Manchmal respektvoll: Er hat das letzte Wort, oder anklagend: Er will immer das letzte Wort haben, begegnen die Menschen diesem letzten Wort mit Ungewissheit. Der, der das letzte Wort hat, bestimmt, wo es langgeht. Der, der als letztes das Wort ergreift, verfügt über die Autorität, das zuvor Gesprochene zu korrigieren oder zu bekräftigen. Er setzt mit seinem letzten Wort den Schlusspunkt. Fast alle Menschen mögen daher das letzte Wort gerne haben. Das letzte Wort bei ehelichen Auseinandersetzungen ist deshalb legendär. Mit der Beschwörung des letzten Wortes wird allerdings dessen Bedeutung nur behauptet aber nicht erklärt. Das letzte Wort ist nicht die mechanische Beendigung eines Gesprächs, sondern ein Wort zur Orientierung jenseits des Disputs. Derjenige, der das letzte Wort ergreift, will nicht die Sprachkombattanten abservieren, sondern ihnen ein Angebot machen, ein Angebot, entweder eine Hilfestellung anzunehmen oder etwas neu zu bedenken. Das letzte Wort ist oft ein Beginn, ein Anfang einer Entwicklung und nicht deren Endpunkt. Im letzten Wort sind die Erkenntnisse verarbeitet, die auf Zuhören und Analysieren basieren. Derjenige, der das letzte Wort ergreift, hat allen Gelegenheit gegeben, zu sagen, was sie zu sagen haben und ihnen auch geduldig zugehört. Er wird nicht sagen, was alle schon gesagt haben und sich somit auch nur auf eine Seite schlagen. Der, der das letzte Wort ergreift, hat etwas zu sagen, auch wenn das Gespräch oder der Disput noch nicht beendet ist. Das letzte Wort wird daher von seiner Bedeutung bestimmt und nicht von seiner Verlautbarung.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski