Archiv der Kategorie: Recht

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen rechtswissenschaftlichen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Missverständnis?

Zwischen dem Staat und seinen Bürgern besteht ein Missverständnis, welches weitreichende Konsequenzen hat. Der Staat erkennt den Bürger zwar noch formal als seinen Souverän an, die für ihn handelnden Personen aber glauben, dass sich die Aus­übung dieser Souveränität in den Wahlen erschöpfen soll. Der Bürger glaubt dies irgendwie auch und beschwert sich bei den von ihm gewählten Vertretern deshalb ständig darüber, dass sie nach seiner Auffassung nicht machen würden, was er von ihnen eigentlich erwartet. Deshalb fordert er stets die Politiker zum Handeln dazu auf, etwaigen Missständen, die er zu identifizieren glaubt, abzuhelfen. Die vom Souverän gewählten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, also die Politiker, sehen sich so umfassend legitimiert, in seinem Interesse tätig zu sein, und betrachten Nörgeleien der Bürger als Einmischung in ihre Kompetenzen. In allen Bereichen des öffentlichen Lebens ringen Mandatsträger mit anderen Mandatsträgern um Lö­sungen zur gesellschaftlichen Daseinsvorsorge, angefangen von der Gesundheit über die Beschäftigung bis hin zur Kultur. „Die sollen machen“ – und die, die ma­chen sollen, und zwar die Politiker, sehen sich aufgrund der ihnen zugewiesenen Rolle im Recht, vom Bürger die Geldmittel einzuziehen, die sie nach ihrer Auffassung benötigen, um der ihnen auferlegten Selbstverpflichtung Genüge zu tun. Diese Mittel werden über ein weitverzweigtes Netz von Steuern, die der Staat seinem Souverän abtrotzt, beschafft. In einem feudalistischen Staat bestimmt der Souverän das Maß der Steuern und macht sie gegenüber den Bürgern geltend. Aber auch in der entwickelten Demokratie Deutschland schlüpft der an sich nur zum Dienen verpflichtete Staat in die Rolle des Feudalherrn und bestimmt dem Souve­rän das Maß der finanziellen Leistung. Dies scheint mir ein grundlegendes Miss­verständnis zwischen Bürger und Staat zu offenbaren. Glaubte der Bürger bis zur Abschaffung des Feudalherrentums, es seien alle Privilegien durch souveräne demokratische Entscheidungen ersetzt worden, erfährt er, dass der Staat alle feudalen Instrumente beibehielt, soweit sie ihm für das weitere Regieren, wenn auch unter anderen Vorzeichen, opportun erschienen. Das gleiche Phänomen war bei der französischen Revolution, der Oktoberrevolution, aber auch Abschaffung des Kolonialismus zum Beispiel in Amerika zu beobachten. Immer wurden die finanziellen Steuerungsmechanismen beibehalten und nur da nachgegeben, wo Kompromisse unausweichlich oder opportun erschienen. Die neuen Herren waren die alten Herren, ob Adel oder nicht.

Der Staat und die für ihn handeln­den Personen sehen sich weiterhin legitimiert, vom Souverän Steuern einzuziehen und diese Mittel nach eigenen Maßstäben zu verwenden. Sie sehen sich ermächtigt, den Staat zu verschulden und dem Souverän die von ihnen gewünschte Rolle seiner Exis­tenzberechtigung zuzuweisen. Dies alles geschieht angeblich innerhalb eines rechtlich kon­trollierten Rahmens. Der Bürger kann aber seine Rolle als Souverän niemals zur Disposition stellen, sondern bleibt in dieser Verantwortung, auch wenn er zeitlich befristet andere mit seiner Vertretung beauftragt hat. Die Rolle des Ge­schäftsherrn, bei dem die Wirkung der vom Vertreter abgegebenen Willenserklä­rungen eintritt, bleibt erhalten. Verträge kommen nicht mit dem Vertreter zustande, sondern mit dem Geschäftsherrn. Gleiches gilt auch für einseitige Willenserklä­rungen, die der Vertreter für den Vertretenen abzugeben hat. Jeder Vertretene muss daher an einem von ihm vorgegebenen Maß an gesellschaftlicher Kontrolle festhalten. Auch mit seiner Beauftragung ist der Vertreter nicht legitimiert, die Rechte des Vertretenen zu beschneiden oder gar diesem zu schaden. Zuweilen hat es einen an­deren Anschein, weil der Vertretene eine komplexe, aus vielen Gruppen und Grüppchen und Einzelpersonen bestehende Persönlichkeit, also das Volk ist. Aber es bleibt immer der Geschäftsherr, der mit dem Vertreter einen Geschäftsbesor­gungsvertrag abschließt und darin dessen Aufgaben und Rollen definiert. Diese Betrachtungsweise hat entscheidenden Einfluss auf die Rolle der Bürgergesell­schaft. Der Souverän, also der Bürger, leitet seine Legitimation für bürgerschaftli­ches Engagement nicht vom Vertreter ab, sondern sein Recht als Bürger ist ursprünglich. Nur dort, wo der Bürger nicht in der Lage ist, die ihm zustehenden Aufgaben alleine zu erfüllen, bedient er sich anderer Einrichtungen, um eine koordinierte und zweckvolle Lösung herbeizuführen. Um welche Bereiche handelt es sich hierbei? Sicher nicht abschließend folgende:

  • die Mobilität, das gesamte Netz an Schienen, Strom, Straßen etc.,
  • äußere und innere Sicherheit, Polizei und Bundeswehr,
  • koordinierte, einheitliche Vertretung in Europa und weltweit,
  • Grundsicherung des Bürgers,
  • Einhaltung der Grundrechte und -pflichten,
  • das Gerichtswesen,
  • Bewahrung der kulturellen Identität und geschichtlicher Errungenschaften.

Auch dann, wenn die vorstehende Auflistung nicht vollständig ist, signalisiert die Beschreibung der staatlichen Tätigkeitsfelder schon das hohe Potenzial an Berei­chen, die dem Bürger primär vorbehalten sind. Dort gilt daher das Prinzip der Subsidiarität staatlichen Handelns. Der Bürger als Souverän ist nicht Fehlbedarfsfinanzie­rer des Gemeinwesens, sondern es ist sein ureigenstes Recht, nach bestimmten gemeinschaftlichen Re­geln uneingeschränkt selbstständig tätig zu sein. Dies gilt für den gesamten Wirt­schafts- und Finanzverkehr. Das gilt auch für das Recht, im philanthropischen Bereich zu wirken, sein Leben unbürokratisch und selbstbestimmt zu gestalten. Es ist der Bürger, der mit dem Staat Verträge schließt, um diesem bestimmte Aufgaben zu­zuweisen und nach entsprechender Kostenkalkulation durch den Staat mit diesem einen Vertrag über die Finanzierung von Vorhaben zu schließen. Dieser Vertrag zwischen Souverän und Mandatsträger ist die entscheidende Grundlage für die im Auftrage des Bürgers durchzuführende Geschäftsbesorgung durch die Vertreter. Erfüllen sie ihre Aufgaben nicht oder nur unzureichend, dann müssen sie wieder gehen, und zwar nicht erst bei der nächsten Wahl.

Und noch eines:

Vielleicht hätten wir uns auch im Feudalismus zurechtgefunden, jedoch hat sich das Volk inzwischen zur Demokratie entschlossen und die muss gelebt werden. Gelebte Demokratie bedeutet, dass wir uns dem Staat nicht verweigern, denn die­ser gehört uns. Dem Volk. Wir müssen die Politiker ausbilden, denn diese sollen uns helfen, effektiv den Willen der Bürger umzusetzen. Das kann man in der De­mokratie nicht den Parteien überlassen. Die Parteien sind und waren die Orientie­rungspunkte verschiedener Kräftefelder innerhalb der Gesellschaft, stellen aber kein Zukunftsmodell für eine pluralistische Gesellschaft dar. Vielleicht nicht der einzelne Politiker, aber die Parteien als solche glauben, dass sie sich des Staates bedienen dürfen, der Bürger für sie da sei. Tatsächlich verhält es sich aber so, dass der Staat für den Bürger da ist, ihm gegenüber Rechenschaft abzulegen hat. Um größere Transparenz und Selbstverständlichkeit im Verhältnis zwischen Staat und Bürger zu entwickeln, ist es erforderlich, dass Politiker künftig außerhalb der Par­teienstrukturen ausgebildet und mit ihren Aufgaben konfrontiert werden. Dies kann an Universitäten und sonstigen Einrichtungen unter Einbeziehung philanth­ropischer Institute und Stiftungen geschehen. Wir brauchen keine zufällige, son­dern eine ausgebildete politische Elite, die in der Lage ist, nicht nur medial, son­dern auch inhaltlich zu wirken, bereit ist, Verantwortung außerhalb der Parteiver­antwortung für das gesamte Gemeinwesen zu übernehmen, Zukunftsentwürfe zu fertigen, diese auch verständnisvoll umzusetzen, aber auch über die „richtige“ Lösung zu streiten. Parteien, Gewerkschaften und sonstige Verbände sollen dabei natürlich auch weiterhin eine wichtige Rolle spie­len, und zwar als Gruppierungen, die zum einen den Willen unterschiedlicher bür­gerschaftlicher Kräfte bündeln und zum anderen den Dialog zwischen unter­schiedlichen Ansätzen und Betrachtungsweisen fördern. Nur durch Politiker, die künftig häufiger dem Volk verpflichtet sind, ist es möglich, den Staat auch dort in die Schranken zu weisen, wo er glaubt, sich als allzuständiger Feudalherr aufspielen zu müssen.

Sonst droht die Staatsverdrossenheit:

Staatsverdrossene sind besorgte Bürger, Repräsentanten und Eliten des Souveräns, die sich Sorgen machen um den von Anmaßungen der Politiker gefährdeten Staat. Die nachfolgen­den Thesen sollen ihre Unzufriedenheit mit der Entwicklung belegen. Die Über­schrift mag provokant klingen, verdeutlicht aber in Kern nur die nicht nur mental, sondern auch emotional empfundene Sorge um das Scheitern unseres Gemeinwe­sens, weil das heutige Politik- und Politikerverständnis sehr stark situativ und me­dial beeinflussbar geprägt ist. Es gibt keine Gelassenheit mehr im Umgang mit der Komplexität unserer Welt, mit unseren unterschiedlichen Bedürfnissen. Auch feh­len Zukunftsentwürfe. Die Politiker müssten loslassen von ihrem Wunsch nach Allzuständigkeit und den Bürger als Souverän ernst nehmen. Natürlich nicht po­pulistisch und in der schon jetzt gängigen Auswahl einzelner unterstützender Gruppen, sondern in dem Gespür für die Zeit bewegende Themen und auch die sie bewegenden Menschen. Im Einzelnen:

Die Staatsverdrossenen bekennen sich:

–          zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland,

–          zum Erhalt der Lebensgrundlage unserer Gemeinschaft,

–          zur persönlichen Integrität,

–          zur Verantwortung gegenüber anderen,

–          zur Freiheit des Menschen.

Die Staatsverdrossenen kämpfen gegen:

–          Bevormundung durch staatliche Einrichtungen,

–          unnötige Überwachung und Kontrolle,

–          Systemstarsinn des öffentlichen Lebens,

–          Alternativlosigkeit, z. B. bei Bankenrettungen,

–          umfassende Bürokratisierung des Staates,

–          Steuern statt belegte Abgaben,

–          Lebensbeherrschung durch Medien.

–          Opportunistischer Aktivismus und

–          subventionspolitische und wirtschaftlicher Dirigismus .

Die Staatsverdrossenen fordern:

–                 Ende der Feudalkultur,

–                 Subsidiarität staatlichen Handelns,

–           Einschränkung der Regelungswut durch Gesetze, Verordnungen und allgemeinverbindliche Rechtserklärungen,

–                 Wahrnehmung der Verantwortung des Staates gegenüber seinen Bürgern u. a. durch:

  • polizeilichen Schutz des Bürgers,
  • Ordnung auf öffentlichen Straßen und Plätzen,
  • Organisation des öffentlichen Nahverkehrs,
  • Sicherheit durch Präsenz der Polizei,
  • Sauberkeit in den Städten.

–                 Gestaltungsfreiheit des eigenen Lebens im Rahmen der geltenden Ge­setze – auch im Bereich Bildung und Ausbildung –,

–                bürgerschaftliche Teilnahme u. a. in Bürgerforen,

–                Entkopplung finanzieller Belange von Staat und Kirche,

–                Effektivität der Gerichte,

–                Schutz vor der Allmacht der Finanzbehörden,

–                 verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern durch Volksvertreter und Behörden,

–                Offenlegung des staatlichen Wirtschaftsplanes,

–                Ernsthaftigkeit in den politischen Gestaltungsprozessen,

–                Ausbildung von Staatsvertretern in Politikschulen,

–                Anerkennung des Bürgers als Souverän,

–                 gelebte Demokratie durch Beteiligung an grundsätzlichen Entscheidungs­prozessen von Anfang an.

Die Plattform ist stets offen für weitere Anregungen und Ideen.

Schaffen wir den Umschwung nicht, droht uns die Abschaffung als Bürger, als Mensch. Was bleibt, ist nur noch eine kleine Funktionselite. Dies spätestens dann, wenn wir Menschen selbst ersetzbar geworden sind, durch Maschinen, die als künftiger Souverän bereitwillig Steuern zu zahlen bereit sind und strörungsfrei akzeptieren, dass man sie ausnutzt. Undenkbar? Wohl nicht. Ich bin davon überzeugt, dass die Masterpläne bereits vorliegen. In der Logik des Menschen liegt es immer, bis an die Grenzen zu gehen. Das ist auch nicht schlecht, denn erst durch Heraus­forderungen und Grenzziehungen entstehen gesellschaftliche Prozesse, die geeignet sind, Per­spektiven aufzuzeigen oder Irrwegen zu schließen. Wir leben in einer Zeit der politischen Mattheit. Was wir allerdings bräuchten, wäre eine Revolution, nein, eher eine Revolte, in deren Mittelpunkt das Wir, d. h. wir Bürger als Souverän gestellt werden. Eine Revolte des Geistes auf philosophischen, sprachlichen, rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gebieten, die verdeutlichen würde, welche Werte und Erfahrungen unsere Gesellschaft weitergebracht und sehr stark gemacht haben und was wünschenswert wäre, um den Konkurrenzkampf mit andern Gesellschaften zu bestehen, die wirtschaftliche Herausforderung anzunehmen und unsere Demokratie zu erhalten. Nicht alles ist bisher in unserer Gesellschaft falsch gemacht worden und auch nicht jeder Modernismus ist gut, aber jede Bequemlichkeit ist grundverkehrt. Sie lässt es zu, dass unser Handeln nicht mehr eigener mutvoller Entscheidung entspringt, sondern uns von anderen Staaten, Wirtschaftssystemen etc. aufgezwängt wird. Wir stehen hier sicher vor einer Zeitwende, die uns herausfordert, als erwachsene Menschen unseres demokratischen Verabredungen zu stärken, wollen wir nicht akzeptieren, dass der Ruf vieler Menschen auch in unserer Gesellschaft nach einer starken Führungspersönlichkeit mehr Widerhall findet. Dass dabei Katastrophen – auch ungewollt – herauskommen können, wissen wir, aber auch schon geringfüge Einschränkungen unserer Würde und Souveränität beeinträchtigen unser Leben. Wir sollten dies nicht hinnehmen, sondern nach einer bereits verstrichenen Anfangszeit den fortschreitenden Zerfall unseres Selbstbewusstseins als Bürger Widerstand leisten. Es gilt Artikel 1 unseres Grundgesetzes.

Nehmen wir zum Beispiel die Finanzfolgenkrise:

Die Finanzfolgenkrise als Chance. Nur auf den ersten Blick ein scheinbar verwegener Gedanke. Die den Staat dressierenden Politiker waren bis zur Finanzkrise gehalten, nicht nur die Maastrichter Stabilitätskriterien zu beachten, sondern auch dafür zu sorgen, dass die Finanzwirtschaft als Schlüsselbereich der Wirtschaft möglichst unangetastet bleibt. Die Finanzkrise bot erstmalig die Gelegenheit, direkt in die Unternehmenssteuerung von Finanzdienstleistern und Banken einzugreifen und sie um den Preis ihrer Abhängigkeit vom politischen Handeln mit Geld zu versorgen. Viele Kreditinstitute haben von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Die Tür wurde weit aufgestoßen und steht nach wie vor weit offen. Ohne ideologischen Überbau konnte die Politik nunmehr staatsmonopolistische Kapitalstrukturen auf den Finanzmärkten etablieren und die Anschauung dafür liefern, dass auch künftige Absetzbewegungen von Unternehmen und Kreditinstituten mit Regulierungsmaßnahmen beantwortet werden. Der Staat gibt das Geld und kontrolliert dessen Verwendung. Im Prinzip richtig. Nur setzt der Staat in verdeckter Komplizenschaft seinerseits auf die Finanzinstitute, um die gigantische nominale Verschuldung zumindest auf Zeit abzufedern. Bricht das Weltwährungssystem zusammen, ist jeder dran. Dies wissen alle Beteiligten, bis auf den Bürger selbst. Eine demokratische Umwälzung in China verbunden zum Beispiel mit der Revision der bisherigen, staatlich verlässlichen Geldpolitik würde sofort eine Inflation auslösen mit den für die Welt unabsehbaren Folgen. Aus dem Euro würde Spielgeld. Die Angst sitzt tief, nur ist es Plan oder Zufall? Die Finanzkrise hat auf Dauer die Welt nachhaltig undemokratisch verändert.

Die staatliche Einmischung durch Bürgschaften an strauchelnde Banken und direkte Kredite sowie Kauf- und Leistungsanreize durch Verschrottungsprämien verkünden Zuversicht in die Fähigkeit der deutschen Wirtschaft, Krisen zu meistern, hinterlassen aber beim Bürger den kaum mehr zu korrigierenden Eindruck, einem übermächtigen und nicht mehr rechtstreuen Staat ausgeliefert zu sein. Die Folge ist Apathie und Gleichgültigkeit. Von Volksherrschaft kann keine Rede mehr sein, sondern das Volk wird beherrscht durch die scheinbaren Ermächtigungen der jeweiligen Umstände und durch die Fähigkeit des Staates, ohne signifikanten Einfluss der Mehrheit unserer Bevölkerung Schwierigkeiten autark gelegentlich auch ohne rechtliche Legitimation zu lösen. Der Bürger wird nicht mehr gebraucht. Er kennt seine desolate Lage und sorgt selbst für Abhilfe, wie sie in dem Protest gegen Stuttgart 21 oder die Castortransporte zum Ausdruck kommt. Die Lunte ist gelegt, das Streichholz entflammt und es steht zu befürchten, dass der große Knall nicht auf sich warten lässt. Stuttgart 21 und Castortransporte sind legale Unternehmungen. Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Sind sie aber auch legitim, und zwar legitim im Sinne einer grundsätzlichen Verabredung zwischen Bürger und Staat? Daran habe ich meine Zweifel. Die Bürger und ihre gewachsene Elite werden am Entscheidungsprozess nicht angemessen beteiligt. Vollendete Tatsachen ersetzen den Dialog und verschleiern die wahren Verhältnisse zwischen Bürger und Staat. Der Bürger ist der Souverän und muss auch jenseits von Wahlen gefordert werden, sich einzubringen. Hat er die Chance gehabt, seine Argumente auf den Tisch zu legen, und ist der Richtungsvertrag zwischen Bürger und Staat unterzeichnet, dann mag er umgesetzt werden und keiner kann sich später auf die mangelnde Bürgerbeteiligung berufen. Wir brauchen beide: den mündigen Bürger, der gehört wird und denjenigen, der für den Staat handelt, und zwar in einer ständigen Verantwortung gegenüber dem Bürger und seinem Anliegen, und zwar auf eine rechtskonforme Art und Weise. Sonst droht die Gefahr, dass der fehlende Rechtsbefolgungswille des Staates als Handlungsinstrument auch von den Bürgern genutzt wird. Das Ergebnis ist die Infragestellung nicht nur unserer staatlichen sondern unserer gesamten verfassungsrechtlich verbürgten gesellschaftlichen Ordnung. Das will so niemand. Es kann aber passieren – so nebenbei. Ein Missverständnis? Ein Schelm darf so denken.

 Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Schreiben ist meine Profession

Das Schreiben ist meine Profession. Wenn sich die Bilder formen, die Worte sich dazu finden und kleine oder große Geschichten entstehen – nach all denm Jahren noch immer ein erhebendes Gefühl. In den letzten Monaten entstanden so ganz neue und dennoch schon vertraute Figuren, die es ab jetzt im Buchhandel zu erwerben gibt. Für Kinder, und dann eben doch wieder für Erwachsene, ist „Lina, die hilfsbedürftige Ende“. Sie zeigt einem, dass nicht jeder Tag gemein, sondern jeder Tag eine neue Chance ist. „Freddy Gummiband“ tritt ganz plötzlich auf, keiner weiß eigentlich genau, woher er kam. Freddy – das ist ein Freund, der einem hilft, seinen Weg zu finden. Den Weg gefunden im Leben hat auch „Erwin, die Seerobbe“. Auf Robben Island geboren, landete er bei Tierschützern, erlebte allerlei Abenteuerliches und kann verschiedene Sprachen sprechen. Vom Bösen – und wie uns selbst das Böse helfen kann, sich selbst zu wiederlegen – davon handelt „Stunde Null“ – ein Apell, niemals mehr die Gräueltaten der 30er- und 40er-Jahre zurückkommen zu lassen. Und schließlich in „Traumtapete“ finden sich wunderbare Geschichten und Erzählungen, die an frühe Kindheitstage erinnern.

Viel Spaß beim Entdecken – nicht nur den jungen Lesern seien die Lektüren ans Herz gelegt.

 Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vererben und dabei Gutes tun

Vererben und dabei Gutes tun. Tod, wo ist dein Stachel, so fragte schon der Apostel Paulus im 1. Brief an die Korinther und in der Tat! Der Tod ist für alle Menschen unvermeidlich, aber es entlastet jeden Men­schen, wenn er seine Angelegenheiten verantwortungsvoll beizeiten geregelt hat. Dies heißt also nicht erst im Alter, sondern während des gesamten Lebens in einem Prozess der Anpassung, der Überprüfung des Gewollten und steten Veränderung, da sich die Sichtweisen im Leben eines Menschen ja auch stetig ändern. Bei der Todes- bzw. viel eher Erbenvorsorge spielt es dabei eine große Rolle, ob der Tod erwar­tungsgemäß uns altersbedingt ereilt oder uns krankheitsbedingt bzw. durch einen Unfall überrascht. Die zu treffenden Vorsorgemaßnahmen sind unterschiedlich, abhängig davon, ob wir noch voll im Erwerbsleben stehen, Kinder haben oder diese planen, Renten und Pensionen in Anspruch nehmen, verheiratet oder Single sind, unseren Betrieb in die Hände Familienangehöriger oder anderer Menschen legen wol­len, den Drang verspüren, unser Vermögen zumindest teilweise gemeinnützig einzusetzen oder zur Alterssicherung anzule­gen. Jeder Mensch hat das Recht, im Rahmen der geltenden Gesetze, frei darüber zu bestimmen, wie er unter Lebenden und von Todes wegen mit seinen Gestaltungsmöglichkeiten umgeht.

Da es aber so viele Möglichkeiten gibt, wir aber diese gar nicht kennen können und auch die Umsetzung oft aus ordnungsrechtlicher und steuerlicher Sicht, aber oft auch aus rein menschlicher Erwägung heraus schwierig ist, kann es sinnvoll sein, Experten zur Seite zu haben, die erfahren sind und in der Gestaltung von Testamenten, Verträgen, Stiftungserrichtung, aber auch vor allem in der Begleitung von Gesprächen mit Betriebs- und/oder Familienangehörigen zur Seite stehen können. Aber nicht nur der Erblasser, sondern auch der Erbe muss vorbereitet, eingebunden werden in das gemeinsame Ringen um eine persönlich, wirtschaftlich, rechtlich und steuerrechtlich sinnvolle Lösung. Es ist daher gut zu wissen, wie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der künftigen Erben beschaffen sind, um diese beizeiten mit einzubeziehen in Überlegungen, die auch die darauffolgende Generation der Kinder und Enkelkinder mit im Auge hat, Schwerpunkte bei etwaigen Zuwendungen zu bilden, die den Zusammenhalt der Familie fördern und dafür sorgen, dass das Erbe nach dem Tod nicht auseinanderfällt, sondern in dankbarer Erinnerung an der Erblasser wirkt. Dies ist organisierbar, bedarf aber einer kompetenten Begleitung, insbesondere durch erfahrene Rechtsanwälte auf dem Gebiet des Erbrechts, des Gesellschaftsrechts und des Stiftungsrechts.

Familiencharta bei Erbregelungen

Wertvolle Hilfe der Orientierung kann dabei auch eine Familiencharta bieten, d. h. die Verabredung innerhalb der Familie, welche Grundsätze bei der Lebensführung und später auch bei der Erfolge berücksichtigt werden sollen. Diese Grundsätze weisen nur indirekt rechtliche Verbindlichkeit auf, verpflichten aber alle Beteiligten im Interesse der Familienstärkung, sich an diesen Codex zu halten, um der Gefahr zu begegnen, von der Familie ausgegrenzt zu werden und ggf. auch in der eigenen Lebensplanung Einschränkungen zu erfahren. Die Kraft der Familiencharta legt somit ihre ethisch verbindliche Kraft und schafft auch für alle Familienmitglieder eine dauerhafte Orientierung.

Das Familienoberhaupt sollte die Leitlinien einer solchen Familiencharta bekannt geben, aber unbedingt mit Partnern und Kindern ausgiebig, auch unter Beiziehung von externen Beratern, diskutieren, um zu einer von allen Beteiligten akzeptierten Fassung der Familiencharta zu kommen. Dies dient nicht nur dem Familienfrieden, sondern hilft schon im Gestaltungszeitpunkt spätere Konflikte und belastende Auseinandersetzungen in Ansehung des Familienvermögens und möglicher Erbfolgen zu vermeiden.

Stiftung als Erbe

Viele Menschen tragen sich mit dem Gedanken, eine Stiftung ins Leben zu rufen. Das ist erfreulich. Vielfach fehlt allerdings jede Vorstellung dazu, wie dies zu bewerkstelligen ist. Das ist nachvollziehbar, denn nicht alle potentiellen Stifter haben erfahrene Berater in ihrem Bekanntenkreis und in ihrem geschäftlichen Umfeld. Der eine sagt so, der andere so und meistens schaffen diese Gedanken und unterschiedliche Einstellungen Verwirrungen statt Klarheit. Dabei geht es in erster Linie darum, was Sie als potentieller Stifter wollen. Schreiben Sie daher die Ziele Ihres Vorhabens auf, beziehen Sie dabei Ihre Familie mit in die Überlegungen ein und besuchen Sie mich – so Sie wollen – mit Ihrem Zettel. Ich verstehe Sie und helfe Ihnen dann dabei, Ihr Vorhaben zu verwirklichen, angefangen davon, Ihre Vorstellungen in einem konkreten Vorhabenplan niederzuschreiben, die für das Vorhaben erforderliche Rechtsform zu finden, die Satzung zu erstellen, das Stiftungsgeschäft vorzubereiten und die Stiftung mit den potentiellen Stiftungsverantwortlichen, also Vorstand, Kuratoren etc., der Stiftungsverwaltung und den Finanzbehörden abzustimmen. Bei Treuhandstiftungen geht es zudem über die Organisation des Treuhänders und die dafür erforderlichen Abmachungen, die ins Leben gerufene Stiftung benötigt Expertise bei der Projektauswahl und deren Umsetzung, der langfristigen Strategien bei der Anlage des Kapitals und Mittelbeschaffung. Neben der langfristigen Projektpflege, die durch meine Betreuung bei der Nachfolgeregelung, der Überzeugungsarbeit gegenüber der Ehefrau, den Kindern, den Freunden, den Betriebsangehörigen und Beratern an.

Die Projektverwirklichung, die langfristige Anlage Ihres Vermögens unter Erhaltung der Liquidität ist dabei ein zentrales Anliegen. Stiftungen können schon heute nicht mehr uneingeschränkt wie ertragsbringendes Vermögenskapital geführt werden, sondern die zu erwirtschaftenden Erträge beruhen darauf, dass die Stiftung in der Lage ist, unternehmerische Grundsätze zu beherrschen, d. h. in Teilbetrieben wirtschaftlich zu sein, andererseits auch verwertbare Assets zu entwickeln und schließlich mit Hilfe von Darlehen einen Mehrwert zu schaffen. Weitere ergänzende Vorteile bringen Spenden, Fonds, insbesondere Sozialfonds und Engagement in Unternehmen, die ihrerseits wieder in der Lage sind, sozusagen im Austausch die seitens der Stiftung erbrachten Leistungen zurückzugewähren. Wichtig ist, geeignete Fachleute und Experten hinzuziehen, gleichwohl sollte alles in einer Hand bleiben mit aufeinander abgestimmten Kompetenzpläne.

Themen, die Stiftungen, potentielle Stifter und Verantwortungsträger in Stiftungen berühren, sind u. a.

  • Unternehmensstrategien von Stiftungen
  • „Ver“erben und dabei Gutes erfahren und tun
  • Anlagestrategien und Rücklagen
  • Liquidität von Stiftungen
  • Stiftungen, brauchen wir diese wirklich?
  • Ich habe eine Idee. Wie setze ich sie um?
  • Treuhand oder Anerkennung?
  • Zustiftung?
  • Hilfe, ich habe eine Stiftung geerbt!
  • Stiftungsalltag – Wie verwaltet sich die Stiftung?
  • Kleines Geld, was nun?
  • Großes Geld, was tun?
  • Und Steuern spare ich auch …
  • Meine Freunde und ich haben einen Plan!
  • Wie viel Stiftung braucht der Mensch?
  • Allen wohl und mir nicht übel. Wie Stiftung meiner Familie und mir helfen kann.
  • Wer, wenn nicht ich und wer macht mit?
  • Stiftung und ehrbarer Kaufmann
  • Mit Stiftungen Gutes tun und dabei wirtschaftlich denken
  • Ich werde Stifter. Wer kann mir helfen? Was soll ich tun?
  • Die Stiftung lebt nicht vom Geld allein, aber Stiftungen brauchen Geld, um zu arbeiten.
  • Wie hebe ich die Schätze meiner Stiftung?
  • Stiftungen und ihre vielen Vorteile. Menschlich, bürgerlich, familiär, finanziell und steuer­lich.
  • Ich will eine Stiftung. Wie sage ich es meiner Familie und/oder meinen Mitarbeitern?
  • Was Stiftungen den Kindern und der Jugend bringt?
  • Wie wirtschaftlich erfolgreich muss/darf eine Stiftung sein?
  • Die Stiftung, mein Reich zu handeln.
  • Was erwarte ich von meiner Bank in Bezug auf Anlage, Liquiditätsberatung und Sicherung meines Engagements?
  • Welche Unternehmensstrategien für mein gemeinnütziges Unternehmen unter Berücksichti­gung der Rechtsform, meines Projektverfolgungs- und Verwirklichungswil­lens und der Beratung und der Mittelakquise.

 Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ordnung

Die rechtliche Ordnung wird dadurch bestätigt, dass manche wagen, ihre Regeln zu überschreiten. Sie wird von Menschen fortgeschrieben, wobei eine Regelüberschreitung die nächste provoziert und so fort. Ordnung schafft Sicherheit, macht aber gefangen. Diejenigen, die sich im Recht auskennen, strapazieren diese Ordnung, suchen nach Schlupfwinkeln oder knüpfen das Netz des Rechts mit ihren Ansichten enger, als es ist. Die Unwissenden verstricken sich, wollen wissen, was geht oder nicht geht, meinen dabei nicht nur ihre Ansichten und Verhaltensweisen, sondern beharren auf Handlungsanweisungen.

Aber erst die Überwindung des normativen Denkens macht unsere Rechtsordnung wertvoll, denken wir z. B. an den Rechtsanwalt Nader, der in den 60er-Jahren den Verbraucherschutz in den USA herausgefordert hat, indem er mit Argumenten aus dem nichtrechtlichen Bereich Unternehmen zwang, auf gesundheitliche und technische Risiken der Bürger einzugehen. Lebenssachverhalte sind in erster Linie unjuristisch und bekommen durch die Juristerei nur so lange ihre allgemeinverbindliche Legitimität, bis diese Verbindlichkeit auch wieder infrage gestellt wird. Ein sich selbst reproduzierendes Justizsystem entfernt sich weit vom Judiz des Menschen, verliert zunehmend an Glaubwürdigkeit bei denen, die auf einem würdevollen Leben des Menschen bestehen, und schafft ein trotziges Unverständnis bei denjenigen, die der vermeintlichen Überlegenheit des Gesetzes und der Justiz vertrauen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verantwortung

Unser Bundespräsident Horst Köhler ist zurückgetreten. Für die einen mag der Rücktritt überraschend gewesen sein, für andere keineswegs. Es gab angeblich solche, die ihn im Regen haben stehen lassen, andere, die ihn verunglimpften oder als zu weich empfanden. Auch bei der Beurteilung der Eigenschaften und der Fähigkeiten unseres Bundespräsidenten a. D. ging es zu wie im richtigen Leben. Durfte er aber zurücktreten, das Volk im Stich lassen, seine Verantwortung einfach ablegen? Rein menschlich gesehen ist jeder Rücktritt zu rechtfertigen, weil wir Menschen in der Regel permanent Fehler machen. Der Rücktritt von Horst Köhler könnte rein menschlich gesehen angemessen und vom Konsens seiner Mitmenschen gedeckt sein. Wie verhält es sich aber, wenn wir die rein menschlichen Aspekte einmal zur Seite schieben? Horst Köhler ist nicht nur ein Mensch, sondern war Inhaber des höchsten Amtes der Bundesrepublik Deutschland. Diese Verantwortung hat er bei seinem Amtsantritt freiwillig übernommen und gelobt, stets zum Wohl der Bundesrepublik Deutschland zu handeln. Entspricht es dann dem Wohl der Bundesrepublik Deutschland, wenn ein Präsident von seinem Amt zurücktritt? Gänzlich ist das nicht auszuschließen, beispielsweise wenn ein Bundespräsident so schwer erkrankt ist, dass er seine Amtsgeschäfte nicht mehr wahrnehmen kann, straffällig geworden ist oder in derart zerrütteten Verhältnissen lebt, dass sie nicht mehr als vorbildlich angesehen werden können. Es mag ja auch im Fall Köhler eine Erklärung hinter der Erklärung geben, aber die veröffentlichten Erklärungen scheinen mir nicht in einem einzigen Fall ausreichend zu sein, um es dem Bundespräsidenten zu gestatten, den „Bettel einfach hinzuschmeißen“.

Tatsächlich halte ich den Rücktritt von Horst Köhler verfassungsrechtlich für äußerst bedenklich, da ein Rücktrittsrecht des Bundespräsidenten aus rein menschlichen, nicht krankheitsbedingten Gründen nicht vorgesehen ist. Welche Konsequenzen aber hat ein nicht zu rechtfertigender Rücktritt? Ist die Rücktrittserklärung null und nichtig und bleibt der Bundespräsident verpflichtet, sein Amt bis zum Ablauf seiner Wahlperiode weiter auszuüben? Wer kommt für den Schaden für die Bundesrepublik Deutschland auf, der durch den ungerechtfertigten Rücktritt verursacht wurde? Das Bundespräsidialamt? Wie sieht es aus mit den Altersbezügen eines Bundespräsidenten und sämtlichen Ehrungen, die ihm zuteilwurden und ggf. noch zuteilwerden sollten? Welchen großen Zapfenstreich sollte der so aus dem Amt geschiedene Bundespräsident verdient haben? Der Bundespräsident hat kein politisches Amt inne. Es werden an ihn keine amtlichen Anforderungen gestellt, die er nicht von vornherein genau kalkulieren kann, die sich nicht widerspiegeln in der verfassungsgemäß zugewiesenen Macht. Diese Macht ist begrenzt, aber nicht von Ohnmacht geprägt. Der Präsident hat Gestaltungsraum, den ihm keiner nehmen kann. Er kann seine Gedanken anbieten, Entwürfe von Überlegungen fertigen und diese in Abstimmung mit der Regierung vortragen. Seine Aufgaben bestehen unter anderem darin, die zentrifugalen Kräfte unserer Gesellschaft zusammenzuhalten, die Mitte des Bürgervolkes zu bestimmen, damit wir uns alle darum zu scharen vermögen. Er ist auf unser Einverständnis nicht angewiesen. Weder auf unser Einverständnis mit seinem Amt noch mit seiner Amtsführung, seinen Gedanken und Emotionen.

Der Bundespräsident ist. Er ist, weil er die Verantwortung für sein Amt verfassungsgemäß übernommen hat. Menschlich ist er einer von uns. In seinem Amt als Bundespräsident allerdings nicht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Staatsabgaben

Unter Staatsabgaben verstehe ich die Verpflichtung des Bürgers, einen Beitrag dafür zu leisten, dass der Staat funktioniert. Neulich besuchte mich ein Mandant und bat um Hilfe. Sein Anliegen war nicht ungewöhnlich. Er ist selbstständig, hatte stets im obersten Bereich der Verpflichtungsskala Steuern gezahlt, musste aber aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise in unserem Lande mit der Arbeit kürzer treten. Aufträge, mit denen er fest gerechnet hatte, blieben aus. Die Zahlungsmoral seiner Kunden ließ ebenfalls zu wünschen übrig. Was blieb, war eine Steuerlast aus vergangener Zeit, die es zu tilgen galt. Über die Höhe der Verpflichtungen, aber auch den Grund der Inanspruchnahme kam es zu keinerlei Differenzen mit dem Finanzamt. Nach den geltenden Gesetzen war der Anspruch der Finanzbehörde gerechtfertigt, nur aus den vorhandenen Einnahmen nicht zu erbringen.

Mein Mandant verfügte über keinerlei Vermögen, nachweisbar hatte er jedes verfügbare Einkommen in die Regulierung von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner geschiedenen Frau, die einkommenslos war, und die Sicherung der Ausbildung der Kinder gesteckt. Sein Motto war immer, dass die Unterstützung der Familie das Wichtigste sei. Weit hergeholt war dies nicht, denn wie sonst sollen die Leistungsträger von morgen denn anders auch geschaffen werden? Nichts von dem ganzen Erziehungsaufwand war indes steuerlich abzugsfähig. Es blieb bei einem Teil der Steuerlast, der jetzt aus finanziellen Mitteln nicht mehr zu bewältigen war. Aus systemischen Gründen erhielt er übrigens auch keinen Kredit. Er hätte auch nicht gewusst, wie er diesen wieder hätte zurückzahlen können. Also blieb nur die Insolvenz. Anstelle der Fortführung des Geschäfts und der Unterhaltssicherung der Familie: Hartz IV. Auf meine Nachfrage, ob er denn wirklich kein Geld habe, denn in unserer Gesellschaft kein Geld zu haben, sei ja ein Unding an sich, versicherte mir mein Mandant, da sei wirklich nichts zu holen. Er habe auch schon einen Vollstreckungsschutzantrag gegenüber dem Finanzamt ab- und detailliert Auskunft gegeben über sämtliche pfändbaren Gegenstände einschließlich seines Bargeldbestandes, der sich auf derzeit 349,50 Euro belaufe.

Aber, so erklärte mir mein Mandant mit einer gewissen Genugtuung, er verfüge doch über erhebliche Fähigkeiten. Er habe sich in der Vergangenheit gemeinnützig engagiert, insbesondere auf dem Bildungssektor für die Ausbildung von Hauptschülern, Vermittlung von Studenten ins Ausland bis hin zur Renovierung von Kindergärten und Schulen zusammen mit seinen Mitarbeitern, Lehrern und Eltern. Er könne doch, so lautete der Vorschlag meines Mandanten, statt Geld dem Finanzamt seine persönliche Leistung anbieten. Er sei ein geschickter Verhandler, er könne sein gemeinnütziges Engagement von derzeit vielleicht 30 % auf 60 % steigern. Er könne in seiner Freizeit als Pfleger in einem Krankenhaus arbeiten und vielleicht sogar das Finanzamt renovieren. Im Übrigen falle es ihm sicher leicht, Formulare zu entwerfen und Briefe zu schreiben. Er habe inzwischen an so vielen Podiumsdiskussionen teilgenommen, Reden gehört und Reden verfasst, dass auch dort ein Kompetenzschwerpunkt liegen könne. Kurzum: Ob ich es nicht für möglich erachte, dass wir dem Finanzamt statt des Geldes einfach ihn und seine Leistungsfähigkeit anbieten, denn schließlich sei Geld auch nichts anderes als geronnene Arbeit. Aus dem Tauschhandel sei ohnehin alles abzuleiten und Geld würde diesen Tausch im Prinzip nur erleichtern. Wenn aber kein Geld da sei, bliebe doch noch immer die verrichtbare Leistung. Das klang verblüffend, aber auch sehr überzeugend. Doch was, so gab ich zu bedenken, wenn der Staat seine Leistung gar nicht wolle, sondern Geld vorziehe, um selbst zu entscheiden, was er zu tun gedenke? Ja ja, warf mein Mandant da ein, das verstehe er gut. Er selbst hätte ja auch gerne Geld von seinen Kunden und es wäre sicher auch alles einfacher, wenn alle alle bezahlen würden. Aber wenn nun kein Geld da sei, müsse man doch zumindest Alternativen erwägen. Im Übrigen gehe es doch sicher nicht nur ihm so, sondern seines sei eventuell sogar das Schicksal vieler Menschen. Wenn man beim Finanzamt eine Liste derjenigen Personen führen würde, die einfach nicht bezahlen können, und stattdessen anzeige, was als alternative Leistung in Betracht käme, bestünde sogar die Möglichkeit, untereinander Fähigkeiten zu handeln, um das ganze Programm noch effektiver zu gestalten. Im Übrigen wäre es doch interessant, einmal eine Bedarfsliste des Staates zu bekommen, um festzustellen, wo er Hilfe wirklich dringend benötigt.

Vielleicht könnten dann die Bürger gemeinsam überlegen, wie sie dem Staat zur Seite stehen, die Probleme mit ihm gemeinsam lösen könnten. Aber, so warf ich ein, dafür gibt es doch die gewählten Vertreter. Mein Mandant lächelte etwas matt. Was meinen Sie, Herr Rechtsanwalt, was war zuerst da, das Ei oder das Huhn? Die Frage verstand ich nicht. Können Sie meinen Eindruck widerlegen, meinte er, dass der Staat von seinen Bürgern zu allererst Geld einzieht und erst dann verrät, für was er das Geld verbraucht? Vielleicht habe ich nicht immer richtig aufgepasst. Es gibt ja auch Haushaltsentwürfe usw., aber niemals wurde mir gesagt, dass ich für das oder jenes Vorhaben etwas zu bezahlen hätte oder mir gar Geld zurückgewährt würde, wenn ich erführe, dass es an anderer Stelle hilfreicher gewesen wäre als dort, wo es zunächst hingeflossen sei. Würden die Steuern nicht benötigt, so versickere das Geld, also auch das von mir gezahlte Geld irgendwo. Während mein Mandant redete, dachte ich für einen Moment darüber nach, was passieren würde, wenn ich das Geld, welches mir ein Mandant für bestimmte Aufgaben anvertraut hat, woanders einsetzen würde, sobald ich feststellte, dass seine Schuld doch nicht so hoch sei oder es mir gelungen war, die Forderung, die ich einziehen sollte, runterzuhandeln. Er könne doch auch einen Jahresbeitrag für eventuell anfallende Gebühren bezahlen, den ich dann allmählich unter Opportunitätsgesichtspunkten verbrauchen würde. Geeignete Fälle könnte ich dank meiner Kreativität sicher finden. Aber es muss sich dabei um völlig unterschiedliche Sachverhalte handeln … Also sagte ich meinem Mandanten nur: Grundsätzlich kann ich Sie ja verstehen. Auf einen Versuch sollte es daher ankommen. Wir probieren es mit dem Angebot Ihrer Fähigkeiten bei der Finanzverwaltung aus und hoffen, dass man Sie nicht auf die schwarze Liste schreibt. Schwarze Liste? Welche schwarze Liste, wollte mein Mandant noch wissen. Ach wissen Sie, sagte ich ihm, das ist eine ganz andere Geschichte, eine systemische. Das System schätzt Abweichler und Querdenker nicht besonders. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Alles wird gut.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Unter „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ versteht der Jurist einen Umstand, der es objektiv rechtfertigt, dass eine Vertragspartei am geschlossenen Vertrag nicht mehr festhält. Die Ursache muss deutlich abweichen von dem mit der Vertragsdurchführung beabsichtigten Zweck bzw. geeignet sein, diesen zu vereiteln. Hierfür will ich ein Beispiel nennen:

Üblicherweise schließt ein Mensch spätestens zum Zeitpunkt seiner Volljährigkeit einen Vertrag mit der Gesellschaft, der es ihm gestatten soll, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, wobei er die Verpflichtung eingeht, pünktlich seine Steuern zu zahlen und zu wählen. Um dies zu gewährleisten, müssen in der Gesellschaft bestimmte Spielregeln eingehalten werden. Eine der Spielregeln lautet, unbeschadet der spezifischen Eigentumsgarantie des Artikels 14 GG dem Menschen die Mittel zum Leben zu belassen, die er benötigt, um möglichst ohne finanzielle staatliche Zuwendung durch eigene Arbeit sein Leben zu gestalten und für sein Alter vorzusorgen. Das ist jedenfalls die Erwartungshaltung eines jungen Menschen und ein sittliches Gebot. Diese den Staat entlastende Haltung wird kaum jemand als verwerflich erachten. Das ist das Sollmaß eines Jugendlichen, welches er an die Gesellschaft anlegt. Wie aber ist die Wirklichkeit für ihn bestellt?

Als junger Jurist hatte ich die Wahl, entweder als Richter in den Staatsdienst zu gehen oder Rechtsanwalt zu werden. Ich habe mich für das Letztere entschieden, weil ich hoffte, im Beruf des Rechtsanwalts eine größere Gestaltungsfreiheit zu haben, ein auch wirtschaftlich selbstbestimmtes Leben führen zu können. Kurz nach Aufnahme meiner Anwaltstätigkeit hatte ich die Wahl, entweder freiwillig in die staatliche Rentenversicherung einzuzahlen, einem sich gerade formierenden Berufsversorgungswerk freiwillig beizutreten oder eine auskömmliche Lebensversicherung abzuschließen. Für das Letztere habe ich mich 1975 entschieden, und zwar in der durchaus durch die Agenten der Versicherung vermittelten Erwartung, dass ich, unabhängig von vielleicht noch höheren Zahlungen an meine Erben im Fall meines Todes, im Erlebensfalle mit 800.000 D-Mark höchst auskömmlich dotiert sei. Zunächst hatte ich auch überhaupt keinen Grund, an meiner Entscheidung zu zweifeln, zumal sich eine Dynamik des Wertzuwachses und eine Überschussbeteiligung abzeichneten. Irgendwann, genau kann ich das überhaupt nicht sagen, ist das gesamte System aber gekippt. Jede Mark, die ich an meine Versicherung bezahlte, hatte ich selbst verdient und auch versteuert. Ich baute mir so ein selbsterworbenes Vermögen auf und war stolz auf meine Leistung.

Dann merkte ich aber, dass es eigentlich nicht sein kann, dass ich einerseits mit hohem persönlichem Aufwand meine Lebensversicherungsbeiträge erwirtschaftete, andererseits mir für den Kauf eines Hauses der Anruf bei meiner Bank genügte und schon wurde ohne größere Komplikation viel Geld zur Verfügung gestellt. Spätestens nach der Wende, also in den 90er-Jahren, floss das Geld in Strömen. Wer würde da nicht zugreifen und kaufen wollen, was nur geht? Bemerkenswerterweise stagnierte dann allmählich die Dynamik des Wertzuwachses meiner Lebensversicherungen und die Überschussbeteiligung erlahmte dadurch. Das sah so aus: sinkende Rendite bei den Lebensversicherungen und hohe Zinslast auf der anderen Seite. Von der Gefährdung der Lebensversicherung durch die dann notwendige Absicherung des Kreditengagements will ich überhaupt nicht sprechen, aber davon, dass die nächste Überraschung ins Haus stand: der Euro. Die Einführung des Euro ging nicht einher mit einer Revision der Finanzsysteme, sondern schlicht und ergreifend mit einer Währungshalbierung. Die Zinsen und die Laufzeit der Zinsen blieben, aber die Währungsreform halbierte rein numerisch die Rentenerwartungen meiner Lebensversicherung. Statt 800.000 D-Mark jetzt 400.000 Euro. Natürlich halbierten sich auch numerisch die Kreditverbindlichkeiten, aber während diese selbstgenügsame Kraft den Zinsanspruch in gleicher Höhe aufrechterhielt, schmolz das Kapital weg, auf welches es bekanntermaßen kaum ankommt, da dessen Rückzahlungsmodus schon von Gesetzes wegen an letzter Stelle steht. Zuerst wird bekanntlich auf die Kosten, dann auf die Zinsen und schließlich auf die Hauptforderung eines Darlehensanspruchs gezahlt. Anders verhält es sich aber mit meinen Rentenversicherungsansprüchen. Diese nahmen vom ersten Tag der Geldmengenvernichtung und der Währungsumstellung an der Entwertung EU-weit teil. Keiner wird mir heute mehr zusichern wollen, dass ich bei Auszahlung des Kapitals meiner Lebensversicherung von 400.000 Euro am Tage der Vollendung meines 65. Lebensjahres in der Lage sein werde, den Rest meines Lebens – wahrscheinlich werde ich 120 Jahre alt – meine Altersversorgung zu bestreiten. Für Hartz IV bin ich nicht tauglich. Gegen den öffentlichen Dienst, der keine Probleme damit hat, je nach Wetterlage die Ansprüche seiner Vasallen zu korrigieren, habe ich mich seinerzeit bewusst entschieden. Ich war aber so blauäugig, der Gesellschaft zu vertrauen. Meines Erachtens ist diesem gesellschaftlichen Vertrag nun die Geschäftsgrundlage entzogen. Im Vertrauen darauf habe ich Investitionen in meine Kinder getätigt, den Beruf gewissenhaft ausgeübt und Steuern bezahlt. Jetzt möchte ich von der Gesellschaft das zurück, was sie mir durch das Vorgaukeln falscher Tatsachen entzogen hat, notfalls fechte ich den mit mir geschlossenen Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. Auch ich sollte wieder eine Chance haben, oder? Eine Frage der objektiven Betrachtung. Einzelschicksale unergiebig. Eher peinlich, reden wir besser nicht darüber.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Steuerprüfung

Anlässlich einer Steuerprüfung hat mir die Prüferin in einem Abschlussgespräch gesagt: „Wissen Sie, was ich hier tue und die ganzen Konsequenzen des Steuerrechts müssen Sie nicht verstehen. Es genügt, dass Sie anschaffen, um Steuern zu bezahlen.“ Darauf verabschiedete ich mich höflich aus dieser Runde der Prüfer, Steuerberater und Buchhalter. Ich habe da nichts verloren in ihrer Parallelwelt. Parallelwelt? Nein, tatsächlich leben wir in vielen Parallelwelten. In der Parallelwelt der Steuerzahler. In der Parallelwelt des verwalteten Menschen. In der Parallelwelt des Juristen. In der Parallelwelt des großen Geldes und der Wirtschaft. Die Welt, die die meisten Menschen für sich noch als die ihnen vertraute begreifen können, ist geschrumpft. Diese Welt der sozialen Bindungen, der Zugehörigkeit und des Wohlgefühls ist zudem gefährdet. Sie ist gefährdet durch einen außerordentlichen Druck anderer Systeme, die vorgeben, den Menschen zu entlasten. Zu entlasten vor allem von sich selbst. „Das müssen Sie nicht wissen. Das erledigen wir für Sie. Wir haben das in unserem System. Geben Sie uns Ihr Geld. Schaffen Sie an. Wir sorgen für Sie.“ Das ist so einfach und verführerisch. Wir verkaufen unseren Schatten wie Schlemihl oder tauschen unser warmes Herz gegen ein steinernes. Damit sind wir alle Sorgen los. Oder? Glaubt denn jemand, ein Herz hört auf zu schlagen? Glaubt denn jemand, ein Schatten ist ohne denjenigen zu haben, der ihn wirft? Glaubt denn jemand, der Banker, Jurist oder Steuerprüfer ist, dass ihn sein System schützt, wenn es einmal zur Abrechnung kommt? Die Verantwortung des Menschen ist nicht aufteilbar auf das System und den Menschen selbst. Es ist immer das Ganze. Der Richter trägt Verantwortung für die Prozessparteien. Der Banker für die Anleger und Kreditnehmer und der Steuerprüfer für den, den er prüft. Der Banker, der aufgrund windiger Geldgeschäfte einen, der sich ihm anvertraut hat, zugrunde richtet, wird die Ahnung seines eigenen Scheiterns nie wieder los. Nichts unterscheidet ihn von Raskolnikow. Auch den Richter, der die Konsequenzen seines Handelns nicht bedenkt, wird bei jedem Besuch eines Schlosses die Ahnung befallen, ob er vielleicht für immer dort gefangen bleibt? Und der Steuerprüfer? Er tut ja nur, was das Gesetz von ihm verlangt. Aber, nicht nur ein Gesetz, sondern auch eine Dienstanweisung oder ein Rechenbeispiel. Artikel 1 des Grundgesetzes verlangt, dass die Würde des Menschen zu achten sei. Die Würde des Menschen wird nicht geachtet, wenn das Ergebnis aller unverständlichen Gesetzmäßigkeiten die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlage ist. Wir tragen Verantwortung als Steuerzahler und als Steuerprüfer. Wir tragen Verantwortung als Bürger dieses Staates und vor allem als Menschen gegenüber anderen Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Geld statt Leistung – Leistung statt Geld

Freiberuflich tätige Menschen, zum Beispiel Rechtsanwälte, werden oft mit der Frage konfrontiert, warum denn die Rechnung so hoch sei, obwohl man sich mit dem Anliegen des Mandanten so viel Zeit habe gar nicht nehmen müssen. Kurzum: Es wird die Angemessenheit der Vergütung bestritten. Fällt die Vergütung allerdings bei hohem Zeitaufwand geringfügig aus, bleibt der Hinweis auf eine fehlende Vereinbarkeit der Vergütung mit der Leistung aus. Jeder Kunde möchte möglichst wenig bezahlen, aber viel dafür haben.

Das Gefühl der Unangemessenheit stellt sich dann nicht ein, wenn es sich um reine Geldmehrung handelt. Jeder Spekulant, jeder Börsenritter empfindet es als selbstverständlich angemessen, wenn bei einem Börsensprung oder sogar kontinuierlich die angelegten Werte plötzlich über Nacht zwischen 10 und 18 % nach oben klettern. Die Börse, die Bank oder deren Agenten kämen nicht auf die Idee, den Großteil des auszuschüttenden Geldes mit der Bemerkung zurückzugeben, ein derartiger Gewinn sei völlig unangemessen. Mit Sicherheit würde der Kunde einen derartigen Anspruch auch nicht akzeptieren. Er empfindet vielmehr diesen ihm ohne sein geringstes Zutun zugewachsenen Gewinn auf „sein“ Geld als absolut gerechtfertigt. Dass es zwischen Einsatz und Gewinn manchmal nur um Minuten oder Sekunden geht, findet er in keiner Weise verwerflich. Anders verhält es sich mit Leistungen, die kein Geld darstellen, aber eine Gegenleistung erwarten, die üblicherweise in Geld ausgedrückt wird.

Die Leistung des Dienstleisters ist in der Regel nicht auf Sekunden und Minuten beschränkt, die Leistung beruht auf Verantwortung, Ausbildung, berücksichtigt die Kosten für Unterhaltung des Bürobetriebes und des Gewinns. Solche Leistungen sind kalkuliert, ggf. in der Form einer Mischkalkulation, und berücksichtigen unternehmerische Einsätze, die ohne zusätzlichen Gewinn mit erledigt werden müssen. Die Leistung wird gerne genommen, aber das Äquivalent in Geld nicht gerne erbracht. In einer Tauschgesellschaft ging das so, dass demjenigen, der einen Rat erteilte, zunächst ein paar Fische auf den Tisch gelegt wurden. Es ist aber eine Frage der Zweckmäßigkeit, dass der Ratsuchende erst mal diese von ihm im Beispiel vorrätig gehaltenen Fische verkauft und bei der Beratung statt Fischen das entsprechende Geld aushändigt. Wo ist das Problem? Warum fällt es dann schwerer, sich statt von den Fischen vom Geld zu trennen? Der Rat, der erteilt wird, ist wichtig geblieben und bleibt sich auch immer gleich. Die Leistung erbringen zu sollen und dann um das Äquivalent zu kämpfen, ist eine merkwürdige Errungenschaft unserer Waren- und Dienstleistungsgesellschaft. Nicht die Leistung zählt also, sondern nur das Geld. Dabei ist das Geld ohne Leistung nichts wert.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Missverständnis

Zwischen dem Staat und seinen Bürgern besteht ein Missverständnis, welches weitreichende Konsequenzen hat. Der Staat erkennt den Bürger zwar als seinen Souverän an, die für ihn handelnden Personen aber glauben, dass sich die Ausübung dieser Souveränität in den Wahlen erschöpfen soll. Der Bürger glaubt dies irgendwie auch und beschwert sich bei den von ihm gewählten Vertretern deshalb ständig darüber, dass sie nach seiner Auffassung nicht machen würden, was er von ihnen eigentlich erwartet. Gleichwohl fordert er nur die Politiker zum Handeln auf, dazu, etwaigen Missständen, die er zu identifizieren glaubt, abzuhelfen. Die vom Souverän gewählten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, also die Politiker, sehen sich umfassend legitimiert, in seinem Interesse tätig zu sein, und betrachten Nörgeleien der Bürger als Einmischung in ihre Kompetenzen. In allen Bereichen des öffentlichen Lebens ringen Mandatsträger mit anderen Mandatsträgern um Lösungen zur gesellschaftlichen Daseinsvorsorge, angefangen von der Gesundheit über die Beschäftigung bis hin zur Kultur. „Die sollen machen“ – und die, die machen sollen, sehen sich aufgrund der ihnen zugewiesenen Rolle im Recht, vom Bürger die Mittel einzuziehen, die sie nach ihrer Auffassung benötigen, um der Selbstverpflichtung Genüge zu tun. Die Mittel werden über ein weitverzweigtes Netz von Steuern, die der Staat seinem Souverän auferlegt, beschafft. In einem feudalistischen Staat bestimmt der Souverän das Maß der Steuern und macht sie gegenüber den Bürgern geltend. Aber sogar in einer entwickelten Demokratie schlüpft der dienende Staat in die Rolle des Feudalherrn und bestimmt dem Souverän das Maß der finanziellen Leistung. Dies scheint mir ein grundlegendes Missverständnis zwischen Bürger und Staat zu sein. Der Staat und die für ihn handelnden Personen sehen sich legitimiert, vom Souverän Steuern einzuziehen und diese Mittel nach eigenen Maßstäben zu verwenden. Sie sehen sich ermächtigt, den Staat zu verschulden und dem Souverän die von ihnen gewünschte Rolle seiner Existenzberechtigung zuzuweisen. Dies alles geschieht natürlich innerhalb eines kontrollierten Rahmens. Der Bürger kann aber gleichwohl seine Rolle als Souverän nicht zur Disposition stellen, sondern bleibt in der Verantwortung, auch wenn er zeitlich befristet andere mit seiner Vertretung beauftragt hat. Die Rolle des Geschäftsherrn, bei dem die Wirkung der vom Vertreter abgegebenen Willenserklärungen eintritt, bleibt erhalten. Verträge kommen nicht mit dem Vertreter zustande, sondern mit dem Geschäftsherrn. Gleiches gilt auch für einseitige Willenserklärungen, die der Vertreter für den Vertretenen abzugeben hat. Jeder Vertretene muss an einem von ihm vorgegebenen Maß an gesellschaftlicher Kontrolle festhalten. Auch mit seiner Beauftragung ist der Vertreter nicht legitimiert, die Rechte des Vertretenen zu beschneiden oder gar diesem zu schaden. Zuweilen hat es einen anderen Anschein, weil der Vertretene eine komplexe, aus vielen Gruppen und Grüppchen und Einzelpersonen bestehende Persönlichkeit, also das Volk ist. Aber es bleibt immer der Geschäftsherr, der mit dem Vertreter einen Geschäftsbesorgungsvertrag abschließt und darin dessen Aufgaben und Rollen definiert. Diese Betrachtungsweise hat entscheidenden Einfluss auf die Rolle der Bürgergesellschaft. Der Souverän, also der Bürger, leitet seine Legitimation für bürgerschaftliches Engagement nicht vom Vertreter ab, sondern sein Recht als Bürger, im Rahmen des Staates tätig zu sein, ist ursprünglich. Nur dort, wo der Bürger nicht in der Lage ist, die ihm zugewachsene Aufgabe zu erfüllen, bedient er sich anderer, um eine koordinierte und zweckvolle Lösung herbeizuführen. Um welche Bereiche handelt es sich hierbei? Sicher nicht abschließend folgende:

  • die Mobilität, das gesamte Netz an Schienen, Strom, Straßen etc.,
  • äußere und innere Sicherheit, Polizei und Bundeswehr,
  • koordinierte, einheitliche Vertretung in Europa und weltweit,
  • Grundsicherung des Bürgers,
  • Einhaltung der Grundrechte und -pflichten,
  • das Gerichtswesen,
  • Bewahrung der kulturellen Identität und geschichtlicher Errungenschaften.

Auch dann, wenn die vorstehende Auflistung nicht vollständig ist, signalisiert die Beschreibung der staatlichen Tätigkeitsfelder schon das hohe Potenzial an Bereichen, die dem Bürger vorbehalten sind. Dort gilt das Prinzip der Subsidiarität staatlichen Handelns. Der Bürger als Souverän ist auch nicht Fehlbedarfsfinanzierer des Gemeinwesens, sondern es ist sein ureigenstes Recht, nach bestimmten Regeln uneingeschränkt selbstständig tätig zu sein. Dies gilt für den gesamten Wirtschafts- und Finanzverkehr. Das gilt für das Recht, im philanthropischen Bereich zu wirken, sein Leben unbürokratisch und selbstbestimmt zu gestalten. Es ist der Bürger, der mit dem Staat Verträge schließt, um diesem bestimmte Aufgaben zuzuweisen und nach entsprechender Kostenkalkulation durch den Staat mit diesem einen Vertrag über die Finanzierung von Vorhaben zu schließen. Dieser Vertrag zwischen Souverän und Mandatsträger ist die entscheidende Grundlage für die im Auftrage des Bürgers durchzuführende Geschäftsbesorgung durch die Vertreter. Erfüllen sie ihre Aufgaben nicht oder nur unzureichend, dann müssen sie wieder gehen, und zwar nicht erst bei der nächsten Wahl.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski