Archiv für den Monat: Juli 2017

Also sind wir

Wir wurden geboren. Das entsprach nicht unsere Entscheidung. Wir sterben. Das beruht in der Regel nicht auf unserer Entscheidung. Unser ganzes Leben beruht nicht auf unserer Entscheidung. Das Leben wurde uns nicht geschenkt, sondern angeordnet, aufgezwungen.

Unsere Menschwerdung folgt zwar auch einer wesentlichen Entscheidung unserer Eltern, aber nicht nur. Wir wissen, dass es Menschen im Allgemeinen geben muss, damit das Leben auf diesem Planeten seinen ihm immanenten Sinn hat. Das in die Welt geworfen sein des Menschen hat also Sinn und bedeutet doch Last. Was können wir vermeiden, was sollten wir müssen? Was müssen wir ertragen und was wird von uns erwartet?

Das ist zum einen individuell zu beantworten, je nachdem, in welchen Umständen wir aufwachsen, zum anderen aber auch umfassend gesellschaftlich und menschlich. Wir müssen unserem Leben den Sinn zuordnen und uns dieses Vorgangs stets bewusst sein. Sinn zu erhalten, heißt sich zu vergegenwärtigen, dass unser Leben eine Grundlage hat und uns in Verantwortung nimmt für die Erhaltung der Menschheit auf diesem Planeten und aller seiner Lebewesen, der gesamten Natur.

Diese Verantwortung muss gelehrt werden, und zwar beginnend mit den Eltern als immerwährender Lebensunterricht bis zum Tode. Wird unser Lebenssinn und dessen Erhaltung nur einzelnen Aufpassern überantwortet, so stellt sich allseits eine Überforderung ein, sowohl bei den Wächtern als auch bei uns, die wir den Sinn von diesen getroffenen Maßnahmen in unserer kleinen Welt oft nicht begreifen können und ignorieren.

Das gilt für den Klimaschutz gleichermaßen, wie für nicht recycelbaren Müll, Verschwendung und in Kauf genommene Erkrankung infolge persönlicher Vernachlässigung. Da unser Leben sinnvoll ist, muss es der Verschwendung und Zerstörung widerstehen, sonst sind wir die Opfer einer existenziellen Selbstverleugnung. Die Unterweisung in den Fächern Lebenssinn, Menschenwürde und Erhaltung des Planeten sollte nicht nur auf dem Schulplan stehen, sondern auch in jedem Gespräch mit sinnstiftenden Eltern berücksichtigt werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gemeinsinn

Jeder Autofahrer macht die Erfahrung, dass sich sein Vordermann nur an seinem eigenen Fortkommen interessiert zeigt. Kurz vor der Ampel stoppt er nochmal, um dann bei gelb-rot die Kreuzung zu queren. Der Hintermann muss stehen bleiben. An der nächsten Kreuzung setzt der Vordermann keine Lichtzeichen, sondern blockiert die ihm Nachfahrenden durch zögerliches Abbiegen in die kreuzende Straße nach links.

Hundehaufen mitten auf Gehwegen sind ebenso bleibende Ärgernisse, wie Rauchen auf U-Bahnhöfen und lärmende Bässe in öffentlichen Parks oder Wohnungen. Jeder Bürger hat hier seine individuelle Liste von Vorkommnissen, die ein gemeinschaftswidriges Verhalten von Mitmenschen belegen. Keiner ist beileibe frei davon, sondern wird oft selbst zum Täter und sei es nur aus Rache für das Verhalten anderer. Aber, worauf beruht dieses Verhalten? Ist es die Absicht, andere zu schädigen oder Gleichgültigkeit?

Es ist schwer, für den Menschen die Gemeinschaft, auf die er angewiesen ist, wirklich auch zu ertragen. Er muss Kompromisse eingehen und lernen, auch dann Ruhe zu bewahren, wenn Vorkommnisse gegen sein eigenes Gerechtigkeitsgefühl verstoßen. Es gibt soziale Hierarchien, auch wenn wir dies gern verschweigen würden. Menschen, die ständig mit anderen Menschen in bedrängten und bedrängenden Situationen konfrontiert werden, müssen mehr soziale Konflikte ertragen, als diejenigen, die sich durch Geld und den damit verbundenen Annehmlichkeiten freikaufen können.

Die sozialen Konflikte, die sich in Alltäglichkeiten ausdrücken, breiten sich im großen Umfange aus und impfen unsere Gesellschaft mit einer sich stets erneuernden Unzufriedenheit. Da hilft es leider wenig, stets unser wunderbares wirtschaftsmächtige Land zu beschwören, sondern es ist erforderlich, die Perspektive auf ein prosperierendes Miteinander in Freiheit, Ausgleich und Rücksichtnahme zu lenken. Der Bürgersinn kommt nur da zum Tragen, wo er auch belohnt und kontrolliert wird. Von allein geschieht nichts, weder auf der Straße, noch im Verhältnis zwischen Jung und Alt, Reich oder Arm.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

In Berlin

Berlin. Berlin. Ich liebe meine Stadt. Es ist die Stadt, in der nicht nur viel los ist, sondern jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich zu verwirklichen, ob er ganz jung ist oder alt. Die Stadt ist schön und auch auf eine herrliche Art und Weise etwas anarchistisch. Was aber kaum jemals in dieser Stadt erfolgreich war, ist Politik und Bürokratie.

Die Obrigkeit ist irgendwie beschäftigt, aber vorwiegend mit sich selbst, peinlich darauf bedacht, preußisch pedantisch einfach Obrigkeit zu bleiben. Von Bürgernähe war und ist in dieser Stadt nichts zu spüren. Dabei geht es mir nicht darum, noch ein weiteres Klagelied auf die an sich völlig unterforderte Bürokratie anzustimmen, wohlwissend, dass Unterforderung immer Überforderung hervorbringt, sondern festzustellen, dass diese Bürokratie und ihre politischen Anführer offenbar weder einen Plan für diese Stadt haben, noch wissen, was die Menschen, die in dieser Stadt leben, eigentlich von ihr erwarten.

Zugegeben, kulturell sind wir auf der Höhe, nicht nur Kultursenatoren mischen sich in jeden Spielplan von Theater und Oper ein, sondern jedes gesellschaftliche Ereignis wird von politischen Claqueuren selbstbereichernd begleitet. Das betrifft insbesondere die Feiern im Sommer, quer durch diese Stadt und der Straße des 17. Juni bis Charlottenburg oder Alexanderplatz. Viele Menschen kommen aus der ganzen Welt zu uns, um diese einzigartige Feiermeile im Sommer zu bestaunen. Das ist einerseits gut so, aber es wird dabei wohl verkannt, dass es in dieser Stadt auch Millionen von Bürgern gibt, die hier leben und arbeiten wollen bzw. müssen, ob es Winter ist oder Sommer.

Die Straße des 17. Juni ist gefühlt während des gesamten Sommers gesperrt, eine der wichtigen Verbindungsachsen zwischen West- und Ostberlin. So bleibt getrennt, was zusammengehört. Kein Bus, kein Autofahrer vermag dann in geziemender Zeit dieses Hindernis zu überwinden und verzichtet lieber ganz auf Begegnungen, einmal abgesehen von den durch Stau und Sperrungen verursachten Umweltschäden.

Nicht alle Berliner sind Fahrradfahrer, zumal dies in der Stadt gefährlich und obwohl auch der Zustand öffentlicher Verkehrsmittel teilweise unerträglich ist. Was in dieser Stadt fehlt, ist Bürgersinn, und zwar nicht der Bürger selbst, die diesen durchaus haben, sondern der Obrigkeit. Der Bürger will Sicherheit, Ordnung, passierbare Wege und die Gelegenheit haben, seine Stadt ausgewogen zwischen seinen Interessen und den Interessen der Allgemeinheit zu nutzen. Also, schaut auf diese Stadt, ob das Bürokratie und Führung irgendwann hinkriegen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Konditionierung

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr. Mit dieser schlichten Wahrheit wiesen frühere Generationen darauf hin, dass es gut und sinnvoll sei, sich in der Schule anzustrengen, zu lernen, um später das Erlernte erfolgreich anzuwenden. Dieser Merkspruch hat seine Attraktivität nicht verloren, obwohl er zugegebenermaßen sehr antiquiert daherkommt. Was aber Kern dieser Erkenntnis bleibt, ist die Notwendigkeit, vom ersten Hahnenschrei, das heißt von Geburt an, sich auszubilden und dabei zunächst auf die Hilfe der Eltern, andere Bezugspersonen und später auf die Erzieher in Kindergärten und Schulen zurückzugreifen.

Der sich am Leben ausbildet, ist aber der Mensch selbst und die Bezugspersonen sind daher nur komplementäre Paten dieses Prozesses. Als ich nach Kriegsende zunächst in einem kleinen Dorf und später in einer Kleinstadt heranwuchs, gab es von Anfang viele Herausforderungen, denen ich mich schon als Kind stellen musste. Es ergaben sich Hochwasser, in die man hineinplumpsen konnte, es gab gefährliche Ruinen und in Wäldern herumliegende Kriegsmunition.

Ich erlebte eine aufregende Kindheit, in der ich auch auf mich selbst gestellt war, Dinge erkunden musste und andererseits mit Eltern und auch fremden Menschen Erfahrungen auszutauschen hatte, wie man Gefahren begegnet und sich orientieren kann in Stadt und Natur. Es gab Schutz und Ermahnungen durch Eltern und Kindergärtner, aber keine Einschränkungen meiner Bewegungsfreiheit aus dem Gedanken heraus: Hoffentlich passiert dem Kind nichts. Im Gegensatz zu früher wachsen heute die meisten Kinder wohlbehütet auf.

Wohlbehütet muss hier in dem falschen Sinne gesehen werden: Die Kinder sind überschützt. Wenn den schutzbefohlenen Kindern keine Herausforderungen des wirklichen Lebens mehr begegnen, besteht die Gefahr, dass sie mangels Konditionierung dann versagen, wenn das Leben an sie unerwartete Anforderungen stellt.

Dies können Hochwasser sein, aber auch harmlose Erfahrungen, wie sich unerwarteterweise plötzlich im Wald oder in einer fremden Stadt ohne Smartphone orientieren zu müssen. Wenn die Elektronik versagt, kann es nützlich sein, die analoge Welt zu kennen und auf frühkindliche Erfahrungen in ihr zurückzugreifen. Der umfassend gebildete Mensch hat die besten Voraussetzungen dafür, sich auch dann zurechtzufinden, wenn der sichere Raum plötzlich Risse zeigt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ruhe vor dem Sturm

Liebe Verwandte und Freunde, liebe Mitbürger und sonstige Lebewesen. Wir saufen in weniger als 100 Jahren ab. Alle bisherigen Berechnungsmodelle sind nicht gültig. Die subpolare Eisschmelze in der Antarktis wurde ebenso wenig bedacht wie der Salzrückgang in den Meeren und den damit einhergehenden neuen Wetterverhältnissen. Wir sind höchstwahrscheinlich erledigt. Vielleicht der eine oder andere von uns noch nicht persönlich, aber unsere Kinder und Enkel allemal.

In allen persönlichen Gesprächen, die ich führe, erfahre ich ausschließlich besorgte Zustimmung, doch seitens der Wissenschaft tut sich nichts, weil sie nicht politisch sein will und seitens der Politiker tut sich auch nichts, weil sie von Wissenschaft keine Ahnung haben. Unterschwellig denken wir ohnehin, wie seinerzeit beim angekündigten Baumsterben, so schlimm wird es nicht werden, ist ja immer alles gut gegangen und schließlich muss unser Wohlstand auch gesichert bleiben.

Doch Wohlstand wofür, wenn Hamburg evakuiert werden muss und mit der ersten Flutwelle Inseln und große Teile Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommern verschwinden. Auch Holland und Dänemark gehören wie Polen zu Europa. Versunkene Städte wie ehemals Alexandria in Ägypten. Bis die Städte implodieren, ähneln sie Venedig, das ebenfalls versunken sein würde. Die Überschwemmung, das Desaster trifft nicht sofort jeden, sondern entwickelt sich allmählich. Allerdings wird der von Menschen bewohnbare Raum immer enger bei steigender Bevölkerungszahl.

Die Menschen streben dorthin, wo sie zumindest noch eine Zeit lang zu überleben hoffen. Die Auseinandersetzung zwischen den einheimischen Besitzstandswahrern und den Eindringlingen nimmt zu. Es widerspricht nicht unserer Logik, dass verheerende Seuchen und kriegerische Auseinandersetzungen ungeahnten Ausmaßes für eine Dezimierung des Lebens sorgen werden, damit zumindest Einige noch überleben können. Was ist zu tun?

Wir müssen Wissenschaft und Politiker herausfordern, Pläne für die Zukunft der Menschheit zu entwickeln, statt sich über Handelsabkommen, Stakeholder Value und Rentenversicherungen zu verzanken. Offenbar haben wir nicht begriffen, worauf es in dieser Welt ankommen wird und schenken jedem Fernsehkoch mehr Aufmerksamkeit, als einem ernstmeinenden Wissenschaftler. Wir selbst sind begriffsstutzig und erlauben es daher, einfältigen Politkern, sich um alles zu kümmern, bis auf das: die Rettung der Menschheit, die Rettung unseres Planeten im Interesse künftiger Generationen und aller von uns abhängigen Lebewesen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ich

Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich.  Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Du. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fremdheit

Das Fremde ist ein Anderssein, das diesen Status dadurch erlangt, dass es von irgendeiner Norm abweicht. Die Norm ist das Bekannte. Das Unbekannte ist fremd. Diese Eigenschaft kann objektiv, aber auch subjektiv begründet sein. Objektiv fremd ist etwas, was zu dem Anderen nicht passt. Objektiv fremd ist zum Beispiel eine Pflanze, die aus Venezuela eingeschleppt wurde und sich hier ausgebreitet hat. Subjektiv fremd ist etwas, was entdeckt werden muss, um seine Nähe und Nützlichkeit zu erkennen.

Man könnte hierbei zum Beispiel an die Kartoffel oder die Gewürze denken. Im weitläufigen Sinn sind Nähe und Fremdsein nicht der Wahrheit verpflichtet, sondern lediglich der Anschauung. Wir bestimmen, was fremd ist und implizieren dabei auch die Lüge, indem wir das dem Sein immanente, biologische und physiologische Fremdsein auf Behauptungen übertragen, deren Beweis in ihnen selbst zu wohnen scheint.

Das Fremde ist zudem oft auch angstbesetzt und entrückt. Die Lust auf das Fremde, die Neugier, das Unbekannte und Fremde kennenzulernen, scheitert an der mehrheitlichen Ablehnung a priori. Die schillernden Aspekte des Fremdseins durchmischen Wirklichkeit und Trug. Es ist an uns, Entscheidungen zu treffen, die Begriffe neu zu bewerten und Fremdheit zuzulassen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Perspektive

Aus der Perspektive eines weltoffenen und toleranten Menschen leben wir in schlimmen Zeiten. Aus der Perspektive machtversessener und gieriger Politiker leben wir in einer chancenreichen Zeit. Aus der Perspektive vieler Menschen leben wir in einer unübersichtlichen Zeit der Chancen und Chancenlosigkeit, des Überflusses, der Verarmung und der Zerstörung. Alles eine Frage der Perspektive. Die wahrnehmbare Realität bildet die Kulisse. Perspektiven schaffen Möglichkeiten, fördern die Neugier und geben der Erwartung eine Grundlage, dass nie etwas so bleibt, wie wir meinen, dass es sei.

Es gibt auch keine innere Kohärenz der Perspektiven, ob diese persönlich oder kollektiv angelegt seien. Perspektiven sind eine Möglichkeit der Wahrnehmung und des Handelns. Perspektiven lassen Wertungen zu, sind aber von diesen nicht abhängig. Die Perspektive einer Präsidialdiktatur in der Türkei erschreckt viele Menschen, aber nicht alle. Es gibt auch zufriedene Menschen, die darin eine Möglichkeit für die Türkei sehen, sich unabhängig und identitär zu entwickeln.

Ohne die Perspektiven im Einzelnen aufzeigen zu müssen, gilt dies natürlich auch für den amerikanischen und russischen Präsidenten. Die Perspektiven des Brexit werden nachteilig für Großbritannien beschrieben. Sind sie es aber auch? Das wissen wir erst nach Beendigung des Experiments, denn auch der Brexit ist nur eine historisch wirtschaftliche Zäsur, künftige Entwicklung beeinflussend, aber nicht endgültig beschreibend. Nach dem Brexit kommt entweder wieder Europa oder etwas ganz Neues.

Jede Veränderung eröffnet Perspektiven und müsste uns daher eigentlich sehr willkommen sein. Ein in sich sogar stimmiges System mag vorübergehend die Gemüter beruhigen, erodiert aber irgendwann, wenn es keine neuen Perspektiven mehr aufweist. Deshalb nutzen wir die Chancen der Veränderung, überwinden Perspektivlosigkeiten und suchen Gelegenheiten, Neues zu schaffen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ruck

In seiner berühmten Adlon-Rede vom 26.04.1997 hat der damalige Bundespräsident Roman Herzog gefordert, es möge ein Ruck durch Deutschland gehen. Der Ruf ist nicht verhallt, aber die damit zum Ausdruck gebrachte Erwartungshaltung ist sehr groß, manche Menschen überfordert durch eine risikoreiche Verantwortung außerhalb ihres eher doch durch die Umstände eingeschränkten persönlichen Lebensbereichs.

Wir haben daher, als wir die Ruck – Stiftung des Aufbruchs gründeten, darauf gesetzt, durch bescheiden anmutende Impulse, etwas zu verändern, und zwar dann und auch gerade dann, wenn unser Ansatz eigentlich allen Menschen selbstverständlich erscheinen müsste. Wir wollen den Mitbürger durch sein ganzes Leben begleiten und ihn nicht nur auf Alternativen zu seinem bisherigen Verhalten aufmerksam machen, sondern diese ihm auch anbieten. Er mag entscheiden, ob er das Angebot annimmt, weil es ihn überzeugt.

Ich will das an einem unserer Angebote verdeutlichen: „Elternbildung schafft Kinderbildung“ Wir bieten ergänzende Elternbildung in Familienzentren und geburtsvorbereitenden Einrichtungen an, indem wir durch Singen und die Vermittlung des Erzählens von Fantasie- und Familiengeschichten Eltern auf ihr Kind vorbereiten und sie dafür gewinnen wollen, selbst wieder das Erlernte an ihre Kinder weiterzugeben. Das schafft Stolz, Selbstbewusstsein und familiären Zusammenhalt. Das Sprachvermögen der Kinder wird gefördert und auch soziale Communities geschaffen, in denen die Kurse stattfinden und nach unserer Erfahrung bleibende menschliche Verbindungen schaffen.

Wir erreichen die Eltern durch ergänzende Patenschulungen und sind heute unter anderem auch in Neukölln aktiv, wo wir türkischen Müttern das Singen von deutschen Kinderliedern näherbringen. Wir vermitteln auch Sprachvermögen, Tanz und Bewegung sowie künstlerische Ausdruckskraft in Flüchtlingseinrichtungen. Wir werden nach und nach unsere Angebote erweitern und freuen uns auf die nächste Anregung, die wir erfahren und auch für andere Menschen nutzbar machen können.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski