Archiv der Kategorie: Kultur

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen kulturellen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Rotationseuropäer

Wie bitte? Sie haben noch nie etwas von einem Rotationseuropäer gehört? Das verwundert nicht, macht aber neugierig auf eine Begriffsdefinition, die Sie selbst liefern. Dass Sie dies tun sollten, beruht auf einem einfachen Grund. Ich weiß nämlich auch nicht, was einen Rotationseuropäer ausmacht, bin aber gespannt auf Ihre fantasievolle Beschreibung.

Ich gebe ein paar Stichworte. Sind es vielleicht Europäer, die von einem Land in das andere europäische Land reisen? Sind es vielleicht Arbeitnehmer, die nach den an sie gestellten Anforderungen zum Beispiel auf dem Bau oder in der Spargelernte von Arbeitgebern durch europäische Lande durchgereicht werden? Oder sind es gar Asylanten mit eingeschränktem Bleiberechte, die entsprechend eines europäischen Aufteilungsschlüssels – soweit möglich – quotengerecht in Europa verteilt werden?

Alles erscheint denkbar, liefert womöglich auch das Stichwort für einen künftigen Verteilungsschlüssel bezüglich sämtlicher Europäer, um eine vielfach angemahnte Gerechtigkeit zwischen Ländern, Städten, Gebieten und gar Nationen zu schaffen. Deutsche sollten nach Frankreich aufbrechen, die verbleibenden Deutschen ergänzen sich durch „Brexit-Flüchtlinge“ aus Großbritannien. Alles natürlich auf Zeit. Rotation heißt Bewegung. Wir rotieren also europäisch weiter und reichen Skandinavier nach Italien durch, Ukrainer nach Portugal und Finnen nach Malta.

So entsteht überall Bewegung, Dank der Rotation kommen Engländer dann irgendwann wieder auf die Insel zurück und polyglotte Türken in das Land ihrer Väter. Sie alle haben dann mächtig viel von dem zu berichten, was sie unterwegs erleben durften und freuen sich auf die nächste Rotation. Make Europa great again!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zeit

Wer hat schon Zeit? Mit Zeit lässt sich trefflich argumentieren. Zeit kann man rauben, verschwenden, nehmen, verlieren, gewinnen, stehlen und darüber verfügen. Manche behaupten, sie seien Herr ihrer Zeit, andere behaupten gerade das Gegenteil.

Dabei gibt es eine biologische Zeit und ein planetarische. Wir nennen Zeit auch das, was ganz unterschiedlichen Rhythmen folgt. Wir behaupten Jahreszeiten, Lebenszeiten, Arbeitszeiten und historische Zeiten.

Wir kategorisieren, um dadurch unser Leben verfügbar zu machen, weil wir glauben, dass wir ohne diese Orientierung die Herrschaft über unser Leben verlieren. Wir kategorisieren das Leben selbst in Kindheit, Jugend, Erwachsensein und Alter. Wenn wir diese Denkweise aufbrechen würden, begriffen wir, dass es kein abgrenzbares Davor oder Danach gibt, sondern nur Metamorphosen derselben.

Es gibt keine Vor- und Frühgeschichte. Es gibt keine Gegenwart in eine sich davon absetzende Zukunft. Die Zeit ist ein Prozess von Möglichkeiten, der auf unseren Zugriff angewiesen ist, aber die Gestalt ändert, sobald wir ihn anhalten wollen. Die Zeit ist unendlich gedehnt und ist eingeschlossen in den kleinsten denkbaren Augenblick. Sie hat keine Bedeutungen in unserer Begrifflichkeit, sondern richtet sich nach unserer Wahrnehmung.

Wir alle kennen die langen Augenblicke der Langeweile oder des Erstaunens. Wir alle kennen die kurzen Augenblicke der Freude und des Glücks. Es liegt an uns, die Zeit als Gradmesser unserer Befindlichkeit zu verabschieden und immer das Komplexe zu sehen und zu empfinden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vergebung

Kürzlich las ich in der „Zeit“ von einer Mutter, die dem Mörder ihres Sohnes vergibt. Weitere Beispiele der Vergebung werden in diesem Beitrag auch genannt. Vergebung? Was bedeutet das eigentlich und was ist damit gemeint?

Vergebung bedeutet sicher nicht Billigung einer Verletzung. Sie bedeutet aber, dass sich der Verletzte mit dieser Verletzungshandlung auseinandergesetzt hat. Er hat vergebend begriffen, dass jeder Mensch verletzlich ist und auch verletzend sein kann. Durch die Vergebung bekennt sich der Mensch zunächst einmal zu sich selbst und seinen eigenen Schwächen und Fehlern. In der Distanzierung vom eigenen Schmerz, Wut oder Enttäuschung erfährt der vergebende Mensch Perspektiven für seine eigene Heilung. Wenn ich vergebe, erfahre ich die Gnade von der Befreiung eigener Last. Eine Verletzungshandlung bedeutet nicht nur den Eingriff in fremde Wesenheit, sondern der Verletzte selbst kann der Verletzungshandlung nie wieder entgehen, es sei denn, er kann vergeben und verzeihen.

Leider hilft hier eine Wiedergutmachungshandlung des Verletzers oder gar eines Dritten, zumal in finanzieller Art und Weise kaum. Eine Verletzungshandlung ist nicht kompensierbar. Jede Opferhilfe lindert vielleicht graduell den Schmerz, dieser flammt gleich wieder auf, weil ein richtiger Ausgleich gar nicht stattfinden kann. Der Verletzte selbst muss die Initiative ergreifen und ausloten, ob er in der Lage ist, um seiner selbst willen dem Verletzer zu vergeben. Diese Souveränität zu nutzen, ist selbst dann sinnvoll, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Verletzer das Geschenk annehmen kann oder will.

Eine Vergebung darf sich auch nicht von der Billigung anderer Menschen oder Institutionen abhängig machen, denn eine Verletzung ist stets ein individuelles Erfahren und kein kollektives Erleben. Die Interessen sind vielschichtig, um die Vorstellungen anderer Menschen an die Stelle des eigenen Wollens zu setzen. Wer vergibt, gewinnt an Stärke. Er vergisst nicht, aber kann mit sich selbst wieder ins Reine kommen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Beifang

Moderne Medien brüsten sich damit, dass sie Dank Digitalisierung und Algorithmen in der Lage seien, individuell auf die Wünsche der Konsumenten einzugehen. Dabei geht es in den Printmedien um die von den Kunden nachgefragten Informationen aus Politik, Wirtschaft, Kul­tur und Technik. Was Printmedien als verbraucherfreundliche Zukunft beschreiben, gilt natürlich auch für das interaktive Fernsehen und alle Projekte des Internets.

Der Kunde ist König. Er kann wählen und aus dem vielfältigen Angebot aussuchen, was er will, wenn er nicht selbst Ansprüche stellt und fordert, wonach ihm verlangt.  Das können Kriminal- oder Liebesfilme sein, Berichte über Intrigen, Folter, Vertreibung und Verschleppung oder auch Schnulzen, Traumfahrten und schöne Landschaften. Hass und Liebe, Wut und Sanftmut, alles liegt nur einen Knopfdruck voneinander entfernt.

Nach etwas Eingewöhnung weiß das digitale Medium selbst, was der Konsument beansprucht, sei es an Informationen, Waren oder Dienstleistungen. Eigentlich alles wunderbar, genauso, wie es vorgesehen ist. Wir hören, sehen und lesen, was wir wollen. Wo ist der Haken? Das Problem ist, dass wir selbst nur noch das aussuchen, was in unsere Welt passt, wobei allmählich die Algorithmen die Kontrolle übernehmen, weil sie gespeichert haben, was wir wollen. Schließlich befinden wir uns in einem medialen Kokon, der undurchdringlich für Informationen ist, die wir sonst beim Durchblättern einer Zeitung, beim Zappen durch Fernsehsender oder Radiohören noch nebenbei mitgenommen haben.

Es erreicht uns nur noch das, was zu unserem Gefallen individualisiert wurde. Mangels Spiegelung mit anderen Meinungen oder Eindrücken, müssen wir glauben, dass das, was uns erreicht, der Wahrheit entspricht. Wir sind verwundert, entrüstet und ggf. sogar aggressiv, wenn wir feststellen, dass unsere Wahrheit keine Allgemeinverbindlichkeit haben soll. Unsere Welt hat mit den Welten anderer Menschen nichts mehr zu tun. Fremde Räume bleiben uns verschlossen, auch im Vorübergehen erhaschen wir keinen Blick in diese Räume. Wir sind aber darauf angewiesen, dass unsere Räume sich wieder weiten.

Das wird dauern, erleben wir doch in den Vereinigten Staaten von Amerika gerade das Gegenteil. Ein Präsident, ein Fernsehsender, eine Anhängerschaft und eine Botschaft. Sie lautete: Ich.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

 

Strickliesel

Wir erinnern uns doch sicher alle noch an die Strickliesel, oder? Dieses wunderbare Holzspielzeug mit den am „Kopf“ eingeschlagenen Ösen und innen hohl, damit der Flechtzopf endlos durchquellen kann. Mit den Fingern umspannten wir verschiedene Wollfäden, die abwechselnd übereinandergelegt und mit einer Häkelnadel verbunden wurden. Nenne wir dies also das Stricklieselprinzip, welches mir optisch und gebrauchserfahren als Vorlagen anderer Möglichkeiten des Gebrauchs dienen soll.

Nun also: Wir haben eine Welt und ein gesamtmenschliches Anliegen, dass das Leben auf diesem Planeten nicht enden möge. Um unseren gemeinsamen Lebensstrang immer wieder zu verlängern, benötigen wir nicht einen, sondern mehrere Fäden, die es kunstvoll zu verschlingen gilt, mittels unserer Plattformen, Dienstleister und sonstigen Einrichtungen seien diese weltlicher, kultureller, soziologischer, spiritueller oder naturwissenschaftlicher Natur.

Jeder Faden hat eine Bedeutung. Fällt eine Masche, müssen wir diese wiederaufnehmen und zurückführen in den Verbund mit den anderen. Weder von der Struktur, noch der Farbe, noch der Konsistenz her ist jeder Faden gleich, aber wir sind dank unserer Fähigkeit, alle Unterschiede zu bündeln, in der Lage, selbst Gegensätze so zu verarbeiten, dass der werdende Zopf belastbar ist.

Die Strickliesel ist zweifellos ein Symbol der Gemeinsamkeit und nicht des Trennenden, der Versicherung, dass Vielfältigkeit und sogar Gegensätzlichkeit geeint und in einem Ziel zusammengeführt werden kann, dem gemeinsamen Ergebnis. Das klingt kindlich, das klingt vielleicht sogar bieder und lustig. Es ist aber ernst gemeint. Wir müssen uns zumindest von Zeit zu Zeit des gemeinsamen Ziels versichern und uns auf den Prozess der Gestaltung einlassen.

Dazu sind wir in der Lage. Unsere Gegensätzlichkeit könne dann dabei befruchtend wirken. Wenn wir nicht ständig den Gegner im Auge haben und uns nicht ständig in Nebensächlichkeiten verlieren, nicht blind sind gegenüber den uns bietenden Möglichkeiten, sondern uns beharrlich um Lösungen bemühen, dann schaffen wir das im Kleinen, wie im Großen, in der Familie, in unserem Staat und auf unserem Planeten. Alles fügt sich. Also, ich häkele frohgemut weiter. Wer macht mit?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Michael Göring – „Hotel Dellbrück“

Nach „Der Seiltänzer“, „Vor der Wand“ und „Spiegelberg“ hat uns nun der erzählende Schriftsteller Michael Göring „Hotel Dellbrück“ zur Lektüre vorgelegt. Bevor ich aus diesem Werk vertiefend berichte, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Wie in den bisherigen Romanen des Autors scheinen auch hier Biografien auf, die sowohl mit ihm als auch mit uns zu tun haben können. Nicht von ungefähr gibt es von ihm diese Aussage: „Wer liest, verreist – und die spannendste Reise führt am Ende zu einem selbst.“

So ist Hotel Dellbrück ein Reiseroman, der bereits vor 1938 erzählerisch Fahrt aufnimmt und auch am 18.06.2018 nicht endet. Eine zentrale Station des Ankommens, des Wartens, der Begegnung, des Rückkehrens, des Verweilens, des Schutzes und des Erinnerns ist dabei das Hotel Dellbrück in Lippstadt.

Sigmund und sein Sohn Frido haben diesen Begegnungsort als Mitgift für ihre Leben erhalten. Die Kraftspender für diese Lebensgaben sind Tono, der Hotelbesitzer, und seine Familie, die für das fremde jüdische Kind Sigmund ihrer Kaltmamsell sorgen und angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung nach England in eine Gastfamilie vermitteln. Sigmund wird dort gut aufgenommen, glänzend ausgebildet und nimmt an einem fast normalen Jugendleben teil. Doch bei den ersten erotischen Tastversuchen, religiöser Selbstbefragung und Klärung der nationalen Identität muss Sigmund erleben und bedenken, dass er sowohl Jude als auch Deutscher in seinem Gastland ist. Nach Ende des Krieges trifft er die Entscheidung, nach Lippstadt ins Hotel Dellbrück zurückzukehren und sich mit Tono´s Tochter zu vermählen. Von deren gemeinsamen Kindern lernen wir Frido näher kennen, begleiten diesen auf seinen Lebensreisen nach Indien und Australien, kommen dann wieder mit ihm zurück nach Lippstadt ins Hotel Dellbrück, wo er schließlich auf einen durchreisenden Flüchtling trifft. So arbeitet der Autor an unserer Einsicht, dass wir immer Reisende, immer unterwegs in der Welt und in unserem Leben sind.

Die besondere Herausforderung dieses Werkes liegt für mich in der Möglichkeit des Lesers, sich mit den Nöten, Zweifeln und Schwierigkeiten von Menschen unterschiedlicher Wurzeln und Lebensbedingungen zu beschäftigen, teilzunehmen an deren Mühen um Existenzsicherung, dabei aber auch immer das eigene Leben zu entdecken, Erinnerungen aufzufrischen, Urteile zu revidieren und sich einzulassen auf bisher Ungewohntes, Fremdes. Von Seite zu Seite kann so die Neugierde auf Denk- und Empfindungsangebote wachsen, der Wille, sich mit Fragen der Judenverfolgung, der Religion, der Ästhetik, der Kunst, der Heimat, der Lebensanschauung, der Natur, des Verweilens und des Fremden auseinanderzusetzen. Wie bei einem Kaleidoskop genügt ein kurzer Dreh des Sehrohrs, um das Bekannte aus einem anderen Blinkwinkel wahrzunehmen.

Weil der Autor ein Erzähler ist, lesen sich die 417 Seiten seines Romans flüssig. Die Sprache des Autors ist gegenwärtig, eine Sprache der Präzision, die Bilder ohne Pomp entstehen lässt, Bilder vom Kommen und Gehen von gewaltiger Natur, von Zerstörung, Armut, Verwüstung, religiöser Erweckung, Einsamkeit und Hoffnung.

Dieses Werk ist gelungen. Ich kann es empfehlen, weil es mich überzeugt hat.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zitate

Ohne Bezüglichkeit oder Rückbezüglichkeit auf andere Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker oder Journalisten scheint es kaum möglich zu sein, eine eigene Meinung zu vertreten. Meist wird ein Beitrag, ob dieser fachspezifisch, politisch oder medial ist, mit einem mächtigen Zitat eingeleitet und oft sind eigene Beiträge des Autors kaum noch zu erkennen unter dem Gewimmel fremder Gedanken. Warum ist das so?

Es ist daran zu denken, dass fremde Gedanken Denker dazu ermutigen, selbst einen Gedanken zu fassen. Zitate verleihen Beiträgen gleich welcher Art, ob diese wissenschaftlich oder literarisch sind, ein Signum der Authentizität. Wenn Andere das schon gesagt haben, kann ich dies auch sagen.

Möglicherweise soll das Zitat aber auf die Gelehrsamkeit des Autors selbst hinweisen, auf seinen Fundus an Gedanken oder seine Virtuosität im Umgang mit Wikipedia. Jedenfalls schaffen Zitate und Verweise auf andere Urheber ein dichtes Gewebe von Glaubwürdigkeit, das Angriffe von Neidern oder Besserwisser zu erschweren vermag. Da Zitate meist herausgerissene Feststellungen Dritter sind, oft in ganz anderem Kontext standen, als der eigene Beitrag, mögen sie den Autor nur kurz beschäftigen, bevor er sich an deren Glättung und die Einordnung in seine eigene Gedankenwelt macht. Die Zitate müssen sich fügen.

Und doch wäre die ganze Anstrengung umsonst, wenn es für alles nicht auch Konsumenten gäbe. Wie wirken nun Zitate auf die Konsumenten? Sie verleihen dem Autor, der sie in seine Beiträge eingefügt hat, Glaubwürdigkeit. Es kann nicht falsch sein, jemandem zu glauben, der sich auf andere berufen, sich mit deren Gedanken messen oder deren vorauseilende Zustimmung erfahren kann. Zudem vermitteln Zitate Bildung, Gelehrsamkeit und eine Übersicht, die dem Empfänger meist nicht gegeben ist. Er soll nicht alles verstehen, er soll aber bewundern, oszillieren zwischen den Gedanken des Autors selbst und den Zitaten und dabei die ganze Wucht des Beitrags erfahren. Er kann dem durch Zitate abgesicherten Beitrag vertrauen und selbst etwas abgekommen vom Glanz eines mächtigen durch Zitate geadelten Beitrags.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Das Monstrum

Erfahrene Juristen habe ich vom Monstrum reden hören. Sie sprachen von der Datenschutzgrundverordnung. Eigentlich freuen sich Juristen über monströse Gesetzeswerke des Gesetzes- und Verordnungsgebers aus Europa bzw. dem eigenen Lande. Gesetze und Verordnungen geben dem Juristen Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen und damit Geld zu verdienen und dabei zu zeigen, dass er in der Lage ist, ein geschaffenes Rechtsgebilde für die Wirklichkeit kompatibel zu machen.

Dieser Subsumtionsprozess geschieht so, dass der Einzelne und eine Vielzahl von Menschen darin unterwiesen werden, ihr Leben demjenigen eines neuen Gesetzes oder Verordnung unterzuordnen. Da kann es schon vorkommen und so ist dies auch bei der Datenschutzgrundverordnung, dass sowohl der einzelne Bürger als auch ein Großteil des gesamten Volkes überhaupt nicht begreift, was mit einer Verordnung wie der Datenschutzgrundverordnung erreicht werden soll.

Dabei ist sie vom Ausgangspunkt ja wohlgemeint, ausgehend davon, dass Daten etwas höchst Persönliches sind und nicht gänzlich dem Verfügungsrecht eines Menschen entzogen werden dürfen und vor allem nicht Datenkraken Schindluder mit Daten treiben, diese für Geschäfte und kriminelle Machenschaften ausnutzen. Das war es dann aber auch.

Kann sich die Verordnung an den berechtigten Vorbehalten gegen Datenmissbrauch zufriedenstellend messen lassen? Nicht nur ich glaube, dass dies nicht der Fall ist. Ausgehend von einem vernünftigen Ansatz hat der Verordnungsgeber feststellen müssen, dass die gesamte Datenverarbeitung ein äußerst komplexes Thema ist und hat dann, statt sich zu bescheiden, alles versucht, das gesamte Datenthema in den Griff zu kriegen. Dass dies nicht funktioniert, dass dies schiefgeht, liegt auf der Hand. Ein Problem verantwortet die Geburt des Nächsten.

So türmt sich Vorschrift auf Vorschrift, schafft Ansprüche, generiert Ausnahmen und webt ein Netz technischer juristischer Unverständlichkeiten. Da kein Normalbürger das Gesetz und auch die an ihn gerichteten Anfragen liest, bildet sich hinter der Fassade des Rechts ein scheinbares Partizipationsmodell des Menschen an reinen Daten aus. Die wahren Datenverfügungsspezialisten sitzen aber außerhalb Europas, haben Daten dorthin verbracht und werden hier im Falle des Missbrauchs nicht zur Rechenschaft zu ziehen sein. Die Datenschutzgrundverordnung ist dazu geeignet, unsere Gesellschaft erheblich zu belasten, ggf. deren Kohärenz zu zerstören.

Für Europa stellt sie eine hohe Belastung dar, auch zumal sie in den europäischen Ländern unterschiedlich gilt und gehandhabt wird, dadurch Ungleichheiten entstehen, die sich rechtlich und in der tatsächlichen Handhabung auswirken. Eine Gesellschaft, zu deren Judiz die Datenschutzgrundverordnung nicht passt, wird misstrauisch und ein Teil der Gesellschaft rebelliert, der andere Teil der Gesellschaft empfindet „diebische Freude“, dass bestimmte Unternehmen, Stiftungen und Vereine große Probleme mit dieser Verordnung haben. Diese Probleme sind eklatant und werden von Experten auf diesen Gebieten in keiner Weise geleugnet. In der Konsequenz aber können sie dazu führen, dass wohlmeinende Mitbürger keine Stiftungen mehr gründen, Vereine nicht mehr entstehen und Hilfe für Menschen ausbleibt, die dringend auf die Unterstützung aus dem privaten Sektor angewiesen sind.

Insofern stellt die Datenschutzgrundverordnung auch wieder ein Herrschaftsmoment des Staates dar, wie auch das Transparenzregister oder auch das Geldwäschegesetz, Vorschriften, die es mit sich bringen, den Bürger noch mehr zu disziplinieren und ihn davon abzuhalten, Initiative zu entwickeln. Menschen, die den Gesetzgeber nicht mehr verstehen, ziehen sich in ihre Privatheit zurück. Sie verlangen vielleicht, dass ihre Daten gelöscht werden, sei es bei der Gebühreneinzugszentrale, ihrem Verein oder in der Schule. Dabei sind Daten trotz allen beklagenswerten Missbrauchs essentiell für unsere Gesellschaft und waren stets verfügbar, wenn auch nicht so rasant digital via Internet.

Aber anstatt dort Ordnung zu schaffen, wo eine Bürgerpolicy Handlungsbedarf sieht, schüttet die europäische Politik das Kind mit dem Bade aus. Ich fürchte, dass wir weitere Verordnungen wie diese erleben werden und sehen die Erosion Europas voranschreiten. Ein Europa, das die Bürger nicht verstehen, ist chancenlos. Dabei wäre es so einfach, Europa aus den Regionen heraus aufzubauen, eine kulturell vereinigende Verfassung zu schreiben und es im Übrigen den einzelnen Staatsräumen zu überlassen, ihre Angelegenheiten zu ordnen. Ich bin davon überzeugt, dass dies die Bürger Europas begrüßen würden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fußballweltmeisterschaft

Deutschland ist ausgeschieden! Deutschland? Das frage ich mich. Dass die Spieler die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, bezweifle ich natürlich nicht. Sie sind nun mal Passdeutsche, mit oder ohne Migrationshintergrund, ob sie sich als Deutsche fühlen oder als Engländer, Spanier, Italiener, Polen oder Amerikaner. Völlig belanglos ist natürlich auch, in welchem Fußballclub sie weltweit seit längerem spielen, wo Familie und Kinder leben, möglicherweise ihre Kinder geboren wurden und ob diese vorwiegend oder ausschließlich spanisch, polnisch, kroatisch oder japanisch sprechen. Aus einem breiten Angebot der Bewerber werden vom Bundestrainer 11 Spieler mit deutschem Pass ausgewählt, von den Ersatzspielern nicht zu sprechen.

Das bedeutet bei 80 Mio. deutschen Einwohnern und geringfügig weniger Passdeutscher und 30 Mio. aktiven oder passiven Fußballspielern 11 Spieler, die Deutschland verkörpern. Für mich ergeben sich da Unstimmigkeiten, die dringend geklärt werden müssen. Wie kommt es, dass 11 Spieler, die ansonsten irgendwo in dieser Welt spielen, 30 Mio. deutsche Fußballer bei der Weltmeisterschaft repräsentieren?

Ich kann mich auch nicht erinnern, dass wir sie oder den Bundestrainer jemals gewählt hätten? Und dennoch sollen wir unseres deutschen Gemüts wegen mit ihnen mitfiebern, für sie schreien, Bier trinken, tröten und konsumieren. Wir sollen es auch ertragen, dass nicht etwa sie, sondern Deutschland verliert, also wir 30 Mio. Fußballdeutsche, obwohl sich nur 11 Spieler erfolglos auf einem Fußballplatz in Russland tummelten.

Dass Deutschland verloren haben soll, das geht zu weit, wir haben keineswegs verloren, sondern nur die sich Deutschland anmaßenden Spieler einschließlich ihrer Funktionäre. Entweder bekommen wir künftig ein Mitspracherecht oder die Spieler und ihre Funktionäre müssten sich ein anderes Land suchen, dass nicht so bekloppt ist, diese nicht im eigenen, sondern im Landesnamen verlieren zu lassen. Wir sind eine große und stolze Fußballernation, oder?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Echo

Ich erinnere mich genau, dass es anlässlich der Verleihung des Musikpreises „Echo“ zu einem Eklat kam, weil das Musikwerk von Rappern ausgezeichnet wurde, welches antisemitische, frauenverachtende und rassistische Textpassagen aufwies. Beim „Echo“ handelt es sich um einen Musikpreis, der nicht für die Güte eines Werkes, sondern für dessen Erfolg vergeben wird.

Offenbar waren diese Rapper, ihr Verlag, ihre Produzenten und Vertriebspartner sehr erfolgreich und vermochten viele Konsumenten davon zu überzeugen, sich deren Produkt zu kaufen. Viele ebenfalls ausgezeichnete Preisträger und Teilnehmer der Veranstaltung begegneten der Preisverleihung an die Rapper mit wütenden Protesten und gaben auch den ihnen verliehenen Echopreis zurück.

Neben den Protesten gegen die Rapper selbst richteten sich diese auch gegen den Verleiher des Echopreises, der inzwischen reagiert hat und das bisherige Format für erledigt erklärte. Merkwürdigerweise aber richtete sich der Protest nicht auch gegen die Konsumenten der menschenverachtenden Produkte. Offenbar treffen hier die Anschauungen der Rapper selbst, die auf ihre Meinungsfreiheit und künstlerisches Dürfen pochen, mit dem Recht der Konsumenten zusammen, alles zu erwerben, was auf dem Markt ist. Darin scheint mir allerdings ein Fehlschluss zu liegen.

Anspruch auf Freiheit hat meines Erachtens nur derjenigen, der auch bereit ist, Verantwortung für sein Handeln und dessen Auswirkungen auf andere zu übernehmen. Menschenverachtende Texte sind aber verantwortungslos. Ihnen kann nur mit einem gesellschaftlichen Konsens begegnet werden, sie zu ächten. Der Bürgermeister Bart Somers der belgischen Stadt Mechelen hat ein Beispiel dafür geschaffen, wie dies zu bewerkstelligen ist. Nach ihm geht es nur mit Zwang, also „Law and Order“, aber auch mit der Vermittlung einer Möglichkeit, den eigenen Hass zu überwinden, konstruktiv in der Gesellschaft zu wirken, Verantwortung zu übernehmen und Lebensfreude im Gleichklang mit anderen Menschen wiederzufinden.

Meines Erachtens sollte denjenigen, die antisemitische Parolen in Deutschland verbreiten, Gelegenheit geboten werden, Konzentrationslager zu besuchen, um sich selbst die Konsequenzen ihres Verhaltens vor Augen zu führen. Diejenigen, die Flüchtlinge daran hindern wollen, ihr Land zu verlassen und deshalb – wie in Dresden geschehen – skandieren: „Absaufen, absaufen“ müssten konkret zur Rede gestellt werden, ob sie es auch hinnehmen, dass ihr Kind oder Enkelkind „ersaufen“ soll, ob sie dies gar für ihre Familie und die Gesellschaft fordern, dass wir alle ertrinken in unserem allgemeinen Hass auf alles.

Wir hatten uns in dieser Gesellschaft einmal dazu verabredet, weltoffen, tolerant, menschenliebend, demütig und verzeihend zu sein. Dabei geht es nicht um eine im Detail ausformulierte Leitkultur unserer Gesellschaft, sondern um das Verfassungsgebot, die Würde des Menschen zu achten. Wer dieses Würdegebot gegenüber anderen Menschen verletzt, sollte in dieser Gesellschaft mit Konsequenzen rechnen müssen. Wer gegen unsere „ordre public“ verstößt, hat keine Entscheidungsfreiheit mehr. Sie sollte ihm von der Mehrheitsgesellschaft genommen werden.

Wehret den Anfängen. Der Opferschutz muss verstärkt werden und auch die Repression gegen jede Art von Tätern, die die Duldsamkeit unserer Gesellschaft herausfordern. Um konsequent vorgehen zu können, müssen Staatsanwalt und Gerichte sowie die Polizei personell und formell zu schnellerem Handeln in der Lage sein. Es müssen Zentren eingerichtet werden, in denen Jugendliche, aber auch Erwachsene nicht allein gelassen werden mit ihren Sorgen und Nöten.

Es müssen aber auch konkrete soziale Programme entwickelt werden, die nicht nur Gruppen, sondern auch dem Einzelnen Lebensperspektiven aufzeigen. Eine Gesellschaft, die es hinnimmt, dass viele in unserer Gesellschaft nur noch anwesend sind, aber nicht mit Herz und Seele hier leben, kann die Bedrohung, die aus einer kalten menschenverachtenden Gesellschaft sich entwickelt, schon heute erfahren. Es geht also nicht darum, nur den Anfängen zu wehren, sondern wir müssen konsequent handeln, und zwar jetzt. Wir müssen alle Volksverführern und verantwortungslosen Ideologen Einhalt gebieten. Das hat mit Zwang zu tun, schafft aber auch Orientierung und fördert den Respekt gegenüber einer entschlossenen Gemeinschaft freiheitsliebender Menschen. Diese ist und soll die Mehrheit bleiben. Dafür stehen wir, oder?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski