Deutschland boomt im philanthropischen Bereich. Jährlich werden derzeit ca. 1.000 Stiftungen neu gegründet. Insgesamt gibt es bis heute ca. 20.000 Stiftungen. Hiervon sind 13.000 staatlich anerkannte selbstständige Stiftungen des privaten Rechts und ca. 2.500 unselbstständige Stiftungen bzw. Treuhandstiftungen, deren Vermögen von anderen Stiftungen, gemeinnützigen Einrichtungen oder Privatleuten verwaltet wird. Der Rest sind staatliche und kirchliche Stiftungen. Stiftungen sind in der Regel gemeinnützig. Der Name Stiftung ist allerdings nicht geschützt, sodass auch Vereine und Gesellschaften den Hinweis auf eine Stiftung führen können. Die ältesten Stiftungen sind übrigens 1.000 Jahre alt. Stiftungen sind in der Regel fördernd tätig, das heißt sie geben zur Durchführung von Projekten entsprechende Geldmittel an andere Einrichtungen oder sie sind operativ tätig, das heißt sie führen Projekte, die ihrem Satzungszweck entsprechen, selbst durch. Stiftungen sind oft auch Träger von Wirtschaftsunternehmen wie zum Beispiel Bosch, Bertelsmann oder Carl Zeiss oder dienen als Familienstiftungen dem Erhalt des Unternehmens oder einer Regelung der Unternehmensnachfolge.
Der Anreiz, Stiftungen zu gründen, entspringt meist dem Willen des Stifters, ein Anliegen, das er für wichtig erachtet, das ihm also nahe am Herzen ist, zu seinen Lebzeiten oder von Todes wegen dauerhaft zu verwirklichen. Steuerliche Anreize spielen dabei auch eine Rolle. Die steuerliche Entlastung kann beträchtlich sein und insbesondere im Bereich der Einkommensteuer eine Entlastung von 20 % bzw. 1 Mio. Euro vom veranlagten Einkommen bedeuten. Selbst spätere Zuwendungen, welche Stiftungen erhalten, sind steuerlich absetzbar.
Zum einen entäußert sich eine Persönlichkeit mit der Gründung ihrer Stiftung eines Teils ihres Vermögens mit dem in der Satzung festgeschriebenen Stiftungszweck, etwas dauerhaft Bedeutsames zu schaffen, wie zum Beispiel im Bildungsbereich die Förderung des Schüleraustauschs oder im medizinischen Bereich die Behandlung seltener Erkrankungen. Oft sind es aber auch Persönlichkeiten, die sich in Gruppen- bzw. Bürgerstiftungen organisieren und oft auch mit wenig Geld gemeinsam etwas in ihrer Gemeinde bewirken wollen. Stiftungsinitiativen machen an Ländergrenzen nicht halt, sondern deutsche Stiftungen können auch europaweit Stiftungsprojekte in anderen Ländern verwirklichen, ohne ihre Gemeinnützigkeit hiermit zu gefährden. Mit gewissen Einschränkungen gilt dies auch weltweit. Damit werden Stiftungen zu einer sehr interessanten Organisationsform, wenn es gilt, in der augenblicklich herrschenden Finanzkrise eine vertrauensbildende Einrichtung zu finden, die Vorbildfunktionen erfüllen kann bei der Schaffung einer philanthropischen Gesellschaft, in der ideelle Ziele und wirtschaftlicher Erfolg zusammengeführt werden. Bei ca. 20.000 Stiftungen in Deutschland beläuft sich das gesamte Stiftungsvermögen auf ungefähr 120. Mrd. Euro, wovon das meiste Geld krisenfest angelegt ist und dem allgemeinen Pessimismus zum Trotz arbeitet, Erträge abwirft, hilft, Projekte umzusetzen, und zur Stabilität im dritten Sektor beiträgt.
Deshalb empfinden wir die von uns gegründete staatlich anerkannte Ruck – Stiftung des Aufbruchs sozusagen als eine Klammer in dem Sinne, die Bestrebungen guter Unternehmensführung, Corporate Social Responsibility und Prosperität im ideellen Bereich zusammenzubringen, um eine andere menschliche Perspektive aufzuzeigen als diejenige, die nur von Gewinnmaximierung geprägt ist.
Die Berliner Rede des früheren Bundespräsidenten Prof. Dr. Roman Herzog, die sogenannte Berliner Adlon-Rede aus dem Jahre 1997 „Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen“ war unser Signal, diese Gruppenstiftung mehrerer Stifter zu entwickeln. Wir verstehen dies als Bekenntnis, durch Eigeninitiative zu zeigen, dass wir für uns selbst und andere Verantwortung übernehmen und uns nicht erschöpfen im Beschreiben von Missständen, sondern tatkräftig an ihrer Beseitigung arbeiten. Die Stiftung, die im Bildungs-, Gesundheits-, Beschäftigungs- sowie im Kunst- und Kulturbereich aktiv ist, will durch ihre Projekte und Projektideen aufzeigen, welche Spielräume die Bürgergesellschaft hat, um in Kooperation mit anderen Stiftungen, Bürgern und staatlichen wie nicht staatlichen Einrichtungen nachhaltig wirksam zu werden. Dabei pflegt die Stiftung keinerlei Projekt-Egoismus, sondern ist die Stiftung von allen für alle, geöffnet jeder Bereitschaft mitzumachen, sich einzubringen und daran mitzuwirken, dass die Ideale dieser Stiftung verwirklicht werden, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt.
Dabei steht im Vordergrund der integre Mensch oder die integre Einrichtung, die durch ihr Verhalten Vertrauen schafft, welches sowohl ideell als auch wirtschaftlich Erfolge bringt. In diesem Sinne zertifiziert die Stiftung eine derartige Verhaltensweise auch bei anderen Menschen und Einrichtungen, die gleiche oder ähnliche Ziele verfolgen und damit auch dem Zweck und den Zielen der Ruck – Stiftung des Aufbruchs entsprechen.
Im Bereich Bildung und Wissenschaft fördert die Stiftung grenzüberschreitendes Denken und den Austausch von Ideen, Visionen und Erfahrungen. In der Erkenntnis einer ganzheitlichen Bildungsaufgabe unterstützt sie die Erschließung von Bildungsressourcen, erweitert Bildungsangebote für Eltern, Kinder und Jugendliche, aber auch für ältere Menschen. Sie steht Bildungseinrichtungen bei strukturellen Änderungen zur Seite mit dem Ziel, Menschen jeglichen Alters bei der Bewältigung ihrer Lebensaufgaben zu unterstützen.
Die Stiftung fördert die Kulturnachfrage dadurch, dass sie private und staatliche Institutionen bei der Überwindung ihrer verfestigten Strukturen unterstützt. Dabei sollen die organisatorischen, wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten bei der Umsetzung künstlerischer Projekte gebündelt sowie geografische, alters-, materiell- und bildungsbedingte Zugangssperren zu kulturellen Erfahrungen überwunden werden.
Die Stiftung will helfen, den Appell des I. Artikels des Deutschen Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ in allen Lebensbereich umzusetzen. Sie will ferner dazu beitragen, dass ein Paradigmenwechsel „Geben ist schöner als Nehmen“ von uns Besitz ergreift, Einfluss auf unser soziales Verhalten nimmt, u. a. durch die Übernahme von Verantwortung für unsere Gesundheit und die anderer Menschen.
Die Stiftung tritt dafür ein, an den Schnittstellen zwischen Staat und Bürgern unnötige strukturelle Hürden abzubauen und stärker auf zivile Formen gegenseitiger Hilfeleistung zu setzen. Darüber hinaus sollen Möglichkeiten der umweltschonenden Ressourcennutzung im alltäglichen Leben ermittelt werden.
Politischer Wandel, Gesetzesänderungen und Strukturreformen hinsichtlich des Arbeitsmarktes sind dringend erforderlich. An diesem Punkt will die Stiftung mit verschiedenen Projekten Abhilfe schaffen: So sollen Jugendlichen der Einstieg in die berufliche Beschäftigung erleichtert, jugendliches Gestaltungs- und Kreativitätspotenzial genutzt und vor allem ein Bewusstseinswandel zu mehr Mut, Eigeninitiative und Selbstbewusstsein der jungen Generation bewirkt werden. Darüber hinaus bemüht sich die Stiftung um die Ergänzung und Optimierung von Ausbildungsangeboten und die effiziente Reintegration von Arbeitslosen in feste Beschäftigungsverhältnisse.
Ein Motto ist: „Mach es selbst, bevor die anderen dich zwingen, es zu tun“. Anknüpfungspunkt für dieses Stiftungsprojekt ist die weit überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit von Jugendlichen aus Migrantenfamilien. Ausländer sind von Bildungsdefiziten besonders betroffen, die soziale Situation und sprachlichen Probleme sind dafür verantwortlich. Defizite in der Schulausbildung setzen sich in der beruflichen Ausbildung fort. Die Geringschätzung formeller beruflicher Abschlüsse sowie fehlende Unterstützung oder Information im Elternhaus sind hierfür verantwortlich. Besonders drastisch wirkt sich dies für Ausländerinnen aus. Daraus folgt nicht nur, dass die schulische Ausbildung von Jugendlichen deutlich verbessert werden muss, sondern es muss auch eine sozial adäquate Ausbildung gewährleistet werden, die dem Jugendlichen das Erfolgsgefühl vermittelt, etwas Sinnvolles mit einer bestimmten Lebensperspektive zu tun.
In der Stiftung wird im Übrigen auch die Auffassung vertreten, dass es jenseits der Politik, die in den Gremien der Europäischen Union verabredet wird, eine lebendige europäische Kultur gibt, die sich schon heute zwischen den Menschen und ihren Einrichtungen grenzüberschreitend ausgebildet hat. So gibt es zum Beispiel viele regionale Interessen, die die Bürger in Deutschland und Frankreich verbinden, aber auch die in allen anderen Anrainerstaaten. Diese aufzudecken und bestehende Anliegen und Probleme gemeinsam zu bewältigen, ist auch einer der Gründe dafür, dass eine Stiftung wie die Ruck – Stiftung des Aufbruchs ins Leben gerufen wurde. In diesem Prozess stehen wir erst am Anfang einer Entwicklung des Menschen zum „Social Entrepreneur“, der seinem Leben einen befriedigenden und erfüllenden Sinn geben will.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski