Archiv für den Monat: November 2019

Terror

Was sich täglich in den Köpfen der Menschen und auf der Straße terroristisch entwickelt, ist weit entgrenzt. Dem verbalen Terror in Medien und auf der Straße kann nicht mehr mit Polizeimaßnahmen und Justiz begegnet werden. Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Verachtung anderer Menschen bis hin zur blanken Zerstörungswut haben Besitz nicht nur von einzelnen Menschen, sondern auch Gruppen gewonnen und erobern sich zunehmend Deutungshoheit.

Dies wird verstärkt durch Klüngel und Parteien. Darauf mit Entsetzen und Abscheu zu reagieren, schafft Terrorismus nicht ab, sondern verstärkt nur dessen Auswirkung durch Selbstbestätigung der Protagonisten. Wer in der Gruppe stolz auf sein Verhalten ist, wird durch Angriffe auf dieses soziale Selbstverständnis in seiner Haltung noch bestärkt, anstatt zur Aufgabe bewogen.

Was könnte dann helfen? Möglicherweise der Ansatz, dass die Medien und wir in der Gesellschaft, auf der Straße und in der Politik davon reden, dass nicht nur unsere deutsche, sondern auch unsere europäische Errungenschaftsgemeinschaft ein Erfolgsmodell aller erster Güte ist. Ich persönlich möchte in keinem anderen Land der Welt leben. 70 Jahre ohne Krieg, ein Land, das liberal, offen und in der Lage ist, die Fehler ihrer Politiker zu verschmerzen, sich entwickelt, Einkommen sichert und jedem Menschen unfassbare Möglichkeiten eröffnet.

Es ist es wert, täglich dafür anerkannt und gelobt zu werden, anstatt es mit Hasstiraden zu überziehen. Mögen manche glauben, sie seien das Volk, aber ein Volk ist keine Momentaufnahme und schon gar nicht eine Gruppe, ein Volk sind alle Menschen, die in einem Gebiet leben und Völker in noch mehr Gebieten. Keiner kann sich anmaßen, mehr Volk als der andere zu sein und schon gar niemand ist berechtigt, dem anderen weißmachen zu wollen, er sei mehr Volk als er.

Wer sein Volk liebt, der freut sich an der Bundesfahne, der Hymne und der Vielfältigkeit der Menschen, die hier leben. Sie tun alle etwas dafür, dass es uns so gut geht, sei es im Osten, sei es im Norden, Süden oder Westen. All das, was für Deutschland gilt, gilt auch für Europa, wir verdanken ihm unsere Einheit, unseren Wohlstand, unser Glück und unsere Lebensperspektive.

Wir sollten uns zu Deutschland bekennen aus Respekt gegenüber unseren Vorfahren und aus Achtung gegenüber unseren Kindern, die dafür sorgen werden, dass es mutvoll und glücklich mit unserem Land weitergeht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wachstum

War bis noch vor Kurzem Wachstum der Schlüssel zur gesellschaftlichen, nein sogar menschlichen Entwicklung, erfährt Wachstum heute eine negative Aufladung. Die einen meinen, dass Wachstum erforderlich sei, um die zivilisatorischen Errungenschaften zu sichern und dabei auch weiter auszubauen, während andere meinen, Wachstum zerstöre unser ökologisches Gleichgewicht und sei schädlich für die Welt. Die einen fürchten das ungebremste Wachstum, die anderen meinen, ein gebremstes Wachstum sei möglich und schließlich wollen einige sogar auf jedes Wachstum verzichten.

Dabei ist immer von dem ökonomischen Wachstum, das Auswirkungen auf unsere Lebensgestaltung habe, die Rede. Unbestreitbar hat ökonomischer Wachstum zeitweilig zumindest für einige zu enormen wirtschaftlichen und kognitiven Möglichkeiten beigetragen. Wachstum hat nicht nur Kriege ermöglicht, sondern diese auch verhindert, ist mitverantwortlich für Lebensverlängerung und Gesundheit. Wachstum hat Demokratie ermöglicht und Liberalität erzeugt.

Es wäre daher aus meiner Sicht falsch, Wachstum als verwerflich abzustrafen und den Versuch zu unternehmen, Wachstum auf null zu stellen bzw. umzudrehen. Nicht das Wachstum ist schuld an unserer ökologischen Misere, sondern es sind wir selbst, weil wir offenbar übersehen, dass Wachstum nur ein wichtiges Werkzeug dazu ist, auch künftigen Generationen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen und diesen Planeten für die Menschen zu erhalten.

Wachstum muss sich allerdings entkoppeln vom Shareholder Value und sich einklinken beim Stakeholder Value. Nicht der Reichtum Einzelner kann das Wachstumsziel sein, sondern das Nutzen der Renditen, um uns alle weiter voranzubringen. Dort, wo geschaffen wird, entstehen Gewinne, das ist selbstverständlich, aber, ob und wie Gewinne verwandt werden, ist ein noch zu bestellendes Feld.

Wir haben Chancen und Möglichkeiten, unsere vorhandenen Errungenschaften zu nutzen, um neue Tätigkeitsfelder zu erschließen, wenn wir Wirtschaft und Ethik nicht als Gegner oder Ethik allenfalls unter Compliance-Gesichtspunkten sehen. Die Ganzheitlichkeit in wirtschaftlichen Prozessen, die Philanthropie könnte uns die Augen zu neuen und umfassenderen Tätigkeitsfeldern eröffnen, wenn wir ressourcenschonend, gemeinschaftlich orientiert, bedarfsgerecht die Ziele unseres Einsatzes definieren. Geld ist tot. Der Kapitalismus alter Prägung ist tot. Wenn wir die bisherigen systemischen Erfahrungen aus der Wirtschaft nutzen und Neues erproben, dürfte sich ein Kosmos neuer Möglichkeiten auftun. Packen wir es an!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bürgertum

Es entspricht dem Zeitgeist, den Wertverfall zu beklagen und in diesem Zusammenhang das Bürgertum als Hort des Wertes zu benennen. Das war es dann aber auch. Die Werte selbst, die das Bürgertum schützen soll, detailliert aufzuzählen, das geschieht dann doch lieber nicht. Das aus gutem Grund. Werte entstehen nicht aus sich heraus, sondern Werte werden geschaffen. Sie werden von denjenigen geschaffen, die für sich selbst daraus Vorteile ableiten, seien diese individuell oder kollektiv.

Wenn mehrere dann gleicher Meinung sind, entstehen Verbindlichkeiten, die, soweit Macht und Einfluss reicht, auch für diejenigen als allgemeinverbindlich angeordnet werden können, die derselben Wertegemeinschaft eigentlich nicht angehören. So verhält es sich mit dem Kirchenkodex, dem Kodex des Adels und selbstverständlich auch des Bürgertums.

Die Form bestimmt den Inhalt und die Möglichkeit, durch soziale Kontrolle auf die Einhaltung der Normwerte zu achten. Dessen eingedenk, wie sieht es denn heute mit den bürgerlichen Werten aus? Wer erklärt sie für allgemeinverbindlich? Wer schützt sie? Gibt es noch ein Bürgertum, das durch gemeinsame Selbstbehauptung in der Lage ist, einen verbindlichen Kodex der Verhaltensweise aufzustellen und auch bereit ist, sich selbst noch an diesem Kodex jenseits des individuellen Anspruchsverhaltens zu orientieren?

In einer Zeit des „anything goes“ ist es wohlfeil, mit der Hülle des Bürgertums durch die Gegend zu laufen und diese Hülle als Mäntelchen für jedwede Ansicht zu nutzen, die dem eigenen sektierischen Anspruch genügt. Eine Bürgerlichkeit, die wertetragend sein könnte, ist nur durch eine gesellschaftliche Verabredung jenseits von Einzelinteressen zu haben. Bürgerlichkeit ist kein Kampfbegriff, sondern die mehrheitliche Überzeugung, geschaffen durch einen Contrat Social. Die Werte, die diese Vereinbarung beinhalten sollte, dürften sich fügen aus Menschlichkeit, Demut, Akzeptanz, Rücksichtnahme, gemeinsamem Wollen, Teilen, Umweltbewusstsein, Offenheit für Neues, Respekt und Anerkennung von Leistungen auch der anderen Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski