Archiv für den Monat: Januar 2013

Viva Familia!

Kinder sind wunderbare Geschöpfe. Es macht Freude, sie dabei zu beobachten, wie sie vom ersten Tage ihres Lebens an ihre Eigenständigkeit entwickeln, sich Fähigkeiten aneignen, die es ihnen erlauben, durch Bewe­gung, Sprache, mit Schauen und Begreifen ihre Umwelt zu entdecken. Sie brauchen dabei Hilfe und Unterstützung, die zunächst nur nahe Angehörige, wie Eltern, Ge­schwister und natürlich auch Großeltern, Tanten und Onkel gewähren können. Die Ent­wicklung des Kindes beginnt mit Vertrauen, Vertrauen in die Kompetenz und die Zuwen­dungsbereitschaft seiner Familie. Das verlangt ein hohes Maß an Verantwortung der Bezugspersonen, erlaubt aber auch ein hohes Maß an Exklusivität der Familie mit dem Kind. Zwischen Kind und Fami­lie wird mit der Geburt eine Primärzuständigkeit begründet, die zeitlebens besteht, getragen von Verpflichtung, Verantwortung und Zutrauen. Jedes Kind ist wichtig für unsere Gesell­schaft. Dabei trägt auch diese Verantwortung dafür, dass sie selbst durch Förderung der familiären Anliegen dem Kinde gerecht wird. Es sind die Eltern, die die Bildungschancen und Interessen ihrer Kinder von der Geburt an wahrnehmen. Sie müssen dabei unterstützt werden, diese Aufgabe mit Stolz und Genugtuung zu übernehmen. Sie müssen sicher sein, einen der wichtigsten Bei­träge für unsere Gesellschaft, also auch für die Menschen zu leisten, die keine Kinder haben können oder wollen.

Viva Familia! will diesem Gestaltungsrecht, das auch eine Pflicht beinhaltet, Anerkennung zollen durch Projekte wie:

  • Filina, ich singe für dein Leben gern
  • Erzählen und Singen mit Eltern
  • Vorbild schaffen und wahrnehmen
  • Minimuse
  • frühkindliche Ernährungsgewohnheiten (Pizza im Glas)
  • seelische Gesundheit des Kindes (Achtung Kinderseelen!)
  • Überforderung durch Unterforderung, Kindergarten, Schule plus plus

In der Familie wird eine Verantwortungsgemeinschaft begründet, die zeitlebens nicht auflösbar ist, da Eltern und Kinder sich aufgrund ihrer Nähe einschränkungslos korrigieren und miteinander ab­gleichen dürfen. Dieses Verhältnis wird oft gestört, und zwar primär nicht aufgrund eines Span­nungsverhältnisses in Eltern-Kind-Beziehung, sondern eher durch Einflüsse von Außen, die das Selbst­bewusstsein der Familie beschädigen und damit die Tauglichkeit des Familienmodells in Frage stellen. Die Familie ist aber entgegen aller Skepsis durchaus dazu geeignet, den Menschen durch das ganze Leben zu be­gleiten, zunächst durch Fürsorge, dann als Spiegel im Zeitpunkt des pubertären Auswahl­prozesses bis zur Gestaltung der Solidargemeinschaft während des Erwerbslebens bis hin zur Alterssicherung. Das Modell besteht in der Abgrenzung und in der Nähe, verträgt keine Überforderung, ist aber allen Prüfungen gewachsen, wenn nicht äußere Verunsicherungen und Opportunitäten einen anderen unheilvollen Weg weisen. Eine der Verlockungen heißt: Du brauchst keine Familie, wenn Du den Staat als Vor- und Fürsorger hast, der mit seinen Erziehungs- und Bildungsmodellen eher als du begreifst, was deinem Kind nützt oder schadet. Damit wird die elterliche Fähigkeit, selbst Verantwortung zu tragen, ausgehebelt und ein unheilvoller Prozess der Entmündigung in Gang gesetzt, der während des gesam­ten Lebens Menschen abhängig von staatlicher Fürsorge machen kann.

Viva Familia! setzt dagegen alles auf die familiäre Karte, d. h. zeigt die Chancen und Wege für eine kraftvolle Entwicklung der Familie innerhalb der Gesellschaft auf, die es nicht nur er­laubt, dass sich das Kind zu einem ebenbürtigen Partner in der Gemeinschaft entwickelt, sondern auch Eltern ermöglicht, eine Gelegenheit zu erkennen, ihr Erwerbs- und Sozialleben gemeinsam mit den Kindern zu meistern, sich wechselseitig dabei zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass keiner benachteiligt wird, sei es in der gemeinsamen Fürsorge und Pflege der Eltern für ihre Kinder, als auch dem Recht und der Pflicht, gemeinsam für die notwendige Un­terhaltung und Stützung der Familie zu sorgen. Die Mittel hierfür sind nicht neu, werden aber zögerlich eingesetzt, da der Staat es sich weitgehend vorbehält, im gesellschaftlichen Gestaltungsbereich die Oberhoheit zu behalten. Ein paar Beispiele:

  • Neben weiteren Kinderkrippen und Kindergären zu schaffen, ist es wünschenswert, die Mittel bereitzustellen, die eine betriebsnahe Kinderbetreuung für Mütter und Väter während ihrer Arbeitszeit erlauben, damit sie sowohl ihren beruflichen Aufgaben gerecht werden, als auch ihren Kindern nahe sein können. Bekanntermaßen sind Kinder gerade in der Kinderkrippen- und Kindergartenzeit oft gesundheitlich anfällig, was dazu führt, dass Eltern wider Erwarten plötzlich ihren Ar­beitsplatz verlassen müssen, um ihr krankes Kind von der Kinderkrippe oder vom Kindergarten abzuholen.
  • Es könnten durch Zuschüsse und steuerliche Entlastungen von Arbeitgebern Anreize da­für geschaffen werden, betriebsnahe Kindergarteneinrichtungen zu etablieren. Die betriebliche Nähe würde dazu führen, dass Eltern die Möglichkeit ha­ben, ihrer Sorge für das Kind zu entsprechen.
  • Familien sollten für ihre Kinder eine weithöhere steuerliche Entlas­tung erfahren und Kinder, die für ihre Eltern sorgen, dieses Privileg auch für sich in Anspruch nehmen können. Sie entlasten durch ihr Verhalten die Gesellschaft und stärken zudem die lebenslang eingegangene Verpflichtung, füreinander da zu sein.

Viva Familia! unterstützt diesen Prozess der Solidarität und fordert einen Beitrag von der Gesellschaft zur Stärkung der Rolle der Familie als wichtigstem Baustein der familiären Entwicklung.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Menschengleichheit

Bei allen Unterschieden, die Menschen sind sich erstaunlich ähnlich. In der amerikanischen Verfassung heißt es: „All men are created equal.“ Ähnliche Formulierungen finden sich in vielen Verfassungen der demokratischen Welt. Diese Gleichheit meint die Gleichheit vor dem Gesetz, die Gleichheit der Rassen und der Lebenschancen. Ich will hier eine andere Gleichheit ansprechen, und zwar die dem Menschen innewohnende Gleichheit. Trotz unterschiedlich­ster Ausprägung der Charaktere des Menschen und trotz unterschiedlichster Lebensbedingungen ist festzustellen, dass die meisten menschlichen Verhaltensmuster ganz ähnlich funktionieren. Was meine ich damit?

Der Mensch ist auf Anerkennung angewiesen. Von dieser Anerkennung ist jeder Mensch abhängig, ob Kind oder Greis, ob Geschäftsmann oder Sozialhilfeempfänger. Unterschiedlich sind nur die Rituale der Anerkennung, die Möglichkeiten der Selbstorganisation oder des Abwartenmüssens, einer mittelbaren oder unmittelbaren Anerkennung zum Beispiel einer erbrachten Leistung durch den Chef oder eines Buches durch einen großen Leserkreis, durch viele Freunde und Bekannte oder durch ganz wenige, vielleicht nur einen einzigen Menschen. In den sozialen Verschränkungen selbst sind sich alle Menschen einig. Sie sind sich alle gleich.

Die Menschen sind sich auch in ihren Süchten gleich. Unterschiedliche charakterliche Ausprägungen bestimmen die Art und das Maß der Sucht, ändern aber am Grundsatz des Bedürfnisses nichts. Zum Beispiel die Sucht des Menschen nach Belohnung. Sie wird meist durch einen zu kaufenden Gegenstand befriedigt. Die Belohnung folgt aber gelegentlich auch der guten Tat, die ein Mensch vollbringt. Je flüchtiger eine Belohnung ist, umso stärker muss die Frequenz der Belohnungen gesteigert werden. Diese Sucht ist allen Menschen eigen.

Die Menschen unterscheiden sich auch nicht darin, dass sie frei bestimmt nur das tun wollen, was sie selbst für richtig und für sich als nützlich erachten. Um Widerstände zu brechen, werden Menschen eingeschworen auf Armeen, Regierungen oder sonstige Bünde. Damit soll sichergestellt werden, dass der Mensch nicht ausschert, beginnt, seine eigenen Interessen zu verfolgen. Menschlich ist aber das Letztere. Der Mensch wägt ab, ob das Angebot, das er erfährt, sein eigenes Anliegen fördert, ihm Vorteile bringt oder nicht. Das weiß der Anbietende und versucht daher, bei der Anpreisung seines Produktes den Angebotsempfänger zu überlisten, seinen Widerstand zu brechen. Das mag gelingen, wenn das Produkt besonders verführerisch ist, ändert aber nichts an dem diffusen Unbehagen des Angebotsempfängers, der sich seiner Willensfreiheit beraubt sieht. Er will für die Sache gewonnen werden, emotional oder vernünftig. Er will dabei sein, wenn die fremde Sache seine eigene wird. Anders nicht. Auch darin sind sich sämtliche Menschen gleich.

Was folgt daraus? Der Mensch sollte nicht versuchen, den Widerstand des anderen Menschen, sei es durch den klügsten Gedanken oder die sinnvollsten Emotionen, zu brechen, sondern seinem Mitmenschen Gelegenheit geben, Anregungen aufzugreifen, seine Entscheidung eigenverantwortlich zu entwickeln, um dann am Ende dieses Prozesses behaupten zu dürfen: Das habe ich getan. Das habe ich gewollt. Dafür stehe ich. Ich ganz persönlich. Auch in diesem Verlangen nach Souveränität und persönlicher Würde sind sich alle Menschen gleich.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Genug gejammert

Wahrlich, wir leben in schwierigen Zeiten. Finanzkrise. Europakrise. Wirtschaftskrise. Eine Jugend zudem, die den Eindruck vermittelt, als handele es sich bei ihr ausnahmslos um Internetjunkies. Soziale Entwurzelung. Migration. Missbrauch. Gewalt, Aids und Umweltzerstörung. Die Liste kann nach Belieben fortgeschrieben werden. Das ist die eine Welt. Die andere Welt hat zu tun mit der Freude von Menschen aneinander, ihren Kindern, der Natur, der Vielfalt von Tieren und Pflanzen. Trotz aller Grausamkeiten. Unsere Welt ist schön. Kaum ein Mensch kann sagen, dass er sein ganzes Leben lang unglücklich gewesen sei. Kaum ein Mensch wird wollen, dass seine Kinder und Kindeskinder die Welt als einen Ort des Schreckens und der Ohnmacht begreifen.

Unsere Welt ermöglicht uns, Chancen wahrzunehmen, wie auch unsere Kinder das Recht haben, ein chancenreiches selbstbestimmtes Leben zu führen. Deshalb sollten wir uns darauf besinnen und es nicht nur als unsere Pflicht begreifen und uns im Denken, Handeln und Fühlen an den großen Errungenschaften, dem Fortschritt und den Möglichkeiten unserer Gesellschaft messen. Wir sollten nicht aufhören, neugierig zu sein. Auf ein vielfältiges Leben, das uns Gelegenheit gibt, uns zu bewähren, zu vervollkommnen und den Reichtum, den wir selbst erfahren haben, an unsere Kinder und Kindeskinder weiterzugeben. Früh sollten wir beginnen, den Enthusiasmus für das Leben in unseren Kindern zu wecken, sie anstecken mit unserer Lebensfreude und ihnen das Werkzeug geben für die Selbstverwirklichung und die Bewahrung der Welt wieder für deren Kinder und so fort. Wie ein Mantra sollte uns dabei immer über die Lippen gehen, dass alles, was wir tun, von Menschen für Menschen gemacht wird und uns diese Erkenntnis zu respektvollem Umgang miteinander verpflichtet. Die Würde jedes einzelnen Menschen in dieser Welt ist unantastbar. Unser Respekt gilt aber auch der uns anvertrauten Natur, den Tieren und den Ressourcen, selbst dann, wenn wir forschen und entsprechend unserer gewonnenen Erkenntnisse handeln. Die permanente Entwicklung ist unsere Hybris, aber auch unser Sinn. Wenn wir schon nicht anders können, dann sollten wir aber dies vor allem mit Freude und mit ideellem Gewinn für die Welt und alle Geschöpfe tun.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Die Erfahrung des Singens

„Nun singet und seid froh.“ So lauten Ermunterungen, die mit dem Singen zu tun haben. Und in der Tat, Singen bereichert unser Leben, erreicht unser Herz und unsere Sinne, fördert zudem unsere Empfindungen und unser Sprachvermögen. Alle Menschen singen oder haben zumindest das Bedürfnis, es zu können. Meist scheitern sie an der fehlenden Ausbildung. Und diese Ausbildung sollte bereits im frühkindlichen Stadium beginnen. Wenn die Eltern singen können und einigermaßen liedfest sind, überträgt sich diese Fähigkeit auch auf ihre Kinder, die später das ganze Potenzial ihrer Möglichkeiten, ebenfalls zu singen, ausschöpfen können. Deshalb hat die Ruck – Stiftung des Aufbruchs mit dazu beigetragen, dass Kurse eingerichtet werden, in denen erfahrene Musik- und Gesangspädagogen Eltern das Singen beibringen. Dabei erlernen Eltern nicht nur Liedtexte, sondern gewinnen Selbstsicherheit im Umgang mit ihrer eigenen Fähigkeit zu singen, werden angeleitet, diese Fähigkeit ihren Kindern weiterzugeben, indem sie diesen das Singen ebenfalls beibringen usw. Eltern werden in diesem Prozess begleitet, ihnen werden Ratgeber an die Hand gegeben und sie haben jederzeit auch Gelegenheit, mit erfahrenen Experten Rücksprache zu nehmen, um das Erreichte und Erlernte nicht zu verlieren, sondern ggf. auch noch weiter zu formen und zu bestätigen.

Die von der Ruck – Stiftung des Aufbruchs initiierten Kurse finden im Umkreis von Entbindungsstationen statt, werden aber auch in besonderen ausgewählten Heimen und Begegnungsstätten angeboten. Damit soll die Sing- und Erzählkultur wiederbelebt werden und Eltern sollen an Sicherheit im Umgang mit ihren Kindern gewinnen. Der sprachliche Austausch zwischen Eltern und Kindern, auch über das Singen, ist nicht zu ersetzen, weder wohlmeinend durch eine CD mit Kinderliedern noch gar durch Fernsehen. Bis etwa zum Eintritt des dritten Lebensjahres sind Kinder bezüglich der Medien nicht aufnahmefähig, sondern auf eine ständige Interaktion mit ihren Bezugspersonen angewiesen. Das Kind ahmt nach, unter anderem auch die Mundstellung seiner Eltern. Diese Vorteile können bei der rein mechanischen Wiedergabe von Liedern und Musik z. B. auf CD nicht genutzt werden.

Auch ist es wichtig, Lieder ständig mit dem Kind zu wiederholen, damit es Gelegenheit hat, sich alle Einzelheiten zu merken und einzuprägen. Der Volksmund sagt: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“ Der Volksmund hat recht: Wenn die Eltern beharrlich dabei bleiben, ihre Kindern das Singen zu lehren, haben sie selbst viel Spaß dabei und natürlich die Kinder auch. Das ist dann ein starkes gemeinschaftliches Erleben.

Das Singen stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl bis spät in die Pubertät und darüber hinaus, vielleicht bis ins Alter.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Hanefi Yeter

Hanefi, dir bin ich nahe. Und auch immer wieder fern. In diesem Augenblick, in dem ich an dich denke, weiß ich nicht genau, wo du bist, wie es dir geht und was du machst. Du bist vermutlich entweder in Bodrum oder in Istanbul. Du hast Berlin verlassen. Mich aber nicht, denn ich habe Bilder von dir. Sie halten die Verbindung aufrecht, wirken wie Lautsprecher und Empfänger. Diese Korrespondenz funktioniert bereits, wenn ich an dich denke. Manchmal denkst du sicher auch an mich, denkst: „Wo bleibt er denn? Wollte er nicht schon längst bei mir sein? Und wie geht es meinen Bildern bei ihm?“

Die folgende Geschichte, Hanefi, habe ich dir oft schon erzählt. Jedes Mal hast du gelacht. Jetzt sollen auch die Leser erfahren, wie ich dich kennengelernt habe.

Irgendwann in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden einige Bilder von dir in dem schmucken Städtchen Staufen im Markgräflerland ausgestellt. Zufällig auf der Durchreise ins Münstertal kam ich vorbei und war verblüfft. Auf einem der Bilder spielte der virtuose Interpret der klassischen Gitarre Yepes mit einer solchen Inbrunst, dass der ganze Ausstellungsraum vom Klang seiner Instrumente erfüllt schien. Dieses Bild, so war ich mir sicher, musste ich haben. Ich ließ mir deine Telefonnummer in Berlin geben und rief, als ich wieder zurück war, auch sofort an. Du hast dich gefreut über mein Interesse, ja, aber die Ausstellung sei noch unterwegs und wir sollten uns treffen, sobald die Rundreise der Bilder beendet sei. Natürlich hatte ich das vorgehabt, aber du weißt ja, die Umstände. Jedenfalls wurde nichts aus dem Vorhaben. Zeit verging. Öfters habe ich sehnsuchtsvoll an das Bild gedacht, aber nicht mehr gewagt, dich zu erreichen. Dann ein Besuch bei dem Senatsdirigenten der Kultur, Bernd Mehlitz. Dem habe ich von meinem Erlebnis mit diesem Bild und meiner Sehnsucht erzählt. Bernd Mehlitz darauf: „Kein Problem, mit Hanefi Yeter bin ich befreundet.“ Und dann war die Begegnung mit dir auch wirklich kein Problem mehr. Schon tags darauf war ich bei dir. Du hast mich freundlich empfangen. Ich habe dir mein Anliegen vorgetragen. Du stiegst in eine verwinkelte Ecke deines Bilderlagers und schon war er wieder da. Mein Yepes! Und zu meinem Yepes gesellten sich noch viele andere Künstler: Verkünder, Flötenspieler, Sänger und Könner auf dem Bajan. Meine Wände bevölkerten Jongleure, Vögel und nächtliche Sitzungen ernster Menschen. Deine Bilder verströmen Musik, Düfte, Wärme und zuweilen aber auch eine Kälte, die wie ein Schleier der Wehmut über diesem Moment der Vergänglichkeit liegt. Hanefi, deine Bilder sind da, sie sind bei mir, ganz egal wo du bist. Sie bleibt uns erhalten, unsere Freundschaft. Auch wenn ich dich nicht mehr täglich sehe, wir Wein oder Bier trinken, große Fische und das Brot teilen und uns dabei beklagen über das Leben, welches uns niemals, aber auch niemals gerecht werden kann.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Humboldt-Forum

Soweit ich mit den Diskussionen inhaltlich vertraut bin, geht es bei den Überlegungen, ob und wie das Humboldt-Forum im künftigen Schloss gestaltet werden könnte, darum, den Geist von Alexander und Wilhelm von Humboldt wieder lebendig werden zu lassen. Dies soll durch Vorzeigen der Artefakte und durch Diskussionen über wissenschaftliche Inhalte, durch Präsentation einer Erlebniskultur und Ableitung historischer Erkenntnis für unsere heutige Gesellschaft geschaffen werden.

Ein Einwand, der dagegen erhoben wurde, lautete, dass unsere Bürger ihre eigenen Probleme hätten. Das ist richtig. So wenig das Humboldt-Erbe aufgegeben werden darf, zumal beide Humboldt-Brüder prägende Vorbehalte gegen Habsucht und Willkür im gesellschaftlichen Bereich vorgebracht haben, so wenig darf vergessen werden, dass unser heutiges Leben durch neue Herausforderungen, Fragestellungen und Lösungsnotwendigkeiten geprägt ist. Das geplante Humboldt-Forum darf daher nicht „museal erstarren“. Die Gebrüder Humboldt, und zwar jeder auf seine Weise, waren Entdecker, deren bürgerlicher Behauptungswille sich über den engen Zeitgeist und politisches Kastendenken hinwegsetzte. Das Entscheidende auch für sie war, dass vor jeder normativen Bindung der erzielten Ergebnisse zunächst ihre Entdeckung möglich wurde. In diesem Sinne plädiere ich nachdrücklich dafür, das Humboldt-Forum als eine Entdeckungslandschaft inmitten einer gefestigt strukturierten Welt zu gestalten. Dort mögen kühne Gedanken entwickelt und Visionen möglich werden, die Politikern, Wissenschaftlern und auch allen anderen Bürgern Gelegenheit geben, ihre Standpunkte zu überprüfen und neue Lebensmodelle für unsere Gesellschaft zu fertigen. Es wäre daher naheliegend, sogar für unsere Gesellschaft einmalig, wenn das Humboldt-Forum dem philanthropischen Engagement der Bürger geöffnet würde. Der Palast der Republik wäre damit vergessen, es wäre der Palast des Souveräns, der dort Lebensentwürfe entstehen lassen würde, die gestaltend und prägend zugleich in einem immerwährenden „Contrat Social“ die Chancen zur Erneuerung und Veränderungen unserer Gesellschaft aufzeigen würde. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Philanthropie ein Motor unserer Gesellschaft werden wird. Zumindest werden deren Prinzipien auf die produzierende Welt und die Bewertungskriterien für wirtschaftlichen Erfolg Einfluss nehmen. Diese Prinzipien, die sich nicht in „CSR“ erschöpfen, zu entwickeln, wäre ein hohes Bedeutungsmoment für das Humboldt-Forum in Berlin.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Geld statt Leistung – Leistung statt Geld

Freiberuflich tätige Menschen, zum Beispiel Rechtsanwälte, werden oft mit der Frage konfrontiert, warum denn die Rechnung so hoch sei, obwohl man sich mit dem Anliegen des Mandanten so viel Zeit habe gar nicht nehmen müssen. Kurzum: Es wird die Angemessenheit der Vergütung bestritten. Fällt die Vergütung allerdings bei hohem Zeitaufwand geringfügig aus, bleibt der Hinweis auf eine fehlende Vereinbarkeit der Vergütung mit der Leistung aus. Jeder Kunde möchte möglichst wenig bezahlen, aber viel dafür haben.

Das Gefühl der Unangemessenheit stellt sich dann nicht ein, wenn es sich um reine Geldmehrung handelt. Jeder Spekulant, jeder Börsenritter empfindet es als selbstverständlich angemessen, wenn bei einem Börsensprung oder sogar kontinuierlich die angelegten Werte plötzlich über Nacht zwischen 10 und 18 % nach oben klettern. Die Börse, die Bank oder deren Agenten kämen nicht auf die Idee, den Großteil des auszuschüttenden Geldes mit der Bemerkung zurückzugeben, ein derartiger Gewinn sei völlig unangemessen. Mit Sicherheit würde der Kunde einen derartigen Anspruch auch nicht akzeptieren. Er empfindet vielmehr diesen ihm ohne sein geringstes Zutun zugewachsenen Gewinn auf „sein“ Geld als absolut gerechtfertigt. Dass es zwischen Einsatz und Gewinn manchmal nur um Minuten oder Sekunden geht, findet er in keiner Weise verwerflich. Anders verhält es sich mit Leistungen, die kein Geld darstellen, aber eine Gegenleistung erwarten, die üblicherweise in Geld ausgedrückt wird.

Die Leistung des Dienstleisters ist in der Regel nicht auf Sekunden und Minuten beschränkt, die Leistung beruht auf Verantwortung, Ausbildung, berücksichtigt die Kosten für Unterhaltung des Bürobetriebes und des Gewinns. Solche Leistungen sind kalkuliert, ggf. in der Form einer Mischkalkulation, und berücksichtigen unternehmerische Einsätze, die ohne zusätzlichen Gewinn mit erledigt werden müssen. Die Leistung wird gerne genommen, aber das Äquivalent in Geld nicht gerne erbracht. In einer Tauschgesellschaft ging das so, dass demjenigen, der einen Rat erteilte, zunächst ein paar Fische auf den Tisch gelegt wurden. Es ist aber eine Frage der Zweckmäßigkeit, dass der Ratsuchende erst mal diese von ihm im Beispiel vorrätig gehaltenen Fische verkauft und bei der Beratung statt Fischen das entsprechende Geld aushändigt. Wo ist das Problem? Warum fällt es dann schwerer, sich statt von den Fischen vom Geld zu trennen? Der Rat, der erteilt wird, ist wichtig geblieben und bleibt sich auch immer gleich. Die Leistung erbringen zu sollen und dann um das Äquivalent zu kämpfen, ist eine merkwürdige Errungenschaft unserer Waren- und Dienstleistungsgesellschaft. Nicht die Leistung zählt also, sondern nur das Geld. Dabei ist das Geld ohne Leistung nichts wert.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Missverständnis

Zwischen dem Staat und seinen Bürgern besteht ein Missverständnis, welches weitreichende Konsequenzen hat. Der Staat erkennt den Bürger zwar als seinen Souverän an, die für ihn handelnden Personen aber glauben, dass sich die Ausübung dieser Souveränität in den Wahlen erschöpfen soll. Der Bürger glaubt dies irgendwie auch und beschwert sich bei den von ihm gewählten Vertretern deshalb ständig darüber, dass sie nach seiner Auffassung nicht machen würden, was er von ihnen eigentlich erwartet. Gleichwohl fordert er nur die Politiker zum Handeln auf, dazu, etwaigen Missständen, die er zu identifizieren glaubt, abzuhelfen. Die vom Souverän gewählten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, also die Politiker, sehen sich umfassend legitimiert, in seinem Interesse tätig zu sein, und betrachten Nörgeleien der Bürger als Einmischung in ihre Kompetenzen. In allen Bereichen des öffentlichen Lebens ringen Mandatsträger mit anderen Mandatsträgern um Lösungen zur gesellschaftlichen Daseinsvorsorge, angefangen von der Gesundheit über die Beschäftigung bis hin zur Kultur. „Die sollen machen“ – und die, die machen sollen, sehen sich aufgrund der ihnen zugewiesenen Rolle im Recht, vom Bürger die Mittel einzuziehen, die sie nach ihrer Auffassung benötigen, um der Selbstverpflichtung Genüge zu tun. Die Mittel werden über ein weitverzweigtes Netz von Steuern, die der Staat seinem Souverän auferlegt, beschafft. In einem feudalistischen Staat bestimmt der Souverän das Maß der Steuern und macht sie gegenüber den Bürgern geltend. Aber sogar in einer entwickelten Demokratie schlüpft der dienende Staat in die Rolle des Feudalherrn und bestimmt dem Souverän das Maß der finanziellen Leistung. Dies scheint mir ein grundlegendes Missverständnis zwischen Bürger und Staat zu sein. Der Staat und die für ihn handelnden Personen sehen sich legitimiert, vom Souverän Steuern einzuziehen und diese Mittel nach eigenen Maßstäben zu verwenden. Sie sehen sich ermächtigt, den Staat zu verschulden und dem Souverän die von ihnen gewünschte Rolle seiner Existenzberechtigung zuzuweisen. Dies alles geschieht natürlich innerhalb eines kontrollierten Rahmens. Der Bürger kann aber gleichwohl seine Rolle als Souverän nicht zur Disposition stellen, sondern bleibt in der Verantwortung, auch wenn er zeitlich befristet andere mit seiner Vertretung beauftragt hat. Die Rolle des Geschäftsherrn, bei dem die Wirkung der vom Vertreter abgegebenen Willenserklärungen eintritt, bleibt erhalten. Verträge kommen nicht mit dem Vertreter zustande, sondern mit dem Geschäftsherrn. Gleiches gilt auch für einseitige Willenserklärungen, die der Vertreter für den Vertretenen abzugeben hat. Jeder Vertretene muss an einem von ihm vorgegebenen Maß an gesellschaftlicher Kontrolle festhalten. Auch mit seiner Beauftragung ist der Vertreter nicht legitimiert, die Rechte des Vertretenen zu beschneiden oder gar diesem zu schaden. Zuweilen hat es einen anderen Anschein, weil der Vertretene eine komplexe, aus vielen Gruppen und Grüppchen und Einzelpersonen bestehende Persönlichkeit, also das Volk ist. Aber es bleibt immer der Geschäftsherr, der mit dem Vertreter einen Geschäftsbesorgungsvertrag abschließt und darin dessen Aufgaben und Rollen definiert. Diese Betrachtungsweise hat entscheidenden Einfluss auf die Rolle der Bürgergesellschaft. Der Souverän, also der Bürger, leitet seine Legitimation für bürgerschaftliches Engagement nicht vom Vertreter ab, sondern sein Recht als Bürger, im Rahmen des Staates tätig zu sein, ist ursprünglich. Nur dort, wo der Bürger nicht in der Lage ist, die ihm zugewachsene Aufgabe zu erfüllen, bedient er sich anderer, um eine koordinierte und zweckvolle Lösung herbeizuführen. Um welche Bereiche handelt es sich hierbei? Sicher nicht abschließend folgende:

  • die Mobilität, das gesamte Netz an Schienen, Strom, Straßen etc.,
  • äußere und innere Sicherheit, Polizei und Bundeswehr,
  • koordinierte, einheitliche Vertretung in Europa und weltweit,
  • Grundsicherung des Bürgers,
  • Einhaltung der Grundrechte und -pflichten,
  • das Gerichtswesen,
  • Bewahrung der kulturellen Identität und geschichtlicher Errungenschaften.

Auch dann, wenn die vorstehende Auflistung nicht vollständig ist, signalisiert die Beschreibung der staatlichen Tätigkeitsfelder schon das hohe Potenzial an Bereichen, die dem Bürger vorbehalten sind. Dort gilt das Prinzip der Subsidiarität staatlichen Handelns. Der Bürger als Souverän ist auch nicht Fehlbedarfsfinanzierer des Gemeinwesens, sondern es ist sein ureigenstes Recht, nach bestimmten Regeln uneingeschränkt selbstständig tätig zu sein. Dies gilt für den gesamten Wirtschafts- und Finanzverkehr. Das gilt für das Recht, im philanthropischen Bereich zu wirken, sein Leben unbürokratisch und selbstbestimmt zu gestalten. Es ist der Bürger, der mit dem Staat Verträge schließt, um diesem bestimmte Aufgaben zuzuweisen und nach entsprechender Kostenkalkulation durch den Staat mit diesem einen Vertrag über die Finanzierung von Vorhaben zu schließen. Dieser Vertrag zwischen Souverän und Mandatsträger ist die entscheidende Grundlage für die im Auftrage des Bürgers durchzuführende Geschäftsbesorgung durch die Vertreter. Erfüllen sie ihre Aufgaben nicht oder nur unzureichend, dann müssen sie wieder gehen, und zwar nicht erst bei der nächsten Wahl.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski