusst, um die Konsequenzen zu erfahren oder deren Konsequenzlosigkeit. Eine beispielhafte Konsequenzlosigkeit der Grenzverletzung macht den Menschen aber hilf- und wehrlos. Wenn er sieht, dass er mit seinen Appellen an Recht, Moral und Menschlichkeit nicht mehr weiterkommt, wird er möglicherweise selbst zum „Kannibalen“ und zerstört alles, was ihm in seinem Furor noch im Wege steht.

Eine entgrenzte Gesellschaft kennt also ad hoc Bünde der Macht, der Gier, der Ziellosigkeit und des schlechten Geschmacks. Eine Welt ohne innere Grenzen ist zudem so langweilig, dass sie selbst die permanenten Grenzverletzer nach Wegfall aller Hemmungen um den Triumpf ihres Verhaltens bringt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski