Archiv für den Monat: Mai 2018

Gemeinwesen

Ja, ich leugne es nicht. Es gab auch eine Zeit, da wollte ich alles haben, Auto, Häuser, Reisen, aber vor allem Geld, um mir meine Wünsche zu erfüllen. Zu den Herausforderungen des Lebens gehört, so glaubte ich damals, dass man vor allem Eigentum und Besitz hat, Wohlstand, der Unabhängigkeit verschafft und Einfluss; Erben und Vererben gehörte nach meiner Vorstellung auch dazu. Davon ist wenig geblieben. Ein neues Auto brauche ich nicht. Ich fahre lieber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Grund- und Wohneigentum sind eher hinderlich.

Das Leben ist zu kurz, um die hohen Anschaffungskosten zu bestreiten. Mieten ist flexibler und meist günstiger. Die Ausbildung meiner Kinder war mir viel wert. Da habe ich investiert und nicht zu knapp. Aber vererben? Warum? Unsere Kinder sind volljährig, haben gute Berufe und können für sich selbst sorgen. Erbschaften bringen nach meiner Erfahrung meist Streit und verhindern, dass man des Verstorbenen nett gedenkt. Meine Frau ist versorgt, meine Kinder erwarten nichts.

Lieber gebe ich mein Vermögen den Stiftungen, die sinnvoll und nachfrageorientiert Projekte realisieren. Selbstlos bin ich bei weitem nicht. Ich genieße ein selbstbestimmtes und wirtschaftlich unabhängiges Leben. Niemals, so sage ich mir, würde ich auf das Amt gehen und um Hartz IV oder Sozialhilfe nachsuchen. Die Menschen, die dies tun müssen, respektiere und verstehe ich sehr. Ihnen muss geholfen werden, aber nicht auf die Art und Weise, wie dies hierzulande geschieht.

Auch die Altersarmut ist ein großes Problem. Wie wenig ist heute der Satz von Kindern zu hören, dass sie später gerne für ihre Eltern sorgen wollen. Eine solidarische Familie, eine solidarische Gesellschaft kennt das beschämende Verzichten-Müssen nicht. Ich aber darf und kann verzichten, auf Geschenke, Kleider, den Konsum an sich. Wenn ich es recht bedenke, benötige ich sehr wenig, um zufrieden zu sein. Mein Verzicht ist freiwillig und effektiv. Ich spare damit nicht nur Geld, sondern arbeite an meiner Bedürfnislosigkeit, die hoffentlich im Alter noch wachsen wird.

In einer konsumorientierten Gesellschaft ist dies eine problematische Aussage, das weiß ich wohl. Aber vielleicht geht es doch mit ein bisschen weniger Verschwendung und Konzentration auf wesentliche Vorhaben, die ebenso Freude bringen, aber ressourcenschonender, weniger aufwendig und kostspielig sind. Einschränkung und Verzicht könnte ein Bildungsauftrag sein, der uns und den nächsten Generationen zugutekommt.

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Hartz IV

Hartz IV steht auf dem Prüfstand. Keiner will Hartz IV abschaffen, aber auch keiner will Hartz IV um jeden Preis behalten. Hartz IV hat einen üblen Beigeschmack. Es soll Menschen geben, die sich behaglich darin eingerichtet haben. Anderen verschafft es die Möglichkeit, einen Teil unserer Bevölkerung als Arbeitsverweigerer zu denunzieren. Schließlich bleiben diejenigen zu betrachten, denen mangels geeigneter Arbeit nichts Anderes übrigbleibt, als Hartz IV zu empfangen. Sie sind empört. Sie schämen sich. Sie stellen Ansprüche. Sie geben sich auf.

In einer gespaltenen Gesellschaft sind sie diejenigen, die man durchfüttern muss. Mit der Würde des Menschen, die nicht vom Einkommen abhängen darf, ist dies schwer zu vereinbaren. Deshalb denken nicht nur Politiker über ein Grundeinkommen für Bürger dieses Landes nach. Einige wollen dieses Grundeinkommen an eine gemeinnützige Tätigkeit koppeln, andere lehnen dies völlig ab. Man könne die Menschen doch schließlich nicht zur Arbeit zwingen, so heißt es. Das verstehe ich nicht! Unser Staat, unsere Ordnung hat doch immer mit Zwang zu tun, ob wir Steuern bezahlen, ins Gefängnis kommen oder unsere Kinder zur Schule schicken. Überall herrscht Zwang.

Der Zwang, etwas für unser Gemeinwesen zu tun, ist auch eine Ermächtigung, dies tun zu dürfen. Wenn ich etwas von anderen will, ist es auch meine Pflicht, etwas für andere zu tun. Die gesellschaftlich nützliche Arbeit kann beispielhaft sein und dazu führen, das wertzuschätzen, was wir geschaffen haben und zu zeigen, dass wir auch in der Lage sind, noch mehr zu schaffen, und zwar nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Raum. Wir könnten zum Beispiel Biotope anlegen, unsere Parks und Seen erhalten und für freundliche Viertel sorgen.

So werden wir alle, die sich engagieren, Vorbild für Andere und für uns selbst. Auch diejenigen, die bisher gedankenlos waren und nicht für die Erhaltung ihrer Umwelt eintraten, werden sich der mächtigen Wirkung des Vorbildes nicht entziehen können. Jeder, der in sozialen Medien aktiv ist, wird seine Chance nutzen, die sozialen Errungenschaften zu posten und damit auch Andere zum Mitmachen animieren. Was mit einer Pflichterfüllung beginnt, kann eine Bewegung werden. „Arbeit schändet nicht“, heißt ein altes Sprichwort.

Arbeit ist in der heutigen Gesellschaft nicht nur zum Broterwerb da, sondern dient auch der sozialen Bestätigung und Anerkennung. Dies rechtfertigt ein Grundeinkommen für alle Menschen, die einen Teil ihrer Lebensleistung für Dienste an der Gemeinschaft erbringen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Abstammung

Ja, ich weiß, woher ich stamme,
ungesättigt gleich der Flamme,
glühe und verzehre ich mich …

So beginnt ein Gedicht von Friedrich Nitzsche. Wir Menschen sind nicht vom Himmel gefallen, auch kein Storch hat uns gebracht oder uns eine Mutter als „Neuling“ geboren. Wir stammen ab. Wir stammen ab von unseren Eltern, Großeltern und vielen weiteren Menschen vor uns. Das wird natürlich von uns allen zustimmend bestätigt und dann gleich ein Deckel auf diese Betrachtung gelegt mit den Worten, dass wir Menschen doch alle irgendwie miteinander verwandt wären, abstammten von Adam und Eva. Biologisch oder religiös mag das so sein, je nach Betrachtungsweise.

Darum geht es mir aber nicht. Ich möchte den Blick darauf lenken, dass die Abstammung nicht nur ein biologischer Prozess ist, sondern einer des Lernens und der Verantwortung, wenn man bereit ist, dies anzunehmen. Mit älteren Geschwistern ist man nicht nur blutmäßig verwandt, sondern steht mit diesem in einer sozialen Verbindung seit der Geburt, in der Erziehung, der Zuneigung und der Kontroverse. Von den Eltern lernen, heißt auch Verantwortung zu übernehmen für sich selbst und andere in der Familie. Die Geschichte der Eltern, ggf. auch Momente der Flucht oder der Vertreibung, der Heimat, des Aufgenommenwerdens durch andere Menschen sind Teil der Geschichte jedes Kindes.

Wie die biologische DNA ist auch die DNA des Erinnerns wesentlich für unser Leben und die Möglichkeit, verantwortlich für uns selbst, unsere Kinder, überhaupt die Gesellschaft zu entscheiden. Wir sprechen von entwurzelnden Menschen. Auch die entwurzelten Menschen haben die gleiche DNA des Erinnerns, wie diejenigen, die über Generationen hinweg den gleichen Flecken Erde als Heimat bezeichnen konnten. Sie werden sich dessen aber nicht mehr bewusst, haben vergessen oder keiner hat ihnen beim Erinnern geholfen. Sich erinnern, teilhaben an der Geschichte der Vorfahren und der Gemeinschaft aller Menschen ist aber wichtig für die Positionsbestimmung jedes einzelnen Menschen.

Das Erinnern ist nur durch einen Prozess des Erzählens machbar, denn Fernsehen, Rundfunk und sonstige Medien vermögen nicht, das persönliche und familiäre Erleben zu ersetzen. Auch, wenn moderne Medien oft den Eindruck erwecken, als wollten sie das Erinnern verallgemeinern, ist doch erkennbar, dass sich gerade junge Menschen gern an das Besondere erinnern wollen. Sie entwickeln ihre eigene soziale DNA, und zwar in der Hoffnung, dass andere, ggf. dann ihre Kinder diese wieder aufrufen können, wenn es soweit ist, den familiären Staffelstab weiterzugeben. Wenn dies eine gute Möglichkeit ist, das Erzählen zu bebildern und aufrechtzuerhalten, soll es mir recht sein.

Allen Menschen rate ich, ihren Kindern und Enkelkindern das zu erzählen, was sie selbst und ihre Eltern und Großeltern erlebt haben. Dieser Reichtum der Erfahrung wird den Generationen den richtigen und verantwortlichen Weg auch in die Zukunft weisen und verhindern, dass wir Menschen entwurzelt auf der Strecke bleiben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

KI

Wie entsteht Leben? Durch Zeit und Umstände. Und wie verhält es sich mit der künstlichen Intelligenz? Da ist zunächst eine Begriffsklärung erforderlich. Der Mensch setzt voraus, dass er intelligent sei und hält es für erforderlich, sinnvoll und unabweisbar eine andere Intelligenz außerhalb seiner eigenen Ich-Intelligenz zu schaffen. Der Mensch erscheint hier also als derjenige, dem etwas gelingt, und zwar Dank seiner Fähigkeit, Schöpfer zu sein. Das Künstliche daran signalisiert, dass es sich nicht um ein Prozess der Selbstermächtigung bei den zu schaffenden Wesen selbst handelt, sondern um etwas, das künstlich, das heißt unter Einsatz menschlicher Fähigkeiten geschaffen wird, also in der Abhängigkeit von seinem Schöpfer bleibt.

In dieser Abhängigkeit wird KI allgemein verstanden, und zwar in der Regel als verlängerte Werkbank des Menschen, sei es im autonomen Fahrverkehr oder Smart-Home. Alle, die sich mit der Entwicklung digitaler Möglichkeiten beschäftigen, verkennen nicht die Möglichkeiten, die in Algorithmen und künstlicher Synapsenbildung liegen.

Es ist von „Deep Learning“ die Rede und von der ungeheuren Verarbeitung von Datenmengen, die sich durch digitale Wesen selbst entwickeln und vermehren lassen. Deshalb warnen Wissenschaftler und Praktiker vor den Folgen einer digitalen Entwicklung, die wir nicht mehr im Griff haben. Das Problem ist nur, wir können diese Entwicklung nicht zurückdrehen und den Prozess stoppen.

Noch sprechen besorgte Beobachter, wie Heinz Dürr, vom Leichtsinn des Zauberlehrlings, der gestoppt werden kann, sobald der Hexenmeister wieder nach Hause kommt oder Dädalus, dessen Warnungen vor der Sonne vom Sohn Ikarus nicht befolgt werden, deren Hitze das Wachs seiner Flügel schmelzen lässt und er ins Wasser stürzt. Die Bilder vermitteln den Eindruck, als könne eine fatale Entwicklung durch Ermahnungen noch aufgehalten werden, als gäbe es eine Moral der Abschreckung. Ich glaube das nicht. Bei der sogenannten künstlichen Intelligenz handelt es sich eigentlich nicht um eine „künstliche Intelligenz“, sondern eine „andere Intelligenz“ oder auch „anorganische Intelligenz“ oder auch „uns herausfordernde Intelligenz“.

Unbestreitbar haben wir Menschen den Prozess in Gang gesetzt und die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich diese Form der Intelligenz entwickeln kann, aber diese ist bereits in den Zustand der Selbstermächtigung eingetreten. Die Intelligenz, die ich beschreibe, nutzt unsere digitalen Tools, um ihre eigene DNA zu entwickeln. Man könnte auch sagen, dass das, was wir als die „andere Intelligenz“ bezeichnen sollten, parasitär veranlagt ist, das heißt, wir das „Wirtstier“ für die Ausbeutung durch die künstlichen Wesen darstellen.

Aber nicht nur der Mensch, sondern alle Angebote der Welt und des Universums sind nichts anderes als die Verfügungsmasse dieses nicht humiden Wesens. Wir werden eine Zeit lang noch Konkurrenten sein, auch Unterstützung erfahren, soweit es diesem Wesen zum Zwecke der Selbstoptimierung sinnvoll erscheint, aber irgendwann werden wir auch auf der Strecke bleiben, wenn wir nicht mehr liefern können, was die „künstliche Intelligenz“ von uns erwartet: Energie.

Ich vermute, dass die künstliche Intelligenz oder auch besser gesagt, „konkurrierende Intelligenz“ wieder die Atomenergie entwickeln wird, da sie sich von unseren menschlichen, organischen Vorbehalten nicht beeindrucken lassen muss. Wenn wir diese Entwicklung nicht wollen, was können wir tun? Meines Erachtens nichts, denn wir wollen und können die digitale Entwicklung nicht zurückdrehen. Es mag uns allerdings trösten, dass sich auch bei der künstlichen Intelligenz das menschliche Desaster wiederholen wird. Die Sinnlosigkeit beliebiger Möglichkeiten wird irgendwann zur Selbstaufgabe „künstlicher Intelligenzen“ führen.

Für uns kommt das dann leider etwas spät. Genießen wir also unsere analoge Welt in ihrer ganzen Unvollkommenheit, solange uns dies von der anderen Intelligenz noch gestattet wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zeitverschwendung

Wenn ich etwas auf den Tod nicht ausstehen kann, sind es wie Gummi gedehnte Podiumsveranstaltungen mit einem/einer selbstverliebten Moderator/in, die selbständig irgendwelche Einschätzungen abliefern und Fragen an ebenso selbstverliebte Teilnehmer stellen, die völlig unvorbereitet das darauf antworten, was ihnen dann gerade durch den Kopf segelt. Bei vier bis sechs Teilnehmern plus Moderator/in dauert die ganze Veranstaltung einschließlich Schlussstatements und Zusammenfassung unendlich lange. Die reine Zeitverschwendung.

Natürlich bleibt für Fragen kaum Zeit. „Keine Co-Referate“ wird vom Moderator/in angemahnt, auch wenn er/sie nicht daran denkt, diese Ermunterung ebenfalls zu beherzigen. Wo wir es eigentlich doch alle so eilig haben, ist diese Form der Zeitverschwendung ein erstaunliches gesellschaftliches Phänomen.

An jeder Supermarktkasse wird gedrängelt, was das Fließband hergibt, aber einem potentiell unbekannten Partygast vom Surfurlaub, Skifahren oder der Hüftoperation zu erzählen, scheint völlig in Ordnung zu gehen, selbst dann, wenn die Schilderungen sehr lange dauern. Reziprok ist das Verhalten ohnehin nicht. Denn in Ermangelung der Fähigkeit, über die Zeit anderer ebenso wirksam verfügen zu können, scheitert so mancher Gesprächspartner kläglich.

Zeitverschwendung ist ein Vermüllungsproblem. Es ist ein Machtkampf entbrannt, aber nicht um Inhalte, sondern um die Verfügbarkeit über die Zeit anderer. Dies drückt sich auch in unzähligen Einladungen zu Podiumsveranstaltungen, Vernissagen oder Gesprächskreisen aus. Die meisten dieser Einladungen sind versehen mit dem Aufruf schon vorsorglich Termine zu blockieren, erfolgen per E-Mail und wiederholen sich bis zum Ereignis fast täglich oder sogar stündlich.

So entkommt man der Verfügbarkeit über die Zeit durch andere kaum, und zwar auch nicht durch persönliche Verweigerung, wie man hofft. Wer nicht mitmacht, wird gestrichen. Das ist kein Triumpf der persönlichen Verweigerung, sondern eine Form der Abrechnung durch unsere interne Zeitverwaltung. Wer schmollt, muss sich nicht beklagen, dass er völlig isoliert von anderen seine Zeit verschwendet. Also lieber mitmachen und die Zeit zum Markte tragen, also wäre sie die eigene Haut.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sinnlosigkeit

Was juckt es den Bären, wenn man ihm einen Floh in den Pelz setzt. Kurz schüttelt er sich und im hohen Bogen verlässt ihn der Floh. Das Beispiel soll verdeutlichen, dass es völlig sinnlos ist, gegen die Mächtigen etwas vorzubringen, sie schütteln sich einmal und schon geht es weiter.

Ja, es mag sein, dass der Prozess des Schüttelns etwas länger dauert oder die Hilfe von Kammerjägern erforderlich ist, aber, im Ergebnis bleibt der Pelz frei von Störenfrieden. So ist es, wenn wir uns nicht nur Putin, sondern auch Trump, Erdogan und neuerdings auch den chinesischen Parteichef Xi Jinping als Bären denken.

Dabei geht es nicht nur um ihr persönliches dickes Fell, sondern um das Fell an sich. Es geht um die Machtlosigkeit des Flohs angesichts der organisierten Macht von Einrichtungen, die empfindlich reagieren, wenn sie sich angegriffen fühlen, dann unnachsichtig sind und nicht zulassen, dass sie in Frage gestellt werden. Die eigene Selbstverherrlichung geht so weit, sich anzumaßen zu wissen, was Religion ist und was sie will. Indem sie diese instrumentalisieren, lästern sie Gott, und zwar ohne zu erwarten, dass sie zu Lebzeiten dafür bestraft werden. Man könnte auch sagen, sie lästern und missachten die Schöpfung Gottes.

Aber das juckt sie genauso wenig, wie der Floh in ihrem Pelz. Religion, der Mensch, seine Fähigkeiten und Neigungen. Alles ist nur Mittel zum Zweck der Mächtigen. Müssen wir resignieren, verzagen oder bleibt für uns noch etwas zu tun? Ich glaube, ja. Es geht für uns darum, Haltung zu beweisen, unsere Würde, unsere Integrität, unsere Ablehnung, unsere Beharrlichkeit, uns nicht verführen zu lassen, unser Wille, uns im Pelz der Mächtigen festzukrallen und nicht loszulassen, wenn der Bär sich schüttelt. Ein Einzelner vermag da wenig, aber viele anständige Menschen sind eine echte Herausforderung für alle Machthaber. Schaffen wir also eine Population der Integrität, Würde und Güte, die im Pelz der Mächtigen mehr juckt als ein einzelner Floh.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kryptografie

Es wird von den unendlichen Möglichkeiten geredet, menschliche Gehirne miteinander zu verknüpfen, Gedankenaustausch ohne jede Mündlichkeit und Schriftlichkeit zu pflegen, mit Computern direkt zu kommunizieren und Quantencomputer zu nutzen, die statt Bits and Bytes mit Qubits hantieren, das heißt, nicht nur die Impulse 1 und 2, sondern auch alle Grautöne der Kommunikation zulassen.

So wie von einigen Menschen von der Zukunft aller Möglichkeiten geschwärmt wird, beklagen andere drohende Kontrollverluste, befürchten Brainhacking und schwören auf eine quantensichere Kryptografie. Was ist denn los da draußen und in uns selbst? Alles wirkt entfesselt und die einzige noch verschlossene Türe zu allen Möglichkeiten scheint noch die Zeit zu sein. Der direkte Austausch zwischen Gedankenträgern soll es erst in etwa 50 Jahren geben, also kein Grund zur Beunruhigung? Ich denke doch.

Für den Menschen ist es in seiner DNA verankert, dass er alles erforscht, ausprobiert und versucht, auch umzusetzen. Es geht aber mit der Zeit etwas verloren, was ich für wichtig erachte, und zwar den Anlass allen Strebens nach Fortschritt. Es kann kein verlässlicher Grund für alle unsere Bemühungen geben, das menschliche Gehirn zu verändern, zu optimieren und zu quantifizieren, obwohl zum Beispiel die Chinesen keinen Skrupel haben, dies aus staatlichen Eigeninteressen zu verfolgen.

Das Eingreifen in unser Bewusstsein durch Reduktions- und Sublimierungstechnologien, Beseitigung störender Gedanken und Anreicherung von Nützlichem und Stärkung der Logik stellt keinen Fortschritt dar, wenn wir nicht wissen, was Grund oder Ziel dieses Strebens ist.

Stört uns die Vielfältigkeit menschlicher Gedanken, das Unbekannte und Gefährliche? Müssen wir den Körper des Menschen beseitigen, der als anfälliger Träger menschlicher Unberechenbarkeit gilt? Was soll eine menschliche Gesellschaft noch leisten, in der die menschliche Einzigartigkeit nur noch eine ungeordnete Rolle spielt?

Um den Anfängen eines Zugriffs auf unser Ich Paroli zu bieten, müssen wir bereit sein, uns zu verschlüsseln, und zwar schon jetzt. Dazu gehört, sich Medien zu verweigern, die uns ausspähen, unsere Gewohnheiten kennenlernen, uns befragen, kopieren und unsere scheinbaren Bedürfnisse kreieren. Wir sollten den digitalen Medien nicht alles verraten, sondern das Kostbarste verschlüsselt halten, unser Wesen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Blumenreigen

Im Zeit-Magazin vom 22.03.2018 las ich ein aufregendes Interview mit Stefano Mancuso, der als Botanikprofessor an der Universität Florenz lehrt. Er hat ein Buch geschrieben über die Intelligenz der Pflanzen und behauptet in dem Interview nicht nur die Denk- und Merkfähigkeit von Pflanzen, sondern auch ihre Möglichkeit, miteinander zu spielen. Er mahnt an, die Pflanzen so zu nähren, wie sie es wünschen und darauf zu vertrauen, dass sie sich auch wehren können. Die Pflanzen brauchen kein Glyphosat, so eine seiner erstaunlichen Aussagen. Er beschreibt auch die neuronale Vernetzung der Pflanzen untereinander und ihre großen Potentiale, den Menschen bei der Gestaltung der Welt hilfreich zu sein. Pflanzen empfinden keinen Schmerz und können es auch zulassen, verspeist zu werden. Sie sind anpassungsfähig an ihre Umwelt und Überlebenspartner der Menschen.

Doch warum nehmen wir dies nicht wahr? Ich vermute, weil wir nicht aufmerksam sind und verdrängt haben, dass der Apfel der Erkenntnis, den Eva im Garten Eden für Adam gepflückt hatte, kein schlechter war. Diese gänzlich unwahre Bibelgeschichte ist für uns Menschen betrüblich wahr. Wir scheuen uns vor der Erkenntnis, weil diese uns in Verantwortung zwingen würde. Auch Gott wollte nie diese Verantwortung verhindern, sondern den Menschen Gelegenheit geben, durch wahres Erkennen des Lebens die Potentiale des Entwickelns und des Scheiterns zu ergründen. So ist das biblische Gleichnis eine Aufforderung, der wir bis heute nicht gerecht werden. Schon im Apfel der Erkenntnis hat sich uns die Natur offenbart, aber wir haben darin nur unsere Nacktheit erkannt und nicht die Botschaft des Wachsens, des Reifens und Lernens.

Wir haben aber die Chance, den uns dargebotenen Apfel immer wieder zu ergreifen, ihn zu kosten und wahrzunehmen, was uns die Natur mitzuteilen hat. Dies betrifft nicht nur die Angebote der Nahrungsaufnahme und der Schönheit, sondern auch der Entschlüsselung von Düften, Ritualen und unbekannten Fähigkeiten. Nur ein Beispiel will ich nennen: Würden wir die Möglichkeit der pflanzlichen Natur als Speichermedium erkennen, würden wir wahrscheinlich auch hieraus Nutzen ziehen für den dringend benötigten Energiespeicher für uns alle.

Würden wir für Pflanzen einen Energiekompass entwickeln, wären sie in der Lage, uns zu zeigen, wie wir uns sinnvoll ernähren und gesünder unser Leben bestreiten können. Würden wir Pflanzen als Partner sehen und respektieren, würden sie bereit sein, mit uns die Welt zu retten. Davon bin ich überzeugt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zwischenwelten

Wenn wir etwas von Zwischenwelten hören, denken wir fast zwangsläufig an Science-Fiction-Geschichten. ´Zwischenwelten´ ist ein nicht ganz fassbarer Ort, unkonkret, gefährlich und mächtig. Genau so aber verhält es sich mit Zwischenwelten, die wir kennen und von denen wir wissen, dass sie sich in unserem Alltag komfortabel eingerichtet haben. Die Rede ist von Organisationsformen, wie Gewerkschaften, Parteien und Glaubensgemeinschaften. Deren Einfluss auf unsere Gesellschaft ist unbestreitbar und wird täglich erlebt. Fraglich ist jedoch deren Legitimation.

Die genannten Institutionen sind Vereinen ähnlich, aber in ihrer Wirkung greifen sie weit über ihre eigene Mitgliederstruktur hinaus. Gewerkschaften engagieren sich nicht nur für Arbeitsbedingungen, Gehaltserhöhungen und die Freizeit ihrer Mitglieder, sondern vermögen auch Regelungen für diejenigen zu treffen, die weder Mitglieder sind, noch persönlich beabsichtigten, die Interessensvertretung zu legitimieren.

Meist mit, aber auch gegen den Willen Einzelner können Tarifverträge nicht nur ausgehandelt, sondern auch verbindlich mit Arbeitgebervertretern abgeschlossen werden. Gewerkschaften sind keine staatlichen, auch keine halbstaatlichen, individuellen oder kollektiv privaten Einrichtungen, sondern intermediäre Interessensvertretungen, die ihre Legitimation von grundrechtlich geschützten Interessen ableiten.

Ähnlich verhält es sich mit Parteien. Auch sie verpflichten nach Wahlen unsere Gesellschaft zu einem Verhalten, das nicht davon abhängt, ob wir Parteimitglieder sind oder nicht. Sind sie mehrheitlich gewählt, nehmen sie auch Minderheiten in die Haft für ihr Programm. Dies geschieht ohne Ansehung persönlicher Interessen oder staatlicher Verfasstheit. Parteien bedienen sich dieser Einrichtungen, allein aufgrund ihrer Legitimität.

Auch Kirchen und Glaubensgemeinschaften greifen in ihrer Wirkungsmacht stets weit über die Individualität des einzelnen Gläubigen und der durch sie verfassten Institution hinaus. Sie halten sich allgemein für Daseinsfragen und auch des Jenseits für zuständig und rechtfertigen sich weder durch Mitgliedschaften, noch Zustimmung. Auch sie sind intermediäre Einrichtungen, Teil einer Zwischenwelt, deren Legitimität nicht zur Überprüfung gestellt wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Weltenformel

Stephen Hawking ist gestorben. Die Nachricht seines Todes bringt mich zum Grübeln. Was hat es aus meiner Sicht mit dem Universum auf sich? Vom Urknall bis zum Ferienflug, überwiegend werden wir mit konkreten Ereignissen konfrontiert, die mit Materie zu tun haben. Es geht um Naturgesetze, Naturkonstanten, Elektromagnetismus, Gravitation, Quantenmechanik und schwarze Löcher.

Was ist aber, wenn selbst diese komplexen Erklärungsversuche unseres Universums einschließlich aller konkreten Bestandteile selbst nur eine Idee wären, Projektionen eines Geistes, wie der eines Isaac Newtons, Albert Einsteins oder Stephen Hawkings, um nur diese drei zu nennen. Letzterer hat diese Idee der Projektionen selbst einmal angesprochen, indem er auf die Unsicherheit der realen Existenz hinwies.

Diese Unsicherheit manifestiert sich auch im Glauben. Im Glauben wird eine Welt geschaffen, die ebenfalls nicht konkret ist, sondern einer Idee folgt und diese ausformuliert. Könnte es sein, dass das, was wir als konkret begreifen, eigentlich nur eine Idee ist, die zum Konkreten führt? Es gäbe demnach eine Uridee der Existenz, in der sich alles finden kann und sich trennt. Die Idee ist auf Lichtgeschwindigkeiten bei der Erforschung des Universums nicht angewiesen, da bereits der entfernteste Punkt des Universums oder des Multiversums von der Idee erfasst ist und jederzeit erkennbar gemacht werden kann. Unsere Reise durch Zeit und Raum würde sich so an der Idee und nicht an der Beschwerlichkeit des Konkreten festmachen.

Sind derartige Überlegungen, die aberwitzig daherkommen, sinnvoll? Vielleicht doch, und zwar unter dem Gesichtspunkt einer Entdeckungsmöglichkeit jenseits von Erfahrungen der Begrenztheit. Es wird wahrscheinlich alternativen Intelligenzien vorbehalten bleiben, diese von uns Menschen entwickelte Möglichkeit der Idee zu nutzen, um die Weltformel zu entziffern, die alles einschließt und alles umfasst, doch weniger wiegt, als die Luft auf einer Fingerkuppe.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski