Archiv für den Monat: Februar 2015

Das letzte Wort

Manchmal respektvoll: Er hat das letzte Wort, oder anklagend: Er will immer das letzte Wort haben, begegnen die Menschen diesem letzten Wort mit Ungewissheit. Der, der das letzte Wort hat, bestimmt, wo es langgeht. Der, der als letztes das Wort ergreift, verfügt über die Autorität, das zuvor Gesprochene zu korrigieren oder zu bekräftigen. Er setzt mit seinem letzten Wort den Schlusspunkt. Fast alle Menschen mögen daher das letzte Wort gerne haben. Das letzte Wort bei ehelichen Auseinandersetzungen ist deshalb legendär. Mit der Beschwörung des letzten Wortes wird allerdings dessen Bedeutung nur behauptet aber nicht erklärt. Das letzte Wort ist nicht die mechanische Beendigung eines Gesprächs, sondern ein Wort zur Orientierung jenseits des Disputs. Derjenige, der das letzte Wort ergreift, will nicht die Sprachkombattanten abservieren, sondern ihnen ein Angebot machen, ein Angebot, entweder eine Hilfestellung anzunehmen oder etwas neu zu bedenken. Das letzte Wort ist oft ein Beginn, ein Anfang einer Entwicklung und nicht deren Endpunkt. Im letzten Wort sind die Erkenntnisse verarbeitet, die auf Zuhören und Analysieren basieren. Derjenige, der das letzte Wort ergreift, hat allen Gelegenheit gegeben, zu sagen, was sie zu sagen haben und ihnen auch geduldig zugehört. Er wird nicht sagen, was alle schon gesagt haben und sich somit auch nur auf eine Seite schlagen. Der, der das letzte Wort ergreift, hat etwas zu sagen, auch wenn das Gespräch oder der Disput noch nicht beendet ist. Das letzte Wort wird daher von seiner Bedeutung bestimmt und nicht von seiner Verlautbarung.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Unangenehmes zuerst

Sprichwörter, auch wenn sie zunächst trivial erscheinen, liefern oft treffende Orientierungsrahmen. „Aus den Augen aus dem Sinn.“ Dieser Spruch kann leichtsinnig gemeint sein, verrät aber Tiefe, wenn der Mensch bereit ist, sich dieses Merkspruchs bei der Bewältigung seiner täglichen Aufgaben zu bedienen, z. B. Unangenehmes zuerst zu erledigen. Das bedeutet, nicht zuzuwarten, bis der Druck, der auf einem lastet, so groß ist, dass man sich der Bewältigung der Aufgabe überhaupt nicht mehr entziehen kann. Bis zum Eintritt dieses Ereignisses ist meist schon viel passiert. Der Mensch befindet sich in einem ständigen Dialog mit seinen Aufgaben. Dieser Dialog ist zeitraubend und anstrengend, wird bestimmt durch die Aufforderung, etwas zu tun, die Rechtfertigung, es nicht getan zu haben, das einsetzende schlechte Gewissen, den Versuch der Selbstberuhigung, den Versuch das Unterlassene verschwinden zu lassen, und die anhaltende Konfrontation mit diesen nicht bewältigten Aufgaben. Der Aufwand nicht nur an geistiger und emotionaler Kontrolle ist enorm, sondern auch die tatsächliche Verwaltung dieser immer vor Augen stehenden Aufgabe. Zum Beispiel: Der Inhalt einer Akte liegt auf dem Tisch und muss stets wieder kontrolliert werden. Nach einiger Zeit wird der Vorgang fremd, bedarf eines erneuten Einlesens, der Orientierung, der Einholung von Informationen, bei deren Beschaffung der Bearbeiter womöglich in Zeitnot gerät. Die Anstrengung der Verwaltung und der Druck der Bewältigung wachsen. Ist dieser Moment erreicht, der keine andere Entscheidung als die sofortige Bewältigung der Aufgabe mehr zulässt, fördert dieser Druck das Gefühl, gezwungen zu werden. Nicht Gelassenheit ist angesagt, sondern Auflehnung, Blockierung, Wut und der verzweifelte Versuch, das Ruder noch einmal herumzureißen, der Erkenntnis des bisher Versäumten zu entgehen. Es gelingt nichts mehr oder nur mit knapper Not, meist fragwürdig und inkompetent, vielleicht auch auf Kosten anderer Menschen, denen man das eigene Versäumen nun anlasten will. Für das eigene Verhalten werden Andere beschuldigt, der Druck weiter erhöht und Fehler provoziert. Der Mensch, der dagegen sofort erledigt, was auf ihn zukommt, ist nicht abhängig von seinem Gedächtnis, von der gerade verfügbaren Zeit, den Zufällen und einem ausufernden Bearbeitungsmanagement. Er hat Zeit und kann sich jederzeit neuen Aufgaben stellen, bestimmt den Rhythmus seiner Tätigkeit und setzt sich keinem Rechtfertigungsdruck aus. Er mag für Andere zunächst unbequem sein, aber sie werden seine Nähe suchen, weil sie hoffen, ihre Unfähigkeit hinter seinem Einsatz zu verstecken. Dies gelingt nur scheinbar, da er alleine gestaltet und sie jederzeit vorführen kann. Die, die das wissen, sind daher auf der Hut und versuchen, sich den „Macher“ zu erhalten. Das schafft ihm Vorteile, und zwar auch dann, wenn ihm in den Sinn kommt, wie viel effektiver es wäre, würden sich alle Menschen an seiner Verhaltensweise orientieren. Er spürt oft die Einsamkeit seines Verhaltens. Es bleibt ihm aber das gute Gefühl, zumindest im Rahmen seiner Möglichkeiten alles getan zu haben und vielleicht auf Dauer auch Beispiel zu werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vertrauen oder Good Governance

Nach allgemeiner Auffassung müssen ständig vertrauensbildende Maßnahmen geschaffen werden. Was sind aber vertrauensbildende Maßnahmen? Vertrauen sind keine Maßnahmen, sondern Maßnahmen sind das Ergebnis von Handlungen eines Menschen, der Vertrauen schaffen will. Wenn dieser Mensch nicht selbst vertrauenswürdig ist, wird er niemals in der Lage sein, zur Vertrauensbildung beizutragen. Deshalb können vertrauensbildende Maßnahmen nicht dem Normbereich eines sozialen Gefüges zugeordnet werden, sondern entspringen der Integrität von Individuen oder Kollektiven, die einen bestimmten Maßstab des Verhaltens verinnerlichen. Gesetze sind dafür da, dass sie befolgt werden. Insofern ist es völlig normal, dass Kataloge aufgestellt werden, die z. B. im Bereich der Good Governance eine bestimmte Form des Verhaltens von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft einfordern. Damit haben diese Vorstandsmitglieder aber nicht unser eigentliches Vertrauen. Sie verhalten sich – aus welchen Gründen auch immer – entsprechend eines für sie aufgestellten Kodexes. Vertrauen zu bilden aber heißt, in sich selbst einen Maßstab verankert zu haben, der sehr deutlich aufzeigt, was geht und was nicht zu verantworten ist. Dieses Vertrauen ist messbar und nicht nur ideell, sondern auch wirtschaftlich von großer Bedeutung. Es korrespondiert mit der Erwartungshaltung anderer Menschen, die sich in einer verwirrend rück- sichtslosen Zeit nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich orientieren wollen an Menschen, die in sich gefestigt sind, nicht nur ihre Vorteile im Auge haben, erkenntnisreich agieren, sich deshalb auch nicht manipulieren lassen. Vertrauen hilft allen, die sich ihm Rahmen einer Aufgabenstellung offen begegnen und kompetent, schnell und effektiv zu Lösungen gelangen wollen. Früher galt das Kaufmannsehrenwort. Heute müssen leider vor jeder geschäftlichen Begegnung zunächst Strafen für unredliches Verhalten erarbeitet werden, bevor man in einer von Misstrauen geprägten Zeit zu Er- gebnissen gelangt, an denen jeder nur wenig Freude haben kann. Mehr war nicht drin, ist die dafür übliche Begründung. Es sollte ergänzt werden: Mehr war bei diesen Menschen nicht drin. Wir haben die Chance der Alternative.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Der große Bluff

Es gibt eine Form des Bluffs, die beruht auf Lügen und Intrigen. Es gilt, einen   anderen Menschen so hereinzulegen, dass dieser erst nach vollendeter Tat weiß, wie ihm geschehen ist. Dabei geht es nicht nur um Schadenfreude des Veranlassers, sondern auch um den damit gesicherten Erfolg. Es gibt eine andere Form des Bluffs, die andere nicht beschädigt, aber auch zum Ergebnis führen kann. Diese Form des Bluffs beruht auf einem rein taktischen Verhalten, schafft ein Klima des Vertrauens und gibt dem potenziellen Kontrahenten Gelegenheit, seinen Standpunkt in völliger Ruhe umfassend auszubreiten. Der Bluff besteht darin, dass er sich von der ersten Begegnung an bis zum letzten Wort sicher wähnt, dass seine Art der Betrachtung wenn auch nicht die richtige, so doch die erfolgreiche sein wird. Es ist aber hier nicht der Triumph des letzten Wortes, das zählt, sondern die Aufnahme des Gesprächs zu einem Zeitpunkt, zu dem jedenfalls aus Sicht des Kontrahenten überhaupt nichts mehr fragwürdig erscheinen sollte. Dem Kontrahenten recht zu geben und gleichzeitig die Ergebnisse seiner Darstellung infrage zu stellen, entfesselt Kontroversen, die sich im Kontrahenten selbst abspielen und ihn in seiner Sicht der Dinge verunsichern. Der Angriff ist gelähmt, die bösen Argumente meist verschossen und was bleibt, ist oft der Wunsch nach Versöhnung. Das ist ein gutes Ergebnis für alle Beteiligten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Erfüllung des Lebens

Wir tun die Dinge – in der Regel – nicht um ihrer selbst willen. Meistens erfüllen wir Aufgaben, weil wir uns hiervon etwas, also meist eine Belohnung, versprechen. Die Belohnung für Arbeit ist Geld, die Belohnung für Spekulation ist Geld, die Belohnung für Zuwendung ist Anerkennung. Anerkennung zu erlangen, ist nicht schlecht. Sie ist die Kompensation für eine außerordentliche Leistung. Geld und Anerkennung ermöglichen ein angenehmes Leben deshalb, weil es Besonderheiten gegenüber dem Leben anderer Menschen aufweist. Derjenige, der Geld und Anerkennung hat, ist gegen den eigenen Neid gefeit. Er verteidigt das Erreichte und achtet darauf, dass ihm nichts abhanden kommt, weder von seinem Besitz noch von seiner Reputation. Die Gefahr ist, dass er, trotz aller guten Voraussetzungen, beweglich zu bleiben, erstarrt. Erstarrt in der Besitzstandswahrung. Aber auch derjenige, der nicht auf Geld oder Anerkennung zurückgreifen kann, erstarrt oft in seinem Unglück. Nicht, dass er wegen seines Lebens andere beschuldigen will, er es diesen neidet, sondern er gibt sich mit dem Nichterreichten ab und sich selbst auf. Beide Formen der Erstarrung entsprechen sich und verraten, dass das Leben dieser Menschen keine Erfüllung gefunden hat. Ein erfülltes Leben nimmt wahr, ein erfüllter Mensch verschließt die Augen nicht vor seinen Umständen, gibt diesen Umständen aber ein Maß, welches ihn nicht einzuengen vermag, sondern zu neuen Leistungen motiviert. In einem erfüllten Leben hat der Mensch aufgehört, zu beanspruchen, und begonnen, zu geben was er hat. Dies sind nicht nur materielle Dinge, nicht nur Engagement um der Anerkennung willen, sondern als Ausdruck der Freude an den eigenen Möglichkeiten, Anderen etwas zu geben, weil man vermögend ist, es also vermag, sei es materiell oder durch persönlichen Einsatz eigener Zeit und Fähigkeiten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Mediation

Die Mediation korrigiert unseren Drang, Probleme nicht mehr selbst lösen zu wollen, sondern die Problemlösung Anderen anzuvertrauen, insbesondere den Richtern und Rechtsanwälten. Diese in der Justiz verankerte Form der Verrechtlichung hat allerdings mit dem Leben nichts zu tun. In jedem Konflikt, bei jeder Auseinandersetzung beruhen die wahren Argumente nicht nur auf Gesetz und Recht, sondern sind auch in Verhaltensweisen, Einschätzungen, Überlegungen und Gefühlen angelegt. In der Mediation gibt ein Spielleiter den Beteiligten Gelegenheit, ihre Vorstellungen umfassend darzulegen, ohne auf deren Wirkung zu achten, also sofort einschätzen zu müssen, ob sich der Erfolg damit auch bewerkstelligen lässt. Der Spielleiter eröffnet den Beteiligten Wege, Erkenntnisse zu gewinnen über die eigene Position und die der anderen. Diese Möglichkeit der nicht stets aus Unsicherheit und Beurteilung gewonnenen Einschätzung kann zur Lösung eines Konfliktfalls führen. Voraussetzung hierfür ist aber die Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Sich auf etwas einlassen zu müssen, ist aber oft mit Unsicherheit verbunden und mit dem Gefühl, vielleicht werde ich über den Tisch gezogen, vielleicht gebe ich zuviel von mir preis, vielleicht ziehe ich auch den Kürzeren. Derjenige, der dies so empfindet, sollte aber bedenken, dass er die Chance hat, etwas, das ihm auf der Seele liegt, zu ordnen und Frieden zu finden, wieder frei sein wird für neue Herausforderungen, indem er Dinge hinter sich lassen kann. Seine Situation verschlechtert sich jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Er hat sich alles von der Seele geredet, Gelegenheit gehabt, sämtliche Argumente auf den Tisch zu legen. Eine Chance, die er oft nicht erhält. Auch wenn sich der beabsichtigte Erfolg nicht sofort einstellt, d. h. das Problem z. B. wegen Verweigerung anderer Menschen nicht gelöst wird, bleibt die Erfahrung mit der eigenen umfassenden Argumentation und die Chance, aus dieser Offenheit die richtigen Schlüsse für sich selbst zu ziehen und zu handeln.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski