Archiv der Kategorie: Soziales

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen sozialen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Ruck

In der sogenannten Adlon-Rede vom 26.04.1997 forderte Altbundespräsident Roman Herzog, es müsse ein Ruck durch Deutschland gehen. Wir – die „Ruck – Stiftung des Aufbruchs“ – haben dies als Aufforderung an uns selbst so gedeutet: es muss ein von uns ausgelöster Ruck durch die Gesellschaft gehen. Dieser Ruck kommt zustande, wenn jeder von uns und wir gemeinsam bereit sind, Gestaltungsoptionen in unserem Leben zu erkennen, ganz egal wie klein diese sein mögen und durch unser Handeln zeigen, dass sich in unserer Gesellschaft etwas verändern kann.

Es geht dabei um die Leistung jedes einzelnen Menschen und nicht um die großen Würfe. Durch kleine Weichenstellungen wird viel erreicht. Exemplarisch zeigt die Ruck – Stiftung des Aufbruchs dies unter anderem im Bildungsbereich mit den Projekten Viva Familia! und Filina unter dem Motto „Elternbildung schafft Kinderbildung“ durch Eltern-Patenschulungen und Einrichtung von Sing- und Erzählkursen, insbesondere für Mütter, auch mit Mitgrationshintergrund. Wer sich über die engagierte Arbeit informieren möchte, ist eingeladen, dies unter www.ruck-stiftung.de zu tun.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Mediale Überforderung

Als ob wir ahnungslos wären. Wir nehmen die Fremden, die zu uns kommen, wahr, wir engagieren uns in der Flüchtlingshilfe. Wir fördern Sprach- und Tanzkurse etc. Alles entsprechend unserer Möglichkeiten. Denen, die etwas tun, wurde nicht nur die Begrifflichkeit „Gutmensch“ für ihr Handeln zugeordnet, sondern sie mussten auch erfahren, dass das herabwürdigend gemeint war. „Gutmensch“ als Unwort des Jahres 2015.

Also: Wer menschlich etwas Gutes tut, macht es falsch. So wissen es die Medien. Sie wissen aber auch noch mehr. Von morgens bis abends wird in den Medien die Flüchtlingskrise besungen, ein schier unerschöpfliches Thema, viel wichtiger scheinbar als das normale Leben mit allen seinen Unwägbarkeiten. Flüchtlinge in Strömen, Flüchtlinge fast vor dem Ertrinken, Flüchtlinge in der Kälte in Flüchtlingscamps, Flüchtlinge im Einzelinterview oder in der Gruppe.

Jeder Politiker dieser Republik hat Gelegenheit, seine Statements dazu abzuliefern, für oder gegen offene Grenzen, Politikversagen und Ängste. Es reicht. Bei diesem endlosen Sprachdurchfall steht am Ende zu befürchten, dass die Menschen aufhören, sich mit Flüchtlingen anders als nur in Ablehnung zu befassen, da sie es nicht aushalten, ständig an ihre eigene Hilflosigkeit erinnert zu werden oder vergessen, dass das Leben auch aus Freude, Optimismus und Durchsetzungswillen besteht. Welche Schreckensszenarien sind die Medien noch fähig zu entwerfen, um die Menschen völlig zu zermürben, die Apathie und Interessenslosigkeit zur allgemeinen Haltung nicht nur in Flüchtlingsfragen ausreifen zu lassen?

Die Bundesregierung ist verpflichtet zu liefern, und zwar einen Plan, der auch dann funktioniert, wenn andere Staaten nicht mitmachen. Ein Plan wird nicht in endlosen Schleifen der Geschwätzigkeit entwickelt, sondern durch Analyse, Entschiedenheit und Umsetzungswille. Auch in einer Demokratie gibt es hierfür Zuständigkeiten, die wahrgenommen werden müssen. Mediales Aufplustern und Nachkarten helfen da nicht weiter, sondern informationsbasierte Analysen, Regeln und Gesetze. Dann schaffen wir das auch, und zwar trotz der Medien.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wer schreibt, der bleibt

Das hätte ich nicht erwartet, als ich vor knapp drei Jahren anfing, zu bloggen. Bei der Hochrechnung der bisherigen Besucherzahlen, dürften sich etwa 100.000 Besucher jährlich mit dem von mir Geschriebenen befassen. Selbst, wenn ich bedenke, dass Suchmaschinen ebenfalls als Besucher gezählt werden, so verblüfft es dennoch, dass die durchschnittliche Verweildauer in meinen Beiträgen bei über 2 min. liegt. Da ich mir Gedanken darüber mache, welche Motivation ein Besucher haben kann, trotz aller sonstigen Verpflichtungen und bei eingeschränktem Zeitkontingent meinen Blog zu besuchen, hatte ich darüber nachgedacht, den Besuchern Gelegenheit zu geben, meine Blogeinträge zu kommentieren. Es wurde mir allerdings davon abgeraten und die Begründung war überzeugend.

Was biete ich den Lesern an? Es sind be- und überarbeitete Informationen, die ich selbst oft aus anderen Medien erfahren habe. Persönlich sind der Verarbeitungsprozess und die Vermengung mit anderen Gedanken und Gefühlen, deren Hintergrund beruflich, familiär und weltanschaulich geprägt ist. Ja, ich weiß, woher ich stamme und wer ich bin. Es gibt einen Standpunkt, der verschiedene Varianten der Betrachtungen zulässt, aber auch dazu zwingt, eindeutig Stellung zu beziehen, was das Recht des Menschen auf Leben, Unversehrtheit, Freiheit im Denken, Handeln im gesellschaftlichen Kontext und Bildung anbetrifft. Dies ist unverhandelbar.

Auch wenn ich den Menschen nicht nur körperlich, sondern auch als spirituelles Wesen begreife, so bin ich doch davon überzeugt, dass Religionsausübung persönliche Verabredungen sind und unsere Gemeinschaft insgesamt nicht belasten und bevormunden darf. Der Mensch ist ein Faszinosum, hat bereits jetzt unendliche Entwicklungen durchlaufen und wird auch die Zukunft wesentlich mit gestalten. Der Mensch ist aber nicht allein, sondern steht in Kongruenz zu anderen Lebewesen, auch Pflanzen auf diesem Planeten. Das macht Abstimmung erforderlich und verpflichtet den Menschen unabdingbar zur Erhaltung der Lebensgrundlagen.

Seine Endlichkeit, seine Pflicht gegenüber kommenden Generationen sollte den Menschen daran erinnern, dass wirtschaftliches Gewinnstreben nur ein, aber nicht der wesentliche Aspekt seiner Selbstdarstellung sein darf. Die Kultur in ihrer Vielfältigkeit ist unsere größte Errungenschaft. Sie ist zu bewahren für künftige Generationen. Wer schreibt, erinnert sich, vergewissert sich, schafft Bezüge und notiert Selbstverständlichkeiten eines ewigen Testamentes. Das Wort wird Geist und bleibt. Für immer.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gotteskrieger

„Auf und macht das Banner Licht, ob das Wetter niederbricht, frisch hinausgeschritten, denn wir bleiben immer dar, Christi junge Kämpferschar, er in unserer Mitten…“ So sangen wir einst beim CVJM in Grünhemd und mit Koppel, während wir durch den Nachtwald marschierten, die Stellung einer Pfadfindergruppe überfielen, um deren Wimpel zu erbeuten. Wir waren mutig und stolz und hatten einen Anführer in heller Rüstung: Gottes Sohn Jesus Christus.

Wie der Oberbefehlshaber der jungen Christen Jesus sein muss, ist der Truppenführer der jungen Moslems Mohammed. Hier gibt es keine Unterschiede im Denken und Fühlen, sondern nur schmerzhafte Erfahrungen mit der Gewalt und im Handeln. Wenn es im eingangs zitierten Lied weiter heißt: „…wo wir sind, wo wir gestellt, wird den Herren aller Welt unser Lied gesungen…“ lassen die muslimischen Glaubenskämpfer Waffen sprechen.

Das ist ziemlich feige. Mit Waffen bringe ich andere Menschen nicht nur um, was ein immanenter Widerspruch zu jeder Missionarstätigkeit ist, sondern setze mich in Unrecht vor Gott. Menschen zu töten, ist Unrecht und führt in Verdammnis, ob vor Gott oder vorläufig unter den Menschen.

Natürlich sollen die Menschen untereinander streiten, um das, was sie für Wahrheit halten, mit Liedern, Gebeten und Offenbarungen auszudrücken. Die Wahrheit aber für sich zu reklamieren, ist anmaßend dreist, da diese bei einem wissenden Menschen, nie bei ihm selbst liegen kann. Der ihn durch Wort und Tat lästernde Mensch kann Gott nie begegnen und kommt auch sicherlich nicht ins Paradies. Ob er in die Hölle kommt, vielleicht. Aber das ist auch egal.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Rote Nasen

Im Winter bei klirrender Kälte holt man sich leicht eine rote Nase. Rote Nasen haben auch Zirkusclowns, während sie ihre Späße machen und Menschen zum Lachen bringen. Dies bedenkend, hat sich eine Rote-Nasen-Bewegung entwickelt, die kranken Kindern dabei hilft, ihren Zustand zu akzeptieren, aber sich auch durch ein Lachen über die Späße eines Clowns zu entlasten. Dieselbe Hilfe erfahren nun auch Flüchtlingskinder.

Professionelle Clowns bringen Flüchtlinge zum Lachen, sozusagen als Hilfestellung bei der Integration und entlastend nach all den erlittenen Furchtbarkeiten von Krieg und Vertreibung. Rote-Nasen-Clowns kosten aber Geld und die hierfür erforderlichen Spenden müssen aufgetrieben werden. Großspender sind eher die Ausnahme, deshalb werden junge Menschen, Schüler und Studenten zumeist, im Fundraising ausgebildet, um gegen eine Beteiligungsquote für sich selbst, Passanten auf der Straße dafür zu gewinnen, der Roten-Nasen-Organisation zu spenden, steuermindern versteht sich.

Die Fundraising-Rekruten, ob Rote Nasen, Greenpeace oder andere Organisationen bevölkern nun Straßen und Plätze, Rote Nasen leicht zu erkennen an den Roten Schaumstoffbällchen auf der Nase. Sie sehen einen, stürzen auf einen zu, gestikulieren wild mit den Armen und rufen zum Beispiel „Hallo, einmal stehenbleiben!“. Das Hallo bedeutet ganz offensichtlich, ich soll auf den Fundraiser aufmerksam werden. Die Infinitivform: „Einmal stehenbleiben!“ klingt da schon etwas nach einem Befehl und dem Hinweis, dass man als Nichtstehenbleiber auf jeden Fall einen Fehler macht. Sollte der so Angesprochene weitergehen, trägt er die ganze Last seines Versagens mit dem Nachruf: „Einen schönen Tag noch!“.

Aber, bevor es soweit kommt, vergehen weitere Sekunden, in deren Verlauf man erkennt, dass der Fundraiser, der ganz selbstverständlich die Situation beherrschen gedenkt, keinerlei Verständnis dafür aufbringt, dass man selbst entweder nur weitergehen möchte, beschleunigt ein Ziel ansteuert oder auch gar keine Lust hat, angesprochen zu werden. Wie weigert man sich aber? Vielleicht mit einem Nein, Kopfschütteln oder „Lass mich in Ruhe!“? Alles falsch. Es gibt kein Entrinnen, zumindest kein verbales. Manch auch halblaut hinterhergezischtes Wort hallt nach und vergällt dem Weitergehenden zumindest ein paar Minuten des Tages die Laune, wie: Arschloch, Geizhals, Spießer oder ….

Dabei denkt der eine oder andere gerade damit Bedachte daran, wie viel er ganz freiwillig für die ihm nahestehende Organisationen geleistet hat und auch künftig zu leisten bereit ist. Natürlich sieht ihm auch keiner an, dass er sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe oder in Sportvereinen oder in der Kirche beschäftigt. Schade. Aber die jungen Fundraiser sollten dies in Erwägung und bei ihrem Engagement weniger an sich und ihren Erfolg denken.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bürokratie

Einmal angenommen, sie haben eine gute Idee und wollen zum Beispiel mit Hilfe ihrer Stiftung den Pflegedienst für ältere Menschen organisieren oder Praktika an jugendliche Immigranten vermitteln. Was immer sie mit großem Enthusiasmus und Einsatz eigener Mittel auf den Weg bringen wollen, sie brauchen sicher einen langen Atem. Regeln, Vorschriften und bürokratische Anordnungen sind die Widerhaken auf dem Weg zum Erfolg. Das ist zwar lästig, teilweise absurd, aber normal, denn mit ihrem Engagement dringen sie ein in einen Raum, den die Bürokratie im Griff behalten will, denn wenn die Zivilgesellschaft wirkungsmächtig werden sollte, verliert diese ihren Einfluss.

Deshalb gibt es Zuwendungen des Staates oft nur in homöopathischen Dosen, und dies zudem nur widerwillig. Der Staat, der seine Bürokratie pflegt, begreift sich in einer Konkurrenzsituation zu seinem Dienstherrn, dem Bürger als Souverän. Diesen Kampf möchte er für sich entscheiden, eigene Vorhaben werden bevorzugt, so unsinnig diese sein mögen. Sie bestätigen dabei die Hilflosigkeit des Bürgers angesichts der Totalität des bürokratischen Apparates.

Dieser ist allerdings nicht nur im Ausgeben erfindungsreich, sondern auch im Vereinnahmen. Von einem kleinen Bespiel des Straßenverkehrs kann jeder berichten, zum Beispiel von kostenpflichtigen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen an völlig absurden Stellen kurz vor Aufhebung des Tempolimits auf der Autobahn oder kurzfristig angesetzten unsinnigen Parkbeschränkungen. Jeder Bürger hat Beispiele bürokratischen Handelns aus seinem Alltagsleben parat. Also: Wir lassen uns nicht unterkriegen, auch nicht von unserem Staat und seinen Bürokraten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Plan B

Es gibt Dinge, die müssen erst reifen. Wenn man beharrlich dran bleibt, stellt sich der Erfolg irgendwann ein. Es gibt aber auch Dinge, die scheinen auf den ersten Blick mühelos zu gelingen, weil alles darauf hindeutet. Doch dann taucht unerwartet ein Hindernis auf, ein Missverständnis wird zum handfesten Problem, plötzlich werden die Verhandlungspartner ausgetauscht, die Geschäftsgrundlage radikal verändert oder eine Entscheidung auf lange Zeit verschoben.

Es ist also absehbar, dass das Projekt scheitert. Eine Katastrophe bahnt sich an, die sich in Unternehmen, aber auch in der Politik und der Gesellschaft ausbreiten und bleibenden Primär- und Sekundärschaden verursachen kann. Es sei denn, es gibt einen Plan B, der das Scheitern des Plan A schon voraussehend einkalkuliert hat. Das Vorhandensein eines Plans B hat viele Vorteile. Er verschafft Gelassenheit, wo sonst Irritation, Empörung, Fassungslosigkeit oder Aggressionen das Handeln bestimmen.

Der Plan B ersetzt nicht den Plan A, sondern leitet aus der jeweiligen Situation neue Handlungsoptionen ab, die die Fähigkeit des Planinhabers, auf jede Herausforderung zu reagieren, unter Beweis stellt. Das Vorhandensein eines Plan B wird dazu führen, dass diejenigen, die den Plan A zum Scheitern bringen wollten, nun erkennen, dass der Verhandlungspartner möglicherweise auch einen Plan B hat und alles versuchen, diesen zu verhindern und sich folglich doch noch auf die Bedingungen des Plans A einlassen. Statt Machtverschiebungen, Vertrauensverluste und Schäden wird vielleicht dann doch ein Ergebnis erzielt, mit dem alle Beteiligte gut leben können, weil sie sich durch konsequentes Handeln Respekt verschafft haben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Europa

Europa versinkt im Chaos, löst sich auf. „Weh und ach“ schallt es aus den Mündern der Politiker und echot es in allen medialen Veröffentlichungen. Na und? Was soll das Geschwätz? Besinnen wir uns doch einen Moment darauf, was Europa ist. Dieser Kontinent ist die Heimstätte von Menschen, die hier leben. Man nennt sie Europäer. Da löst sich keineswegs etwas auf, weil Menschen nicht verschwinden.

Ja, zugegebenermaßen gibt es wirtschaftliche Verwerfungen, Endsolidarisierungen (furchtbares Wort!), Machtgehabe, Bevormundungen und Rücksichtslosigkeiten. Aber, so gebe ich zu bedenken, ist dies nicht immer so, ob in Klein- oder Großfamilien. Zoff gehört zum Lebensalltag, die großen Worte und die unsinnigen Taten.

Dennoch: Auch das Scheitern bietet Chancen, sich trennende Wege kreuzen sich wieder, wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen. Irrtümer ziehen Einsichten nach sich, neue Herausforderungen führen zu neuen Lösungen, dies auch bei scheinbar unüberwindbaren Konflikten, denn die Geschichte zeigt, dass alle Gegner irgendwann ermatten oder erkennen, dass an unerwarteter Stelle Neues entsteht, sie dann aber nicht abseits sein wollen. Es ist immer an der Zeit, mit Gelassenheit Leitfäden zu entwerfen, Verabredungen zu treffen, eine Mediation einzuplanen, zu untersuchen, weshalb einzelne europäische Staaten so oder so handeln. Der Appell allein an Vernunft und Einsicht ist zwar wohlgemeint, aber nicht förderlich.

Ob in Einzel- oder Gruppengesprächen ist es stets dem gemeinsamen Anliegen förderlich, anderen vorbehaltlos zuzuhören und schon dadurch zu einer Entlastung beizutragen, Haltungen zu verstehen, auch wenn man sie selbst nicht teilt und Lösungsmöglichkeiten jedem zuzutrauen. All dies schon aus eigenem gesellschaftlichen und staatlichen Interesse heraus. Das ist eine europäische Haltung, die anstiftet.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ängste

Manche Menschen haben Angst vor der Zukunft, manche vor dem Tod und manche vor anderen Menschen. Das ist normal. Ängste warnen uns vor Gefahren, denen wir persönlich begegnen könnten. Wahrnehmungen bestimmen uns dazu, dass wir uns verkriechen, schützen oder angreifen. Diese erzeugen Ängste in uns, ob wir sie bedenken oder nicht. Ängste sind nicht vernünftig. Sie können es auch nicht sein. Ängste muss man aber ernst nehmen. Als Symptom.

Wenn ein Mensch sich ängstigt, dann erinnert er sich möglicherweise an ein nicht verarbeitetes Erlebnis, dem er nicht gewachsen war. Er will nicht, dass sich dieses wiederholt. Ein Mensch ängstigt sich aber auch dann, wenn er noch keine Erfahrung im Umgang mit einem bestimmten Ereignis hat. Er weiß nicht, was auf ihn zukommt und das bereitet ihm Angst. All dies muss mit den Inhalten einer möglichen Gefahr, einer Bedrohung oder eines ungewissen Ereignisses überhaupt nichts zu tun haben, sondern Angst spielt sich in den Köpfen und im Gemüt von Menschen ab. Angst ist platzgreifend.

Kann ein Mensch seine Angst wieder aufgeben? Von sich aus ja, aber nur dann, wenn er erkennen kann, dass der Grund seiner Angst nicht besteht oder weggefallen ist und er nie verlacht wurde wegen seiner Angst. Sonst hält er an ihr fest wie an einer Trophäe und ist nicht bereit, das fehlgeleitete Gefühl einzugestehen. Wer Angst hat, kann therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Aber viele Menschen tun dies nicht, weil sie nicht als verrückt gebrandmarkt sein wollen. Das muss man verstehen.

Es gibt auch Menschen, die benötigen ihre Angst als ständigen Begleiter ihres Lebens, sie an Vorsicht ermahnend und als treuen Freund in einer komplizierten Welt. Angst ernst zu nehmen heißt, den Menschen ihre Angst nicht auszureden, aber auch nicht zu versuchen, sie rational zu begründen. Eine konkret begründbare Angst ist ein Widerspruch in sich selbst und gibt den sich Ängstigenden keine Chance, aus dieser wieder herauszufinden. Den sich Ängstigenden sollten wir zurufen: „Ja, ihr habt Angst vor der Welt, vor der Zukunft oder vor anderen Menschen. Das verstehen wir, das ist nicht schlimm. Mit eurer Angst könnt ihr leben oder euch auf etwas anderes konzentrieren. Das Leben ist nun mal voller Schwierigkeiten. Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.“

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Schrumpfende Dörfer

Hilfe, mein Kind schrumpft, so ein Filmtitel, durchaus vergnüglich gemeint. Bezogen allerdings auf Dörfer in Deutschland ein Klagelied. Es ist richtig. Dörfer schrumpfen. Junge Menschen zieht es in die Städte oder größere Ballungsgebiete, wegen der Arbeit, aber auch der Lebenschancen wegen, auf der Suche nach einem Lebenspartner und Vergnügen. Gibt es denn eine Alternative? Ja, dann, wenn strukturelle Schwächen als Stärke angenommen werden würden. Zum Beispiel:

  • höherer Erholungswert durch geringere Umweltbelastung, insbesondere durch Feinstaub,
  • Möglichkeit, „Zwergschulen“ einzurichten mit intensiverer kooperativer Betreuung von Kindern und Jugendlichen,
  • Sinnerfüllung durch nachbarschaftliche Zusammenarbeit,
  • Wahrnehmung von Schönem, weniger Hektik und Überforderung,
  • autonome Erzeugung von Energie durch Solarzellen und Windräder,
  • Entwicklung bzw. Stärkung des Sozialunternehmertums,
  • Schaffung von mehr Mehrgenerationeneinrichtungen und bessere Organisation der Pflege,
  • dank Internet risikofreieres Entwickeln von Möglichkeiten bei geringerem Kostenaufwand,
  • Siedlerstolz und Schaffung neuer Möglichkeiten.

Diese eher spekulative Liste wird konkret angereichert werden durch die vielen Neuankömmlinge aus anderen Kontinenten und Ländern, die keine seelischen und geistigen Probleme damit haben, auf dem Land zu leben, sondern die schrumpfenden Dörfer als willkommene Gelegenheit wahrnehmen, sich zu verwirklichen. Darauf dürfen wir hoffen und stolz sein, dass wir derartige Angebote unterbreiten können.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski