Wie wollen wir die Klimakatastrophe verhindern? Durch Festkleben auf der Straße? Durch gezielte Würfe von Brei auf Bilder in Museen? Müssen wir uns hier nicht fragen, wer von solchen Aktionen so beeindruckt wird, dass er im Rahmen des ihm Möglichen alles unternimmt, um die Klimakatastrophe zu verhindern? Dass die Klimakatastrophe höchstwahrscheinlich kommen wird, davon sind die meisten Wissenschaftler, Politiker und auch Menschen weltweit überzeugt.
An wen richten sich also dann Straßenblockaden und Gemüsebreiwürfe? Rütteln sie vielleicht den noch nicht ganz überzeugten Mitbürger auf? Möglich. Ist das aber wirkungsvoll? Da habe ich meine Zweifel. Ich befürchte vielmehr, dass die Aktionen, einmal abgesehen von der öffentlich geteilten Empörung der Autofahrer und Museumsbesucher, völlig vergeblich sind. Ich hege vielmehr den Verdacht, dass es den Handelnden vor allem darum gehen könnte, sich selbst zu entlasten, zu verdeutlichen, dass sie sich künftig nicht mehr dafür verantwortlich erachten, sollte der Katastrophenfall eintreten.
Diese Aktionsform der Freisprechung ist geschichtlich und religiös verbürgt, deshalb leicht verständlich, aber stellt keine Möglichkeit dar, persönlich oder kollektiv der Katastrophe zu entgehen. Die Katastrophe wird auch diejenigen treffen, die sich zu Recht oder zu Unrecht weniger schuldig fühlen. Tatsächlich unschuldig kann allerdings kein Mensch, keine Politik, kein Staat oder wirtschaftliche Einrichtung sein. Wir alle haben uns kenntnisreich in diese Auseinandersetzung hineinmanövriert.
Es herrscht Krieg, und zwar Klimakrieg. Nachdem die Natur eine Zeit lang zur Kenntnis nehmen musste, wie wir sie ausbeuten, uns ihrer Ressourcen bemächtigen und sie auf jede nur denkbare Art und Weise verwunden, hat sie selbst den Spieß umgedreht und uns den Krieg erklärt, uns in einen Kampf gezwungen, den wir allen Prognosen zufolge verlieren werden. Wenn dies unser Erkenntnisbild ist, was können wir, was müssen wir tun, um diesen Krieg zu beenden?
Sehen wir dies einmal so: Die Antwort liegt in unserer langen Erfahrung mit Kriegen begründet. Wir Menschen hatten schon oft Gelegenheit, diese Kriege aus Einsicht oder den Umständen entsprechend zu beenden. Warum nutzen wir also dann nicht unsere Erfahrung und fordern diejenigen, die Kriege führen und auch Kriege beenden können, uns bei der Prüfung aller Möglichkeiten zu unterstützen?
Aber auch noch weitere Erfahrungen könnten uns bei der Katastrophenbewältigung hilfreich sein, und zwar die der Pandemie, aktuell die Corona-Pandemie. Auch hier haben wir gelernt, welche Maßnahmen hilfreich sein könnten, um die Katastrophe zu verhindern. Plötzlich war diese Erkenntnis da und es gab auch zumindest ansatz- und zeitweise eine internationale Gemeinsamkeit bei der Überwindung der Pandemie. Warum sollte es nicht gelingen, bei einer noch weitreichenderen Katastrophe, also der Klimakatastrophe, dieselben Mechaniken in Gang zu setzen?
Ich befürchte, weil wir im Gegensatz zu Kriegen und Pandemien noch keine Erfahrung mit Klimakatastrophen und deren Wirkungsweisen haben. Ich glaube, dies unter anderem an der Selbstgefälligkeit, mit der alle Beteiligten bisher mit dieser Katastrophe umgehen, festmachen zu können. Die Natur ist nicht der Aggressor, den Planeten gilt es, nicht zu bekämpfen, aber vielleicht betrachten wir uns als ein Virus, welches ein Interesse daran hat zu überleben und nach einem Ausweg sucht, angesichts der Fähigkeit unserer Umwelt, unseres Planeten und der Sonne, uns zu vernichten.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski