Archiv der Kategorie: Recht

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen rechtswissenschaftlichen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Unterforderung

Unterforderung schafft Überforderung. Neulich las ich, dass Menschen krank werden, wenn sie nicht genug zu arbeiten haben. Ein Arbeitnehmer hat sogar seinen Arbeitgeber wegen dessen Unterforderung bei der Arbeit verklagt. Auf den ersten Blick wirkt dies lächerlich, angesichts der zur Schau gestellten Neigung, die Freizeit zu feiern. Es ist aber keineswegs lächerlich.

Wir wissen ganz genau, dass im Ausbildungsprozess unterforderte Kinder daran scheitern, sich sprachlich, intellektuell und emotional zu entwickeln. Aus der Unterforderung entstehen Versagensängste, Frust und Gewalt. Der unterforderte Mensch trägt diese Bürde sein ganzes Leben lang. Er ist meist unsicher, befürchtet, dass sich die Umstände ändern könnten und er dann gefordert werde. Mit dieser ungewissen Forderung kommt er nicht zurecht.

Um sich seine Unterforderung nicht eingestehen zu müssen – meist erkennt er sie noch nicht einmal – beugt er der Forderung vor, indem er seine Überforderung behauptet. Diese scheinbare Überforderung ist der Maßstab seiner gesamten Reaktionsweise als kranker und nicht hinreichend versorgter Mensch und endet schließlich im Hass auf alle Anforderungen, die an ihn gestellt werden, und zwar auch dann, wenn sie ihn selbst nicht direkt betreffen. Der unterforderte Mensch fühlt sich übervorteilt, ausgenommen, ungerecht behandelt und schließlich auch noch ausgenützt. Seine Projektionsfläche sind alle anderen Menschen. Sich selbst will er die ihn umgebende Leere, in der er sich eingerichtet hat, nicht eingestehen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ungleichheit

Eines der Topthemen unserer Zeit ist die Ungleichheit, die reale als auch die gefühlte. Auch die Vorstellungskraft erzeugt die Themen und die mediale Aufmerksamkeit schafft Überdruss, weil Ungleichheit in allen sozialen Zusammenhängen gebrandmarkt wird. Entsprechend medial wirksam sind dann auch die Apelle, die an diejenigen gerichtet sind, die tatsächlich oder auch scheinbar diese Ungleichheit zu verantworten haben. Die Schlagworte reichen von der Würde des Menschen bis zur Armut.

Selbst, wenn alles richtig ist und alles gesagt wird, erreicht keiner dieser Appelle seine Wirkung, d. h. einen gesellschaftlichen Plan zu beschließen, der, so vorläufig er auch sein mag, geeignet ist, zur Chancenverbesserung der Menschen in unserer Gesellschaft beizutragen. Es wird medial und politisch vielmehr oft abgehoben auf das Gefühl derjenigen, die abgekoppelt seien, die keine Chance hätten und daher in dieser Gesellschaft in das Abseits gerieten.

Bei dieser Betrachtung wird verkannt, dass diese persönlichen Umstände zwar bei Menschen vorliegen können, aber unsere Gesellschaft wesentlich selbst dazu beiträgt, dass diese Vorstellung emotional übertrieben wird. Ein in der Gesellschaft unterforderten Mensch fühlt sich bald überfordert und empfindet es als Zumutung, dass Zuwendungen seitens der Gesellschaft nicht umsonst zu bekommen sind. Die soziale Anerkennung ist aber ohne eigenes Engagement nicht denkbar. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille ist es, die äußeren Umstände strukturell so zu verändern, dass der Ehrgeiz des Menschen in unserer Gesellschaft entfacht wird, sein Leben in den Griff zu bekommen. Dabei reicht es nicht aus, auf die augenblickliche Situation abzuheben und sich darüber zu entrüsten, dass die Reichen immer reicher würden und die Entkopplung von Vermögen und Einkommen sich ereignete. Das ist wohl so, aber eine rein moralische Betrachtung dieser Verhältnisse ist gesellschaftlich sinnlos. Durch Ermahnungen kann man bei Menschen kaum etwas erreichen, aber durch Vorbilder und Veränderungen von Umständen, die zur Einsicht führen, dass es besser ist, die eigene Einstellung zu verändern und neue Wege zu gehen. Aus meiner Sicht ist das Kreislaufsystem von Einkommen und Vermögen in unserer Gesellschaft gestört. Dies deshalb, weil wir noch heute einem völlig antiquierten Eigentums- und Erbschaftsbegriff pflegen. Nun kann man zwar sagen, dass nicht alles falsch war, was früher einmal gedacht wurde, es ist aber nicht so absolut richtig, dass es heute nicht auf dem Prüfstand gestellt werden dürfte. Das gilt insbesondere für das Erbrecht.

Eigentum ist lebzeitig. Der tote Mensch hat keine Taschen, in denen er sein Eigentum vergraben könnte. Mit dem Tod verliert der Mensch sein Eigentum und es wächst nach der bei uns geltenden Rechtsordnung seinem Erben zu. Aber, warum ist es so und warum soll es so auf Dauer sein? Unser Erbrecht, welches sich unter anderem aus dem römischen Pandektenrecht entwickelt hat und vielfach Ausdruck gefunden hat auch im fidaikommis und andere Rechtsinstitutionen überdauerte, sah es aufgrund der konkreteren historischen Situationen als erforderlich an, dass zur Erhaltung der Familienstämme Vermögen weitergereicht werden. In einer eher vom Bauerntum geprägten Gesellschaft machte dies durchaus Sinn, führte aber bereits im Zuge der Industrialisierung zu Verwerfungen und ist heute ein groteskes Überbleibsel aus vergangener Zeit. In einer mobilen Leistungsgesellschaft in der es auf Besitzstandwahrung eigentlich überhaupt nicht mehr ankommt, schafft das Anhäufen von Vermögen um des Vermögens willen zwar Geld, Macht und Einfluss, aber entkleidet sich völlig des historischen Sinns.

Es gäbe nun die Möglichkeit, Erbschaften so drastisch zu besteuern, dass der Staat davon profitiert und eine Umverteilung vornimmt. Das ist hier die schlechtere Möglichkeit, denn jede Form der Umverteilung macht denjenigen, der eine Zuteilung erfährt, abhängig von der gebenden Hand. Sinnvoller ist es, die Stellung gemeinnütziger Einrichtungen im Bildungs-, Sozial- und Arbeitsbereich neu zu justieren und dafür zu sorgen, dass dorthin Vermögen nicht nur abfließen kann, sondern auch abfließen muss, um Leistungsanreize für andere zu schaffen, sich zu engagieren, seien dies Stiftungen, Genossenschaften oder andere hybride philanthropisch/ wirtschaftliche Organisationen. Das würde auch zur Erstarkung des bürgerlichen Engagements im Pflege- und im Lifestylebereich und auch in anderen Einrichtungen wie einer Mehrgenerationenbank führen, um neue gesellschaftliche Assets jenseits des Geldes zu schaffen. Sicher noch ein weiter Weg, aber provokant muss gedacht werden, um das Vermögenserhaltungsflegma zu überwinden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vertrag

Um Verabredungen bindend zu treffen, benötigen Menschen einen Vertrag. Der Vertrag ist somit die Grundlage jeder funktionierenden Sozialordnung.

Der Vertrag ist mehr als das geschriebene Wort und erschöpft sich nicht in einer aus dem Internet herunterladbaren juristischen Konstruktion.

Nur selten, wie zum Beispiel im Grundstücksrecht und teilweise im Gesellschaftsrecht sind Verträge an bestimmte Formen gebunden. Die Schriftform dient dabei der Beweisbarkeit, aber natürlich kommen Verträgen auch dann zustande, wenn man den Vertragsschluss kaum wahrnimmt, zum Beispiel der Beförderungsvertrag beim Einstieg in ein Taxi oder in eine Straßenbahn.

Aus vergangener Zeit besonders bekannt ist der Vertragsschluss durch Kaufleute mittels eines Handschlags. Dieser bringt zum Ausdruck, wir machen es so, wie wir es gesagt haben und im Übrigen gelten unsere Handelsbräuche und das Gesetz.

Ein Vertrag kommt zustande durch übereinstimmende Willenserklärungen, wobei die juristischen Vertragsargumente nicht unbedingt im Vordergrund stehen müssen, sondern auch Vernunft, Gefühl, Werte und Anschauung.

Ein Vertrag eröffnet Optionen für die Beteiligten, schafft Perspektiven, sichert die Interessen, vermeidet Konflikte und sieht in seinen Regelungen genaue Abwicklungsmodalitäten vor.

In Zeiten wie heute, wo dies technisch möglich ist und Vertrauen durch Misstrauen herausgefordert wird, sichern sich Vertragsbeteiligte durch aufwendige Vertragswerke und allgemeine Geschäftsbedingungen scheinbar überlegene Positionen. Manch einer verheddert sich im Gestrüpp der verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Bestimmungen des gesamten Vertragswerks, zumal allgemeine Geschäftsbedingungen auch gerichtlich überprüft und ggf. kassiert werden können.

Vertragsgestaltungen sollte man nicht allein den Juristen überlassen, sondern den Prozess, der zum Vertragsabschluss führt, mitgestalten, klarmachen, was man will und den Juristen einbinden, um die von den Vertragsbeteiligten vorgesehene Verabredung in Form und Inhalt kompatibel zu machen. Nur, wenn man selbst versteht, was man will, kann man den Willen des Vertragspartners mitberücksichtigen und zu belastbaren Verträgen gelangen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wahlrecht

In einem bemerkenswerten Interview, welches die Rechtsanwältin und frühere Justizsenatorin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit in den Heften 4 und 5 aus 2016 dem Berliner Anwaltsblatt gewährt hat, forderte sie ein Wahlrecht auch für junge Menschen von Geburt an. Das Stimmrecht der Kinder sei tatsächlich zu gewähren, aber treuhänderisch von denjenigen, die für sie Verantwortung tragen, wahrzunehmen. Dies sind in der Regel die Eltern. Als ich ihre Ausführungen in dem Interview las, war ich hin- und hergerissen.

Bei vernünftigen Eltern habe ich überhaupt nichts dagegen, dass sie auch das Stimmrecht für ihre Kinder ausüben. Aber, was passiert, wenn sie sich nicht einigen können, über den sachgerechten Umgang mit dem Stimmrecht streiten oder es nicht ausüben, obwohl ihre Kinder einen Anspruch darauf haben sollen. Ab welchem Alter kann ein Kind sein Wahlrecht selbst wahrnehmen? Wann ist ein junger Mensch tatsächlich mündig? Die familiäre, wie auch gesellschaftliche Einübung in ein späteres selbstverantwortliches Leben ist mühevoll und stellt ein Kind vor große Herausforderungen.

Ist dies aber ein Grund, Kindern das Wahlrecht zu versagen? Viele Fragen sind angstgesteuert. Die Wahlstimmen der Kinder könnten in falsche Hände kommen, die Machtverhältnisse verschieben und kinderreichen Familien mehr Einfluss zukommen lassen. Dies würde wiederum Einfluss auf die Sozialgesetzgebung und Lebenssicherung für die nächste Generation nehmen. Rechtfertigen aber diese Unwägbarkeiten die Ablehnung des Kinderwahlrechts? Kein Kind hat den Aufenthalt in unserer Welt gewählt, übernimmt aber zugleich mit der Geburt – wenn auch zunächst nicht rechtlich – so aber schon tatsächlich Verpflichtungen in unserer Gesellschaft, die später Wirkung zeigen werden. Das Kind wächst in seine Verantwortung und trägt bereits ab seiner Geburt einen Teil der gemeinsam zu schulternden Last, die im Generationenvertrag festgeschrieben ist.

Mehr Demokratie wagen, so lautete die Mahnung der SPD in den End-60er-Jahren. Der Slogan war damals richtig und fordert uns auch heute noch heraus, das gesellschaftliche Modell nicht als statisch zu begreifen, sondern Veränderungen und Wagnisse zuzulassen. Das Wahlrecht für Kinder und junge Menschen ist kein revolutionärer Akt, sondern entspricht der Vernunft einer gesellschaftlichen Entwicklung. Fragwürdig ist oft alles nur solange, bis es selbstverständlich ist, gesellschaftliche Anerkennung gefunden hat.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Weltanteile

In der Wirtschafts- und Warenwelt sind uns Begriffe wie Shareholder Value oder Stakeholder Value weitgehendst geläufig. Sie bezeichnen die wertmäßige Beteiligung an Unternehmen bzw. Unternehmungen. Doch welchen Wert haben Anteile jedes einzelnen Menschen an der Welt?

Jeder Mensch ist ein geborenes Mitglied der Weltgemeinschaft, Anteilseigner und damit auch Stakeholder. So wohl die allgemeine Anschauung, aber hält diese Betrachtung der Wirklichkeit stand? Um welche Anteile geht es? Die Anteile des Menschen sind zunächst seine Lebensrechte, d. h. Anrecht auf Luft, Wasser, Erde, Teilhabe an Nahrung, aber auch Selbstbestimmungsrecht und Organisationsrecht. Diese Einforderung unterscheidet sich kaum von den Ansprüchen, die Stakeholder oder auch Shareholder an Kapitalgesellschaften geltend machen, wenn es um ihre Kapitalien geht. Und doch hat beides nichts miteinander zu tun. Weshalb?

Können Stakeholder in der Wirtschaft recht frei agieren, solange sie bestimmte Regeln einhalten, werden die geborenen Anteile eines Menschen an der Welt von Anfang an unter vormundschaftsrechtliche Aufsicht gestellt. Sie werden eingezogen und zugeteilt nach Maßstäben, die der Mensch weitgehendst nicht beeinflussen kann. Solange der Mensch die Ausübung seiner Weltanteile nur auf Zeit anderen überträgt, sollte er aber Kontrollrechte haben. Diejenigen, die er zur Ausübung seiner Rechte durch Contract Social bevollmächtigt hat, sind ihm Rechenschaft schuldig.

Geht der Mensch seiner Rechte insgesamt verlustig, obwohl sie eigentlich unentziehbare natürliche Rechte sind, zum Beispiel aufgrund Willkür und Fehlinformation wird er selbst unberechenbar, weil er nichts mehr hat und  nichts mehr verlieren kann. Was kümmert dann noch Umweltschutz, Arterhaltung, Vielfalt und kulturelle Entwicklung.

Mit dem Verlust der Anteile steht die Würde auf dem Spiel. Sie darf dann auch nicht nur als Gnadenakt zugewiesen werden durch den, der mehr Anteile an dieser Welt besitzt, als ihm geborenermaßen zustehen. Um die Balance in der Weltgemeinschaft wieder zu finden, ist es unumgänglich, durch Überzeugungsarbeit alle zu motivieren, die Weltanteile wieder gerecht zu verteilen oder Einziehungsverfahren zu installieren, um bei Uneinsichtigkeit derer, die sich der Anteile bemächtigt haben, den selben Erfolg zu erreichen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wer schreibt, der bleibt

Das hätte ich nicht erwartet, als ich vor knapp drei Jahren anfing, zu bloggen. Bei der Hochrechnung der bisherigen Besucherzahlen, dürften sich etwa 100.000 Besucher jährlich mit dem von mir Geschriebenen befassen. Selbst, wenn ich bedenke, dass Suchmaschinen ebenfalls als Besucher gezählt werden, so verblüfft es dennoch, dass die durchschnittliche Verweildauer in meinen Beiträgen bei über 2 min. liegt. Da ich mir Gedanken darüber mache, welche Motivation ein Besucher haben kann, trotz aller sonstigen Verpflichtungen und bei eingeschränktem Zeitkontingent meinen Blog zu besuchen, hatte ich darüber nachgedacht, den Besuchern Gelegenheit zu geben, meine Blogeinträge zu kommentieren. Es wurde mir allerdings davon abgeraten und die Begründung war überzeugend.

Was biete ich den Lesern an? Es sind be- und überarbeitete Informationen, die ich selbst oft aus anderen Medien erfahren habe. Persönlich sind der Verarbeitungsprozess und die Vermengung mit anderen Gedanken und Gefühlen, deren Hintergrund beruflich, familiär und weltanschaulich geprägt ist. Ja, ich weiß, woher ich stamme und wer ich bin. Es gibt einen Standpunkt, der verschiedene Varianten der Betrachtungen zulässt, aber auch dazu zwingt, eindeutig Stellung zu beziehen, was das Recht des Menschen auf Leben, Unversehrtheit, Freiheit im Denken, Handeln im gesellschaftlichen Kontext und Bildung anbetrifft. Dies ist unverhandelbar.

Auch wenn ich den Menschen nicht nur körperlich, sondern auch als spirituelles Wesen begreife, so bin ich doch davon überzeugt, dass Religionsausübung persönliche Verabredungen sind und unsere Gemeinschaft insgesamt nicht belasten und bevormunden darf. Der Mensch ist ein Faszinosum, hat bereits jetzt unendliche Entwicklungen durchlaufen und wird auch die Zukunft wesentlich mit gestalten. Der Mensch ist aber nicht allein, sondern steht in Kongruenz zu anderen Lebewesen, auch Pflanzen auf diesem Planeten. Das macht Abstimmung erforderlich und verpflichtet den Menschen unabdingbar zur Erhaltung der Lebensgrundlagen.

Seine Endlichkeit, seine Pflicht gegenüber kommenden Generationen sollte den Menschen daran erinnern, dass wirtschaftliches Gewinnstreben nur ein, aber nicht der wesentliche Aspekt seiner Selbstdarstellung sein darf. Die Kultur in ihrer Vielfältigkeit ist unsere größte Errungenschaft. Sie ist zu bewahren für künftige Generationen. Wer schreibt, erinnert sich, vergewissert sich, schafft Bezüge und notiert Selbstverständlichkeiten eines ewigen Testamentes. Das Wort wird Geist und bleibt. Für immer.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zumutung

Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. So einfach geht das. In der Theorie. In Wirklichkeit? Nicht. Wir kennen alle Rücksichtslosigkeiten im Straßenverkehr: Autos gegen Radfahrer, Radfahrer gegen Fußgänger und Fußgänger gegen andere Fußgänger. Nachbarschaftsstreitigkeiten wegen Lärm und Feuerschalen. Verwahrlosungen in Parks und Grünanlagen, Verschmutzungen in U- und S-Bahn, Fehlinformationen und Korruption.

Warum fügen wir anderen Leid zu, obwohl wir wissen, dass wir jederzeit mit dem Revanchefoul rechnen müssen? Es gibt hierfür viele Erklärungsmuster, unter anderem soziale Herkunft, frühkindliche Erfahrungen und altersbedingte Absicherung des Lebenswerks.

Denkbar ist allerdings auch, dass wir uns zuweilen gerne widerwärtig verhalten, insbesondere dann, wenn wir anonym zu sein scheinen, zum Beispiel am Steuer unseres Autos. Auch in der Anonymität der U- und S-Bahn können wir in einem mit Menschen überfüllten Abteil ungeniert in der Nase bohren, denn den davon Angewiderten werden wir wohl kaum wieder begegnen. Zunehmend ist zu beobachten, dass die soziale Kontrolle verschwindet und damit Gedankenlosigkeit bzw. Rücksichtslosigkeit Platz greift. Wer will das schon erleben, aber wenn keiner anfängt, sich zu ändern, wird sich auch nichts ändern. Jammern wir also weiter, das Leben ist ja ohnehin zu kurz, um etwas zu tun.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Legerwall

Ein alter Juristensnack lautet: „Vor Gott, vor Gericht und auf hoher See bist du alleine“. Stimmt das wirklich? Vor Gott mag das so sein, sicher aber nicht vor Gericht oder auf hoher See. Bei Gericht stehen Rechtsanwälte ihren Mandanten bei, Gesetze und Regeln schaffen ein hohes Maß an Orientierung und auf hoher See trotzt der Steuermann den widrigen Gefahren.

Schwierigkeiten, Gefahren und Probleme gehören zum Leben. Damit umzugehen muss man in der juristischen Welt, wie auf hoher See lernen. Wenn das Schiff droht, aufgrund der Windverhältnisse an Land gedrückt zu werden und zu zerschellen, ist es eine brenzlige Situation, die in der Seemannssprache mit „Legerwall“ benannt ist. Dank seiner Erfahrung und mit Hilfe des Kompasses steuert der Steuermann dann das Schiff aus der Gefahr in ruhigere Gewässer und in den rettenden Hafen.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, ob auf hoher See oder in den endlosen Weiten des juristischen Meeres. Gott sei Dank ist jeder Mensch auch dort niemals wirklich allein, muss allerdings darauf achten, wem er sich anvertraut.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Armut

Mit den statistischen Angaben im letzten Armutsbericht, der sich auf den Erkenntnisstand 2014 bezieht, will ich mich an dieser Stelle nicht im Detail befassen. Die Messlatte für Armut ist in diesem Bericht jedoch gesetzt und daraus ergeben sich Folgerungen für unsere Gesellschaft, im Kleinen wie im Großen. Stimmt der Report? Ich habe da meine Zweifel.

Arm ist nicht nur der statistisch bedürftige Mensch, sondern jeder, der sich Verpflichtungen gegenüber sieht, denen er nicht gewachsen ist, die er nicht erfüllen kann. Das ist nicht statistisch erfassbar, sondern höchst individuell. Für Kinder in der Großstadt sind möglicherweise weitaus höhere finanzielle Aufwendungen zu erbringen, als für diejenigen, die auf dem Land leben. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob die Kinder in der Familie von den Großeltern oder sonstigen nahen Angehörigen betreut werden oder auch ergänzende Betreuung durch Stunden- oder Tageskräfte erforderlich ist.

Krankheiten und Pflegeaufwand schaffen finanzielle Abhängigkeiten, die meist weit über das durch Gesetz und Krankenkasse Zugebilligte hinausgreifen. Ein Mensch mit auch guten monatlichen Einkünften kann arm sein, wenn die Aufwendungen, die erforderlich sind, seine eigenen finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Soweit Aspekte der finanziellen Armut.

Armut aber allein daran festzumachen, scheint mir unzureichend. Die wirkliche Armut entzieht sich der statistischen Betrachtung, schafft aber zuweilen eine Trostlosigkeit, die allumfassend ist. Aus dem Korb der Beispiele ist die Vereinsamung herauszugreifen, die durch Wegfall von Bezugspersonen, Partnern und Freunden entsteht. In diesem Korb liegen aber auch unzureichende Bildungschancen, fehlende schulische Entwicklung, Beschäftigungslosigkeit, kulturelle Armut, Perspektivlosigkeit und Diskriminierung.

Armut beleidigt die Würde des Menschen, dessen Unantastbarkeit nach Artikel 1 des Grundgesetzes garantiert wird. Nicht nur von Staats wegen, sondern in einer philanthropischen Gesellschaft sind alle Menschen dazu aufgerufen, der Armut entgegenzutreten, wo immer sie auftauchen möge. Erinnert sich noch jemand gelegentlich an das Freiheitsgelübde, welches mit den Glocken des Rathauses Schöneberg täglich verkündet wurde? Das passt auch hier im Widerstand gegen Armut.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Was vermögende Menschen wirklich bewegt

Ein Mensch, der zu Lebzeiten ein Vermögen erworben hat, will es in der Regel sichern. Derjenige, der von Todes wegen vermögend geworden ist, sieht sich in der Regel in der Pflicht, dieses ebenfalls zu erhalten und an seine Erben weiterzugeben. Aber auch das Gegenteil kann richtig sein, wenn die Regeln zum Umgang mit Vermögen nicht erlernt wurden. Vermögen, welches durch Spekulationen erworben wird, kann in gleicher Weise zwischen den Fingern verrinnen. Vermögen ist das Ergebnis geronnener Arbeit oder Wagniskapital.

Von der Regel ausgehend, bewegt den vermögenden Menschen, sein Vermögen zu erhalten, Erträge zu erzielen und dieses so zu bewirtschaften, dass er selbst und seine Familie bis zu seinem Lebensende und ggf. darüber hinaus gesichert sind.

Neben der Lebenssicherung durch Vermögen bewegt ihn aber auch die Möglichkeit, das Vermögen zumindest teilweise einzusetzen, um Lebensziele im wirtschaftlichen und philanthropischen Bereich zu verwirklichen. Nebst der Erprobung eigener Fähigkeiten und Umsetzung von Interessen bewegen ihn dabei auch gesamtgesellschaftliche Anliegen, für die er eine Verantwortung übernommen hat. Bleibendes zu schaffen, ist für den vermögenden Menschen schon deshalb wichtig, weil er weiß, dass Vermögen an sich keine Anerkennung bringt und nach dem Tode bedeutungslos geworden ist.

Was zählt, ist, was der vermögende Mensch mit seinem Vermögen bewirkt, sei es durch gemeinnützige Stiftungen, Familienstiftungen oder jede andere Form nachhaltigen Engagements. Sicherung der Familie und der nächsten Generation nebst dem Bewirken von bleibenden Zuwendungen zum Beispiel im Rahmen von Stiftungen verleihen dem Vermögen Sinn.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski