Wohnen als ein Menschenrecht. Das erscheint heute schon als eine Selbstverständlichkeit. Schon seit längerem wird Fortschritt auch daran gemessen, dass wir das Richtige tun und damit Geld verdienen. Das gilt gleichermaßen für das Bauen und Vermieten. Daran hat sich nichts geändert. Aber, vielleicht hat sich geändert, dass neben Bauherrn und Vermieter der Mieter in den Fokus der Betrachtungen gerät als ein weiterer Stakeholder, der seine Stimme erhebt. Wie passen profitables und wirtschaftlich vernünftiges Bauen sowie Vermieterinteressen und Mieterinteressen an einer bedarfsgerechten Wohnung zusammen?
Um all dies auf einen Nenner zu bringen, ist es erforderlich und möglich, ESG und SDG zu beherzigen, Nachhaltigkeit hochzuhalten und so zu profitieren. Hilfereich ist dabei, den Raum für den Einsatz dieser Möglichkeiten neu zu denken, die Chancen zu nutzen und deren Potentiale voll auszuschöpfen. Ein Beispiel, das sicher uns allen geläufig ist: Eigentum symbolisiert eigentlich nur totes Kapital. Man muss also Verfügungsmacht besitzen, um mit Eigentum Geld zu verdienen.
Entschließen wir uns dazu, diese Verfügungsmacht zu teilen und davon zu profitieren, dass auch andere profitieren, so erweitern wir unsere Möglichkeiten des gewinnbringenden Einsatzes. Schon in der Vergangenheit hatten wir gängige Modelle der Zweckverwirklichung im Immobilienbereich, zum Beispiel Genossenschaften. Heute treten hinzu Stiftungen, Gesellschaften mit gebundenem Vermögen, auch Verantwortungseigentum genannt, oder auch hybride Konstruktionen, die Teil des Verwirklichungsprozesses selbst sind und zu multilateralem Profit beitragen.
Ich denke dabei zum Beispiel an Konstruktionen in der Verbindung mit Erbbaurechten, aber auch und das vor allem, an neue ganzheitliche Überlegungen, die etwas schlagwortartig mit „Quartierbuilding“ benannt werden können. Wie ist das zu verstehen, worin liegen deren Vorteile?
Zunächst in einem neuen, die Lebenssituation des Mieters erfassenden Vertrag zwischen diesem und dem Vermieter. Es soll bedarfsgerechter Wohnraum geschaffen werden, aber auch eine Verbindung von Bauen und Dienstleistungen und schließlich das Bauen an sich unter Berücksichtigung recycelbarer Materialien, von Verkehrswegen, Infrastruktur insgesamt, Flexibilität, Kostenoptimierung bei angestrebter Effizienz und sachgerechte Verteilung der Lasten. Es gibt hier kein umfassendes, allein seligmachendes Konzept, denn es gibt viele spezifische Standortbedingungen, die bei der Problemlösung berücksichtigt werden müssen. Aber, und dies ist ein entscheidender Treiber für solche Vorhaben: Das Quartier stellt eine bleibende Verantwortungsgemeinschaft dar, die Veränderungen, wechselnde Anforderungen und die Fluktuation von Mietern als zeitgemäß begreift und sich bereits bei der Entstehung darauf einrichtet. Stifterhäuser á la Fugger haben früher einmal ihren Sinn erfüllt, sind aber heute nicht mehr zeitgemäß.
Über alle möglichen Varianten dazu, Beispiele des Gelingens und neue Herausforderungen werden und müssen wir sprechen. Es geht mir aber um die Hinleitung zu einem der dringendsten Probleme unserer Zeit angesichts der Krisen, die uns u. a. Verkehr, Ressourcenverknappung und Energieprobleme bescheren. Sie fordern uns dazu auf weiterzugehen und Chancen gerade in einer angestrengten, aber auch durch Herausforderungen veränderbaren Welt zu sehen.
Unterschätzen wir dabei weder die Möglichkeiten, noch die Schwierigkeiten. Gehen wir diesen Weg und gerade viele junge Menschen tun dies, indem sie tätigem Handeln den Vorzug vor Venture Capital und Exitstrukturen geben. Sie fordern zu recht den Staat heraus, der sich – teilweise sicher aus gutem Grund – auch für zuständig hält, aber aufgrund von Bürokratien, Steuerregimen, stadtplanerischen Einschränkungen und Vergabeproblemen Schwierigkeiten damit hat, die notwendige grundsätzliche Orientierung des Menschen für seine und vor allem auch die Zukunft seiner Kinder in einem Plan orientierungsfest zu gestalten.
Deshalb müssen wir unsere Kinder schon früh als Träger von Rechten mit einbinden, aber auch die Eltern, denn Elternbildung schafft Kinderbildung. Der Bildungsauftrag, der in den zu schaffenden Quartieren verwirklicht werden soll, ist essentiell für die gedeihliche Zukunft dieser sowohl Pflicht- als auch Verantwortungsgemeinschaft. Zu den Infrastrukturmöglichkeiten eines Quartiers gehören neben Bildung auch die historisch bewährten Aufgaben, das Arbeiten, das Denken und das Handeln, also auch den Beruf sowie Sport und Freizeit mit dem Wohnen zu koordinieren.
Allerdings muss bei aller Euphorie für eine umfassende Wohn-, Lebens- und Arbeitssituation auch darauf geachtet werden, dass die Offenheit, d. h. der Zuzug anderer Menschen und Veränderungen im Wohnverhalten gewährleistet bleiben, ja, sogar gefördert werden. Die Kommunikation der Quartiere untereinander und ihre Fähigkeiten, sich nicht nur konzeptionell, sondern auch mit Wohnungstausch etc. neue Möglichkeiten zu schaffen, ist dabei ein Gradmesser für das Funktionieren eines solchen Konzeptes. Je mehr „Working Places“, Ateliers und sonstige das Leben beeinflussende Lösungsangebote auch im Bereich Kultur, Pflege und Bildung derartige Quartiere aufweisen, umso einfacher wird sein, die Gemeinschaft lebendig zu gestalten, zu bewahren und so auf Dauer friedlich miteinander umzugehen.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski