Archiv für den Monat: Oktober 2020

Legitimität

Legal und legitim sind unterschiedliche Schuhe, die nicht jedem Träger gleichzeitig passen. Beide entsprechen allerdings Optionen, die es dem Träger dieser Schuhe gestatten soll, seinen Weg konsequent zu gehen. Ist dieser Weg selbst legal und legitim, kommt der Träger kaum ins Stolpern. Ist der Weg legitim, aber nicht legal, dann bedarf es heftiger Anstrengungen, um sämtliche Hürden und Hindernisse auf diesem Weg zu überwinden.

Ist der Weg schließlich nur legal, aber nicht legitim, dann ist es eine Frage der Zeit, bis der Träger dieses Vorhabens erkennt, dass sein Weg dornig endet. Wir wissen, dass die Legitimität eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen jedes Vorhabens ist und diese Legitimität sich aus der Akzeptanz aller Stakeholder des Vorhabens ableitet. An fehlender Legitimität scheitert jede Herrschaft, und zwar auch dann, wenn Gesetze diese befürwortet.

Selbstermächtigung schafft keine Legitimität, weil sie substanzlos nur auf dem Machterhalt ihres Protagonisten beruht. Lukaschenko, Putin, Erdogan und noch etliche andere Potentaten verfügen über keinerlei Legitimität, und zwar selbst dann nicht, wenn es ihnen gelingt, auf Zeit, Dank der Angst oder des Phlegmas eines wesentlichen Teils der Bevölkerung, legal zu herrschen.

Sie sind illegitim an ihrem Platz, behaupten diesen aber selbst dann, wenn sie erkennen müssten, dass ihre Ermächtigung ausschließlich von missbrauchten Gesetzen und ihrem Machtapparat abhängt. Warum sie das tun, bleibt ein Rätsel.

Franco, Salazar und Hitler, aber auch Napoleon und der Zar. Überall ist statt Legitimität legale Anmaßung zu konstatieren. Aber außer dem Trotz und der Angst, als Verlierer dazustehen, nicht gemocht oder gar bestraft zu werden, bleibt nichts, dass es wert wäre, erinnert zu werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gewalt

Neunjähriges Mädchen von Mitschüler angegriffen, Prellungen, Gehirnerschütterung und Zerrungen im Rippenbereich. Achtjähriger hinterrücks niedergeschlagen von gleichaltrigem Mitschüler, eine Gehirnerschütterung hat dies zur Folge, neunjähriges Mädchen von Mitschülerin mit einer Schere bedroht unter Ankündigung, sie niederzustechen. Dies ist eine kleine Auswahl alltäglicher Verletzungshandlungen, wie sie sich in Grundschulen abspielen.

Die Gewalt setzt im Bereich der Kinder früh an und steigert sich im Zuge der jugendlichen Entwicklungsstufen. Schubsen, Prügeln und dabei auch verübte Gemeinheiten sind an sich nichts Unbekanntes bei Kindern. Dennoch hat sich der Maßstab verändert. Die Veränderung drückt sich dadurch aus, dass es sich nicht mehr nur um ein Kräftemessen handelt, sondern um grundlose Aggressionen, die meist heimtückisch auf ein zufälliges Opfer zielen.

Kein Kind bleibt heute an Schulen von den Möglichkeiten der Verletzungshandlungen verschont. Es gibt Lehrer, die führen darüber Aufzeichnungen, andere bestellen Eltern ein, um sich über das Verhalten der Kinder zu besprechen und schließlich gibt es vereinzelt Versetzungsmaßnahmen. Die Gründe für die Aggressionen werden damit nicht aufgedeckt und zuweilen werden sogar Eltern zu Mittätern.

So wurde im oben genannten Beispiel des neunjährigen mit einer Schere bedrohten Mädchens, dieses von der Mutter der Angreiferin ihrerseits mit den Worten bedroht, dass sie sie töten werde, wenn sie ihre Tochter nochmals bei der Lehrerin verpetze. Manche Eltern streiten die Aggressivität ihrer Kind ab und bekräftigen Beschuldigungen der Täter, dass das andere Kind angefangen habe und sich das eigene Kind nur gewehrt hätte.

Viele Erzieher und Lehrer verhalten sich ratlos, wiegeln oft ab und hoffen auf eine allgemeine Beruhigung. Das ist aber ein Irrtum, dass dies geschehe, denn die nicht geklärten Aggressionen hinterlassen nicht nur psychische Spuren bei den Opfern, sondern fördern sogar systemische Verhaltensweisen, bei denen dann gewalttätige Vorgänge sich als normal und abwendbar in Schulen erweisen. Deshalb ist es unumgänglich und wichtig, nicht nachzulassen in der Aufklärung der Kinder, in den Klassen, auf den Schulhöfen. Deshalb ist es wichtig, Regeln durchzusetzen und dadurch den Kinder eine Orientierung zu geben.

Deshalb ist es schließlich wichtig, Verantwortung für das eigene Verhalten und Empathie für andere frühzeitig zu lehren und zu vermitteln, um einer selbst sich erzeugenden Gewaltspirale bereits bei den Kindern den Schwung zu nehmen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski