Wachstum

War bis noch vor Kurzem Wachstum der Schlüssel zur gesellschaftlichen, nein sogar menschlichen Entwicklung, erfährt Wachstum heute eine negative Aufladung. Die einen meinen, dass Wachstum erforderlich sei, um die zivilisatorischen Errungenschaften zu sichern und dabei auch weiter auszubauen, während andere meinen, Wachstum zerstöre unser ökologisches Gleichgewicht und sei schädlich für die Welt. Die einen fürchten das ungebremste Wachstum, die anderen meinen, ein gebremstes Wachstum sei möglich und schließlich wollen einige sogar auf jedes Wachstum verzichten.

Dabei ist immer von dem ökonomischen Wachstum, das Auswirkungen auf unsere Lebensgestaltung habe, die Rede. Unbestreitbar hat ökonomischer Wachstum zeitweilig zumindest für einige zu enormen wirtschaftlichen und kognitiven Möglichkeiten beigetragen. Wachstum hat nicht nur Kriege ermöglicht, sondern diese auch verhindert, ist mitverantwortlich für Lebensverlängerung und Gesundheit. Wachstum hat Demokratie ermöglicht und Liberalität erzeugt.

Es wäre daher aus meiner Sicht falsch, Wachstum als verwerflich abzustrafen und den Versuch zu unternehmen, Wachstum auf null zu stellen bzw. umzudrehen. Nicht das Wachstum ist schuld an unserer ökologischen Misere, sondern es sind wir selbst, weil wir offenbar übersehen, dass Wachstum nur ein wichtiges Werkzeug dazu ist, auch künftigen Generationen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen und diesen Planeten für die Menschen zu erhalten.

Wachstum muss sich allerdings entkoppeln vom Shareholder Value und sich einklinken beim Stakeholder Value. Nicht der Reichtum Einzelner kann das Wachstumsziel sein, sondern das Nutzen der Renditen, um uns alle weiter voranzubringen. Dort, wo geschaffen wird, entstehen Gewinne, das ist selbstverständlich, aber, ob und wie Gewinne verwandt werden, ist ein noch zu bestellendes Feld.

Wir haben Chancen und Möglichkeiten, unsere vorhandenen Errungenschaften zu nutzen, um neue Tätigkeitsfelder zu erschließen, wenn wir Wirtschaft und Ethik nicht als Gegner oder Ethik allenfalls unter Compliance-Gesichtspunkten sehen. Die Ganzheitlichkeit in wirtschaftlichen Prozessen, die Philanthropie könnte uns die Augen zu neuen und umfassenderen Tätigkeitsfeldern eröffnen, wenn wir ressourcenschonend, gemeinschaftlich orientiert, bedarfsgerecht die Ziele unseres Einsatzes definieren. Geld ist tot. Der Kapitalismus alter Prägung ist tot. Wenn wir die bisherigen systemischen Erfahrungen aus der Wirtschaft nutzen und Neues erproben, dürfte sich ein Kosmos neuer Möglichkeiten auftun. Packen wir es an!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bürgertum

Es entspricht dem Zeitgeist, den Wertverfall zu beklagen und in diesem Zusammenhang das Bürgertum als Hort des Wertes zu benennen. Das war es dann aber auch. Die Werte selbst, die das Bürgertum schützen soll, detailliert aufzuzählen, das geschieht dann doch lieber nicht. Das aus gutem Grund. Werte entstehen nicht aus sich heraus, sondern Werte werden geschaffen. Sie werden von denjenigen geschaffen, die für sich selbst daraus Vorteile ableiten, seien diese individuell oder kollektiv.

Wenn mehrere dann gleicher Meinung sind, entstehen Verbindlichkeiten, die, soweit Macht und Einfluss reicht, auch für diejenigen als allgemeinverbindlich angeordnet werden können, die derselben Wertegemeinschaft eigentlich nicht angehören. So verhält es sich mit dem Kirchenkodex, dem Kodex des Adels und selbstverständlich auch des Bürgertums.

Die Form bestimmt den Inhalt und die Möglichkeit, durch soziale Kontrolle auf die Einhaltung der Normwerte zu achten. Dessen eingedenk, wie sieht es denn heute mit den bürgerlichen Werten aus? Wer erklärt sie für allgemeinverbindlich? Wer schützt sie? Gibt es noch ein Bürgertum, das durch gemeinsame Selbstbehauptung in der Lage ist, einen verbindlichen Kodex der Verhaltensweise aufzustellen und auch bereit ist, sich selbst noch an diesem Kodex jenseits des individuellen Anspruchsverhaltens zu orientieren?

In einer Zeit des „anything goes“ ist es wohlfeil, mit der Hülle des Bürgertums durch die Gegend zu laufen und diese Hülle als Mäntelchen für jedwede Ansicht zu nutzen, die dem eigenen sektierischen Anspruch genügt. Eine Bürgerlichkeit, die wertetragend sein könnte, ist nur durch eine gesellschaftliche Verabredung jenseits von Einzelinteressen zu haben. Bürgerlichkeit ist kein Kampfbegriff, sondern die mehrheitliche Überzeugung, geschaffen durch einen Contrat Social. Die Werte, die diese Vereinbarung beinhalten sollte, dürften sich fügen aus Menschlichkeit, Demut, Akzeptanz, Rücksichtnahme, gemeinsamem Wollen, Teilen, Umweltbewusstsein, Offenheit für Neues, Respekt und Anerkennung von Leistungen auch der anderen Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gesunder Menschenverstand

Gesunder Menschenverstand. Was für eine merkwürdige Kombination von Begriffen, die so selbstverständlich in dieser Aneinanderreihung wirken, als wisse man, was darunter zu verstehen sei. Wenn es einen gesunden Verstand gibt, was müssen wir dann unter einem kranken verstehen? Liegt die Betonung auf Mensch oder Verstand und was ist überhaupt gesund in diesem Zusammenhang?

Von einem kranken Menschenverstand ist wohl nie die Rede. Krank und Verstand scheinen sich zu widersprechen. Wenn sich aber Verstand und gesund aufeinander beziehen, kann es doch nur gesund sein, wenn allein der Verstand seine Stellung behauptet. Weshalb dann das Attribut gesund? Wodurch zeichnet sich denn Verstand beim Menschen aus? Durch die Fähigkeit, Dinge zu verstehen oder ist Verstand ein Abstraktum?

Wenn ich etwas verstehe, ob dies nun gesund oder krank sein sollte, habe ich die Möglichkeit, daraus eine Initiative abzuleiten. Wenn mein Verstand nicht gesund ist, verstehe ich vielleicht etwas falsch und ziehe daraus die falschen Schlussfolgerungen. Wenn mein Verstand aber gesund ist, dann denke ich richtig und treffe auch die richtigen Entscheidungen. Nur, was ist richtig? Kann mir mein Verstand sagen, was richtig ist? Weiß ich es oder bilde ich mir nur ein, er sei gesund? Gibt es einen objektiven Maßstab für einen gesunden Verstand? Ist dieser mehr physisch, kognitiv oder emotional bestimmt? Kennen sich Psychiater mit gesunden Menschenverständen aus oder eher Theologen, Philosophen?

Ist gesunder Menschenverstand möglicherweise nur eine Metapher für eine allgemein verbindliche Einschätzung, dass es etwas Absolutes im menschlichen Begreifen gibt und sich diese Absolutheit unter den gesunden Menschenverstand subsummieren lässt? Es kommt mir die Idee, dass gesunder Menschenverstand eine flexible Einschätzung ist, die mich entlasten kann, wenn ich das Richtige denke, es aber auch schlimme Konsequenzen nach sich zieht, wenn ich mir nur vorstelle, richtig zu denken, aber das Denken und vor allem aber auch das Fühlen der Einschätzung sich mit dem Denken anderer nicht verträgt.

Es scheint mir, als sei gesunder Menschenverstand keine individuelle Erfahrung, sondern Gruppenerlebnissen vorbehalten. Die Mehrheit entscheidet dann darüber, was gesund, was Verstand und schließlich darüber, was vom Menschen sonst noch Verwertbares übrig bleibt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Elite

Landauf, landab werden Diskussionen über Werteverfall, Regulierungsmaßnahmen und Verantwortung der Eliten geführt. Beklagt wird das Verhalten der Funktions- und Positionseliten, die fehlende Sichtbarkeit der Gestaltungseliten angesichts der dringenden Aufgaben.

 Die Welt können wir nicht ändern und auch den Menschen nicht. Wir können aber seine Potenziale erschließen und damit die Gestaltungshoheit für die wirklichen gesellschaftlichen Eliten zurückgewinnen. Der Mensch ist, wie er ist. Er ist eigensüchtig, weil er es sein muss für seine Familie, seinen Clan und für sich. Er muss leben für seine Familie und für sich. Deshalb wird er auch seinen Macht- und Einflussbereich erweitern. Das sind normale Vorgänge. Diesem Muster widerspricht nur die Erkenntnis, dass der ausgeprägte Fremdnutzen auch den Eigennutzen befördert. Ohne eine Vielzahl von Autofahrern und die dafür erforderlichen Straßen würde dem Einzelnen sein Kraftfahrzeug überhaupt nichts nützen. Gleiches gilt für den gesamten gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereich. Jeder Eigennutz, der den Fremdnutzen nicht im Auge hat, gefährdet den Erhalt des durch Eigennutz Erreichten. Von daher ist auch der dem Eigennutz dienende Mensch dem Fremdnutzen verpflichtet.

Fremdnutzen ist das, was die Gesellschaft benötigt. Dies ist keine Frage des Altruismus oder idealisiert die menschliche Gemeinschaft, sondern nimmt auf vernünftige Weise die komplexen Anforderungen an unsere Gesellschaft zur Kenntnis. Unsere Gesellschaft muss funktionieren, damit alle ihren Nutzen davon haben. Um diesen Nutzen zu gewährleisten, ist es erforderlich, die Zugangssperre zu den gesellschaftlichen Eliten zu lockern und die nur auf Machterhalt und Eigensicherung bedachten Positions- und Funktionseliten zu irritieren. Zur Stabilisierung unseres Gemeinwesens bleiben Eliten nach wie vor unverzichtbar. Sie benötigen allerdings Funktionszuweisungen und Verantwortlichkeitsparameter, die sie zwingen, den an sie gestellten Aufgaben jenseits ihrer Persönlichkeit gerecht zu werden. Sie sind den Bürgern gegenüber verantwortlich.

Die Beteiligung des Bürgers an der Elitenfindung ist von großer Wichtigkeit. Die Elite organisiert sich nicht durch Wahlen und Renditeerwartungen gegenüber Wirtschaftsunternehmen, sondern wird durch Gemeinsinn, allgemeine Anschauung, Tradition und neue Erkenntnisse aktiv und argumentativ befördert. Was zählt, ist das Argument, nicht die Position, die Funktion oder das Herkommen.

Die Welt ist komplex. Wir können sie nicht vereinfachen, aber bei Beachtung kybernetischer Ansätze bei der Bewältigung unserer Aufgaben besser überschauen, als uns dies heute aufgrund unserer Selbstbeschränkungen oft gelingt. Wir benötigen nicht nur den ausgebildeten, sondern den gebildeten Menschen aus der Mitte unserer Bürgergesellschaft, der argumentativ, aber auch situativ und reflexiv Platz nehmen kann an den Gestaltungsorten unserer Gesellschaft, sei es in der Politik, in den Medien oder in der Wirtschaft. Dabei gilt selbstverständlich auch, dass nicht nur das gute Argument Beachtung finden sollte, sondern die insgesamt integere Einstellung, die keineswegs die eigene Position vergisst, aber aufzeigt, dass nur integeres Verhalten Vertrauen schafft und dies ideell und wirtschaftlich unsere Gesellschaft weiterbringt. Integrität ist nicht nur am äußeren Verhalten erkennbar, sondern auch zu spüren. Wir selbst wissen genau, was wir tun dürfen und was nicht. Wir empfangen und versenden permanent unsere verschlüsselten Botschaften. Wenn wir uns täuschen lassen, so tun wir dies stets wider bessere Überzeugung. Es gilt, die Zugangssperren für Vorbilder und Gestaltungseliten abzubauen und ein wenig mehr der Aufrichtigkeit unserer gesellschaftlichen Verantwortungselite zu trauen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Authentizität

Der Charakter eines Menschen wird bestimmt durch die Eigenschaften, die er hat. Manche sind genetisch bestimmt, andere werden im Laufe des Lebens erworben. Ein Mensch ändert sich nicht. Er kann auch sich selbst nicht infrage stellen, denn ansonsten verlöre er seine Authentizität. Der Verlust der Authentizität macht den Menschen unberechenbar für andere Menschen und schafft ein Potenzial der Gefährdung für sich und andere. Was ist gut daran und was ist schlecht daran, dass sich der Mensch nicht ändert? Um mit dem Schlechten zu beginnen: Keiner der wohlmeinendsten Lebensentwürfe wird von den Menschen um seiner selbst willen übernommen.

Das Gute daran ist, dass wir uns darauf verlassen können. Sicher ist der Mensch verführbar, wenn ihm der Verführer und der Gegenstand der Verführung Vorteile versprechen. Sein Charakter ist aber eine träge und zähe Masse, die durch die Verführung zwar bewegt wird, aber nur wenig aus dem Gleichgewicht kommt. Veränderte Umstände, andere Herausforderungen und schon wirkt ein anderes Versprechen. Der Mensch ist verführbar, sein Charakter zumindest vorübergehend verformbar, aber er birgt auch Potenziale, die zu entdecken und zu fördern sich lohnt. Durch Vorhaltungen ist das nicht zu bewirken. Weder durch die Androhung von Strafen noch durch das Versprechen von Vergünstigungen. Der Mensch, der sich treu bleibt, breitet seine Eigenschaften aus wie auf einem Basar, bietet sich an, lädt ein zur Abgabe von Gegenangeboten, die wir ihm unterbreiten. In jedem anderen Menschen ist ein Stück von uns selbst in seiner Natürlichkeit, in seinem Charakter und seiner Einmaligkeit. Das nötigt uns einerseits dazu, unseren Eifer zu zügeln, wenn wir versuchen, aus ihm etwas anderes zu machen, als er selbst ist, zum anderen sind wir so gezwungen, ihn für die gemeinsame Sache zu gewinnen. Diese ist dann seine Sache und auch unser aller Sache.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Raum und Zeit

Nach unserem Verständnis bewegt sich alles in Raum und Zeit. Wir versichern uns mit dieser Verabredung unserer eigenen Existenz und des gesamten Universums.

Was ist aber, wenn es Raum und Zeit nicht gibt, sondern nur einer subjektiven Einschätzung kognitiver, sprachlicher und emotionaler Art entspricht, um für uns Menschen eine lebbare Welt zu schaffen? Wenn Raum und Zeit nur die Axiome unserer eigenen Lebensversicherung wären, dann spielten auch Unschärfen und Relativitäten von Tatsächlichkeiten keine Rolle mehr, denn die Axiome selbst entsprächen nur unserer Unsicherheit bei der Wahrnehmung von Wirklichkeiten.

Was ist, wenn nichts ist und auch dieses Nichts keine Kraft aufweist, um Raum und Zeit zu ersetzen, sondern Illusionen, Wahnvorstellungen, Träume, Bilder, alle Gaukelspiele vor unseren Augen das Eigentliche sind? Dann sind wir nicht wir, aber doch da, als ein zur Vollendung gelangtes künstliches Projekt. Wir könnten so wirklich sein, wie eine mathematische Lösung, deren Ergebnis sich aus der Aufgabenstellung ableiten lässt. Wird die Aufgabenstellung verändert, so ist auch das Ergebnis ein anderes. Alles kann möglich sein, weil es nicht abhängig ist von Dimensionen in der Maßeinheit Zeit.

Wir selbst und alle, die uns umgeben, entsprechen unseren Erwartungen, unseren begrenzten Möglichkeiten und Verabredung, mit der wir eine Wirklichkeit kreieren, die so fragmentarisch ist, dass sie jederzeit zerbrechen, aber auch wieder neu gestaltet werden kann. Wir benennen die Dinge und damit werden sie wahr. Wir bestimmen das Maß der Zeit und weisen ihr Aufgaben zu. Wir definieren den Raum und erlauben unseren Geschöpfen damit eine verantwortbare Erfahrung. Wenn aber alles aufgelöst ist und nicht wirklich dafür steht, wofür wir es halten oder benennen, dann ist alles möglich und erlaubt eine Unbegrenztheit, die nicht die Norm, sondern die Spinnerei zum Maßstab macht, den Sprachraum verlässt und die „Ahnung“ als Schlüssel für die Ergründung weiterer nächsten Möglichkeiten anbietet.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kontrollverluste

Kontrollverluste sind nicht ungewöhnlich. Wir nehmen sie in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesundheit täglich war. Aber trotz der Allgegenwart von Kontrollverlusten, vermögen wir uns daran, die Kontrolle zu verlieren, nicht zu gewöhnen. Woran liegt das? Natürlich wird jeder Verlust negativ beschrieben, der Verlust der Arbeitsstelle oder eines wichtigen Gegenstandes. Aber, mit einer derartigen Verlustangst hat der Kontrollverlust wenig zu tun. Die Kontrolle zu verlieren, greift vielmehr tief in unsere Wesenheit ein, macht uns schutzlos. Dabei wissen wir gar nicht, ob die Kontrolle, die wir ausüben wollen, tatsächlich sinnvoll ist.

Womöglich versuchen wir etwas zu kontrollieren, was sich unserer Kontrolle eigentlich entzieht, sich unabhängig von unserem Ordnungssinn gemacht hat. Dann ist der Verlust mit Angst und Unsicherheit verbunden. Je mehr wir meinen, die Kontrolle zurückerobern zu müssen, desto mehr verfangen wir uns in der Ausweglosigkeit, die Kontrolle zu behalten. Kontrolle behauptet, dass es ein System gäbe, eine Ordnung, die einzuhalten bestimmten klaren Vorgaben entspricht.

Diese Vorgaben können sehr persönlich sein, aber auch gesellschaftlich, wirtschaftlich oder politisch geprägt. Da wir die Angemessenheit und Wichtigkeit unseres Systems behaupten, beanspruchen wir auch deren Kontrolle. Wir erleiden Kontrollverlust, wenn sich das System oder – im persönlichen Bereich – zum Beispiel der Körper dieser Herrschaft entzieht.

Ohne unsere Ermächtigung könnten in allen denkbaren menschlichen, gesellschaftlichen oder technischen Bereichen andere Systeme die Kontrolle übernehmen und uns Verluste zufügen, ohne dass dadurch die Richtigkeit unserer Ordnung prinzipiell in Frage gestellt wird. Kontrolle stellt die Machtfrage und nicht die Frage nach Vernunft, Richtigkeit und Angemessenheit. Der Verlust der Kontrolle ist daher auch keine Katastrophe, sondern nur das Übel einer temporär oder auf Dauer angelegten Machtlosigkeit in bestimmten Umständen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Determinante

Was bestimmt uns auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln? Allgemein wird dies so beantwortet, dass unser Bewusstsein das Handeln bestimmt. Was allerdings unser Bewusstsein prozessual bedeutet, das wissen wir bis heute nur ansatzweise. In Fachbüchern ist von neuralem Geflimmer die Rede, von historischen Erfahrungen aus der Menschheitsgeschichte, Gefühlen und Ratio. Aber das letzte Wissen von unserem Bewusstsein fehlt, weil unser Bewusstsein eine Projektionsfläche für unser Handeln benötigt, sich also in den Ergebnissen zeigt, aber nicht im ersten logischen Moment.

Unser Bewusstsein offenbart zudem nicht alle Zutaten, die es ausmachen und verschweigt schließlich die Realität. Unser Bewusstsein kann sich in jedem beliebigen Raum verwirklichen. Es beinhaltet einen Moment des menschlichen Urknalls, den ich hier als Determinante bezeichnen möchte.

Wir Menschen machen sinnlose und nutzlose Dinge, mehren Reichtum, wo es nicht nötig ist, zerstören dort, wo wir uns schaden, rüsten auf und quälen und foltern, gestalten kurzum die Welt auf eine Weise, die sogar das Überleben der Menschheit gefährdet. Das mag irrational sein, beinhaltet aber einen möglichen tieferen Sinn. Diesen Sinn haben Menschen in der Vergangenheit bei Gott verortet. Gott als unser Determinator. Er bestimmt und wir müssen seinen Ratschluss nicht unbedingt verstehen. Dessen Unerklärlichkeit bestimmt den Glauben.

Wenn wir heute den Glaubensverlust erleben und Gottes Existenz bezweifeln, fehlt uns für die Unerklärlichkeit des Lebens eine Begründung. Diese können uns weder Wissenschaft, noch Philosophie oder Einsicht liefern. Irgendwann hat etwas mit uns begonnen, was über unsere Existenz als Wesen hinausgreift und auch ein Verhalten bestimmt, das unserem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Selbst, wenn Seele und Gemüt als Träger dieses Unerklärlichen nicht taugen und auch Gott in unserem Bewusstsein abdanken muss, vermögen wir uns dieses, uns bestimmenden Umstandes, der uns unbegreiflich bleibt, nicht zu entledigen. Die Materie erklärt uns nicht, sondern ist lediglich Behältnis für eine Determinante, die unser Leben bestimmt. Es ist an uns, diese zu bezeichnen: Schicksal, Gott oder Seele? Wie es uns beliebt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Cyborg

Mensch und Maschine verschmelzen ineinander. Ist dies Science-Fiction oder eine auf uns zustürzende Realität? Da gehen die öffentlichen Betrachtungen weit auseinander. Zumindest noch. Augenblicklich arbeiten wir uns an den digitalen Möglichkeiten und der Einschätzung künstlicher Existenz ab. Handelt es sich hierbei um eine verlängerte Werkbank oder ein selbstlernendes System?

Stets werden die Mutmaßungen und Einsichten von der Beschwichtigung begleitet, dass eine Maschine auch nur so arbeiten könne, wie es der Mensch erlaube. Also scheint gewährleistet zu sein, dass der Mensch die Maschine abstellen kann, wenn diese versucht, etwas zu bewerkstelligen, was ihr nicht beigebracht wurde. Stimmt das auch wirklich? Können wir aufatmen? Ich glaube nicht.

Wissenschaftler arbeiten heute schon im organischen Bereich an Substanzen, die nicht nur Leben simulieren, sondern Leben hervorbringen. Sie züchten Zellen, lassen dabei deren Kulturen sich aus an- und organischen Zutaten entwickeln. Dies geschieht in einem Umfange, der zur Eigenständigkeit dieser Zellcluster führt, soweit ihnen Nahrung zugeführt wird. Das dies nicht mehr des lebenden Menschen, sondern nur noch organischer Zutaten bedarf, um menschenähnliche Zellkulturen zu entwickeln, ist hinlänglich bekannt.

Gelingt es zur Zellenzucht auch die passende DNA zu liefern, dann ist es auch möglich, mit dem 3-D-Drucker die gewünschten Organe herzustellen. Was bei Mäuseherzen schon gelungen ist, wartet auf eine Bestätigung durch die Herstellung menschlicher Organe. Der Zweck heiligt die Mittel.

Die Absichten sind natürlich wohlmeinend: Verlängerung des Lebens, Ersatz schadhafter Organe, Beseitigung tumorzerfressener Gewebe usw. Ich gebe allerdings zu bedenken: Wenn uns dann alles schließlich gelingt, was möglich ist, was sollte uns dann davon abhalten, menschlichen Odem auch Wesen einzuhauchen, die wir selbst aus den sich bietenden Möglichkeiten geschaffen haben. Homunculus. Der Cyborg ist kein Menschheitstraum oder – Trauma. Wir wussten doch schon immer, dass es irgendwann soweit kommen wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Teile und herrsche – Sharing Economy

Nicht die Welt ist aus den Fugen geraten, sondern unsere Wahrnehmung von Veränderungen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, klimatischen und politischen Bereich eröffnet uns die Möglichkeit, nicht nur mit den bereits erprobten und daher bekannten Handlungsmodellen auf gegenwärtige und künftige Herausforderungen zu reagieren, sondern vielfältiger, sensibler, komplexen und auch fragiler. Dabei sollten wir allerdings nicht verkennen, dass alle unsere Überlegungen und Handlungsangebote selbst Entwicklungsprozessen ausgesetzt sind, also alle die Endgültigkeit anstrebenden Modelle keine Verwirklichungschance haben.

Es gibt rationale Gründe dafür, aber auch emotionale Überzeugungen, dass der bisherige demokratische Kapitalismus keine Zukunft hat. Bewährtes wird möglicherweise zumindest auf Zeit erhalten bleiben, aber insgesamt werden keine Lösungen mehr möglich sein, die nicht auf permanenten Fragestellungen beruhen. Um der Zersplitterung und Beliebigkeit zu entgehen, ist es dabei erforderlich, gesellschaftliche Nenner aufzutun, die die gesellschaftliche Orientierung für viele komplexe Fragen erlauben, seien diese aus dem Bereich Klimaschutz, Müllvermeidung und Altenpflege, um nur drei wichtige Punkte zu benennen.

Ein gesellschaftliches System, selbst wenn es ausgedient haben sollte, wieder einfach durch ein anderes zu ersetzen, wird künftig keine Handlungsempfehlung mehr sein. Erfahrungen sind wichtig, aber wir sind frei, umfassend neu zu empfinden, zu denken und Möglichkeiten zu erproben. Unsere Gesellschaft hat sich global und partikulär Dank Internet, der Plattformen der Begegnung und sonstiger technischer Möglichkeiten partizipativ entwickelt.

Was liegt daher näher, als dieses Partizipationsmodell als Role-Model zu verwenden und dabei darauf zu achten, dass alle Kräfte freigesetzt und auch gebündelt werden, um gemeinsame Ziele, klimatisch, wirtschaftlich, politisch und sozial zu erreichen. Durch „recoupling“ wird wirtschaftlicher und sozialer Erfolg verbunden, die Wirtschaft der Zukunft ist gemeinwohlorientiert und findet ihren Ausdruck in Sharing Economy, Kreislaufwirtschaft, Co-Working und gemeinsamer Anstrengung, diesen Planeten als lebenswert zu erhalten. Alles von Menschen für Menschen. Wir sind vor neue umfassende Aufgaben gestellt. Das vermag in uns einen Pioniergeist zu entzünden, schafft Lebensbestätigung und Gestaltungsmut.
Packen wir es an!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski