Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen gesellschaftsrelevanten Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Arbeitsmühen

Früher gab es die allgemein geläufige Gewissheit: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr!“ Auch waren fast alle Menschen davon überzeugt: „Machste was, biste was, machste nix, biste nix.“ Alle diese so eindeutig sprachlich fixierten Überzeugungen sind über die Zeit hinweg allmählich erodiert. Früher einmal gehörte man dazu, wohnte möglichst im gleichen Kiez, genoss die oft jahrzehntelange Anerkennung seines Meisters und die der Kollegen. Ob in Betrieben oder der Verwaltung, die Anmutung war sehr einheitlich. Man arbeitete gemeinsam und feierte gemeinsam. Es ging dabei auch um den Stolz auf die eigene Leistung und die Verpflichtung gegenüber der Familie, dem Unternehmen, den Kollegen, aber auch gegenüber der Allgemeinheit.

Schon früh wurden die Weichen für das Arbeitsleben gestellt. Leistungsbewusstsein, Pflicht und Vorbilder schufen die Motivation für das zweckgerichtete Lernen und die berufliche Verantwortung. All dies war eingebettet in einen familiären und gesamtgesellschaftlichen Konsens, der dank seiner sozialen Kontrolle nicht in Frage gestellt wurde. Die Regeln gaben vor, wie man was tut. Bildungsferne, abgehängt sein und ähnliche Zuweisungen waren weitgehendst unbekannt, wobei nicht verschwiegen werden darf, dass das durch Rituale bestimmte Leben keine Abweichungen zuließ, intolerant auf jede Störung reagierte. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass diese Gewissheit, die früher den Zusammenhang garantierte, zwischenzeitlich beseitigt wurde: Die anstelle der Gemeinsamkeit nun weit verbreitete „Ich-Betrachtung“, das selbst bestimmte Arbeiten statt der Zuweisungen, die Work-Life-Balance statt der Arbeitspflicht, die Umschulung und Weiterbildung statt der Beständigkeit des Arbeitslebens.

Ist das, was sich inzwischen herausgebildet hat, aber richtig und gut und woher kommt diese allgemein feststellbare Haltungsänderung? Ich denke, mit den Eltern fängt es an. Die Veränderungen, die sie selbst Zeit ihres Lebens in den Betrieben und in dem privaten Umfeld erfahren haben, trägt erheblich zu der Verunsicherung, die sie weitergeben, bei. Sie mussten erfahren, dass die primäre Zuständigkeit für die Bildung ihrer Kinder ihnen staatlicherseits entzogen und ihnen verdeutlicht wurde, dass Chancengerechtigkeit dadurch am besten verwirklicht werden könne, dass sie ihre Kinder Kindergärten und Schulen anvertrauen, anstatt sie selbst auf das Leben vorzubereiten. Was Sie dabei nicht wissen konnten, ist, dass sie sich selbst dadurch einer Verpflichtung gegenüber ihren Kindern entzogen haben, die darin besteht, dass sie eigentlich primär für die Bildung ihrer Kinder zuständig sind, insbesondere in den Bereichen Sprache und Kommunikation, beginnend schon pränatal und sich fortsetzend unmittelbar nach der Geburt.

Aus Unwissenheit sprechen und singen sie nicht mehr oft mit ihren Kindern und erzählen ihnen keine Alltagsgeschichten, obwohl dies für die sprachliche und geistige Entwicklung ihrer Kinder förderlich wäre. Dieses Versäumnis erscheint mir ausschlaggebend für die auch ins berufliche durchschlagende Unruhe bei der Aufnahme und Umsetzung einer konsequenten zweck- und zielgerichteten Tätigkeit. Will man künftigen Generationen wieder gefestigte berufliche Lebensperspektiven eröffnen, ist es unumgänglich bei der Aufklärung und Schulung der Eltern anzusetzen, aber auch dafür zu sorgen, dass Leistungsbewusstsein, Pflicht und Vorbild nicht nur die Begleiter lebenslangen Lernens, sondern auch des Handelns sind. Wer nichts tut, kann auch nicht erwarten, dass andere diese Verweigerung wettmachen.

Zuwendung und Hilfe bei größter Geduld sind ein persönliches und gesellschaftliches Gebot, welches allerdings auch damit korreliert, dass derjenige, der keine Verantwortung für sein Handeln übernimmt, auch nicht bereit ist zu leisten, nicht erwarten kann, dass die Gesellschaft dies hinnimmt. Ohne Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft werden auch künftige Gesellschaften nicht bestehen können. Es ist sogar zu befürchten, dass dies einen Vorwand dafür liefern könnte, Arbeitsmühen zu verunglimpfen, egozentrische Verhaltensweisen, die auf Schaffung von Vorteilen zu Lasten der Allgemeinheit basieren, zu belohnen und dazu beizutragen, dass ein auch im Interesse der Schwächeren geknüpftes soziales Netz zerreißt. Aus diesen Überlegungen mag man ableiten, dass es bei Beschäftigungsverhältnissen stets um mehr als nur erwerbsorientiertes, ich-zentriertes Handeln, sondern auch um unsere Gemeinschaft geht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vexierspiegel 

Russland führt einen Krieg gegen die Ukraine, für den Wladimir Putin, der russische Präsident, ursächlich verantwortlich gemacht wird. Er begründet seine Februar 2022 eingeleitete „Spezialoperation“ damit, dass er zum Schutz Russlands handele, das sich gegen die westlichen Invasoren – vor allem die NATO – wehren müsse. Tatsächlich führe nicht Russland, sondern die Ukraine Krieg gegen Russland und deshalb sei die „Spezialoperation“ erforderlich, um Gefahren von Russland und seiner Bevölkerung abzuwehren, wobei allerdings auch zu berücksichtigen sei, dass die Ukraine eigentlich kein Staat, sondern ureigenes russisches Gebiet sei, auf dem Faschisten die Einwohner beherrschen würden und sein Eingreifen auch deren Befreiung diene. Putin gibt sich als Initiator und Frontmann dieser „Spezialoperation“, übernimmt hierfür im Namen der russischen Nation die Verantwortung und sowohl die Kriegsparteien, als auch die solidarisch Verbündeten der Ukraine scheinen dies so zu sehen.

Was ist aber, wenn dieses Narrativ so überhaupt nicht stimmt?

Dieser Gedanke kam mir, als ich über die Geschichte der Russisch-orthodoxen Kirche las und dabei entdeckte, wie eng bei der Einrichtung und Ausübung dieser Religion der Glaube mit dem Nationalstaatsgedanken verbunden ist. Auf den gegenwärtigen Krieg in der Ukraine übertragen, ist es daher nicht nahe liegend, die Frage aufzuwerfen, ob nicht die russische Kirche selbst, ausgehend von ihrem Metropoliten als Anstifter, den Krieg nicht nur befürwortet, sondern ihn sogar angeordnet hat und Putin selbst vollzieht, was die Kirche will?

Auf die damit für Putin selbst verbundenen Vorteile komme ich noch zu sprechen. Die Kirche könnte diese Initiative ergriffen haben, weil sich ein Teil der Russisch-orthodoxen Kirche in der Ukraine von dieser losgesagt und eine eigene nationale ukrainisch-orthodoxe Kirche gegründet hat. Dies stellt nach dem historisch begründbaren Selbstverständnis der Russisch-orthodoxen Kirche ein nicht hinnehmbares Schisma dar.

Dabei ist zu bedenken, dass in der Konsequenz dieser ukrainischen Kirchengründung die Macht der Russisch-orthodoxen Kirche erheblich geschwächt und auch der Zugang zu deren heiligen, historischen Städte – zum Beispiel des Höhlenklosters in Kiew – gefährdet wurde. Inzwischen ist das Verbot für die Russisch-orthodoxen Kirche ausgesprochen und nur die Ukrainisch-orthodoxe Kirche hat das alleinige Zutrittsrecht zu den Heiligtümern erworben. Aus Sicht der Russisch-orthodoxen Kirche wurden durch die Abwendung der Ukraine vom russischen Einflussbereich unverzichtbare religiöse, und damit nationalreligiöse Heiligtümer dieser Kirche gefährdet. Ist dieser Sichtweise Plausibilität abzuringen, wird auch verständlich, dass es absolut widersinnig erscheint, so wie es aber geschehen ist, den russischen Metropoliten aufzufordern oder zu bitten, auf Putin einzuwirken,damit dieser den Krieg beenden möge.

Es ist doch der „Heilige Krieg“ der Kirche selbst und er kommt Putin durchaus zu Pass, weil es ihm die Gelegenheit gibt, unter dem Schutz der Kirche weiter an der Macht zu bleiben. Soweit er sich mit der einflussreichen und reichen Kirche Russlands im Einklang befindet, wird er weiter unter ihrem Schutz stehen. Die Kirche beherrscht vor allem die Menschen in den ländlichen Regionen.

Nach den Erfahrungen der Sowjetunion und der von dieser ausgelösten religiösen Identitätskrise ist ein Großteil der Menschen in Russland absolut mit der Führerschaft durch die Kirche einverstanden und erhofft von ihr den Trost, der ihm aufgrund der schwierigen Lebensverhältnisse oft versagt bleibt. Putin kann sich also völlig sicher in seinem Amt sein, solange die Kirche den national-religiösen Plan nicht aufgibt und die Gläubigen ihr folgen.

Da gäbe es aber möglicherweise einen Hebel, um die unheilvolle Entwicklung zu beenden, wenn der Wille aller Beteiligten vorhanden wäre, was ich bezweifle. Die Russisch-orthodoxe Kirche und die Vertreter der ukrainisch-orthodoxen Kirche, ggf. die Vertreter sämtlicher orthodoxen Kirchen könnten sich zusammensetzen und beratschlagen, wie sie mit ihrer Geschichte und den nationalen Auswirkungen umgehen und dabei herausarbeiten, was sie tun müssten, um ihre religiöse und kulturelle Bedeutung jenseits nationaler Ansprüche zu stärken.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zeitfixum

„Just in time“, das heißt, gerade zur richtigen Zeit das Richtige zu vollbringen. Die Fixierung der Zeit im Hinblick auf ein genau dazu passendes Ereignis setzt organisatorisch zunächst voraus, dass alle dazu notwendigen Komponenten greifbar und das Ziel nicht nur abgesteckt, sondern auch erwartbar ist. Ein zeitgenaues Handeln verlangt neben der Kompetenz der Beteiligten auch deren Souveränität.

Dabei ist keineswegs die Homogenität sämtlicher Handlungsschritte zum angestrebten Ergebnis gefordert, sondern die prozessuale Berechenbarkeit des Tuns im Hinblick auf das erwartbare Ergebnis. Erwartungsbedingtes Handeln geht hier Hand in Hand mit der Kontrolle bei der Zusammenführung unterschiedlichster Komponenten, die zwar ergebnisoffen eingesetzt und daher durchaus auch für Überraschungen sorgen können, aber in einem kontrollierten Prozess wirken.

„Just in time“ bringt zudem die Befriedigung der Handelnden darin zum Ausdruck, dass von ihnen alle institutionellen und inhaltlichen Möglichkeiten genutzt werden, um etwas zu schaffen, das unter Ausnutzung des Zeitmoments Einsichten erlaubt, die eine neue Sichtweise ermöglichen, sei es im wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen oder persönlichen Bereich.

Wer zur richtigen Zeit handelt und die richtigen Maßnahmen ergreift, entlastet sich selbst von Rechtfertigungszwängen und läuft eher nicht Gefahr, einer Kritik ausgesetzt zu werden, die das Zeitmoment als Anlass nimmt, auch inhaltlich die Ergebnisse zu beanstanden. Genau dies erleben wir sehr oft mit dem Hinweis, warum dies oder jenes nicht schon längst getan worden sei oder auch bei der Nachfrage, warum der erste Schritt nicht vor dem zweiten getan wurde. Es kommt also darauf an, Zeit und Handeln miteinander in Einklang zu bringen und so auch die Akzeptanz der Adressaten des Handelns erwartbarer zu machen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wortklon

Die Sprache dient der Kommunikation unter allen Lebewesen. Tiere kommunizieren untereinander, Menschen mit Tieren und vielleicht kommunizieren auch Pflanzen auf einer von uns noch nicht entschlüsselten sprachlichen Ebene. Sprache wird aber vor allem mit Menschen in Verbindung gebracht. Wir haben uns damit vertraut gemacht, dass wir vielfältige Sprachmuster haben, die miteinander im Wirkungszusammenhang stehen und übersetzt werden können, so dass wir wegen ihrer vielfältigen Einsatzfähigkeit die Sprache als eine wichtige menschliche Errungenschaft begreifen.

Nun werden wir aber damit konfrontiert, dass auch Maschinen ein hohes Maß an Sprachfähigkeit erlangt haben sollen, die es diesen nicht nur erlaubt, Bedienungsanleitungen zu entwerfen, Übersetzungen herzustellen oder auch komplette juristische Schriftsätze, wie z. B. in „Legal Tech“, zu verfassen, sondern sogar auch Romane und Gedichte zu produzieren. Maschinen sollen dazu in der Lage sein, Witze zu erzählen, vielleicht sollten sie darüber selbst am meisten lachen.

Es ist also der Beginn einer herrlichen Zeit, in der der Mensch davon entlastet werden soll, selbst zu schreiben und auch zu lesen. Maschinen haben kein Problem damit, in kürzester Zeit umfangreiche Texte zu produzieren, die dann auch in noch kürzerer Zeit von ihnen selbst wieder gelesen werden können. Es würde also den Menschen außerordentlich entlasten, wenn er sich das Schreiben und Lesen ersparen und dies einem sich selbst auf allen Ebenen genügenden System anvertrauen könnte, das alles Schreiben und Lesen für ihn mühelos umsetzt und dabei mutmaßlich sogar weniger Fehler macht und natürlich auch am besten versteht, was es selbst geschrieben hat.

Es ist zwar bedauerlich, dass dies fortschreitend mit dem Verlust der menschlichen Sprache, des Menschen Ideen und Emotionen einhergeht, aber dies hat auch sein Gutes, denn das Maß an Sprach- und Zeitentlastung kann vom Menschen problemlos mit Gedankenlosigkeit gefüllt werden. Er hat zwar nichts mehr zu sagen, aber er muss ja auch nicht. Sein Klon wird alles erledigen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Steuern

Als Rechtsberater in Erbangelegenheiten werde ich bei der Neuaufnahme eines Mandats regelmäßig mit der Frage konfrontiert, dass eine Lösung gefunden werden müsse, die die Erbschaftsteuer vermeide oder zumindest erheblich mindere. Auf meinen Hinweis an den potentiellen Erblasser, dass nicht er, sondern seine Erben möglicherweise Steuern zu zahlen haben, reagiert dieser regelmäßig irritiert, als habe er dies erstmalig vernommen. Er ist aber auch erleichtert, wenn ich ihn bitte, zunächst einmal bekanntzugeben, was er denn wolle. Um die Steuern könnten wir uns dann schließlich auch noch kümmern.

Steuern, vor allem Steuervermeidung treibt die Menschen um. Sie unternehmen fast alles am Rande oder unter Überschreitung der Legalität, um dem Staat und den Gemeinden nicht das zukommen zu lassen, was diese begehren, um die Infrastruktur in unserem Staat aufrecht zu erhalten. Auch diejenigen, die Steuerzahlungen vermeiden oder mindern wollen, bezweifeln diese Legitimität des Staates in keiner Weise, sondern mahnen diese sogar lautstark an. Sie sagen: „Wenn ich schon Steuern zahlen muss, dann soll der Staat auch liefern.“

Und genau da liegt das Problem, denn die Rechnung geht nicht eins zu eins auf. Ich kann beim Staat keine Leistung bestellen und diesen verpflichten zu liefern. Die Höhe der Steuern ist sicher auch ein Problem, aber das entscheidende Problem ist, dass die Erhebung der Steuern zwar zuweilen mit einer Infrastrukturmaßnahme begründet wird, nicht aber in der Regel.

Die meisten Steuern werden dort eingesetzt, wo Länder, Städte und Kommunen Handlungsbedarf sehen. Sie werden nicht dort eingesetzt, wo der Einzelne Handlungsbedarf sieht, weil er das Schulgebäude seines Kindes marode findet oder dringend einen neuen Pass benötigt. Es wird wenig dazu getan, beim Einsatz von Steuermitteln dankbar gegenüber dem Steuerpflichtigen dessen Beitrag zu vermitteln, im Gegenteil, die durch Wahlen erzeugte Herrschaftsgewalt über Steuermittel wird als selbstverständlich angesehen.

Wer nicht spurt, muss mit Konsequenzen rechnen, wer und wie viel zu zahlen hat, entscheidet der Verwender, also der Staat. Gefallen kann dies nicht, insbesondere nicht denjenigen, die mit Einkommens- und Mehrwertsteuer ohnehin die größte Steuerlast zu tragen haben. Es entsprach aber schon immer dem gemeinsamen Bedürfnis aller Steuerpflichtigen, diese zu vermeiden. Bei dieser Rigorosität gerät allerdings aus dem Fokus der Betrachtung, welche Wirkung mit Einnahmen und Ausgaben erzielt werden soll.

Welchen Sinn verfolgen wir mit unserem Handeln, ob als Staat, als Gemeinschaft oder als Einzelner? Um auf das Eingangsbeispiel zurückzukommen: Ist es nicht vielleicht sinnvoller, beim Vererben an Kinder zu fragen, warum man das tue, als an Steuern zu denken? Ist es nicht vielleicht sinnvoller, in Städten und Gemeinden, sogar im ganzen Land für Vorhaben zu werben, die dann planvoll mittels Abgaben umgesetzt werden?

Das heutige Steuersystem ist dagegen obrigkeitsstaatlich. Ich setze fest, nehme ein und dann überlege ich mir, was ich damit tue. Dies widerspricht nicht nur der Tugend der Freiheit, sondern schränkt auch dort Potentiale ein, wo auch sämtliche finanzielle Kräfte gehoben und erfolgversprechend eingesetzt werden könnten. Wenn wir Steuern zahlen, weil die Bürokratie funktionieren müsse, der Bildungsauftrag erfüllt werden sollte und die Energieversorgung gewährleistet bleibt und wir dann feststellen, dass das alles gleichwohl nicht funktioniert, dann kann es nicht wirklich verwundern, dass Menschen alles daransetzen, die an sich dringend benötigten Steuern und Abgaben zu vermeiden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Inszenierung

Schafft das Leben sich selbst oder darf man es als eine Inszenierung verstehen, als Darbietungen, welche den Regeln oder auch den spontanen Einfällen von Dramaturgen und Regisseuren entsprechen? Aber wo sind die Regisseure, die das Leben, unser Leben und dasjenige der Anderen gelingend macht?

Wenn es diese geben sollte, so wirken sie unsichtbar und aus der Fernem, haben aber ihre Assistenten, die sich stets mit großem Einsatz darum bemühen, den einzelnen Darbietungen und der gesamten Inszenierung, in welche die Stücke eingebettet sind, einen Sinn zu verleihen.

Die Schar der Regieassistenten ist groß und umfasst Kirchenvertreter, Kriegstreiber, Wirtschaftsbosse und tätige Menschen gleichermaßen. Die Inszenierungen werden für das jeweilige Klientel ausgerichtet.

Um aber eine Kakophonie zu vermeiden, hat man verständlicherweise religiöse oder kriegerische Klärungsprozesse als geeignete Bausteine von Inszenierungen zugelassen. Die Genialität der Inszenierungen ist am Applaus zu messen, den sich alle Beteiligten schlussendlich bewilligen. Der Applaus gilt dem Durchhaltevermögen der Beteiligten. Welches Stück gerade gespielt wird, ist dabei uninteressant.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Preis

Alles hat seinen Preis! Wer hat diesen unerbittlichen Satz nicht schon öfters vernommen? Und er trifft ins Schwarze. Alles hat seinen Preis. Der Preis schafft ein Gleichgewicht zwischen den Ansprüchen und den Möglichkeiten, diese zu befriedigen.

Hätte die Verwirklichung unserer Ansprüche keinen Preis, wären sie uferlos. Der Preis dämpft unsere Möglichkeiten, spornt aber unsere Kräfte an und schafft denjenigen Vorteile, die sich schließlich den Preis leisten können. Ist das ungerecht?

Eher nicht, denn auch diejenigen, die sich einen höheren Preis als andere leisten können, werden sogar abwägen, ob sie zugreifen, oder vielleicht eher darauf setzen, dass der Preis nachgibt. So erkennen wir, dass der Preis eine Spiegelung unserer eigenen Verhaltensweise ist, unserer Begehrlichkeit, unseres Charakters, unserer Opferbereitschaft, unserer Begierde, unseres Verzichts und sogar unserer Vernunft.

So, wie der Preis damit Ausdruck unserer selbst ist, verleitet er uns, ihn zur Durchsetzung unserer Vorhaben zu nutzen und zu demonstrieren, dass wir größer, leistungsfähiger und sogar mächtiger als andere Menschen sind. Wir setzen die Preise fest. Indem wir den Preis aber instrumentalisieren und zum Maß aller Dinge machen, bewerten wir uns selbst und alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu handeln, zu tauschen, zu horten und umzuschichten.

Der Preis wird so das Gewicht, das die Waage zu bändigen vermag, Zukunft ermöglicht oder einschränkt. Der Preis bestimmt unseren Einsatz, kalkuliert unseren Gewinn oder besiegelt das Ende sämtlicher Möglichkeiten: Der Preis ist zu hoch.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Leben

Das Leben erscheint mir zuweilen als eine Abfolge spektakulärer und weniger spektakulärer Begebenheiten, die sich im Gewesensein erschöpfen. Frei nach Breton, welchen Nutzen, welchen Gewinn ziehen wir daraus?

Das ist nicht auszumachen, kann nicht entschieden werden, und zwar aus einem einfachen Grund: Wenn wir eine Zeit lang das Spektakel angeschaut haben oder auch Teil des Spektakels waren, irgendwann ist alles zu Ende, spätestens zum Zeitpunkt unseres Todes.

Aber, warum machen wir das alles, warum zetteln wir Kriege an, wie dieser Herr Putin, begehen unfassbare Gräueltaten und helfen andererseits anderen Menschen, retten sie, befreien sie von Krankheiten und Leiden. Warum häufen wir gigantische Vermögen an und verteidigen unseren Besitzstand mit Klauen und Zähnen? Warum sind uns Arbeitszeitnormen und wirtschaftlichen Vorteile sowie Spekulationsgewinne jenseits unseres Bedürfnisses so wichtig?

Mit der DNA wäre es zu erklären, wenn es stimmen würde. Würden die beschriebenen Verhaltensweisen nicht an der Erosion des Lebens auf dem Planeten beteiligt sein, entsprächen sie dem allgemeinen Verständnis, uns Menschen zu erhalten. Wäre dieses Verständnis vorhanden, zögen alle an einem Strang und würden sich in ihren Fähigkeiten ergänzen. Diese Bereitschaft scheint nicht zu bestehen.

Es geht vielmehr um Vorteile. Ein transzendentales Leben, wie Religionen verheißen, das ließe Elend und Ungerechtigkeiten ertragen. Ist aber der „Himmel“ abgeschafft bzw. geraubt, ein transzendentales Paradies unerreichbar, was bietet dann noch das Leben? Vielleicht Hoffnung? Aber worauf? 

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ahne

Wir waren noch Lausbuben und trieben ab und zu unsere Späße mit dem „Ahne“. Der Ahne? Das war der alte Mann, der oben unter´m Dach wohnte, meistens im Bett lag und niemals mehr das Zimmer verlassend, die schmale Holzstiege hinab in die Küche des Bauernhofs kletterte, wo wir meistens alle zusammen waren, wenn es nichts zu tun gab.

So war das damals Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts in einem abgeschiedenen Dorf des Schwarzwaldes. Der alte Mann, also der Ahne, war der Großvater, vielleicht nicht mehr ganz richtig im Kopf, wenig beweglich, von der schweren Arbeit auf dem Hof gezeichnet. Die Schmerzen setzten ihm zu. Aber dennoch freute er sich immer, wenn wir zu ihm nach oben stiegen und nahm uns die Neckereien offensichtlich nicht übel.

Der Ahne, welch verheißungsvolles Wort. Es bringt zum Ausdruck, dass er sich bereits zu Lebzeiten den Ahnen näherte. Mit Vorname hieß er zwar Adam, aber wir nannten ihn alle den Ahne, bis auf seine Frau, die sich um ihn kümmert, soweit ihr eigenes Alter dies noch zuließ. Sie sorgte für sein Essen, richtete sein Bett und das Nachtgeschirr, welches regelmäßig geleert wurde. Sie wusch ihn und las ihm am Abend aus der Bibel vor.

Zuweilen kamen auch ein Arzt und der Pfarrer, letzterer wahrscheinlich um einzuschätzen, wann mit dem Ableben zu rechnen sei. Die Rituale führten den Ahnen Tag für Tag, Stunde um Stunde seinem Ende näher und es war zu spüren, dass die Ahnen erwarteten, ihn in ihren Reihen aufzunehmen. Außer dem Warten auf den Tod, gab es für ihn auf Erden nichts mehr zu erledigen. Abgesehen von unseren Neckereien herrschte Frieden in dieser Dachkammer, alles war authentisch und stimmig und nun, was erwartet den Ahnen unserer Tage? Was erwartet mich, wenn ich alt bin?

Sicher kein Altenteil in einem Bauernhof. Vielleicht kümmern sich gelegentlich oder regelmäßig Pflegekräfte um mich oder ich komme in ein Pflegeheim? Kinder und Enkelkinder kommen ab und zu zu Besuch, bringen Kekse und gute Wünsche mit und versichern, dass für alles gesorgt sei. Der Ahne war kein Geschäftsmodell, wie ist es aber um den alten Menschen heute bestellt? Die Alten werden älter, die Ahnen müssen warten. Das Geschäft muss erst erledigt, der Ahne ausgelesen sein.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Meta-War; War-Games

Internetkriege sind zeitgegenwärtig. Alltägliche Cyber-Kriege finden in fast jedem Haushalt statt. Kriege gehören zur Menschheit und Dank der Spieltheorien kann erprobt werden, mit welcher Taktik man einem Ziel näherkommt. Inzwischen haben wir die Plattformen, auf denen wir im Internet agieren, mit Grundstücken, sonstigen Vermögen und Avataren angereichert.

Zunehmend gelingt es so, auch im Cyberspace Infrastrukturen zu schaffen, die unserer analogen Welt nicht unähnlich sind. Dies zwingt uns auch im Internet, unser Eigentum und unsere Besitzungen zu schützen, ermöglicht aber auch, unter Einsatz von Gewalt, unseren Reichtum zu mehren. Zunehmend wird all das, was wir bereits in unserer realen Welt erprobt haben, als Blaupause für das Metaverse gelten.

Auch in dieser digitalen Sphärenwelt können wir wirkungsvoll all diejenigen Möglichkeiten ergreifen, Konflikte austragen und Machtstrukturen schaffen, wie dies auf Erden bereits möglich war und ist. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied. Im digitalen Universum besteht zwar wie auf Erden ein enormer Energiehunger und hat unser Handeln auch Einfluss auf unsere Psyche, unsere Physis und unser Vermögen, führt aber nicht zu unmittelbaren Beschädigungen und Zerstörungen, wie sie uns in der realen Welt geläufig sind. Dieses Wissen verschafft Vorteile insofern, als wir darüber nachdenken sollten, Kriege künftig nur noch im digitalen Raum zu führen, um dadurch das Leben auf unserem Planeten zu schonen und mittels Spielanleitungen Erkenntnisse zu gewinnen, die es uns ermöglichen, kriegerische Auseinandersetzungen auf Erden einzudämmen.

Durch eine solche Sphärenergänzung, ggf. auch einen Sphärentausch, sollte es gelingen, trotz Einsatz der raffiniertesten Waffen und von vielfältigsten Kriegern, die noch bestehende reale Welt zu erhalten und uns so zu schützen, dass nach jeder Zerstörung kostenintensive Wiederherstellungsmaßnahmen entfallen und keine Toten zu beklagen sind.

Da der virtuelle Raum umfassende Spielmöglichkeiten bei Waffenentwicklung, Zerstörung und Wiederaufbau erleben lässt und dies in der analogen Welt kaum abbildbar ist, erscheint mir das Kriegsgeschehen im digitalen Raum vorteilhafter für alle Beteiligten. Dies schließt sogar einen Atomschlag mit ein, vergleichbar mit der Handlung, dass eine der Kriegsparteien den Stecker zieht. Dann ist es zwar im Internet zappenduster, doch auf Erden mag das Leben dennoch weitergehen, hoffentlich!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski