Archiv für den Monat: März 2017

Minderheiten

Minderheiten beugen sich den Mehrheiten. In demokratisch verfassten Staaten bestimmen in der Regel Mehrheiten, wer wie regiert. Mehrheitlich gefasste Beschlüsse sind auch für Minderheiten bindend, so nehmen wir den politischen Raum wahr.

Wir wissen aber, dass es nicht stimmt. Bei der letzten Wahl in den USA wurde nicht Donald Trump, sondern Hillary Clinton von der Mehrheit der Wahlberechtigten in den USA gewählt. Der Unterschied von 3 Mio. Stimmen dürfte dabei schon relevant sein. Mehrheiten werden aber auch dadurch erzeugt, dass man sie in einen kreativen Prozess der Desinformation schafft oder sie selbst dann behauptet, wenn sie überhaupt keine sind.

Würden wir den Begriff der Mehrheit einer eingehenden Prüfung unterziehen, würden wir schnell feststellen, dass es keine Mehrheiten gibt, die in einen klar abgegrenzten Widerspruch zu Minderheiten stehen, sondern Mehrheiten eine Momentaufnahme darstellen und sich so nur temporär abgrenzen von Minderheiten. Die sogenannte Minderheit ist also stets potentielle Mehrheit, je nach Augenblicksbetrachtung. Hätte man in England zwei Monate später nach der Abstimmung über den Brexit erneut abstimmen lassen, wäre möglicherweise eine Mehrheit für den Brexit überhaupt nicht zustande gekommen.

So geschieht es auch mit allen Wahlen oder Beschlüssen. Sie sind rein situativ und die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen entspricht ausschließlich dem Bedürfnis, die Unsicherheit hinsichtlich der Richtigkeit einer Entscheidung nicht auf die Spitze zu treiben. Da Mehrheiten nie nachhaltig sind, haftet mehrheitlich getroffenen Entscheidungen oft etwas Unerbittliches an, um die fehlende Zustimmung der Minderheit zu kaschieren.

Statt dessen sollte die Mehrheitsentscheidung die Entscheidung der Minderheit mitbedenken, denn nur so kann sie sich gegen den verdächtigen Zufall absichern. Nur im formellen Konsens lässt die Toleranz der Minderheit eine Mehrheitsentscheidung gelten. Ist die Minderheit nicht bedacht, drängt sie auf Revision und wartet nur auf eine sich bietende Möglichkeit. So wird aus der Rivalität ein sich perpetuierender Stillstand oder Chaos geschaffen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Heidegger

Die Gedanken dieses Titans der Philosophie übersteigen selbstverständlich mein bescheidenes Beurteilungsvermögen. Ich will mich daher auch nicht, um meine Unfähigkeiten zu kaschieren, an seinem Antisemitismus und seiner potentiell völkischen Gesinnung abarbeiten. Er war unbestreitbar ein großer Denker und hat der Philosophie Wunder der Wahrnehmung beschert.

Sein phänomenologischer Ansatz das Sein vom Seienden her sozusagen als triviales Grunderlebnis zu beschreiben und dabei einen Wahrnehmungskosmos zu eröffnen, ist wahrlich „herzbebend“. Ich weiß aber nicht, ob die Aufgabe des Idealen aus der Sicht seines Lehrmeisters Husserl ihn Seinswahrnehmungen erfahren lässt, die man insgesamt als komplett bezeichnen sollte.

Wenn das „Zuhandene“ zerbricht und damit das bloße „Vorhandensein“ verdeutlich, beginnt doch der „Seiende“ sofort wieder damit, das „Zuhandensein“ zu komplettieren und es nicht beim Zustand des „Vorhandenseins“ zu belassen. Unser Bewusstsein gibt sich als Gegenstand des Gebrauchs erst dann geschlagenen, wenn nichts mehr zu machen ist. Anderenfalls komplettiert unser Bewusstsein stets Vorhandenes und schafft dadurch wieder Gebräuchliches.

Diese perpetuelle Sinnschaffung ist nicht in Dingen an sich begründet, sondern in uns. Selbst wenn wir scheitern sollten, sehen wir bei Dingen des Gebrauchs mehr als das Vorhandene. Die Vorstellung dominiert letztlich doch das Sein, zumindest aus unserer Sicht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Abstiegsangst

Im öffentlichen Raum ist in jüngster Zeit besonders oft von Abstiegsängsten die Rede, von Menschen, die abgekoppelt werden und deren Sorgen man nicht ernst nähme. Diese Begrifflichkeiten sind nicht die Erfindungen derjenigen, die es betreffen könnte, sondern die Wortwahl derjenigen, die hieraus politisches Kapital schlagen wollen. Sei´s drum. Populisten haben stets Konjunktur und diejenigen, die verstehen wollen, worum es geht, sind eher selten.

Ängste, also auch Abstiegsängste, sind begreifbar, weil sie zu unserer vernünftigen menschlichen Grundausstattung gehören. Auch diejenigen, die Abstiegsängste haben, sind nicht abgehängte und sorgengeplagte Menschen, sondern solche, die ein Gespür dafür haben, dass das Vorhandene nicht ewig währt. Sie stemmen sich zum einen gegen die Erkenntnis, zum anderen aber vertrauen sie sich der Masse an, um ein Mittel zu finden, ihre Ängste zu dämpfen.

Menschen, die von Abstiegsängsten sprechen, haben trotz geordneten Lebens und Arbeit ihren Zukunftsoptimismus verloren. Mag auch der sichere Arbeitsplatz für sie noch bestehen, verlieren sie doch das Vertrauen darauf, dass auch ihr Alter noch gesichert ist. Immer, wenn sie sich anschicken wollen, sich wieder in der Gegenwart verlässlich einzurichten, wird ihnen im öffentlichen Raum jedes Vertrauen darauf entzogen. Sie sollen vertrauen, doch das Echo aus dem öffentlichen Raum lautet: Du kannst auf nichts vertrauen. Du kannst auf die Beständigkeit deiner Arbeit nicht vertrauen, nicht auf das Klima, nicht auf das Geschaffene und Erreichte, nicht auf das Ersparte, nicht darauf, dass du in Ruhe in deiner Welt leben kannst.

Wenn keine verlässlichen Angebote mehr gemacht werden, wie soll man dann mit seinen Ängsten umgehen? Wenn man als abgekoppelt oder als arm bezeichnet wird, wie soll man denn dann den Stolz auf das Erreichte noch behaupten? So, wie man in den Raum hineinruft, schallt es zurück. Es zeugt von verheerender Arroganz, jeden Menschen nicht als selbstbewusstes Wesen mit verantwortlichem Sinn wahrzunehmen, sondern in Gruppen oder Kategorien einzuordnen. Tut er es selbst, stellt er bei fehlender Spiegelung schnell fest, ob er dahingehört, wo er temporär untergekommen zu sein scheint.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Beweise

Ich erinnere mich genau, zu dem gibt es einen Film auf meinem Smartphone, der das belegt. Es geschah auf einer belebten Straße der Innenstadt von Valparaiso. Wir beobachteten zufällig aus dem Fenster im ersten Stock eines Wohngebäudes die Verhaftung eines jungen Mannes, der die Straße entlangging, durch die Polizei.

Warum sie ihn ergriffen, wissen wir nicht. Sie verbrachten ihn in ein Auto. Kurze Zeit später stiegen zwei Polizisten wieder aus, hielten eine Waffe in der Hand, die sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite platzierten und dabei mehrfach verschoben. Nach einiger Zeit erschienen weitere Kriminalbeamte, die zur Waffe geleitet wurden. Sie machten Aufnahmen, nahmen die Waffe an sich und verschwanden ebenfalls im Polizeiauto.

Soweit die Beobachtung. Wir wissen nicht, worum es ging. Wir können allerdings vermuten, dass es zu einer Gerichtsverhandlung später kam und dabei auch die Waffe, ihre Verwendung und ihr Fundort eine Rolle spielte. Es gab aber überhaupt keinen Fundort. Die Waffe war nachträglich abgelegt worden, um Beweis dafür zu führen, dass der junge Mann eine Waffe gezogen und möglicherweise sogar damit gedroht habe. Als Beweis wird der angebliche Fundort und die Aussagen der Polizeibeamten angeboten.

Was will ich damit sagen? Eindeutige Beweise gibt es selten. Meist stellen sie einen Mix aus Tatsachen, Beobachtungen und Einschätzungen dar. Da Eindeutigkeiten selten bestehen und/oder auch nicht belegbar sind, treten an ihrer Stelle Parallelwertungen nach Maßgabe eines Überzeugungsbildes: So muss es gewesen sein. Dieses „so muss es gewesen sein“ soll oft Beweise im strengeren Sinn ersetzen und führt zu Maßnahmen und Handlungen, die die Gesellschaft hinnehmen muss, will sie nicht verzweifeln an faktischen Alternativen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wozu

Manche von uns kennen noch die lateinische Ermahnung: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Kaum einer von uns hat während der Schulzeit für diesen Spruch Verständnis aufbringen können, denn wie sollten wir begreifen, dass das, was wir lernen für unser Leben Nutzen haben sollte? Diese Erkenntnis kam erst später. Beispielsweise ist es sehr nützlich, Gedichte und Lieder zu kennen, wenn man einmal längere Zeit im Stau steht oder seine Kinder beruhigen will. Der mahnende Spruch ist so wahr, dass es verwundert, dass er kaum eine allgemeinere Geltung erfahren hat.

Nicht für den Dienstherrn oder unsere Konsumfähigkeit arbeiten wir, sondern für das Leben. Angesichts der Realität erscheint diese Meinung aber als eine Form der Provokation. Die meisten von uns arbeiten, um Geld zu verdienen und ihr Vermögen zu mehren. Dass dies sinnvoll und erforderlich ist, bestreitet wohl niemand. Wir haben Verpflichtungen und diese sind ohne Geld nicht zu erfüllen. Ohne Arbeit ist dies in der Regel nicht möglich.

Aber, Gelderwerb und auch Vermögensaufbau haben sich jedenfalls nach meiner Einschätzung vom Leben sehr weit entfernt. Wir haben gesellschaftliche Prioritäten gesetzt und diese Prioritäten bestimmen unser Denken und Handeln. Wer nicht arbeitet, erfolgreich ist und kein Geld verdient, ist nichts wert. Wir prahlen mit unserer durch Geld erworbenen Verfügungsmacht, den Möglichkeiten des Konsums und der Ordnung.

Kaum vorstellbar erscheint es uns, dass Menschen früher einmal anders gelebt haben, sich während ihres Lebens an der Natur, den Zufällen und neuen Möglichkeiten ausbildeten. „Für das Leben lernen wir“ bedeutet, dass wir offen sind für alles Neue und uns einstellen können auf Veränderungen und unbekannte Erfahrungen. Das Leben ist reich an Möglichkeiten, sich zu verändern, eigenes Denken und Handeln zu überprüfen und Wagnisse einzugehen. Nicht erst die Arbeit und dann das Vergnügen, sondern das Vergnügen mit anderen Menschen teilen und eigene Möglichkeiten entdecken, sollte unser Handeln bestimmen.

Ich glaube, unsere daraus erwachsene Zuneigung gegenüber dem Leben anderer Menschen könnte die Stagnation eines Ich-bestimmten, aber misstrauischen Erwerbsprozesses überwinden helfen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gott

Zumindest die drei großen Weltreligionen beanspruchen Gott für sich als Maßstab aller Dinge. Es geschehe auf der Welt nichts ohne den Willen Gottes. Die Wahrnehmung des einzigen Gottes hindert sie allerdings nicht daran, miteinander tief verstritten zu sein und sogar in Feindschaft zu leben. Das ist typisch menschlich, aber sicher nicht göttlich. Bringt man es auf den Punkt: Die Behauptung zu wissen, was Gott will und von uns erwartet, ist im höchsten Maße atheistisch.

Was für eine Anmaßung, Gott Eigenschaften zu unterstellen, die menschliche Qualitäten aufweisen. Was für eine Anmaßung, Gottes Willen zu verkünden und in die Sprache der Menschen zu übersetzen. Was für eine Anmaßung zu glauben, durch Zweifel Gott selbst in Frage stellen zu können. Alles, was den Zweifel, die Anmaßung und den menschlichen Nutzungsgedanken anbetrifft, ist in einem Programm zusammengefasst, was man gemeinhin Religion nennt.

Religion ist dabei allerdings nicht nur Opium für das Volk, sondern auch ein Ordnungsrahmen, der Sinn erklärt und Hoffnungen erlaubt. Religion ist menschliche Sachverwaltung. Mit Gott selbst hat das aber nichts zu tun, denn dessen Kraft und Herrlichkeit benötigt keine Interpreten, sondern erklärt sich selbst.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Reglosigkeit

Wer sagt eigentlich, dass wir immer alles regeln müssen. Vielleicht liegt auch eine große Kraft darin, nichts zu tun und abzuwarten, was passiert. Zu meiner Verblüffung erzählte mir ein Bekannter einmal, dass er auf nichts reagiere, vor allem keine Behördenschreiben etc. Die meisten Dinge würden sich von selbst erledigen. Der Erfolg wäre immer 50 zu 50.

Das Ungemach, mit dem umzugehen, was nicht klappt, sei weit geringer, als der Aufwand, der vorsorgend getroffen werden müsse, damit nichts passiere. Diese Haltung hat mich beeindruckt, auch wenn ich selbst so nicht handele. Aber dennoch weiß ich, dass wir uns viel zu wenig bewusst darüber werden, dass jede vertane Chance eine neue Chance offerieren könnte.

Nehmen wir allerdings keine Chancen wahr, versiegt irgendwann der Zustrom an Möglichkeiten. Wir bekommen keine mehr. Deshalb sollten wir wohl beides lernen, das Abwarten können und das Zugreifen. Auch wenn uns viele Chancen entgehen, es bleiben noch genügend vorhanden. Auch, wenn wir Absagen erfahren, uns wichtige Vorhaben nicht gelingen, die nächsten kommen bestimmt.

Wer weiß, wozu es gut ist. Dieser Spruch kann uns trösten, wenn wieder einmal eine mittlere Katastrophe über uns hereingebrochen ist. Natürlich versuchen wir, dies zu vermeiden, aber sehen dann nach einiger Zeit, dass der Spruch wahr ist. Dies deshalb, weil wir selbst alles daransetzen, aus einer misslichen eine für uns positive Situation zu gestalten. Was dem Einzelnen gelingt, sollte unserer Gesellschaft auch gelingen. Schluss mit der Reglosigkeit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bilder

Keiner wird dies bezweifeln wollen: Unsere Wahrnehmung wird wesentlich durch Bilder bestimmt. In den Medien sehen wir einen Menschen, der eine rote Krawatte trägt, ständig auf etwas zeigt oder den Daumen nach oben reckt, verschlossenes Gesicht und Föhnfrisur. Das Bild ist eingängig: der amerikanische Präsident.

Wir sehen auch andere Bilder: Bilder verstorbener Kinder, an Land gespült oder in irgendeinem Kriegsgebiet dieser Welt. Ein nacktes Mädchen fliehend vor einer Napalmwolke in Vietnam; Bilder von Menschen, die gleich sterben werden und die umgebracht wurden, Bilder von Auschwitz und Theresienstadt. Bilder des Papstes und der Flüchtlingsströme. Bilder von Demonstrationen und Faschingsfeiern, Bilder mörderischer Anschläge und einzelner Taten. Bilder der Freude und der Trauer.

Alle diese Bilder kommen bei uns an, werden vermittelt durch Medien oder eigene Erlebnisse. Was bei uns ankommt, was wir zulassen, entscheiden wir. Das „Wir“ ist dabei nicht ganz persönlich gemeint, sondern vor allem die kollektive Wahrnehmung entscheidet über die Bereitschaft der Aufnahme von Bildern in unseren Beurteilungsraum oder deren Ablehnung.

Nicht alle Bilder sind willkommen. Nicht willkommen sind meist Bilder, die uns zum Handeln zwingen könnten oder unsere Ohnmacht offenbaren. Die Bilder des zerstörten Aleppo, sterbende Kinder und Frauen im Fernsehen, zappen wir gerne weg; dies nicht wegen der unerwünschten Flüchtlinge, sondern weil die Bilder dieser Wirklichkeit keine Übereinstimmung mit unserer Wahrnehmungsmöglichkeit mehr haben.

So sind auch Ausschwitz und Theresienstadt etwas Unnahbares, Fremdes. Wir sehen die Bilder und doch können wir oft nichts damit anfangen. Damit Bilder wirken, müssen sie ergänzt werden. Die Bilder aus dem Leben Anne Frank´s zum Beispiel gehen uns etwas an, weil sie nicht nur zu sehen sind, sondern auch von ihr selbst in Tagebuchaufzeichnungen besprochen wurden. Um der Bilder habhaft zu werden, müssen wir zerstörte Städte wie Aleppo sprechen lassen. Sie müssen sprechen von ihrer Normalität, ihrer geschichtlichen Bedeutung und dem Leben, das in ihnen wogt. Es müssen Erzählungen der Hoffnung und der Überwindung sein, die Resonanz in uns erzeugen können. „Wir schaffen das.“

Denn Merkel´schen Kampfruf entspricht die Suggestion eines anderen Bildes: „Die schaffen das.“ Gemeint sind die Bürger von Aleppo und andere zerstörten Städte und Dörfer. Wenn die den Wiederaufbau schaffen, dann sollte das Bild nach unserer Wahrnehmung einschränkungslos gut gelungen sein. Mehr davon. Wir können nicht genug davon haben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Quick and dirty

„Ehrliche Preise“, das war der Markenslogan eines Teppichhändlers namens Sabet in den 60er Jahren. Er verkaufte Teppiche und später kaufte er das Spandauer Volksblatt. Der Verlag ging pleite. Er war bekannt in Westberlin, in aller Munde. Er verkörperte eine Zeit lange kaufmännisches Geschick. Alles war bei ihm nur Ware. Nun ist ein im Geiste dem Teppichhändler verwandter Zeitgenosse amerikanischer Präsident geworden. Er ist in aller Munde. Die Medien verkünden: „The Trump of the day: Make America great again.“

Aber alles schon da gewesen. Sabet ist gescheitert, Trump wird ebenfalls scheitern. Doch, bis alle dies merken, sich nicht mehr faszinieren lassen von einfachen Parolen, bestimmt Händler Trump das Marktgeschehen and this is simple, Stupid! Wenn der Präsident mit 70 Jahren nicht gelernt haben würde, wie der Markt funktioniert, dann wäre er kein Kaufmann und die kaufmännischen Regeln sind denkbar einfach: kaufen oder nichtkaufen. Stimmt das Angebot? Wie sind meine Chancen? Wird es ein gutes oder schlechtes Geschäft? Welche Vorteile habe ich davon?

Quick and dirty – das nächste Geschäft ist schon in der Entwicklung. Das einzelne Geschäft ist auch nicht so interessant, sondern die Perspektive des Handelns. Dieser Präsident hat etwas vor. Jeder, der eine Firma übernimmt, hat etwas vor. Ob er danach damit Erfolg hat oder im Gefängnis landet, das ist zunächst völlig uninteressant. Wir kennen etliche deutsche Beispiele von Arcandor bis zur Deutschen Bank, von den amerikanischen Beispielen will ich hier nicht sprechen.

Ich liebe Vegas. In dieser Stadt ist alles falsch, fake. Warum sollte man diesen amerikanischen Fakepräsidenten nicht lieben? Alles, was er machen wird, mit dem Spielgeld, was man ihm gibt, ist erklärtermaßen fake. Wir sind fake für ihn und er für uns. Keiner kennt niemanden wirklich. Unser Gespräch mit diesem amerikanischen Präsidenten ist dirty und vielleicht auch quick. Vorbei.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Los

Nicht nur in Griechenland wurden staatliche Führungskräfte durch Los ermittelt. Dadurch sollte vermieden werden, dass sich eine Politikerkaste bildet, die den Staat sozusagen als Erbhof be­trachtet. Die meisten demokratischen Staaten haben das anders, und zwar durch Wahlen gelöst. Mehrheitsentscheidungen durch Wahlen sehen demokratisch aus. Sind sie es aber auch wirklich?

Wenn man den Medienveröffentlichungen trauen darf, hat Hillary Clinton bei der letzten Wahl circa 3 Mio. Stimmen mehr bekommen als Donald Trump. Dennoch wurde Trump gewählt, weil das amerikanische Wahlmännerwählsystem kein Verhältniswahl-, sondern ein Mehrheitswahlsystem vorsieht. Aber auch, wenn es anders wäre, also wie bei uns, bliebe die Frage: Welchen Einfluss nehmen die Anderen, die überstimmt wurden, aber dennoch ein wichtiger Teil des Ganzen sind? Sollen sie jetzt einfach den Mund halten, hinnehmen, was ihnen von der Mehrheit geboten wird?

Eine Opposition kann auch mächtig sein, das bezweifle ich nicht, aber ob eine Mehrheit auch klug ist, das bezweifle ich sehr. Wenn es darum geht, anstehende Probleme zu lösen, ob in der Familie, dem Unternehmen oder in der Gesellschaft, kann auf die unterschiedlichsten Meinungen, Anregungen und Mitwirkungen aller nicht verzichtet werden. In den typischen Repräsentationsorganen ist dagegen ein Großteil der Bevölkerung überhaupt nicht zu finden, dennoch behaupten diejenigen, die entscheiden, sie seien legitimiert, ohne Rücksprache für diese zu handeln.

Dass das wirklich so ist, ist nirgendwo belegt. Es sind Annahmen, die einer Policy entspringen, die die Mitwirkung unterschiedlichster Menschen und Kräfte überhaupt nicht einschließt. Würden Menschen durch Los ermittelt und gebeten, sich an der Entwicklung einer Policy zu beteiligen, wäre das Ergebnis vielfältiger und durchaus frisch. Als geeignete Spielstätte für ein derartiges Vorhaben wäre das Humboldt-Forum im Berliner Schloss zu nennen. Es sollte nicht museal erstarren, sondern sich den Bürgern öffnen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski