Uns inzwischen wohl vertraut, werden wir von Ikea mit Du angesprochen. Wir wissen natürlich, dass diese Form der Anrede in Schweden allgemein üblich ist. Für uns hier hingegen nicht. Es ist noch nicht lange her, da konnten sich selbst 15jährige Jungen und Mädchen darauf verlassen, dass sie der vertrauten Anrede mit „Du“ entwachsen und mit „Sie“ angesprochen werden. Das war auch ein Signal für ihre Aufnahme in die Welt der Erwachsenen, wobei für die Umgangsform untereinander das „Du“ weiterhin üblich war.
Nur einige Internate und Vorzeigeschulen fielen aus dem Rahmen. Die älteren Jugendlichen wurden von den Jüngeren ebenfalls mit „Sie“ adressiert. Inzwischen haben sich die Umgangsformen geändert, ohne, dass das „Sie“ gänzlich aus unserem Wortschatz verschwunden wäre.
Im öffentlichen Umgang ist die Anredeform „Sie“ unter Erwachsenen nach wie vor verbreitet, aber nicht ausschließlich. Es bringt wohl die Amerikanisierung unserer Sprache mit sich, dass auch Erwachsene sich zunehmend mit dem Vornamen anreden, es dabei zunächst bei dem „Sie“ belassen, aber bei einer sich bald bietenden Gelegenheit einer Abänderung ins vertraute „Du“ bevorzugen. Bei erwachsenen Jugendlichen, die der selben Generation angehören, dürfte das „Du“ überwiegen. Es ist bei ihnen auch die Ansprache, mit der sie üblicherweise Geschäfte machen, wenn sie nicht überhaupt auf den Gebrauch der deutschen Sprache verzichten und auf Englisch ihre Anliegen regeln. Obwohl dies natürlich nicht passt, wird dabei aus dem „You“ schnell ein „Du“.
Die Sprache des Umgangs und des Geschäfts bestimmt zudem die Werbung und veranlasst die Werbetreibenden, ihre Kunden generell nur noch mit einem anonymen „Du“ anzusprechen. Der Sog dieser Vereinfachung ist so mächtig, dass er inzwischen sämtliche Kommunikationsbereiche erfasst hat.
Ob Formulare oder Internetauskünfte, stets muss ich mich darauf einstellen, dass jemand, den ich überhaupt nicht kenne, ein vertrautes „Du“ in seiner Ansprache wählt. Weder kann ich mich dagegen wehren, noch dieser Vereinnahmung ein respekterwartendes „Sie“ entgegensetzen. Das „Du“ hat die Welt erobert und gestaltet mein Leben ungefragt. Es verschafft mir aber das Gefühl einer grenzenlosen Dazugehörigkeit.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski