Archiv für den Monat: Dezember 2022

Leben

Das Leben erscheint mir zuweilen als eine Abfolge spektakulärer und weniger spektakulärer Begebenheiten, die sich im Gewesensein erschöpfen. Frei nach Breton, welchen Nutzen, welchen Gewinn ziehen wir daraus?

Das ist nicht auszumachen, kann nicht entschieden werden, und zwar aus einem einfachen Grund: Wenn wir eine Zeit lang das Spektakel angeschaut haben oder auch Teil des Spektakels waren, irgendwann ist alles zu Ende, spätestens zum Zeitpunkt unseres Todes.

Aber, warum machen wir das alles, warum zetteln wir Kriege an, wie dieser Herr Putin, begehen unfassbare Gräueltaten und helfen andererseits anderen Menschen, retten sie, befreien sie von Krankheiten und Leiden. Warum häufen wir gigantische Vermögen an und verteidigen unseren Besitzstand mit Klauen und Zähnen? Warum sind uns Arbeitszeitnormen und wirtschaftlichen Vorteile sowie Spekulationsgewinne jenseits unseres Bedürfnisses so wichtig?

Mit der DNA wäre es zu erklären, wenn es stimmen würde. Würden die beschriebenen Verhaltensweisen nicht an der Erosion des Lebens auf dem Planeten beteiligt sein, entsprächen sie dem allgemeinen Verständnis, uns Menschen zu erhalten. Wäre dieses Verständnis vorhanden, zögen alle an einem Strang und würden sich in ihren Fähigkeiten ergänzen. Diese Bereitschaft scheint nicht zu bestehen.

Es geht vielmehr um Vorteile. Ein transzendentales Leben, wie Religionen verheißen, das ließe Elend und Ungerechtigkeiten ertragen. Ist aber der „Himmel“ abgeschafft bzw. geraubt, ein transzendentales Paradies unerreichbar, was bietet dann noch das Leben? Vielleicht Hoffnung? Aber worauf? 

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ahne

Wir waren noch Lausbuben und trieben ab und zu unsere Späße mit dem „Ahne“. Der Ahne? Das war der alte Mann, der oben unter´m Dach wohnte, meistens im Bett lag und niemals mehr das Zimmer verlassend, die schmale Holzstiege hinab in die Küche des Bauernhofs kletterte, wo wir meistens alle zusammen waren, wenn es nichts zu tun gab.

So war das damals Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts in einem abgeschiedenen Dorf des Schwarzwaldes. Der alte Mann, also der Ahne, war der Großvater, vielleicht nicht mehr ganz richtig im Kopf, wenig beweglich, von der schweren Arbeit auf dem Hof gezeichnet. Die Schmerzen setzten ihm zu. Aber dennoch freute er sich immer, wenn wir zu ihm nach oben stiegen und nahm uns die Neckereien offensichtlich nicht übel.

Der Ahne, welch verheißungsvolles Wort. Es bringt zum Ausdruck, dass er sich bereits zu Lebzeiten den Ahnen näherte. Mit Vorname hieß er zwar Adam, aber wir nannten ihn alle den Ahne, bis auf seine Frau, die sich um ihn kümmert, soweit ihr eigenes Alter dies noch zuließ. Sie sorgte für sein Essen, richtete sein Bett und das Nachtgeschirr, welches regelmäßig geleert wurde. Sie wusch ihn und las ihm am Abend aus der Bibel vor.

Zuweilen kamen auch ein Arzt und der Pfarrer, letzterer wahrscheinlich um einzuschätzen, wann mit dem Ableben zu rechnen sei. Die Rituale führten den Ahnen Tag für Tag, Stunde um Stunde seinem Ende näher und es war zu spüren, dass die Ahnen erwarteten, ihn in ihren Reihen aufzunehmen. Außer dem Warten auf den Tod, gab es für ihn auf Erden nichts mehr zu erledigen. Abgesehen von unseren Neckereien herrschte Frieden in dieser Dachkammer, alles war authentisch und stimmig und nun, was erwartet den Ahnen unserer Tage? Was erwartet mich, wenn ich alt bin?

Sicher kein Altenteil in einem Bauernhof. Vielleicht kümmern sich gelegentlich oder regelmäßig Pflegekräfte um mich oder ich komme in ein Pflegeheim? Kinder und Enkelkinder kommen ab und zu zu Besuch, bringen Kekse und gute Wünsche mit und versichern, dass für alles gesorgt sei. Der Ahne war kein Geschäftsmodell, wie ist es aber um den alten Menschen heute bestellt? Die Alten werden älter, die Ahnen müssen warten. Das Geschäft muss erst erledigt, der Ahne ausgelesen sein.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Meta-War; War-Games

Internetkriege sind zeitgegenwärtig. Alltägliche Cyber-Kriege finden in fast jedem Haushalt statt. Kriege gehören zur Menschheit und Dank der Spieltheorien kann erprobt werden, mit welcher Taktik man einem Ziel näherkommt. Inzwischen haben wir die Plattformen, auf denen wir im Internet agieren, mit Grundstücken, sonstigen Vermögen und Avataren angereichert.

Zunehmend gelingt es so, auch im Cyberspace Infrastrukturen zu schaffen, die unserer analogen Welt nicht unähnlich sind. Dies zwingt uns auch im Internet, unser Eigentum und unsere Besitzungen zu schützen, ermöglicht aber auch, unter Einsatz von Gewalt, unseren Reichtum zu mehren. Zunehmend wird all das, was wir bereits in unserer realen Welt erprobt haben, als Blaupause für das Metaverse gelten.

Auch in dieser digitalen Sphärenwelt können wir wirkungsvoll all diejenigen Möglichkeiten ergreifen, Konflikte austragen und Machtstrukturen schaffen, wie dies auf Erden bereits möglich war und ist. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied. Im digitalen Universum besteht zwar wie auf Erden ein enormer Energiehunger und hat unser Handeln auch Einfluss auf unsere Psyche, unsere Physis und unser Vermögen, führt aber nicht zu unmittelbaren Beschädigungen und Zerstörungen, wie sie uns in der realen Welt geläufig sind. Dieses Wissen verschafft Vorteile insofern, als wir darüber nachdenken sollten, Kriege künftig nur noch im digitalen Raum zu führen, um dadurch das Leben auf unserem Planeten zu schonen und mittels Spielanleitungen Erkenntnisse zu gewinnen, die es uns ermöglichen, kriegerische Auseinandersetzungen auf Erden einzudämmen.

Durch eine solche Sphärenergänzung, ggf. auch einen Sphärentausch, sollte es gelingen, trotz Einsatz der raffiniertesten Waffen und von vielfältigsten Kriegern, die noch bestehende reale Welt zu erhalten und uns so zu schützen, dass nach jeder Zerstörung kostenintensive Wiederherstellungsmaßnahmen entfallen und keine Toten zu beklagen sind.

Da der virtuelle Raum umfassende Spielmöglichkeiten bei Waffenentwicklung, Zerstörung und Wiederaufbau erleben lässt und dies in der analogen Welt kaum abbildbar ist, erscheint mir das Kriegsgeschehen im digitalen Raum vorteilhafter für alle Beteiligten. Dies schließt sogar einen Atomschlag mit ein, vergleichbar mit der Handlung, dass eine der Kriegsparteien den Stecker zieht. Dann ist es zwar im Internet zappenduster, doch auf Erden mag das Leben dennoch weitergehen, hoffentlich!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Klimakatastrophe

Wie wollen wir die Klimakatastrophe verhindern? Durch Festkleben auf der Straße? Durch gezielte Würfe von Brei auf Bilder in Museen? Müssen wir uns hier nicht fragen, wer von solchen Aktionen so beeindruckt wird, dass er im Rahmen des ihm Möglichen alles unternimmt, um die Klimakatastrophe zu verhindern? Dass die Klimakatastrophe höchstwahrscheinlich kommen wird, davon sind die meisten Wissenschaftler, Politiker und auch Menschen weltweit überzeugt.

An wen richten sich also dann Straßenblockaden und Gemüsebreiwürfe? Rütteln sie vielleicht den noch nicht ganz überzeugten Mitbürger auf? Möglich. Ist das aber wirkungsvoll? Da habe ich meine Zweifel. Ich befürchte vielmehr, dass die Aktionen, einmal abgesehen von der öffentlich geteilten Empörung der Autofahrer und Museumsbesucher, völlig vergeblich sind. Ich hege vielmehr den Verdacht, dass es den Handelnden vor allem darum gehen könnte, sich selbst zu entlasten, zu verdeutlichen, dass sie sich künftig nicht mehr dafür verantwortlich erachten, sollte der Katastrophenfall eintreten.

Diese Aktionsform der Freisprechung ist geschichtlich und religiös verbürgt, deshalb leicht verständlich, aber stellt keine Möglichkeit dar, persönlich oder kollektiv der Katastrophe zu entgehen. Die Katastrophe wird auch diejenigen treffen, die sich zu Recht oder zu Unrecht weniger schuldig fühlen. Tatsächlich unschuldig kann allerdings kein Mensch, keine Politik, kein Staat oder wirtschaftliche Einrichtung sein. Wir alle haben uns kenntnisreich in diese Auseinandersetzung hineinmanövriert.

Es herrscht Krieg, und zwar Klimakrieg. Nachdem die Natur eine Zeit lang zur Kenntnis nehmen musste, wie wir sie ausbeuten, uns ihrer Ressourcen bemächtigen und sie auf jede nur denkbare Art und Weise verwunden, hat sie selbst den Spieß umgedreht und uns den Krieg erklärt, uns in einen Kampf gezwungen, den wir allen Prognosen zufolge verlieren werden. Wenn dies unser Erkenntnisbild ist, was können wir, was müssen wir tun, um diesen Krieg zu beenden?

Sehen wir dies einmal so: Die Antwort liegt in unserer langen Erfahrung mit Kriegen begründet. Wir Menschen hatten schon oft Gelegenheit, diese Kriege aus Einsicht oder den Umständen entsprechend zu beenden. Warum nutzen wir also dann nicht unsere Erfahrung und fordern diejenigen, die Kriege führen und auch Kriege beenden können, uns bei der Prüfung aller Möglichkeiten zu unterstützen?

Aber auch noch weitere Erfahrungen könnten uns bei der Katastrophenbewältigung hilfreich sein, und zwar die der Pandemie, aktuell die Corona-Pandemie. Auch hier haben wir gelernt, welche Maßnahmen hilfreich sein könnten, um die Katastrophe zu verhindern. Plötzlich war diese Erkenntnis da und es gab auch zumindest ansatz- und zeitweise eine internationale Gemeinsamkeit bei der Überwindung der Pandemie. Warum sollte es nicht gelingen, bei einer noch weitreichenderen Katastrophe, also der Klimakatastrophe, dieselben Mechaniken in Gang zu setzen?

Ich befürchte, weil wir im Gegensatz zu Kriegen und Pandemien noch keine Erfahrung mit Klimakatastrophen und deren Wirkungsweisen haben. Ich glaube, dies unter anderem an der Selbstgefälligkeit, mit der alle Beteiligten bisher mit dieser Katastrophe umgehen, festmachen zu können. Die Natur ist nicht der Aggressor, den Planeten gilt es, nicht zu bekämpfen, aber vielleicht betrachten wir uns als ein Virus, welches ein Interesse daran hat zu überleben und nach einem Ausweg sucht, angesichts der Fähigkeit unserer Umwelt, unseres Planeten und der Sonne, uns zu vernichten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski