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Sprachvermögen

Vergewissern wir Menschen uns des Seins, indem wir sprechen? Ist es der Klang unserer Stimme, die uns dabei existenzielle Sicherheit vermittelt oder ist es die Aussage selbst, die unter Abstimmung unserer Gefühle und Gedanken unser Ich bestätigt? Oder ist es möglicherweise erst der Adressat unserer Aussage, der wesentlich zur Vergewisserung unseres Eigenseins beiträgt?

Sprache ist Verlautbarung, bildet aber auch geschrieben oder nur gedacht, den Nukleus unserer Existenz. Stellt sich also die Frage, ob der Mensch durch die Sprache erst geschaffen wird, allein durch die Sprache seine Handlungsfähigkeit erreicht und im Zuge einer Entsprachlichung sogar aufhören würde zu existieren? Dabei sind die vielen inzwischen vorhandenen medialen Formate als Ursache dieser Entsprachlichung zu benennen. TikTok, Instagram und Facebook, alle durch Proms, durch Menschen belebten Formate haben eine menschenähnliche Sprach- und Darstellungsfähigkeit erlangt, die nicht nur die Singularität des Menschen in Frage stellen könnte, sondern auch den Sinn der menschlichen Sprache an sich.

Derzeit ist es noch nicht gewagt zu behaupten, die natürliche Entwicklung seiner Sprechfähigkeit habe den Menschen zu etwas Besonderem werden lassen. In Zukunft könnte auch eine KI aufgrund Informationsfähigkeit der menschlichen Sprache bestimmen, was Menschsein ist. So gerät also durcheinander und ist schwer zu erkennen, was dabei Henne oder Ei ist.

Sprache ist mehr als nur Wert, Sprache ist die Qualität einer prozessualen Errungenschaft an menschlicher Erkenntnis. Um diese zu tradieren, wird der Mensch zwar auch künftig seine Befehle an maschinelle Wortmaschinen erteilen, aber in Nuancen seines Sprachvermögens weiterhin Geheimnisse bewahren und sich selbst sprechend seiner Existenz versichern, dies selbst dann, wenn er öffentlich kaum mehr im Stimmengewirr des Internets vernehmbar sein sollte.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski