Archiv für den Monat: Juli 2013

Matrix

Stellen wir uns das Leben für einen Augenblick als eine lange, prägende und geprägte Erlebnisspur vor. Irgendwann habe ich gehört, dass vor langer Zeit, die ich nicht an Millionen oder gar Milliarden Jahren festmachen kann, ein anderer Planet die Erde berührt hat und durch den Austausch von Entwicklungsbausteinen das Leben auf Erde entstand. Gehört habe ich auch, dass die Erde überhaupt ein Abfallprodukt eines anderen Planten sei. Dieser Planet habe sich wieder aufgemacht in die Weite des Raumes. Vielleicht liege er aber auch ganz versteckt in unserer Nähe, nicht sichtbar, gut verhüllt durch Sternennebel oder ein gigantisches schwarzes Loch? Hawking spricht von der Parallelwelt, die sich uns Menschen auftut, in der alles Leben gleichsam spiegelbildlich abgebildet sei, nur zeitlich so versetzt, dass das Parallele sich mit dem Eigentlichen identifizieren lasse und umgekehrt. Alles Spinnerei? Vielleicht. Bemerkenswert ist aber, dass die menschliche Erkenntnis auf der Erfahrung beruht. Leonardo da Vinci hat Fluggeräte erfunden, weil er sie bereits gekannt hat. Der Plan war bereits in ihm angelegt, bevor er seine Vi­sionen hatte. Auch Weltraumflüge basieren auf vorhandenem Wissen. Alle Kulturen berichten von einer Begegnung. Diese Begegnung wird oft naiv beschrieben, wie Landespuren von Weltraumfähren im aztekischen Hochland.

Die gesamte Weltkultur beruht auf der Erfahrung von Himmel und Erde, von Göttern oder von einem Gott, der oben wohne, mit der Welt und seinen Geschöpfen korrespondiere. So wird die Erfahrung wachgehalten. Diese Erfahrung beruht auf einem Urerleben, welches festgeschrieben ist in unserer Lebensmatrix. Sie erwartet die Wiederkehr des Lebensschöpfers als Vollendung der Einheit bzw. ist geprägt vom Verlust des einen, das nach dem anderen ständig strebt, trotz aller verwirrenden religiösen Überhöhung. Das Yin- und Yang-Muster tragen wir offenbar in uns, deshalb ist Gott oder wie auch immer wir das andere bezeichnen, keine Ausgeburt unserer Fantasie, sondern eine gewesene und kommende Realität. Wir alle sind Zeugen dieser Realität, weil wir das Muster in uns tragen. Dem einen oder anderen ist dies stärker bewusst. Darauf kommt es aber nicht an. Er ist. Alles ist immer da, nur etwas verrückt. Wechseln wir die Räume, bleibt doch die Ahnung. Pocahontas kannte Captain Smith, bevor er tatsächlich bei ihr anlangte. Durch seine Ankunft fand sie sich nur in ihrer Ahnung bestätigt. Das Licht ihres Lebens, die glänzende Rüstung.

Es blieb ihr das aus Sehnsucht entwickelte Staunen. Auch Captain Smith wusste, dass er bei ihr ankommen musste. Er barg das Streben nach Zusammenführung, die Überwindung der Trennung in sich. Allegorien sind aber nur Beispiele, nicht die ganze Erfahrung. Sie hält die Erinnerung an die Mächtigkeit der Schöpfung wach, sie kann auf Wunder verzichten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Heimatliebe

Mancherorts wird davon berichtet, dass die Landbevölkerung schrumpfe und Gemeinden mit Bedauern feststellen, dass ihre Bevölkerung abwandere. Was für Städte und Gemeinden gilt, erfasst auch ganze Gebiete und Länder. Migration. Das ist eigentlich nichts Schlimmes und auch nichts Besorgniserregendes. Das Wandern selbst vermittelt neue Eindrücke, entfaltet Kreativität und stärkt die Gemeinschaft. Solange die Gesellschaft insgesamt in Bewegung bleibt, ist dieser Austauschprozess in der Bevölkerung hilfreich. Verhält es sich aber so, dass der Abwanderung kein entsprechender Zuzug gegenübersteht, verkümmern Städte und Gemeinden, sind nicht nur wirtschaftlich, sondern auch vor allem strukturell nicht mehr in der Lage, eine selbstbewusste Bürgerschaft hervorzubringen, geschweige denn zu unterhalten. Warum ziehen Menschen weg?

Naheliegend aus wirtschaftlichen Gründen. Das ist es aber nicht alleine. Sie ziehen auch weg, weil sie sich von dem Dorf oder der Kleinstadt, in der sie wohnen, keine Anregungen mehr versprechen, erprobte Begegnungsstätten werden geschlossen, die Menschen sind sich aufgrund der Ablenkungen durch Medien fremd geworden. Sie leben in ihrer vertrauten Umgebung zwar noch eine Zeit lang aus Gewohnheit, die vertraute Umgebung vermag sie aber nicht mehr zu halten, ihre Heimatliebe schwindet. Heimatliebe bedeutet die Erkenntnis, hierher an diesen Ort zu gehören, weil die Eltern und Großeltern schon da gewesen sind und man selbst auch seine Kindheit hier verbracht hat. Heimatliebe bedeutet, seinen Kindern auch diese Heimat bieten zu wollen. Dazu müsste man auf sie stolz sein. Stolz ist heute ein schwer verdauliches Wort, bedeutet aber eigentlich nichts anderes als den Ausdruck eines Gefühls: ich erkenne, ich vertraue und ich entwickle. Sobald der Heimatstolz Platz greift, entstehen auch die Ideen, wie diese Heimat erhalten und gestärkt werden könnte, zum Beispiel durch Organisation von Kindergärten und Schulen, durch Aufbau von handwerklichen Betrieben und Gewerbe. Alles ist möglich, setzt aber den Willen voraus, sich engagieren zu wollen.

Sich für das, was man liebt, einzusetzen. Das ist lohnend, und zwar ideell und finanziell. Landflucht ist der einfachere Weg, verspricht staatliche Unterstützung, Genuss, zum Beispiel in der Großstadt, und anonyme Begegnungen mit anderen Menschen. Aber im Vergleich der Intensitäten, meine ich, ist die Heimat stets der Beliebigkeit eines städtischen Aufenthaltsortes vorzuziehen. Sie befriedigt letztlich auch eine tiefe innere Sehnsucht nach Geborgenheit und Lebenssinn.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Jeder ist sich selbst der Nächste oder: letztlich ist man immer alleine

Ein Mensch, der gestorben ist, wird vermisst. Die Taten seines Lebens werden gerühmt, seine Fehler meist übergangen und seiner Schwächen wird gutherzig gedacht. Dann ist der Tote endgültig alleine. Die meisten Trauergäste wenden sich wieder ihrem Leben und ihren Sorgen und Nöten zu. Angehörige verweilen noch einige Zeit im Angedenken, dann verschwimmen mit der Zeit auch für sie die Konturen des Toten. Das ist auch gut so. Unter Lebenden sind ähnliche Phänomene feststellbar. Und das ist nicht gut so. Es gelingt Menschen nicht wirklich, andere für sich zu interessieren. Interesse besteht vielleicht am Sensationellen des Schicksals, am Abgrund eines fremden Lebens, an Krankheiten und sonstigen Abstürzen, dies aber mit der steten Genugtuung, nicht Teil dieser Katastrophe zu sein. Das hat mit Empathie nichts zu tun. Der Mensch fühlt zwar mit, hat Mitleid und vermag sich zumindest zuweilen in die Situation des anderen zu versetzen.

Aber mit einem Teilen des fremden Erlebnisses, mit wirklicher Anteilnahme an dem Schicksal eines anderen Menschen hat dies nichts zu tun. Selbst derjenige, der fragwürdig zu großen Geldmitteln gekommen ist, wird kaum bereit sein, zumindest einen Teil seines Geldes mit dem in Not geratenen Freund zu teilen. Nein, vielmehr ist die drohende Insolvenz des Freundes eher ein Stigma und wenn die Beschwörung, dass letztlich doch nicht alles so heiß gegessen wird, wie es auf den Tisch gekommen ist, der Wirklichkeit nicht zu trotzen vermag, wird der Freund gemieden. Was für die wirtschaftlichen Verhältnisse erprobt ist, gilt gleichermaßen für Krankheiten und sonstiges Ungemach. Der Mensch ist allein und die ihm auferlegte Last wird nur solange und soweit gemeinsam von anderen Menschen mit getragen, als diese auch aus dem Umstand Nutzen ziehen können. Nutzen kann die gemeinsame Trauer oder die Vorfreude auf Veränderungen sein. Eine Mithaftung für den anderen Menschen ist damit nicht verbunden. Der Mensch muss sich aber stets vor Augen halten, dass es ihm letztlich genauso gehen kann, wie es gerade dem anderen geht. Wir sind „Jedermann“. Deshalb sollten wir den anderen verstehen, uns gemein machen mit seinen Sorgen und Nöten, damit wir auch unsere eigenen Sorgen und Nöte selbstbewusster leben können.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verantwortung

Unser Bundespräsident Horst Köhler ist zurückgetreten. Für die einen mag der Rücktritt überraschend gewesen sein, für andere keineswegs. Es gab angeblich solche, die ihn im Regen haben stehen lassen, andere, die ihn verunglimpften oder als zu weich empfanden. Auch bei der Beurteilung der Eigenschaften und der Fähigkeiten unseres Bundespräsidenten a. D. ging es zu wie im richtigen Leben. Durfte er aber zurücktreten, das Volk im Stich lassen, seine Verantwortung einfach ablegen? Rein menschlich gesehen ist jeder Rücktritt zu rechtfertigen, weil wir Menschen in der Regel permanent Fehler machen. Der Rücktritt von Horst Köhler könnte rein menschlich gesehen angemessen und vom Konsens seiner Mitmenschen gedeckt sein. Wie verhält es sich aber, wenn wir die rein menschlichen Aspekte einmal zur Seite schieben? Horst Köhler ist nicht nur ein Mensch, sondern war Inhaber des höchsten Amtes der Bundesrepublik Deutschland. Diese Verantwortung hat er bei seinem Amtsantritt freiwillig übernommen und gelobt, stets zum Wohl der Bundesrepublik Deutschland zu handeln. Entspricht es dann dem Wohl der Bundesrepublik Deutschland, wenn ein Präsident von seinem Amt zurücktritt? Gänzlich ist das nicht auszuschließen, beispielsweise wenn ein Bundespräsident so schwer erkrankt ist, dass er seine Amtsgeschäfte nicht mehr wahrnehmen kann, straffällig geworden ist oder in derart zerrütteten Verhältnissen lebt, dass sie nicht mehr als vorbildlich angesehen werden können. Es mag ja auch im Fall Köhler eine Erklärung hinter der Erklärung geben, aber die veröffentlichten Erklärungen scheinen mir nicht in einem einzigen Fall ausreichend zu sein, um es dem Bundespräsidenten zu gestatten, den „Bettel einfach hinzuschmeißen“.

Tatsächlich halte ich den Rücktritt von Horst Köhler verfassungsrechtlich für äußerst bedenklich, da ein Rücktrittsrecht des Bundespräsidenten aus rein menschlichen, nicht krankheitsbedingten Gründen nicht vorgesehen ist. Welche Konsequenzen aber hat ein nicht zu rechtfertigender Rücktritt? Ist die Rücktrittserklärung null und nichtig und bleibt der Bundespräsident verpflichtet, sein Amt bis zum Ablauf seiner Wahlperiode weiter auszuüben? Wer kommt für den Schaden für die Bundesrepublik Deutschland auf, der durch den ungerechtfertigten Rücktritt verursacht wurde? Das Bundespräsidialamt? Wie sieht es aus mit den Altersbezügen eines Bundespräsidenten und sämtlichen Ehrungen, die ihm zuteilwurden und ggf. noch zuteilwerden sollten? Welchen großen Zapfenstreich sollte der so aus dem Amt geschiedene Bundespräsident verdient haben? Der Bundespräsident hat kein politisches Amt inne. Es werden an ihn keine amtlichen Anforderungen gestellt, die er nicht von vornherein genau kalkulieren kann, die sich nicht widerspiegeln in der verfassungsgemäß zugewiesenen Macht. Diese Macht ist begrenzt, aber nicht von Ohnmacht geprägt. Der Präsident hat Gestaltungsraum, den ihm keiner nehmen kann. Er kann seine Gedanken anbieten, Entwürfe von Überlegungen fertigen und diese in Abstimmung mit der Regierung vortragen. Seine Aufgaben bestehen unter anderem darin, die zentrifugalen Kräfte unserer Gesellschaft zusammenzuhalten, die Mitte des Bürgervolkes zu bestimmen, damit wir uns alle darum zu scharen vermögen. Er ist auf unser Einverständnis nicht angewiesen. Weder auf unser Einverständnis mit seinem Amt noch mit seiner Amtsführung, seinen Gedanken und Emotionen.

Der Bundespräsident ist. Er ist, weil er die Verantwortung für sein Amt verfassungsgemäß übernommen hat. Menschlich ist er einer von uns. In seinem Amt als Bundespräsident allerdings nicht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Staatsnepotismus

Vielleicht hätte ich mich auch im Feudalismus zurechtgefunden, jedoch hat sich das Volk inzwischen zur Demokratie entschlossen und die muss gelebt werden. Gelebte Demokratie bedeutet, dass wir uns dem Staat nicht verweigern, denn dieser gehört uns. Dem Volk. Wir müssen die Politiker ausbilden, denn diese sollen uns helfen, effektiv den Willen der Bürger umzusetzen. Das kann man in der Demokratie nicht den Parteien überlassen. Die Parteien sind und waren die Orientierungspunkte verschiedener Kräftefelder innerhalb der Gesellschaft, stellen aber kein Zukunftsmodell für eine pluralistische Gesellschaft dar. Vielleicht nicht der einzelne Politiker, aber die Parteien als solche glauben, dass sie sich des Staates bedienen dürfen, der Bürger für sie da sei. Tatsächlich verhält es sich aber so, dass der Staat für den Bürger da ist, ihm gegenüber Rechenschaft abzulegen hat. Um größere Transparenz und Selbstverständlichkeit im Verhältnis zwischen Staat und Bürger zu entwickeln, ist es erforderlich, dass Politiker künftig außerhalb der Parteienstrukturen ausgebildet und mit ihren Aufgaben konfrontiert werden. Dies kann an Universitäten und sonstigen Einrichtungen unter Einbeziehung philanthropischer Institute und Stiftungen geschehen.

Wir brauchen keine zufällige, sondern eine ausgebildete politische Elite, die in der Lage ist, nicht nur medial, sondern auch inhaltlich zu wirken, bereit ist, Verantwortung außerhalb der Parteiverantwortung für das gesamte Gemeinwesen zu übernehmen, Zukunftsentwürfe zu fertigen und diese auch verständnisvoll umzusetzen. Parteien, Gewerkschaften und sonstige Verbände sollen dabei natürlich auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen, und zwar als Gruppierungen, die zum einen den Willen unterschiedlicher bürgerschaftlicher Kräfte bündeln und zum anderen den Dialog zwischen unterschiedlichen Ansätzen und Betrachtungsweisen fördern. Nur durch Politiker, die künftig häufiger dem Volk verpflichtet sind, ist es möglich, den Staat auch dort in die Schranken zu weisen, wo er glaubt, sich als Feudalherr aufspielen zu müssen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Reich sein

Allenthalben wird festgestellt, dass die Vermögensschere in unserer Gesellschaft auseinandergehe. Um es einfach zu sagen: da die Armen, da die Reichen. Gemeint ist dabei natürlich finanzieller Reichtum. Was aber bedeutet finanzieller Reichtum? Aus eigener Kenntnis vermag ich dies nicht zu beantworten. Finanziell bin ich nicht reich und weiß daher nicht, wie sich dies anfühlt. Aber ich habe Mutmaßungen und Einschätzungen, zurückzuführen darauf, dass ich etliche finanziell reiche Menschen kenne. Ich mutmaße, dass finanzieller Reichtum keine moralisch abwegige Haltung ist, sondern von der Sorge geprägt wird, dass etwas abhandenkommen könnte. Wir alle sind Jäger oder Sammler. Für den einen fällt die Jagd etwas erfolgreicher aus als für den anderen. Der eine ist besser in der Lage, das Erworbene zu behalten und sogar zu mehren, der andere schlechter. Verlustangst spielt sicher eine Rolle, vor allem aber das Ritual des Gewinnens, welches es nicht zulässt, dass etwas abhandenkommt. Jeder weiß, dass Dagobert Duck selbst den Verlust eines „Kreuzers“ nicht zu verschmerzen vermag. So geht es auch heute noch vielen reichen Menschen.

Nicht der Reichtum an sich bedeutet ihnen etwas, aber der Verlust alles. Der Argwohn, dass man ihnen nach dem Geld trachtet, ist berechtigt. Nur die wenigen üblichen vertrauten Menschen aus dem eigenen Umfeld würden mit Bill Gates oder Warren Buffet verkehren, wären sie nicht reich. Nun aber sind alle hinter ihnen her, wollen mit ihnen gesehen werden, mit ihnen dinieren oder Projekte machen. Eben weil sie reich sind. Und zwar aus diesem Grund. Die Hoffnung ist, dass vom Glanz des Reichtums etwas abfärben könnte. Die vage Möglichkeit der Umverteilung bestimmt das Verhalten. Nicht, dass die Reichen nicht bereit wären zu geben, nein, im Gegenteil, sie sind oft große Mäzene, fördern Stiftungen, Museen, naturwissenschaftliche Einrichtungen, bekämpfen Polio und Aids. Wir verdanken ihnen viel. Sie haben begriffen, dass die Umverteilung der Geldmengen verhindert, dass eine größere Zahl nicht reicher Menschen eher an sich denken, bevor sie gezielt auch etwas für andere tun. Das Geld der Reichen kommt von uns, uns allen. Es hat sich bei den Reichen gemehrt, weil wir deren Bedürfnisse teilen nach Macht und Bestätigung, ebenfalls konsumieren und an ihren Produkten interessiert sind. Wir selbst haben den Reichtum bewirkt, indem wir aus Eigennutz unser Geld anderen zum Nutzen anvertraut haben. Etwas mehr Selbstverantwortlichkeit, Augenmaß und Konsumverzicht würde zur Austarierung der Geldmassen zwischen reich und arm entscheidend beitragen können.

Zu beneiden sind reiche Menschen ohnehin nicht, denn sie bleiben allein in ihrer Erfahrung, selten wegen ihren Zuwendungen an andere Menschen gemocht zu werden, und in der Erkenntnis, dass angesichts der Ewigkeit jeder finanzielle Reichtum vergebens ist, dieser selbst noch nicht einmal ihre Kinder zu schützen vermag. Ich glaube, dass gerade finanziell reiche Menschen sich ihrer steten Gefährdung bewusst sind, die Last des Geldes spüren. Es wäre zwar vorteilhaft, einfach loszulassen, aber diese Rolle ist nicht geübt. Im Übrigen sprechen wir meist von finanziellem Reichtum, zuweilen aber auch von geistigem Reichtum, von seelischem Reichtum, von Reichtum an Kindern oder der reichen Natur. Diese wahren Reichtümer, die den finanziellen Reichtum erst glänzen lassen, haben bemerkenswerterweise aber nicht den gleichen Stellenwert wie der finanzielle Reichtum. Ein Grund könnte darin liegen, dass die Abstraktion des Geldes, zuweilen aber auch seine Manifestation in Unorganischem, jede Form der Verbriefung verlässlicher zu sein scheint, als die Gegenleistung. Das Geld stellt keine anderen Ansprüche als diejenigen des Mehrens, klagt nicht über Fehler, sondern bleibt bei seinem Herrn, solange er das angeordnet hat und absichern kann. Insofern ist Geld Ausdruck des immer wieder erneuerbaren, selbstgefälligen, ewigen Lebens. Eine Verheißung des unzerstörbaren Sinns, ein Zipfel des Saums der Ewigkeit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gesamtwirtschaftliche Konversionsargumente

Unsere Gesellschaft macht einen Transformationsprozess von der rein warenorientierten Wirtschaft zur philanthropischen Wirtschaft durch. Einige der Kriterien, die diesen Prozess bestimmen, habe ich folgendermaßen herausgearbeitet:

  • Aufgrund des Massenvertriebs von Waren an eine breite Käuferschicht erleben wir einen rasanten Verfall der Marken. Unternehmen und ihr Produkt sind kaum mehr erkennbar. Diese Tendenz wird sich verstärken.
  • Jenseits einer erforderlichen Bedarfsvorsorge bedienen Waren die Erwartungshaltungen von Menschen, belohnen und vermitteln Selbstwertgefühl und Glück.
  • Um den Belohnungsprozess am Laufen zu halten, ist es erforderlich, immer neue Waren zu entwickeln, um das Selbstbelohnungsbedürfnis der Menschen zu befriedigen. Denkbar ist dabei ein Kollaps des Systems, weil in der Massenproduktion bei fallenden Preisen und „Demokratisierung“ der einzelnen Güter die Nachfrage sinken könnte.
  • Der Mensch bestimmt, was er wertschätzt, wem er seine Aufmerksamkeit schenkt und was er für geeignet hält, für die Befriedigung eines Bedürfnisses herzuhalten. Dieses Produkt muss nicht unbedingt ein Produkt der Warenwelt sein, sondern manifestiert sich auch in Kunst, Musik oder Urlaubsreisen.
  • Diese Erkenntnis könnte auch im philanthropischen Bereich wirken und dort ein Produkt definiert werden, das nachgefragt wird.
  • Ein solches philanthropisches Produkt gibt es bisher nicht, sondern lediglich Aspekte, die ein solches Produkt beschreiben.
  • Problematisch bei der Individualisierung eines solchen Produkts wirkt es sich aus, dass kaum bekannt ist, was sich hinter dem Begriff Philanthropie verbirgt. Zudem ist alles Gute nach landläufiger Meinung verdächtig, weil es dazu dient, die Egozentrik der Handelnden zu pflegen und andere zu bevormunden bzw. zu beschämen. Zuweilen wird „Gutes tun“ auch als Selbstverständlichkeit, als steuerlicher Effekt oder sogar störend empfunden.
  • Aufklärung über die Ziele der Philanthropie bedeutet, den Menschen in seiner einzigartigen Ganzheit zu erfassen, unter anderem unter dem Aspekt der Eigennützigkeit. Um den Eigennutzen zu stärken, ist der Mensch bereit, Fremdnutzen zuzulassen. An diesem Fremdnutzen partizipieren im gesellschaftlichen Kontext alle Beteiligten. Die Leugnung des Eigennutzens entzieht der Philanthropie jede verlässliche Grundlage.
  • Für die Philanthropie und ihre Produkte muss ein Erkenntnis- und Bewertungssystem geschaffen werden. Dabei ist es erforderlich, die realwirtschaftlich existierenden Mechanismen im philanthropischen Bereich zu adaptieren. Dabei spielen die Ermittlung der Werte, gemeinnützige Einrichtungen, Venture Capital, Shares, Finanzierung, Darlehen bis hin zu Mikrokrediten eine Rolle.
  • Schließlich ist die Neuformierung der Gesellschaft und ggf. die Subsidiarität des Staates unter dem Aspekt des Vorrangs bürgerschaftlichen Handelns eingehend zu untersuchen.

Nach der erforderlichen Entschlüsselung des philanthropischen Produkts und Einleitung des Transformationsprodukts ist es erforderlich, im philanthropischen Bereich Marktstrategien zu entwickeln, die eine sich einstellende Nachfrage nach dem Produkt befriedigen sollen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Jeder macht Seins

Was will der Mensch? Er will sein Ding machen. Sich selbst traut er das zu. Den anderen nicht. Das entspringt seinem Selbstverständnis. Ist Ausdruck seiner Kreativität. Zweifelt er daran, hält er sich sogar für nicht fähig, etwas alleine zu tun, dann zieht er es vor, überhaupt nichts zu tun. Das ist nicht mein Ding! So ähnlich lauten die Parolen, die Abschottungen gegen andere Ideen. Was ist der Grund? Womöglich das mächtige Gerangel um den besten Futterplatz. Das archaische Prinzip. Wir locken mit unseren Ideen, verführen, tricksen und täuschen und wollen andere in dem Glauben lassen, wir hielten auch ihre Taten für wichtig. Tatsächlich geht es aber um uns, um das Pflegen der Netzwerke mit dem Ziel, unsere Projekte besser zur Geltung zu bringen. Gibt es hier Absagen, gefährdet das unser Projekt, schafft Missmut und Distanz. Jeder macht Seins. Alleine kommen wir aber selten weiter, es sei denn, wir verfügten über so viel Geld, dass andere uns unterstützen, um an unser Geld zu gelangen. Wie können wir den Schalter umlegen? Möglicherweise dadurch, dass wir uns helfend anderen anbieten, überhaupt darauf verzichten, nur das Eigene zu verfolgen, sondern eher das andere Anliegen tatkräftig fördern. Dies natürlich erwartungsfrei, was Belohnungen angeht, aber deutlich in dem Bewusstsein, dass Hilfsbereitschaft auch als Schwäche ausgelegt werden könnte. Die Hilfsbereitschaft muss daher mit dem Signum des Erfolgs versehen werden. Die Unterstützungsleistung selbst genießt den Vorrang vor dem Einzelnen oder dem Projekt, welches unterstützt wird. Dies scheint auf dem ersten Blick anmaßend zu sein, stellte aber den sinnvollen Ausgleich zwischen den Erwartungen des Gebenden und des Empfängers dar. So wird Geben gerecht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Genug gejammert

Wahrlich, wir leben in schwierigen Zeiten. Finanzkrise. Europakrise. Wirtschaftskrise. Eine Jugend zudem, die den Eindruck vermittelt, als handele es sich bei ihr ausnahmslos um Internetjunkies. Soziale Entwurzelung. Migration. Missbrauch. Gewalt, Aids und Umweltzerstörung. Die Liste kann nach Belieben fortgeschrieben werden. Das ist die eine Welt. Die andere Welt hat zu tun mit der Freude von Menschen aneinander, ihren Kindern, der Natur, der Vielfalt von Tieren und Pflanzen. Trotz aller Grausamkeiten. Unsere Welt ist schön. Kaum ein Mensch kann sagen, dass er sein ganzes Leben lang unglücklich gewesen sei. Kaum ein Mensch wird wollen, dass seine Kinder und Kindeskinder die Welt als einen Ort des Schreckens und der Ohnmacht begreifen. Unsere Welt ermöglicht uns, Chancen wahrzunehmen, wie auch unsere Kinder das Recht haben, ein chancenreiches selbstbestimmtes Leben zu führen. Deshalb sollten wir uns darauf besinnen und es nicht nur als unsere Pflicht begreifen und uns im Denken, Handeln und Fühlen an den großen Errungenschaften, dem Fortschritt und den Möglichkeiten unserer Gesellschaft messen. Wir sollten nicht aufhören, neugierig zu sein.

Auf ein vielfältiges Leben, das uns Gelegenheit gibt, uns zu bewähren, zu vervollkommnen und den Reichtum, den wir selbst erfahren haben, an unsere Kinder und Kindeskinder weiterzugeben. Früh sollten wir beginnen, den Enthusiasmus für das Leben in unseren Kindern zu wecken, sie anstecken mit unserer Lebensfreude und ihnen das Werkzeug geben für die Selbstverwirklichung und die Bewahrung der Welt wieder für deren Kinder und so fort. Wie ein Mantra sollte uns dabei immer über die Lippen gehen, dass alles, was wir tun, von Menschen für Menschen gemacht wird und uns diese Erkenntnis zu respektvollem Umgang miteinander verpflichtet. Die Würde jedes einzelnen Menschen in dieser Welt ist unantastbar. Unser Respekt gilt aber auch der uns anvertrauten Natur, den Tieren und den Ressourcen, selbst dann, wenn wir forschen und entsprechend unserer gewonnenen Erkenntnisse handeln. Die permanente Entwicklung ist unsere Hybris, aber auch unser Sinn. Wenn wir schon nicht anders können, dann sollten wir aber dies vor allem mit Freude und mit ideellem Gewinn für die Welt und alle Geschöpfe tun.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sternzeichen

Die Sterne weisen uns den Weg. Das tun sie möglicherweise tatsächlich, wenn unsere Erde unbewohnbar werden sollte und künftige Generationen nach Auswegen suchen. Dann käme ein bewohnbarer „Stern“ gerade recht. Um uns mit den Sternen schon bei Zeiten vertraut zu machen, haben wir manchen Sternen Namen gegeben und bestimmte auffällige Sternenmuster haben Namen, die sich unseres Ordnungssinns bemächtigen.

Das bekannteste Sternenbild ist natürlich der „große Wagen“, für jeden leicht erkennbar an seiner Kastenform und der Deichsel. Aber selbst dann, wenn jemand nicht auf Anhieb sein Sternkreiszeichen erkennt, so weiß er doch um seine Zuordnung. Ich selbst zum Beispiel bin im Sternkreiszeichen Jungfrau geboren. Jedem in einem Sternkreiszeichen geborenen werden besondere Attribute zugeschrieben, persönliche und kollektive Verhaltensweisen, Liebes- und Erfahrungsfähigkeiten, bis hin zu Vorlieben und Abneigungen. Den meisten Menschen ist das ihnen gestellte Sternenhoroskop bestens vertraut, wenn sie davon hören. Sie nicken andächtig mit den Köpfen und bestätigen jede Aussage, ob bei einer Wahrsagerin oder Wahrsager in Einzelbesprechungen, in Gruppensitzungen und sogar versunken in Funk- und Fernsehzeitschriften.

Wie können manche so viel und detailliert etwas über mich wissen? Die Sterne lügen nicht. Das ist doch selbstverständlich. Wie sollten sie das Lügen auch anstellen und warum, wenn sie keinen Vorteil davon haben? Viele, wahrscheinlich sogar die meisten Menschen glauben, dass das, was über sie in den Sternen stünde, wahr sei und auf sie zutreffen würde. Dabei fällt kaum ins Gewicht, dass jedes Sternenbild für Millionen Menschen zuständig ist und wir leidvoll und freudig feststellen mussten, dass kaum ein Mensch dem anderen gleicht, Eigenschaften und Fähigkeiten völlig verschieden sind.

Aber, die Aussage eines Sternendeuters nehmen wir persönlich wahr. Bei so viel Übereinstimmung muss doch etwas dran sein, dass jeder Stern nicht nur kollektiv, sondern auch höchst persönlich unsere Geschicke lenkt. Wäre es angesichts dessen nicht sinnvoll, für die Deutungskraft der Sterne damit zu werben, dass wir schon von Kindesbeinen an daran gewöhnt sind, uns mit dem jeweiligen Sternenbild, dem Aszendenten und Deszendenten und deren Eigenschaften anzufreunden? Bin ich als Jungfraumensch vielleicht deshalb ordnungsliebend, weil die Sterne das erkannten oder weil schon auf einer der ersten Geburtstagsglückwunschkarten stand, dass ich oft kühl erscheine, aber in mir drin ein immanenter Ordnungssinn lebe? Könnte es sein, dass wir die unserem Sternenbild zugeschriebenen Grundtugenden so variieren, dass sie für unser Leben immer passen?

Ich stelle mir einmal vor, ich sei ganz anders, als mir die Sternenkonstellation verspricht. Wie sollte ich mich dann zurechtfinden in einer Welt, in der mir kein alternatives Sternenbild zur Verfügung stünde? Was würde eine Wahrsagerin oder ein Wahrsager mit mir anfangen können, wenn ich meine Geburtsidentität in Bezug auf mein Sternenbild missachten? Jeder, der seinen angestammten Platz verlässt, muss immer mit dem Schlimmsten rechnen. In dem von mir beschriebenen Fall würde sich sicher die Erde auftun und mich verschlingen. Also Schwestern und Brüder, auf zu den Sternen, damit wir schlimmes verhindern!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski