Eines der Topthemen unserer Zeit ist die Ungleichheit, die reale als auch die gefühlte. Auch die Vorstellungskraft erzeugt die Themen und die mediale Aufmerksamkeit schafft Überdruss, weil Ungleichheit in allen sozialen Zusammenhängen gebrandmarkt wird. Entsprechend medial wirksam sind dann auch die Apelle, die an diejenigen gerichtet sind, die tatsächlich oder auch scheinbar diese Ungleichheit zu verantworten haben. Die Schlagworte reichen von der Würde des Menschen bis zur Armut.
Selbst, wenn alles richtig ist und alles gesagt wird, erreicht keiner dieser Appelle seine Wirkung, d. h. einen gesellschaftlichen Plan zu beschließen, der, so vorläufig er auch sein mag, geeignet ist, zur Chancenverbesserung der Menschen in unserer Gesellschaft beizutragen. Es wird medial und politisch vielmehr oft abgehoben auf das Gefühl derjenigen, die abgekoppelt seien, die keine Chance hätten und daher in dieser Gesellschaft in das Abseits gerieten.
Bei dieser Betrachtung wird verkannt, dass diese persönlichen Umstände zwar bei Menschen vorliegen können, aber unsere Gesellschaft wesentlich selbst dazu beiträgt, dass diese Vorstellung emotional übertrieben wird. Ein in der Gesellschaft unterforderten Mensch fühlt sich bald überfordert und empfindet es als Zumutung, dass Zuwendungen seitens der Gesellschaft nicht umsonst zu bekommen sind. Die soziale Anerkennung ist aber ohne eigenes Engagement nicht denkbar. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille ist es, die äußeren Umstände strukturell so zu verändern, dass der Ehrgeiz des Menschen in unserer Gesellschaft entfacht wird, sein Leben in den Griff zu bekommen. Dabei reicht es nicht aus, auf die augenblickliche Situation abzuheben und sich darüber zu entrüsten, dass die Reichen immer reicher würden und die Entkopplung von Vermögen und Einkommen sich ereignete. Das ist wohl so, aber eine rein moralische Betrachtung dieser Verhältnisse ist gesellschaftlich sinnlos. Durch Ermahnungen kann man bei Menschen kaum etwas erreichen, aber durch Vorbilder und Veränderungen von Umständen, die zur Einsicht führen, dass es besser ist, die eigene Einstellung zu verändern und neue Wege zu gehen. Aus meiner Sicht ist das Kreislaufsystem von Einkommen und Vermögen in unserer Gesellschaft gestört. Dies deshalb, weil wir noch heute einem völlig antiquierten Eigentums- und Erbschaftsbegriff pflegen. Nun kann man zwar sagen, dass nicht alles falsch war, was früher einmal gedacht wurde, es ist aber nicht so absolut richtig, dass es heute nicht auf dem Prüfstand gestellt werden dürfte. Das gilt insbesondere für das Erbrecht.
Eigentum ist lebzeitig. Der tote Mensch hat keine Taschen, in denen er sein Eigentum vergraben könnte. Mit dem Tod verliert der Mensch sein Eigentum und es wächst nach der bei uns geltenden Rechtsordnung seinem Erben zu. Aber, warum ist es so und warum soll es so auf Dauer sein? Unser Erbrecht, welches sich unter anderem aus dem römischen Pandektenrecht entwickelt hat und vielfach Ausdruck gefunden hat auch im fidaikommis und andere Rechtsinstitutionen überdauerte, sah es aufgrund der konkreteren historischen Situationen als erforderlich an, dass zur Erhaltung der Familienstämme Vermögen weitergereicht werden. In einer eher vom Bauerntum geprägten Gesellschaft machte dies durchaus Sinn, führte aber bereits im Zuge der Industrialisierung zu Verwerfungen und ist heute ein groteskes Überbleibsel aus vergangener Zeit. In einer mobilen Leistungsgesellschaft in der es auf Besitzstandwahrung eigentlich überhaupt nicht mehr ankommt, schafft das Anhäufen von Vermögen um des Vermögens willen zwar Geld, Macht und Einfluss, aber entkleidet sich völlig des historischen Sinns.
Es gäbe nun die Möglichkeit, Erbschaften so drastisch zu besteuern, dass der Staat davon profitiert und eine Umverteilung vornimmt. Das ist hier die schlechtere Möglichkeit, denn jede Form der Umverteilung macht denjenigen, der eine Zuteilung erfährt, abhängig von der gebenden Hand. Sinnvoller ist es, die Stellung gemeinnütziger Einrichtungen im Bildungs-, Sozial- und Arbeitsbereich neu zu justieren und dafür zu sorgen, dass dorthin Vermögen nicht nur abfließen kann, sondern auch abfließen muss, um Leistungsanreize für andere zu schaffen, sich zu engagieren, seien dies Stiftungen, Genossenschaften oder andere hybride philanthropisch/ wirtschaftliche Organisationen. Das würde auch zur Erstarkung des bürgerlichen Engagements im Pflege- und im Lifestylebereich und auch in anderen Einrichtungen wie einer Mehrgenerationenbank führen, um neue gesellschaftliche Assets jenseits des Geldes zu schaffen. Sicher noch ein weiter Weg, aber provokant muss gedacht werden, um das Vermögenserhaltungsflegma zu überwinden.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski