Archiv für den Monat: April 2024

Parallelwelten

Wie soll das gehen, Parallelwelten?

Wir atmen dieselbe Luft, essen, trinken, haben Wohnungen oder leben auf der Straße, bewegen uns in der Regel im gleichen Tagesrhythmus, werden geboren, leben und sterben. Natürlich jeder für sich, aber wir haben strukturell die gleichen Lebenserwartungen. Natürlich leben wir nebeneinander her, jeder für sich, in seiner Familie, Beruf und Freizeit. So lebt halt jeder in seiner Blase. Und wieso sollen dies Parallelwelten begünstigen oder ausdrücken?

Vielleicht deshalb, weil genetisch und sozial, meist bereits vor der Geburt eines Menschen, Voraussetzungen für die lebzeitige Zuweisung von Vorteilen in einer Welt geschaffen wurden, die so konstruiert und konditioniert ist, dass eine Veränderung des eigenen Status erschwert ist bzw. meist ganz ausscheidet. Der systemimmanente Widerspruch zwischen den unterschiedlichen Welten kann zwar negiert, aber nicht beseitigt werden.

Das mag schädlich sein, kann als ungerecht empfunden werden und ist sogar Auslöser vieler Auseinandersetzungen bis hin zu Kriegen. Sie entsprechen aber einer Realität, die weder durch Appelle und Argumente noch durch deren Negieren beseitigt oder verändert werden kann. In der Akzeptanz anderer Welten kann jedoch auch eine Bereicherung für die Entwicklung eigener Möglichkeiten durch Zuwendung, wie auch durch Wettbewerb geschaffen werden.

Wenn dies gefährdungsfrei geschieht, haben alle Bürger der unterschiedlichsten Welten eine Chance, die Zukunft einsichtiger, vielfältiger und damit ertragsreicher zu erleben. Es empfiehlt sich der weite Blick.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Erschöpfung

Es ist gerade viel los in der Menschenwelt. Putins Überfall auf die Ukraine, die Bedrohung Taiwans durch China, der Überfall der Hamas auf die Israelis, die Zerstörung des Gazastreifens durch die israelische Armee, vielfältige Menschenrechtsverletzungen im Zuge dieser Auseinandersetzungen und Kriege, aber auch Menschenrechtsverletzungen im Iran, Weißrussland, Nordvietnam und Myanmar.

Hinzukommt die Erderwärmung, das Abholzen des Regenwaldes, das Artensterben und viele sonstige Rechtsverletzungen mehr, ob in Aserbaidschan, Afghanistan, etlichen Staaten Afrikas, Asiens und des mittleren Ostens, um nur einige Staaten und Regionen zu benennen.

Was ist also los in dieser Welt?

Zudem stehen uns die Präsidentschaftswahlen in den USA bevor, Trump, Biden oder dieser Verschwörungsanhänger Robert Kennedy? Alles keine hoffnungsvollen Optionen angesichts der Verantwortung einer Weltmacht, die offenbar nicht mehr in der Lage ist, weltweit demokratische Maßstäbe zu setzen und auch nicht mehr als Ordnungsmacht gelten will. Überall ist Streit Programm. Es bestehen sogar in einem Großteil unserer deutschen Bevölkerung aufkeimende Gelüste, der AfD künftig Macht und Einfluss zu sichern. Wir schließen damit auf andere auf, auch auf europäische Staaten.

All dies bietet keinen wirklich schönen Ausblick auf die Welt, alle wirtschaftlichen Verwerfungen und Optionen, lieber Rüstung, anstatt Saatgut, Tod statt Leben, Verführung statt Bildung. Dieser an sich objektive schreckliche Zustand führt aber merkwürdigerweise noch zu keinem Aufruhr, keinem Bürgerkrieg, sondern wir scheinen erst einmal abwarten zu wollen, wie sich alles entwickelt. Zu vernehmen ist ein trotziges oder auch hilfloses „weiter so“ und wir erfahren, dass unsere Hilflosigkeit selbst angesichts des weltweiten Schreckensszenarios wie ein Beruhigungsmittel wirkt, und zwar eines der scheinbaren Gelassenheit. Möglicherweise ist das so zu verstehen, dass die auf uns einflutenden Bilder von Zerstörung, Hass und Gewalt, Stillstand, Unfähigkeit zu handeln, Betrug und Boshaftigkeit einerseits erschöpfend wirken, andererseits uns aber auch eine Gelegenheit bieten, Hilflosigkeit und Erschöpfung als eine Form der Resilienz zu begreifen. Wir finden uns so in der Unübersichtlichkeit zurecht, ohne daran zugrunde zu gehen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kokon

Zuweilen haben wir das Gefühl, uns befreien zu müssen, das Netz, das uns zu umgeben scheint, zu zerreißen, ins Freie zu treten, Beschwerden und düstere Gedanken loszulassen. Unberührt sein wollen wir vom Weltgeschehen, uns wiederfinden auf einer Insel der Erleichterung. Wunschträume, vielleicht, denn wir sind eingewebt in ein Netz von gegenwärtigen und vergangenen Geschichten, seien diese familiär, gesellschaftlich und weltweit.

Weltweit bestimmt ist auch die Dichte dieses Webstoffes aufgrund von globalen oder gar interstellaren Konstellationen. Nie sind wir frei. Wir werden seit jeher von allen stofflichen und nichtstofflichen Verbindungen bestimmt und bergen diese Informationen in jeder Faser unseres Körpers. Sie sind bestimmend, lähmend, wegweisend, stützend, zuweilen aufdringlich und im Kern unabänderlich. Aber doch erwartet das Netz unserer Existenz auch unseren Webbeitrag, d. h. der Kokon, der uns umhüllt, ist gleichzeitig auch ein Teil unseres eigenen Zutuns. Könnten wir unseren Kokon abwerfen, würden wir uns damit befreien?

Nein! Dies gelingt uns nicht einmal im Tode, denn unser Webbeitrag ist Teil des Netzes geworden. Im Bewusstsein dieser unabänderlichen Konsequenzen sind wir umständehalber gut beraten, die Chance aktiv zu nutzen und unsere Fäden so zu spinnen, dass der Kokon, der uns und auch alle späteren Generationen umhüllt, Webfäden aufweist, deren Qualität und Farbe wir selbst ausgesucht haben. Auch das Muster gilt es zu bedenken, um schließlich einen Beitrag dazu zu leisten, dass das eigene Handeln nicht fleckig und brüchig erscheint und so künftige Generationen zwingt, das zu flicken, was wir selbst ursächlich verunstaltet haben. Angesichts der Unausweichlichkeit des eigenen Beitrags an diesem Gewebe, verwundert, wie leichtsinnig viele Menschen mit dem ihnen anvertrauten Garn umgehen und Beiträge abliefern, die den Kokon brüchig machen und so Menschen auch ihres Schutzes berauben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fokussierung

Wie nahe ist uns die Nähe, wie fern das Ferne? Gewinnen wir mehr Übersicht, wenn wir die Dinge aus der Distanz sehen, alles gleichzeitig versuchen zu erfassen und in den Blick zu nehmen?

Oder lohnt es sich, den Blick zunächst auf die Details, also auch auf Kleinigkeiten zu konzentrieren. Wenn wir den Dingen nahe sind, Gelegenheit haben, uns ganz auf wenige Umstände zu fokussieren, besteht die Möglichkeit, dass die dadurch erlaubte Detailprüfung uns mehr vom Ganzen verrät, als der Überblick, der alle Differenzen einebnet. Wir wissen so zum Beispiel, dass der Blick aus dem Weltraum die vielen erdnahen Verwerfungen und Probleme nicht offenbart. Abgesehen von Veränderungen der klimatischen Zonen und Eingriffen in die Substanz unserer Welt, sind aus der Ferne viele Veränderungen nicht zu unterscheiden. Je näher wir den Dingen aber kommen, umso mehr verraten sie von ihrer Wesenheit und auch darüber, dass jedes aufgespürte Detail vom benachbarten Detail abweicht.

Dieses Phänomen verdeutlicht uns, dass wir durch unsere Fokussierung auf das Einzelne erfahren, dass es in seinen Eigenschaften mit der Menge nicht identisch ist, sondern etwas anderes verrät. Die daraus abzuleitende Vielfalt widerspricht der Gewissheit, die Menschen meinen zu haben, wenn sie den Makrokosmos, dem Mikrokosmos prüfend vorziehen und aus ihren Beobachtungen schlussfolgern, dass das, was sie wollen oder beanspruchen, auch geschehen wird.

Das ganze Große geschieht im Kleinen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski