Archiv für den Monat: Juli 2015

MARKTBESTIMMUNG (Teil 2)

Den konsolidierten Erwartungshaltungen einer philanthropischen Gesellschaft werden sich alle Produzenten auf Dauer nicht entziehen können, weil ein schrumpfender Nachfragemarkt für bestimmte Produkte besonders gepflegt werden muss und sich andererseits riesige Nachfragemärkte spezifisch im Dienstleistungsbereich auftun.

Dabei ergeben sich Vorteile aus einer Systematik wechselbezüglicher Verhaltensweisen auf dem Nachfragemarkt insoweit, als ein flexiblerer, selbstbewusster Markt in viel kürzeren Frequenzen als heute neue oder geänderte Produktnachfragen stimuliert. Die Bewegung wird von diesem bedarfsorientiert konfigurierten Nachfragemarkt statt von Anbietern ausgehen, die bisher selbst darauf angewiesen waren, auf dem Markt bestimmte Nachfrageerwartungen erst zu wecken, um sie anschließend zu bedienen. Insofern stellen die globalen Wettbewerbsverschiebungen für die Herstellung von Produkten und Dienstleistungen für unsere Gesellschaft eine günstige Herausforderung für neue Gestaltungsmöglichkeiten auf dem globalen Markt dar, und zwar bei gleichzeitiger Entlastung der Unternehmen von Produkten und Dienstleitungen, für die eine spezifische Nachfrage überhaupt nicht besteht, sondern mit hohem Kosteneinsatz erst geweckt werden kann.

Markt und Angebot müssen in diesem Sinne der Nachfrage folgen und nicht umgekehrt. Dies sollte grundsätzlich für den philanthropischen Markt gelten. Allerdings ist derzeit auf diesem Gebiet noch oft ein anderes Verhalten zu beobachten. Gemeinnützige Einrichtungen wie Stiftungen und Vereine bieten ihre Produkte an, weil sie, die Initiatoren oder Stifter, davon überzeugt sind, sich auf eine bestimmte Art und Weise in den gemeinnützigen Sektor einbringen zu wollen. Dies ist zwar ehrenhaft, aber nicht effektiv, geschweige denn marktorientiert. Schulwettbewerbe ohne spezifische Nachfrage sind genauso wenig Erfolg versprechend, wie z. B. die Gründung weiterer Aidshilfeeinrichtungen für Deutschland, ohne dass zunächst ein Bedarfsplan erstellt wird.

Anders verhält es sich dagegen zum Beispiel mit Altenpflegeeinrichtungen, wenn sie unter dem Eindruck der Alterspyramide hohe Nachfragewerte aufweisen. Die Konzentration und Bündelung der Kräfte einerseits ist angezeigt, andererseits aber vor allem eine Umkehr der Schubkraft gemeinnütziger Organisationen erforderlich. Statt einem, wenn auch sicher ehrenwerten, Betätigungsdrang nachzugeben, ist vor allem eine Marktanalyse vorzunehmen. Was will die Gesellschaft, was will der Bürger, welche Erwartungen an philanthropische Produkte werden gestellt? Diese Herausforderungen müssen durch philanthropische Unternehmen beantwortet werden, bevor sie sich einem spezifischen Aufgabenfeld zuwenden.

Traditionell bedienen die nur am Kapital orientierten, renditebewussten Unternehmen Marktanforderungen, die ihre Erwartungen auch befriedigen.

Gemeinnützige Unternehmen reagieren dagegen stets auf den Markt, und zwar unabhängig davon, in welcher prozentualen Dichte eine Nachfrage besteht und ob ihre Erwartungen auch bedient werden. Dies kann zwar einerseits eine Belastung im Ausgabenbereich, andererseits aber auch einen erheblichen Gewinn insofern darstellen, als der Markt diversifiziert und weiter ausgebaut werden kann. Der Markt erfährt damit eine wesentliche Stimulation, er erhält Impulse, die notwendig sein können, um gesellschaftliche Fähigkeiten weiter zu formen und auch individuell dem Zeitgeist entsprechen. Die entwickelte Gesellschaft wird einerseits effektiver sein, andererseits wesentlich innovationsfreudiger und mutiger als traditionelle Warengesellschaften.

Auf dem Markt werden sich traditionelle Produkte der Daseinsvorsorge mit solchen Produkten treffen, die philanthropische Unternehmen hervorbringen. Dies ist so gewollt und verstärkt den Kapitalwert, nützt also auch Produkten, die nicht primär dem philanthropischen Bereich zuzuordnen sind. Nicht der Abschottung oder der Abgrenzung wird hier das Wort geredet, sondern der Verstärkung sämtlicher Marktaktivitäten im Interesse der Gesellschaft und der Übertragung philanthropischer Tugenden in alle Bereiche wirtschaftlicher Betätigung.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

MARKTBESTIMMUNG (Teil 1)

Nicht nur die Märkte, sondern vor allem die Produktionsmechanik werden in baldiger Zukunft wesentlich von China und Indien bestimmt werden. Die Märkte sind diesen Produktionsaktivitäten aber nicht schutzlos ausgeliefert. Schutzlos würde bedeuten, die Erwartung zu wecken, man könne sich zum Schutz einheimischer Produktionsmöglichkeiten der Aktivitäten anderer Staaten und Völker durch Einfuhrbeschränkungen und Schutzzölle erwehren. Das funktioniert nicht. Gestaltbar ist aber der Absatzmarkt. Wenn die Gesellschaft beginnt, den Nachfragemarkt neu zu ordnen und ihre veränderten Erwartungen deutlich zu artikulieren, so wird der Produzent und Absatzmittler darauf reagieren müssen, wenn er sein Produkt auf dem Markt unterbringen will. So kann die Macht des Marktes neu definiert werden, indem der Produzent die Anforderungen an sein Produkt unter geänderten Gesichtspunkten zertifiziert:

  • Ressourcenverträglichkeit,
  • würdevolle Beschäftigungsverhältnisse,
  • integre Kalkulation,
  • umweltbewusste und    solide   Herstellungsverfahren,    Vertrieb    und    Absatzmittlung,
  • verbrauchergerechtes Verhalten      aller     in     der     Wertschöpfungskette verantwortlich handelnden Personen.

Unsere Gesellschaft muss diese Beschaffenheit einfordern und ist nicht schicksalsergeben den renditegesteuerten Marktdurchdringungsmechaniken und den ein Nachfragebedürfnis behauptenden Produzenten ausgeliefert. Die Gesellschaft schafft an und hat durch dieses Postulat entscheidend die Möglichkeit, auf das komplexe Herstellungs- und Vertriebsverfahren auf dem Markt bestimmend einzuwirken. Eine heterogene Gesellschaft hat zwar sicherlich unterschiedliche Wert- und Zielvorstellungen. Einigend wirkt sich aber die Erkenntnis aus, dass niemand von dem Trend oder der allgemeinen Entwicklung abgekoppelt sein möchte, sondern das Heft des Handelns in der Hand behalten, also den Ton angeben will. Die Gesellschaft kann daher neue attraktive Modelle für wirtschaftliche Entwicklungen schaffen, die geeignet sind, das Interesse heute noch skeptischer Investoren zu wecken und zu fördern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

BÜRGERGESELLSCHAFT

Zuweilen muss der Gebrauch des Begriffs der Zivil- bzw. Bürgergesellschaft heute als „Kampfbegriff“ derer bezeichnet werden, die unter diesem Mantel die Durchsetzung eigener Ansprüche erstreiten wollen, und solcher, denen dieses Schlagwort ausreicht, um uns einzuschläfern.

Eine Bürgergesellschaft gibt es in einem entwickelten Sinne noch nicht. Eine Bürgergesellschaft, die dieses Prädikat verdienen würde, müsste selbstbewusst ihre eigenen Politikentwürfe fertigen und diese den staatlichen Autoritäten zum Zwecke der Umsetzung andienen. Sie müsste auch, soweit dies machbar ist, umfassend in eigener und kollektiver Verantwortung philanthropische Einrichtungen entwickeln, die es ausschließen, eigene mögliche Handlungsoptionen wieder an den Staat zu delegieren und sich über Kürzungen von Steuern und Abgaben freizukaufen. Eine verantwortliche Gesellschaft kann eine Bürgergesellschaft darstellen. Eine Gesellschaft, die insgesamt gemeinwohlorientiert ist und erkennt, dass der Profit des Handelns nicht in erster Linie in der Gewinnmaximierung liegt, kann bestimmte bürgerliche Attribute aufweisen.

Der Staat als Körperschaft profitiert derzeit noch vom Delegationsprinzip – die anderen sollen es machen – und hat, soweit die Steuereinnahmen dies zulassen, gerne die Rolle des Lehr- und Zuchtmeisters beziehungsweise des Vertriebschefs staatlicher Leistungen inne. Die Bürger erkaufen sich durch steuerliche Abgaben so ihre Abhängigkeit vom Staat. Wie widersprüchlich dieses Verhalten ist, belegt der meist vom Bürger nicht wahrgenommene Umstand, dass der Staat eigentlich nur durch eine bürgerliche Willensentscheidung Bestand hat. Nur die Bereitschaft, gesellschaftlich maßgebliche Fragen selbst zu klären, lässt eine Bürgergesellschaft zu. Sie kann nicht als Nebengebilde ohne neue Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft existieren. Der Staat als Ordnungs- und Gestaltungsmacht, innenpolitisch wie   außenpolitisch,   ist   unverzichtbar. Der Staat mit seinem verfassten Rechtssystem ist ebenfalls unverzichtbar. Der Schutz des Menschen bleibt staatliche Aufgabe. Hierfür ist und wird Politik immer nötig sein. Eine neue Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft ist andererseits nötig, und zwar nicht zur Entlastung des Staates, sondern zur Aufgabenstärkung der Gesellschaft. Die prinzipiellen Lebensentwürfe müssen mitten aus der Gesellschaft kommen. Die Gesellschaft selbst muss überall unmittelbar aktiv werden, von der Krankenversorgung bis zur Ressourcenschonung und Umwelterhaltung, von der Bildung bis zur Pflege kultureller Einrichtungen. Der Staat hat diese Aufgabenteilung zu moderieren und gerät nun in die Rolle eines Umsetzungsbevollmächtigten des Bürgers.

Bürgerstiftungen sind schon heute ein Beispiel dieser Zukunftserwartung. Ihr zunehmend hoher Stellenwert in unserer Gesellschaft, die rasante Entwicklung ihrer Gründungen lässt das Verlangen der Bürger nach Selbstorganisation und Partizipation an gesellschaftlichen Aufgabenlösungen deutlich erkennen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

DER STAAT (Teil 2)

Die Subsidiarität staatlichen Handelns zwingt philanthropische Unternehmen andererseits, mit dafür zu sorgen, die Aufrechterhaltung des staatlichen Geschäftsbetriebs zu gewährleisten. Um dies zu erreichen, ist es erforderlich, Steuern und Abgaben auch dann zu zahlen, wenn dies im Rahmen einer Unternehmenssteuer für philanthropische Unternehmen bisher nicht erforderlich war. Da das Unternehmenskapital unantastbar sein soll und steuerliche Privilegierung erfährt, ist es unumgänglich, einen Teil der aus dem Kapital erwirtschafteten Erträge unmittelbar über die zuständigen Finanzämter an die jeweiligen Gebiets- und Staatshaushalte abzuführen. Dazu wäre es wünschenswert, dass der Staat selbst, wie jedes andere Unternehmen, zunächst seinen Haushalts- und Vorhabenplan veröffentlicht und den zu schaffenden Bürgergremien vorlegt, damit diese Gelegenheit haben, die Notwendigkeit der Ausgaben zu prüfen und sich bezüglich eigener Gestaltungsabsichten mit den staatlichen Einrichtungen abzugleichen.

Vom Staat sollten dieselbe Transparenz und betriebliche Effektivität gefordert werden, wie sie jedem anderen Unternehmen und Privathaushalten obliegen. Der Staat bleibt aber Wahrer des Richtungsentscheids durch Anerkennung philanthropischer Unternehmen sowie Dienstleister bei der Umsetzung ihrer Vorhaben. Er erfährt dadurch einen Zuwachs der Legitimationen und festigt seine Autorität als Garant einer auch philanthropischen Gesellschaftsstruktur.

Bei dieser Gelegenheit sollte angemahnt werden, dass Steuern und Abgaben in ihrem traditionellen Bedeutungssinne nicht mehr zu rechtfertigen sind. Der feudalistisch geprägte Staat hat vom Bürger genommen. Unserem Demokratieverständnis entspricht es eher, dass der Souverän, also der Bürger, der staatlichen Verwaltung das gibt, was diese zur Aufrechterhaltung der Ordnung benötigt.

Dieses Bürgeropfer verstärkt die Zuwendung des Souveräns gegenüber dem gewählten Vertreter, der Justiz und der Verwaltung. Niemand wird sich ihm entziehen, ohne Gefahr zu laufen, vor den anderen Bürgern bloß dazustehen, als einer, der nicht zu geben bereit ist, aber dennoch die Unterstützung des Staates in Anspruch nimmt. Das sinnhafte Geben wird andere anstiften, ihrerseits den erforderlichen Beitrag zu leisten, anstatt Schlupflöcher zu suchen und Abgabenvermeidungsstrategien zu ersinnen. Wer seinen Einsatz nicht erbringt, der darf nicht mitspielen. So sind üblicherweise die Regeln, die jeder Teilnehmer am Spiel des Lebens beherzigen muss.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

DER STAAT (Teil 1)

Träger philanthropischer Einrichtungen sind heute überwiegend Stiftungen. Neben der wohlbedachten Errungenschaft, dass Stiftungen der Vermögenssicherung dienen und selbst dem Stifter das Vermögen nach Stiftungsgründung nicht mehr verfügbar sein sollte, bilden steuerliche Anreize einen wesentlichen Grund für Stiftungsgründungen. Diese steuerliche Entlastung ist derzeit noch gerechtfertigt, da der Stifter, der sein Vermögen in eine gemeinnützige Stiftung gibt, Projekte verwirklicht, die der Allgemeinheit auch wieder zugute kommen, und zwar in der Regel ohne finanzielle Gegenleistungen.

Diese gesellschaftliche Transformation von Geld in Gemeinwohl wird es in einer entwickelten philanthropischen Gesellschaft in gleicher Weise geben, allerdings werden die steuerlichen Akzente anders zu setzen sein. In einer grundsätzlich dem Gemeinwohl verpflichteten Gesellschaft kann die steuerliche Privilegierung ansonsten dazu führen, dass der Staat finanziell völlig ausgezehrt wird. Das kann aber nicht gewünscht sein. Der unverzichtbare Anspruch jeder Gesellschaft auf die staatliche Gestaltungs-, Ordnungs- und Rechtsmacht muss realisierbar bleiben.

Philanthropische Einrichtungen können nur komplementär zu staatlichen Einrichtungen funktionieren, zuweilen im direkten Austausch und wünschenswert meist in der Subsidiarität staatlichen Handelns. Die Kernkompetenz des Staates selbst aber darf in einer philanthropischen Gesellschaft nicht außer Kraft gesetzt werden. Für den Staat bedeutet dies, dass die progressive steuerliche Entlastung des Stifters nicht mehr Gegenstand der Steuergesetzgebung sein muss, sondern im Gegenteil staatliche Einrichtungen denjenigen in privater, gemeinnütziger Trägerschaft gegenüberzustellen sind.

Der Staat, der sich aus vielen Bereichen der Daseinsvorsorge zurückziehen wird, benötigt dabei weniger Mittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und kann daher zur Abgabenentlastung der Bürger und seiner am Gemeinwohl orientierten Institutionen und Einrichtungen einen wesentlichen Beitrag erbringen. Die Konversion der Gesellschaft von einer solchen, die im Wesentlichen durch staatliche Fürsorge bestimmt ist, zu einer Gesellschaft, die auf Selbstorganisation und Verantwortung beruht, entlastet den Bürger von Ausgaben, die ihre Grundlage in staatlicher Autorität haben, aber keine fiskalische Rechtfertigung mehr in sich tragen, weil die zugrunde liegenden Aufgaben ebenso gut oder besser von philanthropischen Unternehmen bewältigt werden könnten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

PHILANTHROPIE UND MENSCH

Ein nahe liegender Einwand gegen die hier vorgestellten Ansichten könnte lauten: Es wäre zwar gut, wenn es eine philanthropische Gesellschaft gäbe, aber der Mensch ist noch nicht so weit oder kann das nie schaffen. Der Mensch sei, so wird behauptet, egoistisch und bequem. Des Weiteren verfüge er über ein großes Repertoire an Ausreden und Lügen, liebe die Spekulation und die Macht.

Es ist müßig, dagegen anzuargumentieren, entscheidend ist, aus den menschlichen Fehlern und Schwächen einen positiven Impuls abzuleiten und aufzuzeigen, dass der Mensch nebst seinem Drang, auch Gutes zu tun, gerade aufgrund der oben beschriebenen Eigenschaften wach, aufmerksam und im Sinne der Evaluierung eines Produktes konkurrenzfähig bleibt. Es ist unser gemeinsames Anliegen, den Dingen einen eigenen Wert zu verleihen, d. h. klarzustellen, dass gesellschaftliche Anerkennung nicht mehr primär nur über Geld erkauft werden kann, sondern durch eine besondere Art der gemeinnützigen Leistung im Verbund mit anderen Menschen. Dies schließt weder Individualität aus, noch ist eine Wertminderung impliziert, denn gerade diese selbstbewussten Eigenschaften werden gefordert und gefördert, um gemeinsame Projekte voranzubringen.

Der Mensch ist ein neugieriges und an Innovationen orientiertes Wesen und wird das Besondere der Eigenschaften philanthropischer Einrichtungen für sich als Chance der Erprobung neuer Formen der Erwerbstätigkeit und der Zukunftsplanung begreifen. Er erhält zusätzliche Möglichkeiten, sich erst noch entwickelnden Aufgaben zu stellen und zum eigenen Wohlergehen, wie auch dem anderer beizutragen. Vorteilssuche und Neid sind zwar nicht auszuschließen, aber das Beispiel der Vorbilder wird denen als Leistungsansporn dienen, die zunächst gewartet haben, ob es gelingt, auch weitere Menschen davon zu überzeugen, dass es einen anderen Weg der gesellschaftlichen Werterhaltung und Bereicherung als den der schonungslosen finanziellen Kapitalmaximierung gibt, nämlich die Schaffung des Zuwendungskapitals, eine Möglichkeit des Zuwenders, zusätzlich gesellschaftliche Anerkennung zu erfahren. Zu geben ist nicht nur gerecht, sondern schafft dem Gebenden auch die Genugtuung seiner Freiheit und Unabhängigkeit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

ARBEITSMARKT (Teil 3)

Die umfassende Ausbildung und Anwendung vorgenannter Grundsätze bietet dem Menschen die Möglichkeit, sich auf dem Arbeitsmarkt selbstbewusst zu erproben, wobei nicht nur Beschäftigungsdauer, festes Arbeitsverhältnis und Vergütung eine Rolle spielen, sondern auch Kompetenznachfrage und die Kongruenzbereitschaft mit dem Leistungsangebot. Dieses Arbeitsverhalten wird weit offener gestaltet, als wir es heute noch vorfinden, da es eine zeitliche Abgrenzung zwischen Erwerbsarbeit im mittleren Alter und bei alten Menschen nicht mehr geben sollte. Jeder arbeitet in seinen Kompetenzfeldern, solange er will und dazu fähig ist. Eine Altersveränderung findet nicht mehr statt, sondern jeder hat der Nachfrage entsprechend Anspruch auf Tätigkeit und Vergütung, abhängig vom Maß seiner Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft.

Das Maß der  Lebensarbeitsleistung wird dabei nicht dadurch bestimmt, dass ein Mensch Zahlungen an die Pensions- oder Rentenkasse erbringt, sondern durch Anleihen auf seine Altersarbeitszeit und ein selbstbestimmtes veränderungsorientiertes Erwerbsleben auch im Alter.

In vielen Unternehmen der Jetztzeit werden die vorgenannten oder ähnliche Verhaltensweisen von potenziellen Arbeitnehmern unter dem Aspekt der „Soft Skills“ nachgefragt. Dabei steht die soziale Integrationsfähigkeit des potenziellen Arbeitnehmers im Vordergrund. Entscheidend für Arbeitsverhältnisse im philanthropischen Bereich ist es, die Fähigkeit eines Arbeitnehmers so zu entwickeln, dass er für das Unternehmen mit entscheidende Impulse setzt, ohne dabei vordringlich eine besondere finanzielle Kompensation für richtiges, das Unternehmen stärkendes Verhalten zu fordern. Dies funktioniert nur dann, wenn eine besondere soziale Anerkennung inner- und außerhalb eines Betriebes für diese Leistungsbereitschaft eines Arbeitnehmers vorgesehen ist.

Ob sie Vorbilder sind oder nur in Bescheidenheit ihre Pflicht erfüllt haben, eine Auszeichnung der Mitarbeiter ist nötig als Ansporn und Wegweiser in eine solidarische Gesellschaft. Diese Anerkennung kann in der Form einer besonderen Partizipation am philanthropischen Unternehmen und deren medialer Kommunikation nach außen geschehen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

ARBEITSMARKT (Teil 2)

Etwas anderes gilt dann, wenn sich das Unternehmen selbst und die Erwartungshaltung des Unternehmens an den Arbeitsmarkt ändern. Philanthropische Unternehmen, die nicht vordringlich an der Abschöpfung des Mehrwerts an dem durch Menschen geschaffenen Produktionsergebnis selbst orientiert sind, haben eine veränderte Erwartungshaltung gegenüber ihren Mitarbeitern. Diese Mitarbeiter sollen selbst initiativ, flexibel, kybernetisch gebildet und integer, das heißt vertrauensbildend und sozial engagiert, sein. Sie kämpfen nicht in erster Linie nur um eine bessere Vergütung, sondern um eine sie ausfüllende berufliche Tätigkeit. Insofern individualisieren sie mit der Aufnahme ihrer Tätigkeit ihren Arbeitsplatz und müssen – wie in einem Orchester – ihr Instrument optimal spielen und sich gleichzeitig einfügen, sich dem Dirigenten unterordnen. Die so beschriebene Verhaltensweise sollte keinesfalls als liberalistisch bezeichnet werden und bedeutet auch nicht die Einführung von Basisdemokratie im Arbeitsleben. Menschlichkeit und Konsensorientierung sind verlässliche Elemente der Demokratie, jedoch erschwert die Form einer Vielzuständigkeit Produktionsabläufe und vernebelt Verantwortlichkeiten, anstatt sie zu stärken. Sie ist daher für eine Unternehmensführung nur als Leitbild passend.

Vordringlich bei der Gestaltung philanthropischer Arbeitsverhältnisse wirkt sich die Bereitschaft des Arbeitnehmers aus, sich mit allen Fähigkeiten einzubringen, das heißt eine Ausbildung zu durchlaufen, die es möglich macht, sich praktisch und theoretisch auf die neuen Herausforderungen eines philanthropischen Betriebes einzustellen. Neben der praktischen Ausbildung sind folgende Bereiche der theoretischen Vorgabe zum Zwecke der Erprobung unabdingbar:

  • Ethische Ausbildung: das heißt die Vermittlung und die Aufnahme von Fähigkeiten, die dazu erforderlich sind, sichere wertorientierte Beurteilungen vorzunehmen. Es gibt zwar keinen einheitlichen Wertemaßstab, jedoch allgemeingültige Anhaltspunkte des Handelns für alle Menschen. Das Hauptaugenmerk bei dieser Ausbildung ist darauf zu richten, dass der Mensch andere und sich selbst respektiert, durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Werteparametern lernt, eine Auswahl zu treffen, aus dem Gewählten seine persönliche Integrität formt und die Würde des anderen Menschen achtet, weil er bereit ist, auch sich selbst anzunehmen.
  • Seinserfassung: Darunter ist zu verstehen, dass der Mensch mit den Ressourcen seiner Betätigungsmöglichkeiten konfrontiert wird. Die Welt wird dem Menschen, sobald er geboren wird, anvertraut und ihm wieder entzogen, wenn er stirbt. Seine Erfahrung der allumfassenden Welt erlebt er insofern, als er Angebote erhält, sowohl mit Materie als auch mit Lebewesen umzugehen. Das Wissen um dieses Sein ist Voraussetzung für die Überwindung der Fremdheit und den sicheren Umgang mit Stoff und Kreatürlichem bei der Ausübung jeder spezifischen Tätigkeit.
  • Visionäre Bereitschaft: Der seiner selbst, der Kultur und der Natur bewusste Mensch darf sich der grenzenlosen Möglichkeit aller seiner Sinne öffnen, träumen und fantasieren. Der Wagemut und die völlige Ungebundenheit aller Empfindungen und Gedanken ist die Voraussetzung für einen ordnenden Sinn.

Im Rahmen des grundsätzlichen, aus der Integrität abgeleiteten Verständnisses ist der Kühnheit der Vorstellung keine Grenze gesetzt, da das, was unsere Möglichkeiten zu überschreiten scheint, nicht unzulässig ist, keine grundsätzlich in der Sache selbst begründete Begrenzung darstellt, sondern nur das „eben noch“ Fremde ist. Das Visionäre ist nicht das eigentlich Richtige, sondern ein Impuls, der entweder verworfen oder ausformuliert wird. Das Visionäre ist nicht deshalb besser, weil es den Rahmen der bisher bedachten Möglichkeiten sprengt, sondern weil es diese Möglichkeiten erweitert, Auswahl zulässt.

  • Soziale Kompetenz: Unter sozialer Kompetenz ist die Fähigkeit zu verstehen, sich in andere einzufühlen, andere Menschen wahrzunehmen, dabei deren physische, psychische und wirtschaftliche Möglichkeiten mit zu berücksichtigen. Die Ausbildung zur Empathie überschreitet die Grenzen des wechselseitigen Duldens durch Hinwendung mit dem Ziel nachhaltiger Fürsorge. Dabei sind nicht Gerechtigkeitsmaßstäbe und Anforderungsprofile Richtschnur für das eigene Verhalten, sondern die Bereitschaft zu geben, das heißt zu lernen, Zeit und Geld zu spenden und mit anderen die eigenen Fähigkeiten zu teilen.
  • Fachspezifische Ausbildung: das heißt die Erlangung hoher Kompetenz im angestrebten Tätigkeitsbereich, aber auch in wirtschaftlichen, kulturellen und naturwissenschaftlichen Bereichen. Wichtig ist dabei nicht die eindimensionale Ausbildung, sondern die Entwicklung von Fähigkeiten, in einer spezifischen Disziplin Besonderes zu leisten, aber an diesem Prozess auch andere Fachrichtungen teilhaftig werden zu lassen. Der interdisziplinär ausgebildete Mensch hat dabei eine Vorbildfunktion.
  • Ordnungskompetenz: Die Fähigkeiten eines vielfältig gebildeten Menschen bedürfen des Angebots einer ordnenden Struktur, die es ihm ermöglicht, seine komplexen Fähigkeiten zielgerichtet einzusetzen, zu verwalten und immer wieder zum Einsatz zu bringen.
  • Leistungsbereitschaft: das heißt, die Mobilisierung aller Kräfte und Fähigkeiten in Richtung des gesetzten Ziels, ohne dabei ständig darauf zu achten, nicht überholt zu werden oder nur unauffällig mitzumachen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

let´s start Griechenland

Griechenland verlässt den Euroraum. Griechenland wird daraus verdrängt. So lautet schlagwortartig das Fazit wechselseitiger Bemühungen zu vertuschen, was unvermeidbar ist oder scheint. Das ist allerdings eine Blamage für die beteiligten europäischen Staaten und die EU-Gruppe, aber auch für Griechenland. Es ist eine Blamage, sozusagen in einem letzten Aufbegehren durch eine Volksbefragung, die Verantwortung der griechischen Bevölkerung aufzubürden. Es ist auch eine Blamage zu glauben, einen Ausschluss Griechenlands aus dem Euroraum damit rechtfertigen zu können, dass in Griechenland eine Volksbefragung zu dem dürftigen Ergebnis der Verhandlungen durchgeführt worden ist. Aber, es ist gut so, dass nun ein Ende ist, zumindest ein vorläufiges.

In jedem Untergang liegt bekanntermaßen ein Neubeginn. Allein systemisch lässt sich dieser nicht herbeizaubern. Griechenland, davon bin ich überzeugt, wird eines Tages wie Phoenix aus der Asche steigen und auch ein Beispiel für eine eigene gesellschaftliche Erneuerung liefern. Das hat natürlich auch mit Geld zu tun, aber nicht nur mit Geld.

Deutschland hat sich von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts nur dadurch erholen können, dass jenseits aller finanziellen Planbarkeit die Menschen – ob in Betrieben oder in wirtschaftlicher als auch politischer Verantwortlichkeit an einem Strick gezogen haben, frei nach dem Motto: Wir wollen es schaffen, das Elend unserer verlorenen Kriege und das ungeheure Leid, welches wir über Europa und den Rest der Welt gebracht haben, aufzuarbeiten. Deutschland hat dies geschafft. Deutschland hat auch seine Wiedervereinigung geschafft. Deutschland hat viel geschafft, aber auch nur deshalb, weil andere mitgewirkt, geholfen haben. Diese anderen waren aber keine Oberschulmeister, sondern solche, die an Deutschland und seine Erneuerungskraft glaubten und nicht meinten, dass Geld allein die Welt regiere, die nicht glaubten, dass vor allem die Termine für Zinszahlungen wichtig seien, die nicht glaubten, mit Geld pressen und erpressen zu können.

Was ist das nur für ein Spiel? Einerseits platzen Finanzblasen, Milliarden sind angeblich vernichtet und schon nach kurzer Zeit ist das Jucken auf der Haut kaum mehr zu spüren. Es wird Geld gedruckt in rauen Mengen, Schuldverschreibungen ausgegeben und dennoch behauptet, dass Geld etwas wert sei. Rein finanztechnisch, so heißt es, sei Griechenland in Europa eine Nebensache, aber gleichwohl nehmen in den Verhandlungsrunden vor allem Besserwisser und Aufseher Platz. Jedem ist verständlich, dass nach Griechenland nicht weiter unendlich viel Geld gepumpt werden kann. Aber, man sollte die Griechen ernst nehmen, es ihnen überlassen, den Weg aus ihrer Krise zu finden, und zwar ganz egal wie ihr Plan aussieht.

Es ist falsch, sie bereits jetzt mit Zinszahlungen und Rückzahlungsverpflichtungen zu belasten, aber auch ein Schuldenschnitt ist nicht angesagt. Wir sollten den Griechen Gelegenheit geben, ihren Weg zu gehen, und zwar selbst dann, wenn es uns noch ein Paar Milliarden kosten sollte. Zu finanzieren wäre allerdings nicht der aktuelle Bedarf, sondern der Vorhabenplan selbst. Wir sollten beobachten, wie die Griechen in Würde und ohne Druck ihre eigenen Pläne umsetzen und wenn es weitere 5 bis 10 Jahre dauert. Bei einer Beteiligung Griechenlands am Bruttosozialprodukt Europas von gerade 2 % dürfte das ja nicht allzu schwierig sein. Was ist so schlimm am Stunden der Rückzahlung gewährter Kreditmittel?

Jetzt bekommen die Gläubiger bei einer Pleite Griechenlands gar nichts. Wenn sie allerdings gelassen in die Zukunft dieses Staates investieren, werden sie sehen, dass die Selbsterhaltungskraft eines Volkes viel stärker ist, als das eigene vertraute Misstrauen. Auch die Griechen könnten aus dieser Erfahrung lernen: Wer überzieht, hat Probleme, Maßlosigkeit verbraucht die Ressourcen und Freunde sind enorm wichtig. Man erreicht nie etwas, wenn man andere vor den Kopf stößt, diese beschuldigt, wegen des eigenen innenpolitischen Erfolgs, so kurz er auch sei. Das Prinzip ist so denkbar einfach und wird freudvoll angewandt: Benenne einen Feind oder Gegner, entweder im eigenen Haus oder außerhalb, und Du hast Freunde zumindest auf Zeit. Die Rechnung geht nicht auf und die Ernüchterung hinterlässt Betroffenheit als auch Ratlosigkeit.

Fazit: Willkommen Griechenland! It´s not over, let´s just start!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

ARBEITSMARKT (Teil 1)

Der Arbeitsmarkt orientiert sich an dem herzustellenden Produkt. Die frühe Produktionsgesellschaft war individualistisch geprägt. Die von Individuen bestimmte Erwerbsgesellschaft wurde erst modifiziert im Zeitalter der maschinell verfahrenden, seriellen Fertigung von Produkten. In patriarchalisch geführten Betrieben versuchte der Dienstherr, die Übersicht zu wahren und seinen Mitarbeitern Fürsorge angedeihen zu lassen. Das familiäre Prinzip war damit nicht durchbrochen.

Mit der Massenvergesellschaftung der Arbeit indessen war die Bindung auf Dauer nicht mehr möglich, sondern dem Kollektiv der Arbeiter wurden die Arbeitsabläufe vorgegeben, ohne dass es auf diese Strukturen noch irgendwelchen nennenswerten Einfluss gehabt hätte. Die Tätigkeit eines Fließbandarbeiters oder einer Fließbandarbeiterin ist dafür ein beredtes Beispiel. Die Gleichförmigkeit der Beschäftigung machte Arbeiter und Arbeiterinnen im Prinzip austauschbar.

Auch heute noch ist der arbeitende Mensch in der Regel kollektiv bestimmt, das heißt er stellt sich darauf ein, genormte Arbeitserwartungen erfüllen zu müssen. Für den Dienstherrn, der heute in der Regel weit weg von den Produktionsabläufen selbst seine Übersicht zu wahren sucht, bedeutet dies keine Einschränkung wirtschaftlicher Vorhaben, sondern Gestaltungssicherheit bei der Verfolgung der Unternehmensziele. Im Zuge dieses Transformationsprozesses haben sich nicht nur die Arbeiter von ihrer Arbeit entfremdet, sondern auch die Unternehmensführer von dem Produkt des Unternehmens.

„Shareholder“ und ihre Sachwalter sind heute vorwiegend renditeorientiert und nehmen die Gesellschaft und ihre gesellschaftliche Verantwortung, den Betrieb und dessen betriebliche Verantwortung nur im Rahmen der von Beratern konzipierten Betriebsverfassung und etwaiger Marketingstrategien wahr. Dabei herrscht kein böser Wille, sondern das Verhalten der Verantwortlichen   folgt der   bisherigen Erfahrung, dass betriebliche Abläufe zwar evaluiert, aber in ihrer Konfiguration nicht nachhaltig verändert werden können.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski