Archiv der Kategorie: Recht

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen rechtswissenschaftlichen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Gerechtigkeit in Europa – eine Illusion? Teil 3

Der Bürger, der in ein derartiges Verfahren scheinbar eingebunden ist, spielt in Wahrheit keine Rolle, sondern bietet dem Verfahren nur Gesicht, Name und Adresse. Das Ergebnis sind teure Verfahren und hohe Prozesskostenrisiken.

Auch die Rolle des Richters selbst ist zweifelhaft: Vorgeprägt durch eine lebensfremde Ausbildung, durch Sachferne und seine oft aufgrund entsprechender gesetzlicher Regelungen auch gezwungenermaßen schematische Einschätzung kann er eine hundertprozentig „gerechte“ Entscheidung nicht garantieren. Hinzu kommt häufig persönliche Willkür. Dies kann sich positiv oder negativ für das Entscheidungsbegehren des Bürgers auswirken, zwingend ist das Urteil, das er erhält, in keinem Fall. Manchmal ist es noch nicht einmal nachvollziehbar.

Daher schlichtet das Urteil das Streitverhältnis auch nicht, sondern schafft Anreiz für weitere Berufungen und Revisionen. Das kostet Geld – und Zeit: das schnelle Leben überholt das Urteil. In vielen Fällen raubt eine lange Verfahrensdauer dem Urteil bereits seinen Sinn.

Beendet ist allein das formale Verfahren, nicht der Streit. Der Staat hat in Gestalt seiner Richter „Recht gesprochen“, seiner Durchsetzung trägt er jedoch nicht Rechnung. Das ist ein Kardinalfehler im Verhältnis des Bürgers zur Justiz. Das juristische System ist nicht geschlossen: Der Bürger erhält ein Urteil, mit dem er im schlimmsten Fall nichts anfangen kann, weil er entweder dieses Urteil nicht anerkennt, es für ihn als Schuldner irrelevant ist, weil es seine Zahlungsverpflichtungen usw. bei weitem übersteigt oder er als Gläubiger seinen Anspruch nicht realisieren kann, weil der Schuldner zahlungsunfähig ist oder einen Insolvenzantrag stellt.

Ist das so gewollt, eine Justiz in Europa mit Politikern, Gesetzgebern, Advokaten und Richtern, allerdings ohne Bürger auf Augenhöhe?

Ist es uns angenehm und bequem, in einem geregelten und verordneten Europa zu leben, auch wenn wir nichts mehr von dem verstehen, was die europäischen und nationalen Institutionen, Kommissionen, Gesetzgeber, Anwälte und Richter uns vorgeben?

Wenn wir das nicht wollen, gilt Folgendes:

1.    Wir müssen Ernst machen mit der bürgerlichen Teilhaberschaft am Gemeinwesen in Europa und zu einem rechtsstaatlichen aber auch sozialen Gemeinwohlbegriff zurückkehren. Das Verhältnis des Bürgers zum Staat bzw. zur Staatengemeinschaft muss sich ändern. Damit meine ich nicht „Public Private Partnership“, sondern das Bestreben, staatliche Einrichtungen durch private Einrichtungen dort zu ersetzen, wo dies möglich ist. Hierzu gehört es auch, gesetzlich die Freiräume für diese Betätigung zu schaffen. Die Freiheit des Bürgers und seine Eigenverantwortung sind der beste Schutz vor staatlicher Willkür und Angriffen Dritter. Sie sind Ausdruck gesellschaftlicher Selbstregulierung, die vom Staat durch eine formale Rechtsordnung, die die wechselseitige Anerkennung von Sicherheit und Freiheit aller als den unverzichtbaren Minimalbestand gesellschaftlicher Grundwerte garantiert, nur geschützt, nicht aber inhaltlich bestimmt werden.

2.    Wir müssen den sogenannten „Dritten Sektor“ auf allen Gebieten stärken, insbesondere eine europäische philanthropische Kultur entwickeln. Sie erlaubt es dem aufgeweckten Bürger, den Staat herauszufordern und in einem Wettstreit der Besseren und Besten zu alternativen Problemlösungen bei gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen zu gelangen. Viele Länder der EU bleiben hinsichtlich des Anteils der Beschäftigten des Non-Profit-Sektors an der Gesamtbeschäftigung hinter dem Durchschnitt zurück. Gerade auf der internationalen Ebene besteht erheblicher Nachholbedarf: Internationale Non-Profit-Organisationen (NPOs) machen nur einen Bruchteil der insgesamt tätigen Organisationen aus. 54 % der in Deutschland aktiven NPOs sind überhaupt nicht im Ausland tätig. In anderen Staaten dürfte es ähnlich aussehen.

3.    Wir müssen die kameralistische Zuwendungspraxis des Staates gegenüber kulturellen Institutionen überprüfen, in denen Ziele nur an- hand von Ein- und Ausgaben statt von Inhalten definiert werden. Setzt der Bürger sein Geld ein und macht sich so vom „Gönner Staat“ unabhängig, bedeutet dies nicht das Ende des staatlichen Kulturauftrags. Die Möglichkeiten, ein reiches und produktives Kunst- und Kulturleben zu fördern, sind vielfältig. Hier sind auch die europäischen Institutionen zum Handeln aufgerufen.

4.    Unser Konfliktsystem muss überprüft werden. Alle haben das Recht, nicht nur zu streiten, sondern sich auch zu vertragen! Anstatt aber das System zusätzlich Unverständnis, Neid und Rechthaberei zu schüren, muss künftig ein Modell der Konfliktbewältigung erprobt werden.

Was ist darunter zu verstehen? Mehr dazu im nächsten Blog Eintrag.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gerechtigkeit in Europa – eine Illusion? Teil 2

Aus meiner Sicht (noch) nicht viel. Rechtlich sind wir in Europa schon fast am Ende, bevor wir richtig angefangen haben. Einer der Gründe hierfür ist zunächst, dass wir immer noch zu sehr von einem rein nationalen Denken geprägt sind, Europa nach wie vor ein Zweckbündnis der Vaterländer ist, in dem eine Rechtsvereinheitlichung oder besser ein konstruktiver Rechtsdialog auf der Grundlage unterschiedlicher rechtlicher Einschätzungen nicht möglich ist. Was wir zuvörderst dringend benötigen würden, wäre ein gemeinsames europäisches Verfahrensrecht in allen Bereichen. Wir müssten lernen, mit Rechtsangelegenheiten in gleicher Weise umzugehen, damit wir nicht nur die Unterschiede, sondern auch Fehlverhalten innerhalb einzelner nationaler Abläufe besser erkennen.

Weiter:  Gesetze  und  Verordnungen  können  das  aktive  Handeln  der  Bürger  nicht  ersetzen.  Der  Gesetzgeber  leistet  durch  seine Gesetzesflut dem Rückzug des Bürgers aus der gesellschaftlichen Gesamtverantwortung Vorschub und trägt schlimmerweise dazu bei, dass der Bürger individuell und kollektiv die Verantwortung für sein Leben in die Hände anderer legt. Damit erlahmt seine Wachsamkeit, seine Kreativität. Seine Bereitschaft, selbst initiativ zu werden, verschwindet.

Wozu führt die Entfremdung zwischen dem Bürger und dem „Recht“?

1.    Der Bürger selbst ist nicht mehr konfliktbereit. Er verlagert seine Verantwortung auf andere. An herausragender Stelle profitiert hiervon der Anwalt. Es ist bezeichnend, dass sich die Anwaltschaft in Deutschland in den letzten fünfzehn Jahren mit 110.000 Anwälten nahezu vervierfacht hat.
Die Konsequenz: Selbst einfache Konflikte kann der Bürger nicht mehr selbst lösen, sondern er benötigt professionelle Hilfe.

2.    Das Schadensbeseitigungs- bzw. das Schadensersatzrecht hat europaweit enorm an Bedeutung gewonnen. Eine scheinbar logische Konsequenz: Eine Gesellschaft, in der sich der Einzelne selbst nicht mehr helfen kann, ist gewissermaßen gezwungen, den Bereich des Schadensersatzrechtes auszudehnen und Kompensation für erlittenes Unrecht zu schaffen.

Dies mag in einigen Bereichen verständlich und sinnvoll sein, als Grundhaltung, als Flucht vor der Verantwortung ist es jedoch unverzeihlich und kläglich. Es zeigt, wie wenig wir inzwischen damit zurechtkommen, Dinge so zu regeln, dass Schäden überhaupt vermieden werden. Wir verlassen uns lieber auf die Schadenskompensation, sei es gegenüber dem Staat, der europäischen Gemeinschaft, aber auch der Haftpflichtversicherung von Anwälten, Notaren etc. Diese Ausdehnung des Schadensrechtes halte ich für ein Armutszeugnis der entwickelten Gesellschaft. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei auch noch erheblich über das Ziel hinaus geschossen wird. In den Vereinigten Staaten können wir erleben, wie sich das Schadensrecht mit der Anerkennung eines Verschuldens von Tabak- und Mikrowellenherstellern für Gesundheitsschäden und mit Ersatzleistungen in Millionenhöhe zunehmend bis ins Absurde verselbstständigt, getreu dem Motto: hoffentlich passiert mir was, dann kann ich auch richtig zulangen. In Europa sind wir auf dem besten Wege dorthin.

3.    Der Richter wird’s schon richten. Welch ein Fehlschluss! Recht haben und Recht bekommen ist immer zweierlei. Das wissen wir zwar, wollen es aber dennoch nicht wahrhaben. Der Richter hofiert seine subjektive Realität. Er ist in ihr gefangen. Sie ist ihm bequem. Bezeichnenderweise schaffen Zivilprozessreformen keine Abhilfe, sondern beschneiden Bürgerrechte, indem sie die Möglichkeit der Einflussnahme der Betroffenen selbst zurückdrängen und auch hier „amerikanische Verhältnisse“ im Sinne eines Wettstreits der besseren und besten Juristen, Anwälte, Prozessagenten etc. provozieren.

Von dem Bürger als Drittbetroffenem wird erwartet, dass er sich trotz seiner Unkenntnis der Gesetze im Interesse der Justiz auf eine relativ komplizierte Verfahrensordnung einstellt. Deren wichtigste Bedeutung liegt in der Beschleunigungsmaxime. Die Aufgabe, den Sachverhalt zu klären und – dies ist entscheidend – gemäß den Anforderungen der Prozessordnung (!) aufzubereiten, wird dem Richter mehr und mehr entzogen und auf die Prozessparteien verlagert. Dieses als Baustein der Freiheit gepriesene System schafft indes neue Abhängigkeiten des Bürgers, der sich dieser Anforderung nicht gewachsen sieht und sich erneut an Dritte, nämlich an den Anwalt wendet.

Mehr dazu im nächsten Blog Eintrag.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Steuerhinterziehung

Zumindest in den Medien ist das Thema Steuerhinterziehung wieder aktuell: Alice Schwarzer und André Schmitz-Schwarzkopf. Beide haben sich zweifellos um Deutschland verdient gemacht. Alice Schwarzer hat wie keine andere das Selbst­bewusstsein von Frauen gestärkt, die Debatte um die ureigensten Rechte von Menschen, ob Frau oder Mann, gefördert und dabei – zumindest aus Sicht der Frau – Grenzen aufgezeigt, die bei der Einmischung in deren Angelegenheiten nicht überschritten werden dürfen. Dabei geht es überhaupt nicht darum, ob Frau Schwarzer Recht hat oder nicht, sondern um das Angebot, dass sie uns und damit der ganzen Gesellschaft unterbreitet hat, über diese Themen und das schon seit Jahrzehnten nachzudenken. André Schmitz-Schwarzkopf ist ein sympathischer, kompetenter, quirliger und kommunikativer Mensch, der unendlich viel für die Vermittlung von Kunst und Kultur in Berlin getan hat. Er hat sich Minderheiten, Ethnien, rassisch und politisch Verfolgten, anderen Kulturen und Religionen angenommen und sich zudem um den Denkmalschutz in Berlin verdient gemacht. Was viele nicht wissen ist, dass er zudem der Schwarzkopf-Stiftung vorsteht und insbesondere Jugendli­che in vielen Veranstaltungen mit Europa vertraut macht und einen wesentlichen Beitrag dafür leistet, dass die vielfältigen Gedanken und Perspektiven, die mit Eu­ropa verbunden sind, auch nachrückende Generationen erfassen.

Beide verdiente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben nun nach ihren eigenen Bekenntnissen Steuern hinterzogen, diese Steuern aber nachentrichtet und damit aktuelle strafrechtlich mögliche Verfahren gegen sich abgewendet. Nach dem Gesetz ist Steuerhinterziehung eine Straftat. Dieses Gesetz wurde parlamen­tarisch/demokratisch beschlossen und dient der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Dies ist eine souveräne Entscheidung unserer Gesetzgebungsorgane und somit nicht zu beanstanden. Steuerhinterziehung ist aber auch nicht mehr als eine Straftat und vermag eine Diskreditierung von Steuerstraftätern, wie wir sie augen­blicklich und auch in der Vergangenheit erfahren haben, nicht zu rechtfertigen. Um das zu begreifen, müssen wir versuchen zu lernen, die vielfältigen Gründe für Steuerstraftaten zu verstehen, ohne sie zu billigen. Es gibt ein Missverständnis zwischen dem Bürger und dem Staat, das schwer zu überbrücken ist. Der Staat möchte so viel Geld als möglich von seinen Bürgern, damit er die Aufgaben, die er sich selbst gestellt hat, erfüllen kann. Der Bürger will einerseits, dass diese öf­fentlichen Aufgaben auch in seinem Namen erledigt werden, andererseits will er für sich, seine Familie, sein Alter und möglicherweise noch andere Zwecke vor­sorgen, Vermögen mehren oder dies zumindest erhalten. Mit seinem Anliegen be­findet er sich so auch in einer gewissen Konkurrenzsituation zum Staat. Er emp­findet es zumindest oft als ungerecht, dass er kein Mitspracherecht an staatlichen Entscheidungen hat, andererseits für diese zahlen soll. Die Rolle des Bürgers als Souverän beschränkt sich in der Regel auf sein Wahlrecht. Reicht das? Das ganze Steuersystem ist feudalistisch angelegt. Das heißt, der Staat fordert und verlangt vom Bürger einen hohen finanziellen Beitrag, ohne diesem die Chance zu geben, nach Prüfung eines Vorhabenplans zu entscheiden, ob die von ihm zu leistenden Abgaben auch gerechtfertigt sind. Es gibt keine namenhafte Instanz in unserem Gemeinwesen, die nachhaltig und unerbittlich, Fehlverhalten im Umgang mit Steuerabgaben verfolgt und diejenigen ggf. auch strafrechtlich belangt, die die vom Souverän gebilligten Vorhabenpläne nicht kompetent und verlustfrei umsetzen. Dieses Missverhältnis dürfte auch zu berücksichtigen sein bei der Betrachtung der Konkurrenzsituation zwischen Bürger und Staat, wenn es um die Verteilung sei­nes Vermögens geht. Wie soll der Bürger begreifen, dass er Opfer bringt, um auf vielfältige Art und Weise Steuern zu bezahlen, andererseits erfährt, dass ein Großteil der von ihm gezahlten Steuern wieder in fragwürdige Projekte der öf­fentlichen Hand fließt? Wie soll ein Bürger begreifen, dass alles, was er als scheinbares Vermögen in den Händen hält schon mehrfach versteuert und immer wieder besteuert werden wird, bis schließlich nichts mehr bleibt, da das Restver­mögen keine Rendite abwirft, sondern von der Inflation verzehrt wird? Es gibt eine Fülle von Fragen in diesem Zusammenhang, die kaum öffentlich diskutiert werden, weil sie offenbar so sensibel sind, dass sich fast jeder, zumindest aber die Mehrheit der Bürger mit dieser Sprachlosigkeit arrangieren kann. Es geht um die Abhängigkeit des Bürgers vom Staat, sei es als Beamter, Auftragnehmer, Eltern, Hartz IV-Empfänger, Autofahrer oder Energiesparer. Die umfassende staatliche Einmischung in unser Leben ist zum umfassenden Programm geworden und lässt es kaum mehr zu, Ansprüche zu stellen, auf das Recht des Bürgers zu pochen, selbst die Policy zu bestimmen, als Eltern die Kinder zu erziehen, sich innerhalb der Familie und der Gesellschaft solidarisch zu verhalten und für seine Familie und sich zu sorgen und diese gesamtgesellschaftliche Verantwortung als Souverän zu pflegen und nicht nur an den Staat als „Multitasker“ abzugeben. Bürger und Staat auf Augenhöhe, Aufgabenverteilung und eine nachvollziehbare Begründung für Steuereinnahmen wäre vielleicht eine gelingende Möglichkeit, Steuerhin­terziehungen unattraktiv zu machen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Aufgabenstellung

Im Zusammenleben zwischen den Menschen, den Menschen mit Gruppen, Gruppen untereinander, in staatlicher Gemeinschaft und supranational gibt es eine Fülle von Problemfeldern, die kriterienorientiert untersucht werden sollten, um Lösungsansätze für Regelungen zu schaffen, die geeignet sind, die Gesetzgebungstätigkeit zu beeinflussen.

Um dies zu erreichen, ist es erforderlich, alle Erfahrungs- und Ereignisfelder der vorgenannten Gruppen zu formatieren, die Problemfelder zu extrahieren, die dadurch sichtbaren Herausforderungen mit Werkzeugen zu bearbeiten, um Veränderungen herbeizuführen, die Lösungscharakter aufweisen. Dabei ist ein kybernetisches Modell zu entwickeln, das schnittstellenorientiert ist und die Erfahrungen aus anderen Fachbereichen mit einbezieht. Erst das grenzenlose Denken erlaubt es, Probleme zu erkennen, die anschließend normativ bearbeitet werden können. Im Folgenden einige Beispiele:

maßgebliche Lebenssachverhalte

–            Gesundheit
–            Familie
–            Kindheit und Jugend
–            Alter
–            Arbeit/Erwerbsleben
–            Bildung
–            Sicherheit
–            Freiheit und Selbstverwirklichung
–            soziale Sicherung
–            Umwelt
–            Bürgerbeteiligung/Gemeinsinn
–            Demokratie
–            Heimat
–            Mobilität
–            Europa
–            Rest der Welt und Kosmos

Problemfelder der Lebenssachverhalte

–            zu wenig Ärzte und Pflegekräfte, zu wenig Gesundheitsprophylaxe
–            Auflösung gewachsener Familienstrukturen,
–            Kinder als finanzielle Belastung
–            Jugend und Verantwortung
–            Veränderung traditioneller Beschäftigungssysteme
–            Alterspyramide, Auflösung traditioneller Sicherungssysteme
–            finanzielle Alterssicherung
–            Belastung durch CO2, Kernkraftwerke, Überbevölkerung etc.
–            Internet, Google, Facebook
–            Migrationsbewegungen
–            staatliche Verschuldungen und Deckung
der Schuldenlast durch Steuerzahler
–            supranationale Rettungsschirme
–            Geldmengenvermehrung und Entwertung
–            Gewalt und Verrohung der Städte
–            Verrechtlichung des Lebens und fehlender Rechtsbeachtungswille

Wünsche/Herausforderungen

–            mehr Kinder zur persönlichen Bereicherung und Zukunftssicherung
–            solidarische Familien und Gemeinschaften
–            weniger Analphabeten; Bildung von Anfang an
–            gesicherte Altersversorgung
–            Ausbau des Stiftungswesen und „giving pledge“
–            Förderung der Selbstverantwortung und der Familienverantwortung
–            Erhöhung des Ausbildungsniveaus
–            Abschaffung von Kernkraftwerken
–            Entwicklung neuer Energietechnologien
–            Subsidiarität staatlichen Handelns und Bürgerprimat (Bürgergesellschaft)
–            Respekt vor dem Recht
–            Erhaltung unserer natürlichen Umwelt
–            mehr Gelassenheit und Muße, Harmonie zwischen Menschen und Völkern
–            Verhinderung von Kriegen, gewalttätigen Auseinandersetzungen jeder Art
–            Chancengerechtigkeit

Werkzeuge

–          die Akteure, Menschen und Gruppen

Bedingungen:
–         Raum, auch Internetraum
–         Nachfrage
–         Angebote
–         finanzielle Ausstattung
–         systemische Einordnung
–         Kommunikation/ Disput
–         das gesprochene und geschriebene Wort im wissenschaftlichen, philoso­phischen, wirtschaftlichen, religiösen Bereich

Substanz

–            Grundlagen im historischen, soziologischen und juristischen Kontext
–            Volksbefragung
–            Parlament
–            Regierung und Einzelgewalt
–            Polizei
–            Streitkräfte
–            Staat, Gemeinde, Gebietskörperschaften
–            Verbände; Stiftungen
–            Banken, Versicherungen, Wirtschaftsunternehmen

Schnittstelle zwischen verschiedenen Aufgabenfeldern

–            Familie und Schule
–            Alter und Ehrenamt
–            Natur und Ökologie
–            Altersforschung und Pflegedienst
–            Gesundheit und Ärzte
–            Staat und Banken
–            Bürger und Staat
–            Eigentum und Gemeinwohl
–            Sicherheit und Freiheit
–            Persönlichkeitsschutz und Öffentlichkeit
–            Individuum und Gesellschaft

Auf allen vorgenannten Themenfeldern besteht Handlungsbedarf. Eine Auswahl:

  • Verrechtlichung des Lebens

Um den Schutz unserer Grundrechte zu gewährleisten, ist der Staat dazu berufen, insbesondere seine Volksvertreter, unser individuelles und kollektives Zusammenleben so zu regeln, dass wir im Wesentlichen freiheitlich unser Leben verwirklichen können. Aus dieser Aufgabenstellung bzw. Ermächtigung leiten die das Volk vertretenden Politiker vielfach das Recht, möglich detailliert und umfassend durch Gesetze dies mehrheitlich zu regeln und dadurch unseren Verhaltensmöglichkeiten auch ihren politischen Stempel aufzudrücken. Ergänzt werden die parlamentarischen Gesetzgebungsakte durch Rechtsverordnungen, Verfügungen und Erlasse der Exekutive;  die erlangen zumindest teilweise auch materielle Rechtskraft und sorgen dafür, dass das Korsett des Rechts immer enger geschnürt und somit unser Leben im weitesten Sinne verrechtlicht wird.

Diese Verrechtlichung ist einerseits durchaus sinnvoll, schafft Orientierung, schützt Menschen, Bürger und seine Einrichtungen, andererseits führt sie aber auch dazu, dass das normale gesellschaftliche Zusammenspiel von Einzelnen und Gruppen gestört oder sogar gänzlich beseitigt wird. Vertrauen, Grundsätze des ehrbaren Kaufmanns, Integrität, von Menschen selbstverfasste ethische Grundsätze werden dadurch zuweilen gefährdet. Zwar haben nicht Politiker und Gesetzgeber die Kriterien für Good Governance und Corporate Social Responsibility entwickelt, sondern verantwortungsvolle Unternehmen und Menschen, die erreichen wollen, dass auch in wirtschaftlich organisierten Einrichtungen wieder ein Wertekodex verankert wird. Dennoch gibt es auf Seiten der Politik Bestrebungen, die Grundsätze von CSR, Good Governance und Transparency gesetzlich auszuformulieren. Damit ist natürlich einerseits wieder die Orientierung für alle gewährleistet, andererseits müssen aber immer weitere Vorschriften entwickelt werden, weil es sich um dynamischen Prozess handelt, der sogar durch Gesetzgebungsakte behindert werden könnte. So erscheint die Verrechtlichung kontraproduktiv und führt zur einer eher resignativen Haltung des Menschen unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Müssens, statt des freiheitlichen Bejahens und Wollens bei der Gestaltung unseres Zusammenlebens.

Es ist daher zu untersuchen, ob es nicht sinnvoll ist, einem dynamischen Entwicklungsprozess in unserer Gesellschaft den Vorrang vor der Aufstellung immer weiterer Rechtsregeln zu geben und diese sogar an der einen oder anderen Stelle zurückzubauen, um dadurch das Verantwortungsgefühl des Bürgers als Souverän zu stärken und seine Freiheit zu erhalten.

 

  • Opferschutz

Der Schutz des Opfers ist in der Bundesrepublik Deutschland kein integraler Bestandteil der Strafrechtsordnung. Dies ist historisch bedingt und beruht unter anderem darauf, dass im Strafprozessrecht das Inquisitionsprinzip und nicht die Verhandlungsmaxime gilt. Im Strafprozess wird die Täter-Opfer-Beziehung nur unter Schuldgesichtspunkten untersucht und prinzipiell nicht darauf geachtet, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich stattfindet. Die Tat wird gesühnt als ein Anspruch des Staates gegenüber dem Täter. Vorteil einer solchen Betrachtung ist es, dass Vergeltungs- und Rachegedanken des Opfers keine Rolle spielen bei der strafrechtlichen Würdigung, andererseits bleibt der Verlust an Lebensqualität und Schmerz des Opfers erhalten, wenn es nicht seine persönliche Genugtuung alleine im möglichen hohen Strafmaß verwirklicht sieht. Aber auch das ist problematisch, weil das Opfer in der Regel keinerlei Einfluss auf das Strafmaß hat. Aus prozessualer Sicht ist daher zu überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, die Position des Opfers zu stärken, zum Beispiel in einem Ausbau des Schadensersatzrechts im Nebenklageverfahren. Unsere prozessuale Strafrechtsverordnung insgesamt aufzugeben zugunsten von Opferausgleichsregelungen, wie sie zum Beispiel mit bei der Scharia gegeben sind, wird in Deutschland kaum Anklang finden. Aber, die Genugtuungsfunktion des Strafrechts auch als Befriedungsmoment des Opfers mit dem Täter in unserer Gesellschaft sollte verstärkt werden.

Opferschutz muss auch bereits vor der Tat einsetzen, und zwar schon im sprachlichen Umgang mit dem Wort Opfer. Jugendliche stellen Opfer in ihrer Umgangssprache als Verlierer dar und selbst die Gesellschaft hat ein zwiespältiges Verhältnis zu den Opfern. Das Opfer hat irgendwie auch immer eine gewisse Schuld. Das gängige Motto lautet: „ohne Ruß kein Feuer“, also irgendeine Provokation muss das Opfer mit der Tat verbinden. Wichtig erscheint es daher in der Gesellschaft selbst,  eine Opferdebatte zu führen, die nicht die bereits begangene Tat in den Vordergrund stellt, sondern die Gefahr benennt, jeder könne Opfer werden und wir sollten uns bei Zeiten gegen diesen potentiellen Opferstatus wehren. Opfer sollten zur Bekräftigung der gesellschaftlichen Solidarität aus einem Gemeinfonds entschädigt werden. Der Fonds holt sich anschließend vom Täter aus eigenem Recht den erbrachten Aufwand wieder zurück. Damit wird jedem Bürger unserer Gesellschaft deutlich, dass er selbst sozusagen einen eigenen finanziellen Beitrag gegenüber dem Opfer erbracht hat, dass er schließlich selbst auch einmal sein könnte. Vielleicht ließe sich dies durch eine Sonderabgabe in den Opferfonds gestalten.

Um Opfer nachhaltig zu schützen, ist schließlich Gewaltprävention und überhaupt Tatprävention erforderlich. Sicherheit und Ordnung wird geschaffen einerseits durch die dafür zuständigen Polizei- und Sicherungsorgane, andererseits aber auch durch Verstärkung der Aufklärungsprozesse und Verhinderung der Verharmlosung von Gewalt, zum Beispiel das Anzünden von Autos begüteter Mitbürger und Straßenkämpfe, seien es in Berlin-Kreuzberg, Paris oder London. Hierfür gibt es zwar immer dargestellte und teilweise auch nachvollziehbare Ursachen, aber es sind dennoch klare Reaktionen unserer Gesellschaft erforderlich, die eindeutig auf die Provokation unseres Rechtsstaats reagieren und für derartige Vorkommnisse kein Verständnis zeigen und verhindern, dass schlimme Beispiele Schule machen.

  • Rechtsbeachtungswille

Der Staat und weiteren hierzu berufenden Organe erlassen Gesetze und Rechtsvorschriften, die nach dem Willen des Gesetzgebers auch beachtet werden sollen. Um diesen Beachtung herbeizuführen, ist Mehrfaches erforderlich:

–          Verständlichkeit der Rechtsvorschrift
–          Bereitschaft, die Rechtsvorschrift anzunehmen
–          für den Fall, dass diese Bereitschaft nicht besteht,
die entsprechenden Machtmittel einzusetzen,
um der Rechtsvorschrift Geltung zu verschaffen.

Es ist festzustellen, dass der Rechtsbeachtungswille in unserer Gesellschaft merklich schwindet. Viele Menschen können den Sinn und Nutzen von Rechtsvorschriften heute kaum mehr nachvollziehen, weil sie in Sprache, Inhalt und Abstraktion sehr kompliziert sind und oft einer anderen Welt entstammen. Zudem steht oft ihr eigenes Judiz nicht in Übereinklang mit etlichen Vorschriften und Gesetzen, die in der Retorte entworfen zu sein scheinen. Damit schwindet auch die Bereitschaft, Rechtsvorschriften zu beachten. Sie erscheinen lästig und provozieren dazu, Schlupflöcher zu finden oder sie insgesamt zu ignorieren bzw. im eigenen Sinne und Interesse zu interpretieren. Wer Gelegenheit hat, dies zudem ungestraft zu tun, nützt häufig auch seine Möglichkeiten, weil es ihm nicht nur Vorteile verschafft, sondern sogar auch eine gewisse Anerkennung in unserer Gesellschaft. Dabei spielt dem Rechtsbindungsunwilligen in die Hände, dass Gesetze und Rechtsvorschriften meist schwerfällig und lebensfremd daherkommen, wogegen Lebenssachverhalte einer steten Veränderung ausgesetzt sind. Diese Veränderungen sowohl im kleinen privaten Bereich, als auch im Staat und im EU-Raum führen dazu, dass nicht nur Bürger, sondern Staaten selbst sich oft nicht mehr an ihre eigenen Gesetze oder gemeinsam mit anderen zum Beispiel im EU-Raum geschaffenen Rechtsvorschriften halten, sondern diese nach Tagesopportunität ignorieren bzw. übertreten. Das Große ist hier Beispiel für das Kleine, denken wir zum Beispiel an den Verkehr auf unseren Straßen, das permanente Ignorieren sämtlicher Rechtsvorschriften durch Radfahrer auf Überwegen und Bürgersteigen. Was der eine kann, kann ich schon lange und „führt zur schleichenden Erosion unserer Rechtsordnung“.

Es sollte untersucht werden, zu welchen Konsequenzen dies in unserer Gesellschaft führt und welche Möglichkeiten ergriffen werden könnten, um den rechtlichen Selbstbindungswillen der Bürger und der weiteren staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen wiederherzustellen und zu festigen.

  • Bürgergesellschaft

Die Gestaltungsmacht leitet der Staat vom Bürger als seinen Souverän ab. Die Würde des Menschen und sein eigenes Selbstbildnis beweist dessen Einzigartigkeit und gewährleistet, dass er als Individuum und in der Gemeinschaft seine persönliche Freiheit leben kann, soweit er nicht mit den Rechten anderer, Gesetzen und Rechtsvorschriften, kollidiert und bereit ist, die Würde anderer Menschen ebenfalls zu respektieren.

Die Freiheit des Denkens und Handelns eröffnet dem Bürger einen allumfassenden Gestaltungsraum und verweist den Staat insoweit in eine subsidiäre Position. Es ist erforderlich, dass unsere Gesellschaft in einen Diskurs über den weiteren Ausbau bürgerschaftlicher Verantwortung eintritt und dabei auslotet, welche Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft dafür geschaffen werden sollten bzw. müssten, um die Möglichkeiten bürgerschaftlichen Engagements zu erweitern und zu stärken. Dabei geht es einerseits um die staatliche Förderung durch Steuerentlastungen philanthropischer Einrichtungen, die sukzessive staatliche Aufgaben übernehmen, Patenschaften und Ehrenämter, andererseits aber auch sozusagen parallel zur wahren Wirtschaft darum philanthropische Produkte zu entwickeln, für die schon heute Nachfrage und Absatz optimiert werden müssten.

In Bereichen, in denen sich der Staat zurückzieht, ist der Bürger gefragt. Sein Engagement ist zwar schon heute beträchtlich, aber eine Optimierung durch staatliche Anerkennung und soziale Implementierung in der Gesellschaft steht noch aus. Dieser Diskurs muss verstärkt werde. An geänderte Lebenssachverhalte angepasste Entwicklungsprozesse in unserer Gesellschaft sind nicht neu, sondern selbstverständlich. Allerdings verlaufen diese nicht linear, sondern im gleichen Maße, wie sich zum Beispiel die Weltbevölkerung potenziert, stellen sich die Herausforderungen an unsere Gesellschaft auch einer neuen Dynamik. Die Haltung des Menschen bei der Beurteilung des Richtigen und Falschen darf dabei nicht vernachlässigt werden, aber die Ausgestaltung stellt Bürger, Staat und auch die supranationale Gemeinschaft vor Aufgaben, die viel komplexer sind als sie jemals waren und daher auch nur in einer umfassenden Betrachtung aller Chancen und Möglichkeiten gelöst werden können. Jedes Regelwerk muss konsequent das umfassende Ziel mitberücksichtigen und die Zukunft als Vision benennen.

Die dann folgende Ausarbeitung umfassender rechtlicher Rahmenbedingungen für künftige Lebensgestaltung stellen nicht nur in Deutschland staatliche und supranationale Einrichtungen vor große, nur interdisziplinär und auch nur in einem „Vertrag mit dem Bürger“ zu lösende Herausforderungen.

Ergebnis eines komplexen Untersuchungsprozesses soll es sein, Handlungsempfehlungen aufzuzeigen, an welcher Stelle mit welcher Richtungsweisung politische Einrichtungen Impulse setzen können, um Gesetzgebungsinitiativen im nationalen und supranationalen als auch im europäischen Raum auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten. So kann die rechtspolitische Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung sach- und zielorientiert weiterentwickelt werden und Grundlage sein für einen gesellschaftlichen Diskurs, der weit über augenblickliche politische Rahmenbedingungen und systemerhaltende Gesetzgebungsvorhaben hinausreicht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Was nichts kostet, ist nichts wert

Die Piratenpartei vertritt den Grundsatz der Offenheit und Freiheit im Netz und erledigt so ganz nebenbei den Grundsatz des Urheberrechts. Urheberrecht bedeutet dabei nicht nur das Recht, selbst zu bestimmen, was mit den eigenen schöpferischen Leistungen geschieht, sondern auch darauf zu bestehen, dass diese Leistungen, soweit auch andere einverständlich mit dem Urheber darüber verfügen, auch entsprechend vergütet werden. Was nichts kostet, ist nichts wert. Der Volksmund hat dies eindeutig formuliert. An dieser Eindeutigkeit kommen auch diejenigen nicht vorbei, die mit der Totalität der Informationsgesellschaft drohen und die Netzfreiheit als feststehende Tatsache proklamieren. Die Realwirtschaft kann sich ins Fäustchen lachen. Die Verletzung eines Betriebsgeheimnisses ist nach wie vor die Verletzung eines Betriebsgeheimnisses und strafbar. Die Verletzung des Rechts an einer schöpferischen Leistung – sei es durch Plagiat oder „Copy and Paste“ – stellt heute im Bewusstsein vieler Menschen allenfalls noch ein moralisch vorwerfbares Verhalten dar. Aber auch diese Einstellung wird verschwinden, wenn fortschreitend eine Vielzahl von Netzusern die Bedenkenträger diffamieren und ihre selbsterkorenen Rechte einfordern.

Aber, wer will dann in unserer Gesellschaft noch schaffen oder denken? Bin ich verpflichtet, für andere noch zu denken, wenn diese mir nicht nur meine Gedanken rauben, sondern sich auch weigern, für das, was ich so geschaffen habe, noch etwas zu bezahlen? Schon heute gewinnt man den Eindruck, dass Denken allenfalls belohnt wird. Denken als die Narretei einiger unverbesserlicher Streber nach Einsicht und Aufbrüchen. Das Produkt des Denkens erfährt schon deshalb keine Anerkennung, weil die Denker selbst noch nicht bereit sind, notfalls von ihrem Streikrecht Gebrauch zu machen. Wissen und Informationen alleine vermögen nichts. Erst durch das Denken, nicht die Internetverknüpfung, sondern die persönliche Abgleichung der Informationen im Denkprozess selbst wird das Produkt geschaffen, welches andere in die Lage zu versetzen vermag, den Prototypen als handhabbares Gesetz auszuformulieren. Deshalb ist es so wichtig, dass das Denken eine eindeutige Verankerung im Wertesystem unserer Gesellschaft findet, also angemessen bezahlt wird. Ganz egal, ob die Neider dies ungerecht empfinden, sollte jeder, der zu denken bereit ist, sich bei einer Wahrnehmungsgesellschaft registrieren lassen dürfen, Anspruch auf eine Flatfee haben und darüber hinaus noch teilnehmen an den Denkabgaben, die in unserer Gesellschaft gemeinschaftlich erbracht werden müssen. Denken muss sich wieder lohnen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verrechtlichung des Lebens

Es besteht ein natürliches Spannungsverhältnis zwischen Bürger und Staat. Der Bürger erwartet vom Staat, insbesondere von den von ihm gewählten Vertretern im Parlament, dass sie Gesetze erlassen, die unser Leben für jeden einsehbar ordnen und gestalten. Formelle Gesetze sind den Volksvertretern vorbehalten. Zusätzlich wird das öffentliche und auch private Leben ergänzend gestaltet durch sogenannte materielle Gesetze, Rechtsverordnungen, Verfügungen und Erlasse, und zwar sowohl national als auch supranational zum Beispiel durch EU und UN. Das Korsett ist eng geschnürt und lässt unser Leben als in Gänze verrechtlicht erscheinen. Wichtig ist es daher zu wissen, ob und in welchem Umfang diese Verrechtlichung aufgebrochen werden kann. Ansatzpunkt ist Artikel 1 GG, für den im Gegensatz zu Artikel 2 GG die sogenannte Kerntheorie nicht gilt, d. h. Artikel 1 des Grundgesetzes kann nicht dahingehend abgeändert oder eingeschränkt werden, dass die Würde des Menschen nur noch im Kern erhalten bleibt. Ferner beinhaltet Artikel 1 GG nicht nur einen Abwehranspruch des Bürgers gegenüber dem Staat, sondern ist Ausfluss des allgemeinen Menschenrechts, welches jeder andere, also auch der Staat zu respektieren hat. Zur Würde des Menschen gilt vordringlich die Freiheit, d. h. sein naturgegebenes Recht, sich umfassend zu bilden, sich zu mehren, Gefühle zu haben und seinen Verstand zu gebrauchen. Seine Freiheit kann nur dort eingeschränkt werden, wo dies aus vernünftigen Gründen zur Ordnung des gesamten Gemeinwesens erforderlich ist. Insbesondere besteht aber das Menschenrecht darin, über sich selbst zu verfügen, Verantwortung zu übernehmen, den Staat zu fordern und alles zu tun, um das eigene Leben zu gestalten und in Würde zu vollenden. In Erkenntnis dieses alles umfassenden Menschenrechtes müssen wir uns die Frage stellen, ob nicht ein Übermaß an Regelungen in die Freiheitsrechte des Menschen nach Artikel 1 des GG eingreifen und es ihm nicht selbst überlassen werden sollte, seine eigenen verantwortungsvollen Grundsätze zu beachten. Hierfür ein Beispiel:

Nicht Politik und Gesetzgeber haben die Kriterien für Good Governance und Corporate Social Responsibility entwickelt, sondern verantwortungsvolle Unternehmen und Menschen, die erreichen wollen, dass auch in wirtschaftlich organisierten Einrichtungen ein Wertekodex verankert wird. Wir kennen dies auch aus anderen Zusammenhängen, zum Beispiel die Grundsätze für „Gute Stiftungspraxis“ oder aufgestellte Nachhaltigkeitskriterien. Jetzt gibt es allerdings Bestrebungen, die Kodizes für CSR und Good Governance gesetzlich zu verankern. Das ist natürlich einerseits attraktiv, andererseits führt eine derartige Sichtweise zur Einschränkung einer sich dynamisch entwickelnden Diskussion zu den Grundsätzen guter Unternehmensführung. Die Verrechtlichung erscheint dort kontraproduktiv und führt zur eher resignativen Haltung unter dem Gesichtspunkt des Müssens, statt des freiheitlichen Bejahens und Wollens. Es ist daher zu prüfen, ob es nicht sinnvoll ist, einen dynamischen Entwicklungsprozess in unserer Gesellschaft zu fördern, indem wir auf die Aufstellung von immer mehr Rechtsregeln verzichten und sogar an der einen oder anderen Stelle zurückbauen, um dadurch das Verantwortungsgefühl des Bürgers als Souverän zu stärken und seine Freiheit zu erhalten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Netzpiraterie

Klingt doch gut, Freiheit im Netz, oder? Verlassene Inseln, fremde Strände, Freiheit auf allen Meeren und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. Aber, vor allem Kampf und fette Beute. Und das auch völlig legal, legale Piraterie auf allen Wegen und Straßen. Wünschen wir uns das? Früher einmal haben wir dieses Freibeutertum bekämpft, dessen Wirkungsmacht beschnitten. Und nun wollen wir diese Raubzüge als Errungenschaften der modernen Zeit akzeptieren, unser Regelsystem in Frage stellen und die neue Macht sogar feiern. Wollen wir das wirklich? Erinnern wir uns: Es gab Despoten, Fürsten und Feudalherren, die Regeln für die Benutzung von Straßen und Wege erließen. Später wurden Straßenverkehrsordnungen geschaffen, der Schienen- und der Telefonverkehr und schließlich auch die Versorgungsnetze geordnet. Wir haben eine Bundesnetzagentur. Was wollen die Gesetze und Agenturen bewirken? Sie achten darauf, dass der Verkehr reibungslos funktioniert, aber auch darauf, dass sich jeder zum Beispiel der Straße nicht auf Kosten anderer bedient. Jeder soll auf seine Art und Weise weiterkommen, soweit er die Regeln beherrscht und akzeptiert.

Was hat sich daran geändert bzw. was soll daran geändert werden? Doch eigentlich nichts. Unsere Gemeinschaft, die grundsätzlich demokratisch verfasst ist, lebt davon, dass jeder Freiheit im Rahmen bestimmter Regeln hat. Freiheit bedeutet, die Freiheit des anderen zu achten, ob dies die Verfügungsfreiheit über sein Eigentum anbetrifft, seinen Besitz, Nutzungs- und Verfügungsrechte. Da hat Piraterie nichts zu suchen. Sie verspricht eine Freiheit, die die Freiheit der anderen raubt und ähnlich fragwürdig ist, wie die Ausübung des rücksichtslosen Kapitalismus. Doch wir leben in einer Demokratie, in einem Rechtsstaat. Rechtsstaat bedeutet nicht nur die Rechtsgewährung des Bürgers vor dem Gericht, sondern bedeutet, dass der Bürger sich darauf verlassen kann, dass seine persönlichen und wirtschaftlichen Rechte durch die Autorität des Staates geschützt werden. Infolgedessen hat jeder einzelne Bürger und die Gemeinschaft insgesamt einen Anspruch an die von ihm gewählten Vertreter, gegenüber dem Parlament, der Regierung und sonstigen Staatsorgane, dass seine Rechte wahrgenommen und gewahrt werden. Das heißt, auch für das Internet soll eine Netzagentur zuständig sein, die schärfstens darüber wacht, dass Regeln, die für diesen Verkehrsbereich erlassen worden sind bzw. noch erlassen werden müssen, eingehalten werden. Wer diese Regeln nicht einhält, kann sich nicht auf einen Piratenstatus berufen, sondern wird aus dem Verkehr gezogen. Das ist beileibe keine konservative Haltung, sondern die klare Überzeugung, dass die Demokratie es wert ist, erhalten zu bleiben.

Wir brauchen keine Piraterie, keine grenzenlose Freiheit, keine neue Machtkonstellation in den Händen neuer Feudalherren, sondern verlässliche Netzstrukturen, die jedem einem Chance bieten, von den Errungenschaften anderer zu profitieren, indem er selbst ein Gegenangebot unterbreitet, in der Regel die ihm erbrachte Leistung auch bezahlt und dabei den Leistungserbringer auch achtet. An dieser Grundeinstellung ändert sich auch dadurch nichts, dass Webnetze international aktiv und Kontrollen natürlich schwierig sind. Piraterie wurde auch in der Geschichte gemeinsam bekämpft, da keiner bereit war, die Verluste hinzunehmen und wusste, dass derjenige, der auf Dauer gegenüber der Herausforderung ignorant reagiert, selbst Opfer werden kann. Es ist daher unser gemeinsames Anliegen, eine freiheitseinschränkende und Verfassungsgrundsätze durchbrechende Piraterie zu ächten und für deren Eindämmung zu sorgen. Damit wird allerdings in keiner Weise bestimmter interessanter Ansätze der Piratenpartei widersprochen, soweit es um die Errichtung größerer Bürgerbeteiligung geht und bestimmte Aspekte der Machtkonzentration im Staat in Frage gestellt werden. Der Souverän ist der Bürger, er hat die Policy zu entwickeln, die dazu angetan ist, eine verlässliche gesetzliche Grundlage durch den Staat für die Nutzung der Datenstraßen zu sorgen. Allerdings darf die grundsätzliche Systemdurchbrechung in einer repräsentativen Demokratie nicht erfolgen. Vor allem die Grundrechte des Grundgesetzes gebieten den Abgleich mit systemischen Gegebenheiten und Freiheitsrechten, die unumstößlich sind. Bleibt: Das Thema der Piraten aufzugreifen, für Abhilfe von systemtechnischen Schwierigkeiten zu sorgen und diesen so den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Volksabstimmung

Protest, Bürgerbegehren, Demonstration, Volksabstimmung. Ist eine neue Zeit angebrochen? Schaut man auf Stuttgart 21, den Bau der Autobahn A 100 oder den Flughafen Tempelhof: Es scheint so, als ob der Souverän erwacht und der Bürger verlangt, an den Entscheidungsfindungsprozessen der Staatslenkung beteiligt zu sein. Die Administration kann nicht mehr schalten und walten, wie sie will. Einige Politiker versuchen, auf den Zug aufzuspringen. Sie vermitteln zumindest den Eindruck, als hätten sie Kreide gefressen. Andere sind erschrocken und beschwören, dass man den Anfängen wehren müsse, denn anderenfalls drohe die direkte Demokratie. Die direkte Demokratie, das will wohl keiner. Der Bürger aber will informiert werden, mitwirken an grundlegenden Entscheidungen unserer Gesellschaft und die Auswirkungen staatlichen Handelns korrigieren. Dafür steht ihm der öffentliche Druck, das mediale Aufgebot zur Verfügung, daneben der moralische oder ethische Druck, der insbesondere durch Sachverständige und Bürgereliten ausgeübt wird. Der Bürger ist auf Augenhöhe mit den Funktionsträgern der Politik und der Administration, da diese in der Regel nicht mehr wissen als der Bürger selbst, aber in unserem Staat Entscheidungsgewalt haben. Auch die Politiker nutzen die öffentliche Macht der Medien, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Der Wettbewerb im öffentlichen Raum ist legitim, dient aber nur der Vorbereitung einer Entscheidungsfindung. Die meisten Entscheidungen werden in den politischen Gremien und von den Organen des Staates getroffen. Der Bürger kann indes wohl auch ein Volksbegehren, eine Volksabstimmung, einen Moment plebiszitärer Demokratie erzwingen.

Für Stuttgart 21 wird dies gefordert und beim Flughafen Tempelhof hat ein solches Plebiszit stattgefunden. Mehrheitlich waren die Berliner nicht für die Offenhaltung des Flughafens Tempelhof. Die Berliner? Zumindest der Flughafen Tempelhof war auch ein nationaler Flughafen, der von Passagieren aus dem Rheinland und aus Süddeutschland ebenso frequentiert wurde, wie von den Berlinern und den Bewohnern umliegender Gemeinden. Die Brandenburger als unmittelbare Anrainer wurden nicht befragt, geschweige denn die Bürger im Rest dieser Nation. Wie wäre es dann im Falle einer Volksabstimmung über Stuttgart 21? Der Stuttgarter Hauptbahnhof wird auch zu einem großen Teil von Fahrgästen aus anderen Bundesländern angefahren, zudem von Ausländern ganz Europas und der Welt. Genügt es dann, Volksabstimmungen nur als ein lokales Ereignis zu betrachten? Ist es legitim, allein die Stuttgarter oder die Bürger Baden-Württembergs in die Abstimmung mit einzubeziehen? Und was ist mit den Demonstranten, die von überall her aus ganz Deutschland gekommen sind, gekämpft und ausgeharrt haben, um dann allein den Stuttgartern das Feld überlassen zu müssen? Was passiert, wenn die engagierten Bürger aus ganz Deutschland ggf. mit ansehen müssten, dass ihre Initiative am Staatsvertrauen der Schwaben scheitert? Wir müssen für nationale und supranationale grundlegende Anliegen, bei denen der Bund auch erhebliche Mittel bereitstellt, neu über die Legitimation staatlichen Handelns und den Umfang der Bürgerbeteiligung nachdenken. Ein solches Bürgerbegehren müsste naheliegenderweise den Beteiligungscharakter der Bürger neu formieren und ggf. überregional angeregt werden. Mithilfe der modernen Medien, insbesondere des Internets, stünde einer solchen Bürgerverabredung auf tatsächlicher Grundlage nichts entgegen. Die rechtliche Verbindlichkeit dürfte allerdings umstritten sein. Und dies zu Recht, denn ein Meinungsbild stellt noch keine rechtliche und politische Handlungsgrundlage dar. Wichtig wäre daher der Selbstbindungscharakter von Politik nach einem entsprechenden Bürgervotum. Nur aus übergeordneten staatlichen und rechtlichen Gründen müssen die gewählten Vertreter des Bürgers weiterhin die Möglichkeit und das Recht haben, autonome Entscheidungen zu treffen. Dies müssten sie allerdings gegenüber dem Bürger auch verantworten, bei nachhaltiger Missachtung des Bürgerwillens sollten Sanktionen eingebaut werden, wie zum Beispiel die Möglichkeit, eine Schiedsstelle anzurufen, den Vorgang der verfassungsrechtlichen Überprüfung zuzuleiten, Neuwahlen herbeizuführen und finanzielle Mittel einzufrieren. Ziel dieses Appells ist es, Utopien zu formulieren, um zu neuen Handlungsoptionen zu gelangen. Ganz sicher muss nicht immer alles bleiben, wie es ist und bisher gehandhabt wurde.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Finanzfolgenkrise

Die Finanzkrise als Chance. Nur auf den ersten Blick ein scheinbar verwegener Gedanke. Die den Staat dressierenden Politiker waren bis zur Finanzkrise gehalten, nicht nur die Maastrichter Stabilitätskriterien zu beachten, sondern auch dafür zu sorgen, dass die Finanzwirtschaft als Schlüsselbereich der Wirtschaft möglichst unangetastet bleibt. Die Finanzkrise bot erstmalig die Gelegenheit, direkt in die Unternehmenssteuerung von Finanzdienstleistern und Banken einzugreifen und sie um den Preis ihrer Abhängigkeit vom politischen Handeln mit Geld zu versorgen. Viele Kreditinstitute haben von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Die Tür wurde weit aufgestoßen und steht nach wie vor weit offen.

Ohne ideologischen Überbau konnte die Politik nunmehr staatsmonopolistische Kapitalstrukturen auf den Finanzmärkten etablieren und die Anschauung dafür liefern, dass auch künftige Absetzbewegungen von Unternehmen und Kreditinstituten mit Regulierungsmaßnahmen beantwortet werden. Der Staat gibt das Geld und kontrolliert dessen Verwendung. Im Prinzip richtig. Nur setzt der Staat in verdeckter Komplizenschaft seinerseits auf die Finanzinstitute, um die gigantische nominale Verschuldung zumindest auf Zeit abzufedern. Bricht das Weltwährungssystem zusammen, ist jeder dran. Dies wissen alle Beteiligten, bis auf den Bürger selbst. Eine demokratische Umwälzung in China verbunden zum Beispiel mit der Revision der bisherigen, staatlich verlässlichen Geldpolitik würde sofort eine Inflation auslösen mit den für die Welt unabsehbaren Folgen. Aus dem Euro würde Spielgeld. Die Angst sitzt tief, nur ist es Plan oder Zufall? Die Finanzkrise hat auf Dauer die Welt nachhaltig undemokratisch verändert.

Die staatliche Einmischung durch Bürgschaften an strauchelnde Banken und direkte Kredite sowie Kauf- und Leistungsanreize durch Verschrottungsprämien verkünden Zuversicht in die Fähigkeit der deutschen Wirtschaft, Krisen zu meistern, hinterlassen aber beim Bürger den kaum mehr zu korrigierenden Eindruck, einem übermächtigen Staat ausgeliefert zu sein. Die Folge ist Apathie und Gleichgültigkeit. Von Volksherrschaft kann keine Rede mehr sein, sondern das Volk wird beherrscht durch die scheinbaren Ermächtigungen der jeweiligen Umstände und durch die Fähigkeit des Staates, ohne signifikanten Einfluss der Mehrheit unserer Bevölkerung Schwierigkeiten autark zu lösen. Der Bürger wird nicht mehr gebraucht. Er kennt seine desolate Lage und sorgt selbst für Abhilfe, wie sie in dem Protest gegen Stuttgart 21 oder die Castortransporte zum Ausdruck kommt. Die Lunte ist gelegt, das Streichholz entflammt und es steht zu befürchten, dass der große Knall nicht auf sich warten lässt. Stuttgart 21 und Castortransporte sind legale Unternehmungen. Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Sind sie aber auch legitim, und zwar legitim im Sinne einer grundsätzlichen Verabredung zwischen Bürger und Staat? Daran habe ich meine Zweifel. Die Bürger und ihre gewachsene Elite werden am Entscheidungsprozess nicht angemessen beteiligt. Vollendete Tatsachen ersetzen den Dialog und verschleiern die wahren Verhältnisse zwischen Bürger und Staat. Der Bürger ist der Souverän und muss auch jenseits von Wahlen gefordert werden, sich einzubringen. Hat er die Chance gehabt, seine Argumente auf den Tisch zu legen, und ist der Richtungsvertrag zwischen Bürger und Staat unterzeichnet, dann mag er umgesetzt werden und keiner kann sich später auf die mangelnde Bürgerbeteiligung berufen. Wir brauchen beide: den mündigen Bürger, der gehört wird und denjenigen, der für den Staat handelt, und zwar in einer ständigen Verantwortung gegenüber dem Bürger und seinem Anliegen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Aufgedrängte Bereicherung

Nach den Wortbestandteilen aus dem Setzkasten eines Juristen liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung dann vor, wenn jemand etwas hat, was ihm nicht zusteht. Derjenige, dem es zusteht, hat gegenüber dem Bereicherten einen Anspruch auf Rückgabe. Dieses gedankliche Modell geht davon aus, dass derjenige, der bereichert ist, dem Entreicherten etwas weggenommen hat und deshalb wieder zur Rückgabe verpflichtet ist. Komplizierter liegen die Dinge aber dann, wenn derjenige, der bereichert ist, gar keine Anstrengung unternommen hat, in den Besitz des Gegenstandes zu geraten, sondern ohne eigenes Zutun nicht umhin konnte, den Gegenstand anzunehmen. Hier spricht der Jurist in seiner ab­strakten Fallsprache von aufgedrängter Bereicherung und knüpft an die Rückführung des Bereicherungsgegenstandes bzw. den Ausgleich des dadurch gestörten Verhältnisses zwischen dem Entreicherten und dem Bereicherten bestimmte Bedingungen. Jenseits der rein juristischen Betrachtungsweise spielen Bereicherungsvorgänge in unserem real fassbaren menschlichen Leben auch eine große Rolle. Wir Menschen fühlen uns bereichert durch die Zuwendung anderer Menschen, die wir über Kunst, Kultur, materiell und durch Liebe erfahren. In der Regel sind dies Zuwendungen, die wir meist gern annehmen, einer bestimmten Erwartungshaltung entsprechend und nur im begrenzten Maße ausgleichspflichtig. Jedenfalls ist diese Ausgleichspflicht kalkulierbar. Wie verhält es sich aber mit der aufgedrängten Bereicherung?

Also einer Bereicherung, um die wir gar nicht gebeten haben, eine solche, die uns angedient wurde, ob wir sie wollten oder nicht? Eine solche Bereicherung würde nicht mit unserer Erwartungshaltung korrespondieren, sondern entspräche nur dem Impetus des Andienenden, der seine Dienste zur Verfügung stellt, auch wenn wir darum nicht gebeten haben. Ein Beispiel: Das Ehrenamt ist eine schöne Einrichtung. Menschen, die mehr zu geben haben und mehr geben wollen als andere, engagieren sich als Zuwendungsgeber. Sie erkunden die Möglichkeit, sich einzubringen, und analysieren den Förderbedarf. Dabei lassen sie sich leiten von der Objektivität ihres Handelns, ihrer persönlichen Opferbereitschaft und der Anerkennung ihres Tuns. Wenn alles im Einklang ist, wenden sie sich dem Destinatär des Ehrenamtes zu. In den meisten Fällen entspricht die Erwartungshaltung des Destinatärs der Einsatzbereitschaft des ihm Ehrenamt Gebenden. Was ist aber dann, wenn ein Bedarf nicht besteht oder der potenzielle Destinatär um Zuwendung gar nicht gebeten hat, sie sogar überhaupt nicht will? Dann ist ein Fall der aufgedrängten Bereicherung gegeben, was denjenigen ins Unrecht setzt, der wohlmeinend das Gute tun will. Dort, wo das Ehrenamt zum Selbstzweck der Handelnden erstarrt und sich nicht an der Nachfrage der Bedürftigkeit orientiert, entwertet es sich selbst. Das ins Leere laufende Amt frustriert die Gebenden und ängstigt die vermeintlichen Zielgruppen angesichts der Last der ihnen aufgedrängten Bereicherung. Die im Ehrenamt Handelnden sollten daher stets die Nachfrage bedenken, Sehnsüchte befriedigen, die der Destinatär vermittelt hat, und erst zweiter Linie die eigenen nach Anerkennung und Bestätigung. Diese sind natürlich wichtig für jegliche Motivation des Gebenden, aber letztlich nicht ausschlaggebend für die Bereitschaft, sich für andere Menschen einzusetzen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski