Moderne Medien brüsten sich damit, dass sie Dank Digitalisierung und Algorithmen in der Lage seien, individuell auf die Wünsche der Konsumenten einzugehen. Dabei geht es in den Printmedien um die von den Kunden nachgefragten Informationen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Technik. Was Printmedien als verbraucherfreundliche Zukunft beschreiben, gilt natürlich auch für das interaktive Fernsehen und alle Projekte des Internets.
Der Kunde ist König. Er kann wählen und aus dem vielfältigen Angebot aussuchen, was er will, wenn er nicht selbst Ansprüche stellt und fordert, wonach ihm verlangt. Das können Kriminal- oder Liebesfilme sein, Berichte über Intrigen, Folter, Vertreibung und Verschleppung oder auch Schnulzen, Traumfahrten und schöne Landschaften. Hass und Liebe, Wut und Sanftmut, alles liegt nur einen Knopfdruck voneinander entfernt.
Nach etwas Eingewöhnung weiß das digitale Medium selbst, was der Konsument beansprucht, sei es an Informationen, Waren oder Dienstleistungen. Eigentlich alles wunderbar, genauso, wie es vorgesehen ist. Wir hören, sehen und lesen, was wir wollen. Wo ist der Haken? Das Problem ist, dass wir selbst nur noch das aussuchen, was in unsere Welt passt, wobei allmählich die Algorithmen die Kontrolle übernehmen, weil sie gespeichert haben, was wir wollen. Schließlich befinden wir uns in einem medialen Kokon, der undurchdringlich für Informationen ist, die wir sonst beim Durchblättern einer Zeitung, beim Zappen durch Fernsehsender oder Radiohören noch nebenbei mitgenommen haben.
Es erreicht uns nur noch das, was zu unserem Gefallen individualisiert wurde. Mangels Spiegelung mit anderen Meinungen oder Eindrücken, müssen wir glauben, dass das, was uns erreicht, der Wahrheit entspricht. Wir sind verwundert, entrüstet und ggf. sogar aggressiv, wenn wir feststellen, dass unsere Wahrheit keine Allgemeinverbindlichkeit haben soll. Unsere Welt hat mit den Welten anderer Menschen nichts mehr zu tun. Fremde Räume bleiben uns verschlossen, auch im Vorübergehen erhaschen wir keinen Blick in diese Räume. Wir sind aber darauf angewiesen, dass unsere Räume sich wieder weiten.
Das wird dauern, erleben wir doch in den Vereinigten Staaten von Amerika gerade das Gegenteil. Ein Präsident, ein Fernsehsender, eine Anhängerschaft und eine Botschaft. Sie lautete: Ich.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski