Archiv für den Monat: Februar 2017

Haltung

Es ist ein großes Rätselraten im Gange. Wie geht man mit dem neuen US-Präsidenten um? Ich habe bis heute kaum eine Meinung gehört, die nicht opportunistisch klang. Wir müssen erst einmal abwarten, schauen, was er vorhat und dann darauf flexibel reagieren.

Bullshit! Das eigene integre Verhalten sollte Maßstab für unsere Antwort auf diesen amerikanischen Präsidenten sein. Was macht es schon aus, wenn wir wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssten, aber dafür auch unsere Würde bewahren. Wie bei Kleinkindern reagiert dieser Präsident auch nur auf Grenzen, die ihm gesetzt werden. Er übertritt sie dann, wenn wir es mit den Grenzen nicht ernst nehmen, sondern diese als seine Dispositionsmasse begreifen.

Wir müssen unsere eigene Policy in Europa entwickeln und unsere Gedanken und Fähigkeiten anbieten, anstatt uns abzureagieren an den Vereinigten Staaten. Anfang der 80er Jahre las ich von Ayn Rand „Der ewige Quell“. Dem Vernehmen nach erlebt dieses Buch, das 1943 erschienen ist, in den USA seit der Regentschaft des Präsidenten Trump wieder eine Renaissance. Kein Wunder, denn, wie „Atlas wirft die Welt ab“, einem weiteren Roman von Ayn Rand, vermittelt „Der ewige Quell“ die simple Erkenntnis, dass der Erfolgreiche recht hat. Es steht ihm alles zur Verfügung, um sein Ego zu verwirklichen. Donald Trump hat einmal von sich behauptet, er habe kein Buch zu Ende gelesen. Das ist glaubwürdig, denn „Der ewige Quell“ umfasst ca. 1.000 engbedruckte Seiten. Wenn er nichts von Ayn Rand gelesen hat, so genügt ihm doch die Quintessenz des Buches bzw. die Quintessenz eines bestimmten Lebensgefühls, um zu begreifen, dass er damit durchkommt, wenn er nur eindeutig, zielbewusst und skrupellos genug ist.

Das müssen wir Europäer nicht verstehen, wir müssen diese suggestive menschenverachtende Ideologie aber auch nicht tolerieren. Trump ist für eine Elite in den USA erfunden worden. Er entspringt „the Fountainhead“ und die Vernachlässigten, die beschworenen Bürger im Mittleren Westen, die ihn gewählt haben, sind nur das Strohfeuer seines Erfolgs.

Puff! Sie sind weg und er kann sich um das Eigentliche kümmern: seine Deals. Wir müssen das erkennen und ihn hindern, Menschen hier mit seiner Krankheit anzustecken. Dabei meine ich nicht nur die Hartz IV-Empfänger, zu kurz Gekommenen und Abgehängten, sondern auch die sogenannten Eliten in Europa, die es ebenfalls schön finden, erfolgreich und skrupellos zu sein. Schade, dass die sogenannten einfachen Menschen den Eliten gern auf den Leim gehen, ganz egal, ob er rechts oder links herumgerührt wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

 

Worte

Wir stehen unter erheblichem Lieferdruck. Zwei Mal in der Woche soll ein neuer Blogbeitrag erscheinen. So habe ich es mit Frau Klame verabredet. Gedanken und Gefühle, die auf Vorkommnisse reagieren. Darüber will ich schreiben, den Prozess und die Wirkung erläutern. Ich greife zum Diktiergerät und lege los. Ich weiß, es wird sich ein Wort zum anderen fügen und schließlich etwas entstehen, das ich selbst mit Verwunderung lesen werden. Das soll ich geschrieben haben?

Schon möglich, denn als aufmerksamer Mensch bleibt mir nicht alles verborgen, vieles wird mir erzählt und manches lese ich nach. Die eigenen Überlegungen mit einzuarbeiten, gelingt mir desto besser, je mehr ich mich gedanklich schon von dem Anstifter meiner Wahrnehmungen entfernt und befreit habe. Ich leugne nicht, dass es mir Spaß macht, nach einem Blatt Papier zu greifen, mich dann zu konzentrieren und Ideen zu Themen zu entwickeln, über die ich schreiben könnte. Wenn ich sie nicht aufschreibe, vergesse ich sie wieder, vertraue aber darauf, dass die Gedanken mich schon nachhaltig genug plagen würden, um irgendwann dann doch wieder zu erscheinen.

Jeder Blogbeitrag ist eine Minigeburt und diese Minischöpfung entsteht erst dadurch, dass meine Mitarbeiterin Frau Gerlach diese zu Papier bringt, geduldig die Korrekturprozesse begleitet, meine Handschrift zu entziffern vermag und schließlich auch noch meine Frau gegenliest, bevor Frau Klame übernimmt und in den Blog einpflegt. Auf einen Resonanzraum habe ich bewusst verzichtet.

Ist der Blog im Internet angekommen, ist er bei mir weg. Ich weiß über den Provider, dass sehr viele die Beiträge anklicken und oft erstaunlich lange verweilen. Aber, es sind nur Worte. Sie bewegen nichts, weil es offenbar nicht gelingt, die Medien so zu nutzen, dass sie als Transmitter für Respekt, Menschenrechte und Zuneigung dienen. Manche Menschen können auch durch Twittern verstören, aber durch Worte allein wird nichts bewegt, wenn der Resonanzraum zu klein ist. Ich muss nachdenken, ob es sinnvoll ist, Worte zu verbreiten, die Tausende zwar regelmäßig Woche für Woche lesen, aber deren Sinn offenbar allein darin besteht, nichts zu bewirken.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Das Eigentliche

Uns geht es gut. Das sagen viele, die Wirtschaft, die Berater und die Ärzte. Die Wirtschaft brummt. Wir haben weitaus weniger Flüchtlinge als erwartet und fast alle haben ein Dach über dem Kopf. Es gibt Elterngeld, Hartz IV, Rente und Krankenversicherung.

Aber, wir Deutschen sind unzufrieden. Wir sind davon überzeugt, dass wir besonders viel verlieren, aufgeben müssen. Ob und wann das passiert, weiß niemand, aber die Befürchtung macht uns argwöhnisch. Grund zum Optimismus besteht nicht. Was halten wir denn für lebenswert? Geld? Die Arbeit? Kinder? Freizeit? Reisen? Essen? Kommunikation? Wahrscheinlich alles ein bisschen. Das macht uns aber nicht glücklich.

Wir leben nicht und schauen auch nicht erwartungsvoll auf die nächste Herausforderung, sondern fürchten uns gerade vor dieser. Würde man das Eigentliche, also für das Leben Unverzichtbare, benennen, könnten dabei Müßiggang, Lernfähigkeit, Ausgeglichenheit und Zuwendung eine Rolle spielen. Doch diese sind nicht nur begrifflich, sondern auch inhaltlich unerwünscht. Die Angst dominiert das Eigentliche. Doch wer keine Angst hat, sich zu verlieren, der wird sich finden.

Wer aber Angst hat, etwas zu verlieren, begreift das Eigentliche nur als persönliche Absicherung. Ihn begleiten Routine und Langeweile. Chancen ergreift er nicht. Er wird sich selbst fremd und anderen auch. Soweit muss es aber nicht kommen, wir müssen nur die Kraft in uns selbst und unseren Vorbildern suchen und die Chancen, die jede auch unerwartete Situation in unserem Leben bietet, furchtlos nutzen.

„Wow“, dann sind wir die Sieger!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Selbstheilung

Wenn mir zum Beispiel mein Bein wehtut, so besuche ich es. Ich unternehme eine Reise dorthin, stelle Fragen, woher der Schmerz kommt und erfahre dabei, dass nicht das Bein den Schmerz verursacht hat, sondern mein Rücken. Aha! Dann unternehme ich eine Reise zu meiner Wirbelsäule. Nach einem kurzen Gespräch bestätigt diese die Verursachung, weist allerdings darauf hin, dass sie eigentlich auch nicht alleine verantwortlich sei, sondern ich mir einmal Gedanken darüber machen müsste, woher denn die auslösenden Impulse kämen.

Ganz ratlos bin ich da nicht, denn ich weiß genau, dass ich mich bei der Arbeit verausgabt und zu wenig Sport getrieben habe. Die Anspannung bei den Lunch-Terminen mit Anderen, das soziale Gerede bis tief in die Nacht, der Alkohol und der wenige Schlaf. Alle das wird mir bewusst. Also verhandele ich mit meinem Rücken und überzeuge ihn davon, mir noch einmal eine Chance zu geben, wenn ich meinerseits bereit bin, wieder mehr Sport zu treiben und mich gesünder zu ernähren, mehr auf meine Balance zu achten und fröhlicher zu leben.

Versprochen? Versprochen! Das Gespräch mit dem Rücken bewirkt Wunder. Die Schmerzen im Bein klingen ab. Was mit dem Bein gelingt, gelingt fast mit allem, wenn man seine Selbstheilungskräfte nicht unterschätzt und versucht, sich an getroffene Vereinbarungen mit sich selbst zu halten. Was im physischen Bereich möglich ist, gelingt auch in anderen Bereichen, soweit wir ein Erkenntnisinteresse haben. Erkenne dich selbst.

Wer kennt nicht diesen fast anmaßend klingenden Imperativ. Sich aber darum zu bemühen, Verhaltensweise, Einstellungen und Handlungen bei sich selbst zu erkennen, trägt dazu bei, sein eigener Souverän zu werden. Es ist möglich, seine Gedanken und Gefühle zu besuchen und ihre Plausibilität zu überprüfen. Wir wissen, dass jede Gemeinheit krankmacht. Vielleicht nicht sofort und vielleicht ist der Schmerz erst später spürbar, aber dort, wo Selbstheilungskräfte wirken können, schaffen sie Vernunft statt Sturheit, Gefühle statt hemmungsloser Emotionalität, Zuneigung statt Ichverliebtheit. Reisen kann ich in die Vergangenheit, aber auch in die Zukunft. Ich kann schon jetzt sehen, was sein wird, denn alle Informationen sind bereits in mir angelegt. Wenn ich mich darauf einlassen will, sehe ich das Eigentliche.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Mutwillen

Auch, wenn wir es oft beschreiben und analysieren, ganz verstehen wir nicht, warum andere ihren Mutwillen mit uns treiben. Da sind Politiker wie Putin, Trump und Erdogan, da sind aber auch schikanöse Behörden, Betriebsinhaber, Milizen oder Jugendgangs. Wir wissen, was sie tun, wir analysieren ihre Taten und finden irgendwelche Begründungen. Aber, warum sie es wirklich tun, erfahren wir nicht.

Natürlich geht es um Macht, die irrationale Lust, andere zu quälen und sich auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen. Damit ist allerdings noch nicht alles gesagt. Es gibt auch einen ganz rationalen Hintergrund für dieses Verhalten, und zwar:  Nur der Erfolg zählt. Die Peiniger auf allen Gebieten leben ausschließlich von dem Echo ihrer Taten. Werden diese mehrheitlich wahrgenommen, dann gibt dieser Erfolg ihnen recht, und zwar selbst dann, wenn ihre Taten frevelhaft, ungeheuer oder zumindest fragwürdig erscheinen könnten.

Der Peiniger kann sich allerdings auf die bleibende Anerkennung seiner Zumutungen nicht verlassen, dies wird deutlich, wenn man sich die Rechtfertigungen aller schon gewesenen Bösewichter vor Augen hält. Besonders einprägsam war einer der letzten Aussprüche des abgesetzten Stasichefs Mielke vor dem DDR-Abgeordnetenhaus: „Ich liebe Euch doch alle!“ Die Chancen der Schwachen, Unterdrückten und Gedemütigten stehen dann nicht schlecht, wenn sie Erfolg haben. Vençeremus! Ob es dann auch wieder Unrecht ist, kann dahingestellt bleiben. Der Erfolg zählt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Plan

Unsere Lebensplanung ist eindeutig: höher, schneller, weiter. Wenn uns dies nicht gelingt, dann kennen wir sicher einen Schuldigen, der das verhindert hat. Wir selbst sind es nicht. Mit Sicherheit. Um Schuld überhaupt nicht erst aufkommen zu lassen, stellen wir Ansprüche an die Gesellschaft.

Mit anderen Worten: Unser verfehlter Lebensplan muss mit Geld und Zuwendungen Anderer repariert werden. Die Masse bestimmt. Gibt es viele, deren Lebensplan nicht aufgeht bzw. wenn der Versuch schon unterblieb, Pläne zu schmieden und diese umzusetzen, ist das Ergebnis auch in Ordnung. Menschen, deren Plan aufgegangen ist, werden sich kümmern. Denn hier bringt das Kümmern Vorteile und Geld. Planlosigkeit, Scheitern und Anspruchsstellung sind sozial durchaus anerkannt.

Diejenigen, die Pläne haben und bereit sind, diese umzusetzen, zum Beispiel Fußballspieler, Start-Up-Unternehmen – insbesondere im digitalen Bereich – Schauspieler und Sänger haben ebenfalls Chancen auf Anerkennung durch andere Menschen.

Wie verhält es sich aber mit der sozialen Anerkennung derjenigen, die nichts Großes vorhaben, aber auch von der Planlosigkeit nicht leben wollen? Sie haben Pech gehabt. Dagegen revoltieren sie zwar insgeheim ihr ganzes Leben, stellen dann aber am Ende resigniert fest, dass sie brav Kinder in die Welt gesetzt, Steuern bezahlt, ihren Verpflichtungen nachgekommen und ihrem jeweiligen Unternehmen treu gedient haben.

Eigentlich sind sie die Wichtigsten, weil sie die planvolle Planlosigkeit der einen und die Pläne der anderen befördert haben, aber von beidem nicht profitierten. Ich stelle mir vor, dass sie am Lebensende ihre Pläne überdenken und die Defizite feststellen könnten. Dann ist es aber vermutlich zu spät, etwas zu ändern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Unruhestifter

Bei Unruhestiftern holen die meisten Menschen die Polizei. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. So artikuliert sich die althergebrachte Grundeinstellung in unserer Gesellschaft, die immer noch einen großen Resonanzraum hat. Die meisten Bürger verhalten sich ruhig und angepasst. Damit eröffnen sie anderen Bürgern die Möglichkeit, sich selbst darzustellen und ihre Machtgelüste zu pflegen. Die meine ich aber nicht.

Die Lauten und die Leisen sind Vorder- und Rückseite derselben Medaille. Sie unterscheiden sich nur in ihren Vorlieben, was Sicherheit und Unauffälligkeit bzw. anmaßende Präsenz anbetrifft. Unruhestifter sind aber diejenigen, die ausbrechen aus der berechenbaren Rollenverteilung, Notwendigkeiten für ihr Verhalten sehen, aber auch Lust daran haben, durch ihre Provokationen gesellschaftliche Debatten in Gang zu setzen.

Ein Unruhestifter ist nicht auf den Augenblickerfolg, sondern, wie das Wort „stiften“ impliziert, darauf aus, ein Signal zu senden, dass jetzt und in der Zukunft wirkt. Auch der Unruhestifter hat ein Projekt im Visier, das Unruhe schafft und andere Bürger dazu bewegen kann, sich mit diesem auseinanderzusetzen. Der Unruhestifter rechnet zwar auch, aber nicht unbedingt mit Zustimmung. Zustimmung ist ohnehin eher eine Zukunftserwartung.

Im Zeitpunkt seines Impulses ist der Unruhestifter vielmehr meist sehr allein und auf sich gestellt. Erst allmählich werden durch die entfachte Unruhe gestaltende Kräfte frei, die eine Wirkung auf unsere Gesellschaft haben können. Unruhestifter sind nicht willkommen. Sie stören oft die jeweils augenblicklich vorherrschende Ordnung und tangieren die Interessen der Daseinsverwalter, ob in Kultur, Politik, Religion oder Lebensstil.

Unruhestifter zwingen nicht nur den Einzelnen, sondern Gruppen, sogar die ganze Gesellschaft, sich mit etwas auseinanderzusetzen, dass Änderungen schaffen kann, sei es in persönlichen Beziehungen oder allgemeingesellschaftlich. Bei Veränderungen weiß man aber nie ganz genau, was dabei herauskommt. Wie bei einem Knallbonbon ist dabei gerade die Überraschung das Aufregende. Deshalb sollten wir froh sein, über jeden Unruhestifter, der uns mitnimmt auf seinem Aufbruch in die Zukunft.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Selbstentfremdung

Wer bin ich und wenn ja, wie viele? So lässt der Philosoph Richard David Precht uns fragen. Wie sollen wir diese Frage aber beantworten, wenn wir überhaupt nicht wissen, wer wir sind? Wer wir sind, das wird uns gesagt. Wir sind Mensch, wir sind Kind, wir sind Frau, wir sind Mann, wir sind schwul, wir sind lesbisch, wir sind queer, wir sind transsexuell, wir sind ordentlich, wir sind unordentlich, wir sind hässlich, wir sind schön und vieles mehr.

Wir empfinden uns aber auch, denken uns aus, wer wir sind. Wir haben Vorstellungen von uns, allerdings wissen wir nicht, ob diese kongruent zu unserem tatsächlichen Wesen sind und dem Bild entsprechen, das andere von uns haben. Bei `Hans vom Glück´ im „Traum vom Titelhelden“ habe ich gelesen, dass hinter jedem seiner Ichs, ein anderes Ich auf der Lauer läge. Wie soll man sich da noch mit sich selbst auskennen?

Am besten gar nicht. Man muss nicht nur ein Ich haben, um zu sein, sondern gerade die Vielfältigkeit schafft einen aufgeschlossenen, empfangsbereiten Menschen. Sollen doch alle Ichs miteinander den großen Coup planen oder miteinander im Clinch liegen. Jede Reiberei befeuert die Möglichkeit, sich zu entdecken, zu lernen und Erfahrungen zu sammeln mit den von außen zugedachten Attributen und den eigenen Wahrnehmungen. Manche Menschen sagen, wenn sie von sich sprechen: „meine Wenigkeit“. Da entgegne ich: „deine Vielfalt“.

Die Größe des Menschen entsteht aus seiner Vielfalt, der Fähigkeit, sich auszuhalten und zu entdecken, indem er sich von der Fußzehe bis zu den Ohren durcheilt, seine Organe, sein Herz und seine Seele und natürlich auch sein Gehirn kennenlernt. Vielfalt versetzt den Menschen in die Lage, sich in andere einzufinden, weil nicht nur ein Muster stimmt. Sich in Andere hineinzuversetzen, dient auch der Selbstvergewisserung, verschafft die Möglichkeit, sich auszubilden und weiter zu hungern und zu dürsten nach noch mehr Erfahrung mit sich selbst.

Der neugierige Mensch wird uralt, aber er bleibt gesund. Er geht freudig und optimistisch mit seinen nicht versiegenden Möglichkeiten der eigenen Erfahrung um. Kommt eines seiner Ichs einmal in Bedrängnis, so hilft das andere Ich ihm sicher wieder aus der Patsche.

Solidarität und Verantwortung, Neugierde und Liebe, das wird dem vielfältigen Menschen stets zuteil werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Surrealismus

Der Surrealismus passt ganz recht zu unserer Zeit. Er war und ist auch noch ein kultureller Kampfbegriff, der allerdings in der Vergangenheit mehr mit der Kunst, als mit dem Leben identifiziert wurde. Das hat sich geändert. Noch erscheint uns vieles real, obwohl wir ahnen, dass hinter dieser Realität eine Art Hyperrealität auf der Lauer liegt, die uns jederzeit unsere Wahrnehmung der Welt, seiner handelnden Personen und Umstände in Frage stellen kann. Wir können auf unser eigenes Urteil genauso wenig mehr vertrauen, wie auf das Urteil anderer, seien diese Politiker, Theologen oder Philosophen. Es zählt der Augenblick, die momentane Einschätzung, die allerdings ebenfalls illusionär sein kann.

Keiner weiß genau, ob die Grundlagen der Einschätzung noch stimmen. In der surrealen Welt ist vieles möglich, dem Traum und der Absurdität verwandt. Das Schöne steht neben dem Schrecklichen, der Nihilismus neben dem Ordnungssinn. Es ist eine Welt der Überraschungen und der Geheimnisse des falschen Strebens und der unerwarteten Erfüllung.

In der surrealen Welt sind alle Handelnden nur vorläufig gemeint, ablösbar jederzeit durch Umstände, deren Ursachen in hypothetischen Annahmen, im realen oder im virtuellen Raum liegen. In der surrealen Welt handeln wir, haben aber keinen Anspruch auf die Folgen unseres Handelns. In der surrealen Welt machen wir Erfahrungen, ohne dass wir daraus einen Wert ableiten dürfen und in der surrealen Welt entkleidet sich unser Leben irgendeines Sinnes, der über den Augenblick der Wahrnehmung hinausweist. It´s cinema, enjoy!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski