Archiv für den Monat: Juni 2019

E-Games

Spiele auf elektronischer Basis erfreuen sich gerade bei Kindern und Jugendlichen eines großen Zuspruchs. Bekannte Spiele sind zum Beispiel Fortnite, aber nicht nur die sogenannten „Ballerspiele“ haben sich etabliert, sondern allmählich übernehmen E-Game-Funktionen die Steuerung in vielen Lebensbereichen.

Immer wieder ist zu hören, dass Spiele in Unternehmen bei der Entscheidungsfindung förderlich seien, aber auch im Sport. Dies geht soweit, dass E-Games sportliche Attribute zugedacht werden. Spiele auf elektronischer Basis sollen Spielen unter Muskeleinsatz gleichgestellt werden, also Sportereignisse wie andere sein und so auch das Gemeinnützigkeitsprivileg erlangen.

Es gibt eine breite Unterstützung für diese Art von Spielen und moderierende Betrachtungen, ab wann das Spielen für Kinder und Jugendliche geeignet sei, und was Eltern bei der Spielkontrolle beachten sollen. Allgemeine Auffassung: Am besten, man schwimmt mit der Zeit, denn auch in diesem digitalen Bereich ist der Vormarsch der elektronischen Technologie nicht aufzuhalten. Bemerkenswerterweise erfährt man aber sehr wenig über den sozialen Charakter dieser Spielkultur.

Es werden selten grundsätzliche Fragen gestellt, ob das Spielen auf dieser Basis überhaupt notwendigerweise zum Leben gehört und was Kindern und Jugendlichen entgeht, wenn sie sich auf ein Spiel einlassen, dessen Strukturen festgelegt sind und weder Verlierer noch Gewinner kennt. Das Spiel repetiert nur bekannte Vorgänge, belohnt und bestraft, aber schafft keine Kommunikation. Was wird aus jungen Menschen, wenn die persönliche, emotionale und auch intellektuelle Kommunikation zumindest nur noch eingeschränkt stattfindet? Welche Lebensorientierung bleibt da noch offen und welche Lebensentwürfe werden geschaffen?

Nicht das Spiel ist das Problem, die Sorge gilt dem Menschen, dessen Vielfältigkeit der spielerischen Einfalt geopfert wird. Eine Gesellschaft muss grundsätzliche Fragen stellen angesichts der Notwendigkeit geistiger, kognitiver und emotionaler Ausbildung. Es muss die Frage danach gestellt werden, welche Selbstbetrachtung ein Mensch erfährt, der in Zukunft möglicherweise die Hälfte seines Lebens spielend im elektronischen Bereich zugebracht hat und sich nur noch so wahrnehmen kann. Spielsalons sind für Kinder unter 18 Jahren verboten. Müssten diese Kriterien nicht auch für E-Games gelten?

Es geht darum, Dinge grundsätzlicher zu betrachten, als dies bisher geschieht und nicht als Sport zu qualifizieren, was allenfalls die Anstrengung des Daumens und die Konzentration beansprucht. Sport hat mit gesamtmenschlicher Anstrengung zu tun, beansprucht Herz, Geist und Körper. Sport ist ein soziales Ereignis und erfährt dadurch seine gesellschaftliche Anerkennung. Der Leistungswettbewerb unter Menschen auf elektronischem Gebiet kann und muss nicht Sport sein. Er wird von der Belohnung gesteuert, hat Suchtcharakter und stärkt eher das strategische Denken. Reicht das, was ist uns und künftigen Generationen wichtig?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Rendite

Unser Denken wird stark von unserem Anspruchsverhalten bestimmt. Wenn etwas von uns verlangt wird, messen wir unser eigenes Verhalten daran, was es uns bringt. Der Nutzen wird überwiegend finanziell bestimmt. Renditeerwartungen sind der Seismograph unseres Verhaltens. So funktioniert dies im persönlichen Bereich, wie auch im wirtschaftlichen und politischen Raum.

Sollen zum Beispiel Schulen gebaut, Wohnungen errichtet oder sonstige Infrastrukturmaßnahmen geschaffen werden, zunächst geht es immer nur um Geld. Was kostet das und erst nach Schaffung einer finanziellen Übersicht machen sich die Verantwortlichen an das Umsetzen. Unser Gestaltungswille ist vom Geld bestimmt.

Dabei vergessen wir, dass wir nicht nur persönlich, sondern auch in der Gemeinschaft eine Verantwortung tragen und darauf angewiesen sind, dass das Werk gelingt. Es kommt daher nicht auf das Geld, sondern auf den guten Plan und die Wege der Umsetzung, die Partizipation und dann erst auf die Kompensation an. Das Machen kommt vor dem Geld und nicht anders herum.

Mit anderen Worten, nicht das Geld bestimmt das Tun, sondern ist lediglich ein Mittel des Ausgleichs. In den Gemeinschaften, aus denen wir stammen, kam es auch nicht auf die Kompensation, sondern auf die erwartende Verpflichtung des Einzelnen an zu handeln. Stakeholder Value, vor Shareholder Value entsprach common sense in allen archaischen Gemeinschaften. Diejenigen, die stets nur ihre Renditeerwartungen vor Augen haben und nicht vor allem an den sie verpflichtenden Beitrag des Schaffens denken, übersehen, dass sich nur das Werk und nicht das Geld für sie auszahlt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Eindeutigkeit

Bereits umgangssprachlich versuchen wir uns, der Eindeutigkeit zu versichern, wie zum Bei­spiel durch Floskeln, wie „genau“ oder „geht klar“. Dabei ist nichts klar, eindeutig und genau. Wenn wir uns der Floskeln bedienen, können wir auch gar nicht davon ausgehen, dass unser Gegenüber das Gesagte auch für bare Münze nimmt. Es soll uns aber entschulden von dem Verdacht, nicht offenherzig gewesen zu sein. Unser Gesprächspartner soll glauben, es sei so, wie wir es sagen. Das, was sich im Umgang mit den Menschen abspielt, ist auf keinen Bereich der Darstellung und der Kommunikation beschränkt. Immer versuchen wir Eindeutigkeiten zu produzieren, ob in der Wissenschaft, der Wirtschaft oder Philosophie, um nur einige Bereiche zu nennen.

Dabei wollen wir uns nicht eingestehen, dass es überhaupt keine Eindeutigkeit an sich geben kann, weil alles Sein einerseits auf unterschiedlichen Wahrnehmungen beruht, andererseits sich auch in allen Aggregatzuständen als komplex zeigt. Alle menschlichen Erwartungen, alle gesellschaftlichen Experimente, ob Bürgerkriege, Revolutionen oder Ideologien – um nur zunächst diese ungewissen Bereiche zu benennen – entsprechen einer sich fortschreibenden menschlichen Erfahrung und sind deshalb unverzichtbare Werkzeuge erlebter Neuordnung unserer Welt.

Wir sind darauf angewiesen, uns immer wieder an diese neuen Herausforderungen und Situationen zu adaptieren, erwartungsoffen gegenüber allen Argumenten – seien diese emotional, rational, juristisch, fiskalisch, religiös oder sogar absurd. Selbst die Lüge ist eine unverzichtbare menschliche Wahrheit. Wir wissen um ihre Kraft des Guten und des Verderbens, aber vertrauen auf unsere Wahrnehmung des Entdeckens oder Nichtendeckens, je nachdem, welche Perspektive wir als opportun empfinden.

Wenn wir uns der Erkenntnis nicht verschließen, dass es keine Eindeutigkeiten gibt, könnten wir bei aller verbleibender Skepsis von allen argumentativen Angeboten profitieren, dabei ohne Wahrheitscamouflage Argumente akzeptieren, und zwar selbst dann, wenn sie uns in jeder Hinsicht unpassend erscheinen, um aus der Vielzahl von Darstellungen und Meinungen ein größeres Maß an Sicherheit bei der Beurteilung zu gewinnen. Scheuklappen bergen die Gefahr, dass wir uns trotz beschworener Genauigkeit und Klarheit in einer Welt verrennen, die so nicht ist, wie ich es mir zum Beispiel persönlich wünsche. Es ist nicht nur meine Welt, sondern unsere Welt und diese ist vielfältig, nie eindeutig.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski