Archiv für den Monat: Februar 2019

Es geht voran

Überall lesen wir, dass nichts voranginge, neues Denken erforderlich sei und wir – gemeint sind selbstverständlich nur die Politiker – bei der Bildung, im Wohnungsbau, im Pflegedienst, bei den Renten und bei der Verkehrswegeplanung versagten. Sicher habe ich nicht alle offenen Felder benannt, wie auch, bei dem Ausmaß an Anschuldigungen dessen, was hierzulande nicht funktioniert.

Davon etwas beindruckt, las ich einen Beitrag der früheren Senatorin für Justiz in Berlin und Hamburg, Frau Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit, die ihre gewichtige Stimme immer wieder zu Fragen der Familie, Ehe und Kindern erhebt. Nicht, dass mir die Umstände, von denen die Autorin berichtet, völlig fremd gewesen seien. Sie waren mir nur nicht mehr ganz gegenwärtig. Es war mir nicht mehr gegenwärtig, dass bis in die Nachkriegszeit hinein für Ehemänner und Väter einseitig begünstigte Rechtsvorschriften galten und sich diese auf die Bevormundung der Ehefrau, das Güterrecht und die Sorgeberechtigung für Kinder entscheidend auswirkten. Alles stets zum Nachteil der Frauen.

Und doch sind seit 1976 maßgebliche Reformen im Familienbereich angeschoben und umgesetzt worden, und zwar mit der Tendenz, da nicht stehen zu bleiben, sondern weitere Klippen zu meistern, um Familien zu stabilisieren und Frauen und Kindern mehr Rechte einzuräumen. Ist das nicht großartig? Sicher muss immer noch mehr getan werden, aber wir haben auch schon viel erreicht in der Energiewende, in der Bekämpfung der Armut, im Bildungs- und im Pflegebereich.

Verbesserungsprozesse sind nie am Ende, aber es geht voran. Wir sind in der Lage, auf allen Gebieten demokratisch prozessual Lösungen zu entwickeln, die uns helfen, unsere rechtsstaatliche und sozialstaatliche Freiheit weiter zu genießen. Wir benötigen kein „neues“ Denken, keine Revolution, keinen Umsturz der Verhältnisse, sondern eine Übersicht, aus der sich Ideen entwickeln lassen, die nach Selbstvergewisserung über Sinn des Handelns auch dazu führen, dass wir handeln.

Was für die gleichgeschlechtliche Ehe gilt, kann auch für die Integration von Flüchtlingen und Ausländern gelten. Der Prozess des Verstehens und der Analyse führt zwangsläufig zur Entscheidungsfindung und zur Integration. Aufgrund des inzwischen eingesetzten gesellschaftlichen Bewusstseinswandels kann sich heute wohl kaum mehr einer daran erinnern, dass erst 1994 die Strafbarkeit der Homosexualität in Deutschland abgeschafft wurde.

So wird es dereinst auch einmal zum gesamten Integrationsprozess von Ausländern heißen: „Was? Wir verstehen das überhaupt nicht, weshalb Ausländer in Deutschland einmal verfolgt, diskriminiert und abgelehnt wurden. Mit ihrer Einbürgerung sind sie wichtiger Garant für die Entwicklung unserer Gesellschaft geworden.“ Wir haben noch viel vor. Packen wir es an.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fußballmuseum Dortmund

„Der Ball ist rund“, „Vor dem Spiel ist nach dem Spiel“ – derartige Binsenweisheiten finden Sie auch im Fußballmuseum Dortmund. Diese Weisheiten sind stimmig und passen eigentlich nicht zu einem Museum. Das Fußballmuseum Dortmund ist auch kein Museum. Es ist Erinnerung, Begegnung und eine Verheißung für jedes nächste Spiel, das kommen wird.

Der Chef der TRIAD Berlin, Lutz Engelke, hat uns die Türen geöffnet und den Weg bereitet für bleibende Erlebnisse, ausgelöst durch konkrete Tatsachen und große Gefühle, wie sie sonst nur in Opern oder Musicals entwickelt werden können.

Ja, das Fußballmuseum Dortmund ist auch großes Theater, Informationsbörse, aber auch Wahrer unserer Erinnerungen. Diese sind stets gegenwärtig, ausgelöst durch legendäre Spiele 1954 und 2014 mit einem Abstand von 60 Jahren, um nur zwei davon zu benennen. Zum Leben erweckte Spieler-Ikonen weisen auf die großen Augenblicke des Fußballs hin, schaffen Verbindungen zu unserer Kindheit, wenn wir uns mit einem der Spiele identifizieren wollen, wenn wir den Ball vor uns hertreiben oder ihn im Tor fangen.

Ja, Fußball ist eben Teil unserer Entwicklung ganz persönlich und in der Gemeinschaft mit anderen Menschen. Wir sind frei, uns zu dem Ball und zu denen, die ihn treten, zu bekennen, ohne dass wir uns lächerlich machen. Für uns Menschen, und zwar für alle, ist Fußball trotz aller Gegnerschaften von Vereinen und Fußballnationen eine uns bindende Möglichkeit des grandiosen Erlebens von Körperlichkeit, Kampf und Versöhnung.

Die vom Museum vermittelte Sicht auf Fußball lässt Kriege unter Menschen, Hass, Rassismus, Erniedrigung und Intoleranz absurd erscheinen. Ich wünsche mir, dass viele Menschen Gelegenheit haben, sich dessen im Fußballmuseum Dortmund zu vergewissern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Johnny Appleseed

Wenn wir nur einige wenige Apfelbäume pflanzen, können wir bald einen köstlichen Apfelkuchen essen. Das ist die Botschaft von Johnny Appleseed!

Es handelt sich hierbei um eine der anrührendsten Sagen der Vereinigten Staaten. Johnny Appleseed versteht sich mit Menschen und Tieren, aber vor allem pflanzt er Apfelbäume und erfährt, was man alles Leckeres aus Äpfeln zubereiten kann, von apple tart bis Saft. Diese Geschichte zeugt vom Entdeckungsdrang des Menschen, der westwärts zieht in unbekannte wilde Gebiete, der aber auch Verantwortung übernimmt für seine Umwelt, für Mensch und Tier und sich selbst. So beinhaltet „Johnny Appleseed“ nicht nur eine Botschaft, die typisch amerikanisch ist, sondern auch Anleitung für innovatives Handeln weltweit sein kann und auch sein muss.

Wir müssen aufbrechen in eine neue Welt, nicht nur unser Verhalten schulen, sondern auch unsere Wahrnehmungsfähigkeit gegenüber Dingen, die uns bisher deshalb verschlossen geblieben sind, weil wir uns nicht öffnen wollten.

Die Anleitung zum Handeln erarbeiten wir uns durch Aufgeschlossenheit gegenüber der Welt, die Wahrnehmung von akzeptablem und nicht akzeptablem Verhalten in allen Regionen dieser Erde. Durch den Vergleich von Verhalten und Möglichkeiten festigen wir unsere Überzeugung, die uns befähigt, tatsächlich etwas zu ändern. Nur, wenn grenzenlos denken, ist auch unser Geben und Nehmen nicht begrenzt. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass jede Erschütterung im letzten Winkel dieser Erde Auswirkungen auf unser Verhalten hat.

So ist Johnny Appleseed eine Hinführung zu einer Weltordnung, die die Merkmale ihrer Verbesserungsfähigkeit, als prozessuales Verhalten, in sich birgt. Junge Menschen sollen durch die Welt ziehen, um sie mit neuen Augen kennen zu lernen, die sich nicht nur an Erfahrungen, sondern an der Lust des Ausprobierens orientiert. Wenn unsere Kinder und Jugendlichen zunächst auch nur wenige Apfelbäume pflanzen, so können sie uns doch bald dazu einladen, einen köstlichen Apfelkuchen zu essen. Das ist die hoffnungsfrohe Botschaft von Johnny Appleseed. Geben wir uns also – auch um unser selbst Willen – einen Ruck und packen wir es gemeinsam an. Ich bin hungrig auf den Kuchen nach dem ersten Rezept. Aber natürlich mit Sahne.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vertrauen

Vertrau mir! Auf allen Kanälen wird um Vertrauen geworben. Vertrauen in die Politik, in die Währung und sogar ins Internet. Vertrau mir! Das ist das mit Erwartungen verbundene Mantra unserer Gesellschaft. Ist das aber so einfach?

Derjenige, der vertraut, hat aufgrund konkreter Verabredungen die Überzeugung, dass das Vorgestellte sich auch erfüllt. Vertrauen basiert also nicht auf Mutmaßungen und vagen Erwartungshaltungen, sondern folgt konkreten, strukturierten, erfassbaren Gegebenheiten. Das auf dem Markt und in den Medien eingeworbene Vertrauen basiert in der Regel aber nicht auf Fakten, ist nicht strukturiert und auch nicht spezifiziert, obwohl jeder Adressat dieses Werbens sich angesprochen fühlen soll.

Es gibt ohnehin kein allgemeines „Vertrauen“, sondern nur spezifisches Vertrauen. Es gibt ein Vertrauen des Gebers und ein Vertrauen des Nehmers. Das Vertrauen des Gebers basiert auf der eigenen Einschätzung der Umstände einschließlich des Risikos, im eigenen Vertrauen getäuscht zu werden. Der Vertrauensbruch hat dann auch keine unüberwindbaren Konsequenzen, sondern führt allenfalls zur Veränderung des eigenen Verhaltens und Anpassung an neu zu beurteilende Umstände. Die Erwartungshaltung des Adressaten eingeworbenen Vertrauens ist dagegen ganz anders strukturiert.

Die Erwartungshaltung ist weit verletzlicher, gefühlsbetont und ohne Berücksichtigung des Scheiterns. Die Vertrauensbekundung des Empfängers korrespondiert allerdings mit Misstrauen und lässt es so zu, dass all das, was noch kurz zuvor für richtig empfunden wurde, bei Gefährdung des Vertrauens nun als abwegig behandelt wird. Das Misstrauen mag nicht gerechtfertigt sein, bemächtigt sich aber, obwohl es nicht faktengestützt ist, des Empfängers einer Botschaft. Daher wäre es sinnvoll, vom inflatinonären Gebrauch des Begriffes „Vertrauen“ abzusehen und vielmehr die konkrete Basis des Vertrauens so zu strukturieren, dass auch der Empfänger entsprechender Verlautbarungen sich darauf verlassen kann. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Das ist gut gesagt, aber in der Wirklichkeit nicht zu meistern. Die Kontrolle versagt an den Möglichkeiten des eigenen Beurteilens und Eingreifens, zumindest in der Regel. Daher sollte von Vertrauen nur dann die Rede sein, wenn man sich darauf verlassen kann und der Missbrauch des Vertrauens nicht nur mit Konsequenzen bedroht wird, sondern diese im Falle des Missbrauchs auch umgesetzt werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski