Archiv der Kategorie: Wissenschaft

Körper

Ohne Körper sind wir Menschen unvollständig. Nur Geist und Seele. Das reicht nicht. Es würde das Gefäß fehlen. Der Körper. Unsere Zellen verändern, vermehren, teilen und erneuern sich, was bleibt, ist aber unser Körper. Unser Körper muss alles aushalten, Vernachlässigungen wie auch Zuwendungen. Wir Menschen haben von Geburt an unterschiedliche Körper. Sie sind die Projektionsflächen unseres Lebens. Es zeichnet sich an unserem Körper die Beziehung zu unserer Familie, zu Ernährungsgewohnheiten, zur Arbeit und zur Freizeit ab.

Wir sind nicht nur, was wir essen, aber was wir und wie wir essen formt das Gefäß, das wir als Körper be­zeichnen. Ist dieses Gefäß verformt, droht es im übertragenen Sinne zu brechen, d. h. es ist nicht mehr geeignet für unsere Lebensabsicht. Unser Körper ist duldsam, verzeiht Übertretungen und ist bereit, soweit es in seiner Macht steht, uns immer wieder eine Chance zu geben. Viele Menschen helfen ihrem Körper, sich wieder zu regenerieren, treiben Sport, sorgen für Ruhe und Ausgeglichenheit und eine akzeptable Ernährung.

Kontraproduktiv kann es allerdings sein, mittel unspezifischer und unpassender Vorhaben den Körper zu zwingen. Aufgestachelt von Werbung und Selbstvermarktungsstrategien, Präparaten und digitalen Geräten, Nahrungsergänzungsmitteln und sportlichem Overkill versuchen manche Menschen aus ihrem Körper etwas Anderes zu gestalten, als er es ist. Sie machen aus ihrem Körper ein Produkt des Lifestyles, entäußern ihn seines eigenen Selbsts und überantworten ihn Fitnessmaschinen und Beratern.

Die Organe des Körpers, Haut, Muskeln und alle Extremitäten werden so zu Chiffren eines fremden Seins, Wahrnehmungsangeboten an Kunden im Internet und zeitweiliger Identitäten mit anderen. Der so entfremdete Körper setzt ein Zeichen. Die Identität ist dann die Projektion des Ichs in eine andere Körperlichkeit, die dem eigenen Ich bedrohlich näherkommen kann, wenn das Ideal scheitert. Das kann jederzeit geschehen aus Schwäche, Krankheit, familiären oder sozialen Veränderungen. Das auf den idealisierten Körper ausgerichtete Bewusstsein kann die Attacken auch des Alters nicht überspielen und scheitert an der Unerbittlichkeit jeder natürlichen Veränderung.

Bei aller Übertreibung ist der Körper ein analoger Protest gegen die virtuelle Welt. Er zeigt, dass der mutige und schöne Organismus Sinnlichkeit und Verstand beherbergt, Genuss ermöglicht und begehrenswert für andere Menschen ist. Wir haben allen Grund, unseren verführbaren Körper zu lieben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verseuchung

Ein Film, den ich vor Kurzem im Fernsehen sah, handelte davon, dass eine junge Frau als erzwungener Drogenkurier unfreiwillig verseucht wurde. Eine Droge, die in einem Plastiksäckchen verpackt, ihr unter die Bauchhaut eingenäht wurde, platzte und setzte einen Stoff frei, der dazu führte, dass Zellen ihres und anderer Körper in schwindelerregendem Tempo miteinander kommunizierten und schließlich ihre kognitiven Fähigkeiten auf 100 % erweiterte. Dann war sie tot und was von ihr blieb, war ein Computerstick.

Eine interessante Parabel des menschlichen Lebens und Scheiterns die hintergründig aufzeigt, dass eine digitale Maschine 100%ige kognitive Leistungsfähigkeit erwerben kann, aber daran nicht scheitern wird. Unsere Zellen dagegen sind dem, was wir heute schon Reizüberflutung nennen, nicht gewachsen. Wir können es nicht sehen, fühlen oder schmecken, aber nicht nur kosmische Strahlen, sondern ein dichtes Netz an Informationen umgibt uns.

Wir können nur hören, was für uns bestimmt ist, nur abrufen über elektronischen Geräte, die Informationen zu entschlüsseln vermögen. Sind die Geräte ausgeschaltet, sind diese Informationen aber nicht weg, sondern und durchgeistern weiterhin alle Zellen unseres Körpers, kommunizieren mit uns jenseits der kognitiven Wahrnehmung. Wir sind verseucht und trauen uns dies nicht einzugestehen. Nirgendwo wird uns eine Möglichkeit gegeben, uns von der Verseuchung zu reinigen. Wir sind den von uns elektronisch ausgelösten Informationen auf Dauer ausgeliefert.

Die elektronischen Impulse sind nicht abhängig von unserer Wahrnehmung, sondern haben unseren Schutzbereich schon seit längerem verlassen und begonnen, den gesamten Weltraum mit Informationen zu verseuchen. Ist das schlimm? Diese Frage stellt sich meines Erachtens nicht mehr, da es keine Frage nachträglicher Einschätzungen sein kann, sondern wir nur noch wahrzunehmen haben, was geschieht. Nichts ist gut daran oder böse. Diese Art der Verseuchung war unabwendbar. Da intelligenten Geräten nunmehr weltweit Informationen zur Verfügung stehen, werden sie sich dieser bedienen und damit eine exklusive Einsicht in unser Leben erlangen, die uns mangels ausreichender kognitiver Fähigkeiten verschlossen bleibt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Also sind wir

Wir wurden geboren. Das entsprach nicht unsere Entscheidung. Wir sterben. Das beruht in der Regel nicht auf unserer Entscheidung. Unser ganzes Leben beruht nicht auf unserer Entscheidung. Das Leben wurde uns nicht geschenkt, sondern angeordnet, aufgezwungen.

Unsere Menschwerdung folgt zwar auch einer wesentlichen Entscheidung unserer Eltern, aber nicht nur. Wir wissen, dass es Menschen im Allgemeinen geben muss, damit das Leben auf diesem Planeten seinen ihm immanenten Sinn hat. Das in die Welt geworfen sein des Menschen hat also Sinn und bedeutet doch Last. Was können wir vermeiden, was sollten wir müssen? Was müssen wir ertragen und was wird von uns erwartet?

Das ist zum einen individuell zu beantworten, je nachdem, in welchen Umständen wir aufwachsen, zum anderen aber auch umfassend gesellschaftlich und menschlich. Wir müssen unserem Leben den Sinn zuordnen und uns dieses Vorgangs stets bewusst sein. Sinn zu erhalten, heißt sich zu vergegenwärtigen, dass unser Leben eine Grundlage hat und uns in Verantwortung nimmt für die Erhaltung der Menschheit auf diesem Planeten und aller seiner Lebewesen, der gesamten Natur.

Diese Verantwortung muss gelehrt werden, und zwar beginnend mit den Eltern als immerwährender Lebensunterricht bis zum Tode. Wird unser Lebenssinn und dessen Erhaltung nur einzelnen Aufpassern überantwortet, so stellt sich allseits eine Überforderung ein, sowohl bei den Wächtern als auch bei uns, die wir den Sinn von diesen getroffenen Maßnahmen in unserer kleinen Welt oft nicht begreifen können und ignorieren.

Das gilt für den Klimaschutz gleichermaßen, wie für nicht recycelbaren Müll, Verschwendung und in Kauf genommene Erkrankung infolge persönlicher Vernachlässigung. Da unser Leben sinnvoll ist, muss es der Verschwendung und Zerstörung widerstehen, sonst sind wir die Opfer einer existenziellen Selbstverleugnung. Die Unterweisung in den Fächern Lebenssinn, Menschenwürde und Erhaltung des Planeten sollte nicht nur auf dem Schulplan stehen, sondern auch in jedem Gespräch mit sinnstiftenden Eltern berücksichtigt werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ruhe vor dem Sturm

Liebe Verwandte und Freunde, liebe Mitbürger und sonstige Lebewesen. Wir saufen in weniger als 100 Jahren ab. Alle bisherigen Berechnungsmodelle sind nicht gültig. Die subpolare Eisschmelze in der Antarktis wurde ebenso wenig bedacht wie der Salzrückgang in den Meeren und den damit einhergehenden neuen Wetterverhältnissen. Wir sind höchstwahrscheinlich erledigt. Vielleicht der eine oder andere von uns noch nicht persönlich, aber unsere Kinder und Enkel allemal.

In allen persönlichen Gesprächen, die ich führe, erfahre ich ausschließlich besorgte Zustimmung, doch seitens der Wissenschaft tut sich nichts, weil sie nicht politisch sein will und seitens der Politiker tut sich auch nichts, weil sie von Wissenschaft keine Ahnung haben. Unterschwellig denken wir ohnehin, wie seinerzeit beim angekündigten Baumsterben, so schlimm wird es nicht werden, ist ja immer alles gut gegangen und schließlich muss unser Wohlstand auch gesichert bleiben.

Doch Wohlstand wofür, wenn Hamburg evakuiert werden muss und mit der ersten Flutwelle Inseln und große Teile Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommern verschwinden. Auch Holland und Dänemark gehören wie Polen zu Europa. Versunkene Städte wie ehemals Alexandria in Ägypten. Bis die Städte implodieren, ähneln sie Venedig, das ebenfalls versunken sein würde. Die Überschwemmung, das Desaster trifft nicht sofort jeden, sondern entwickelt sich allmählich. Allerdings wird der von Menschen bewohnbare Raum immer enger bei steigender Bevölkerungszahl.

Die Menschen streben dorthin, wo sie zumindest noch eine Zeit lang zu überleben hoffen. Die Auseinandersetzung zwischen den einheimischen Besitzstandswahrern und den Eindringlingen nimmt zu. Es widerspricht nicht unserer Logik, dass verheerende Seuchen und kriegerische Auseinandersetzungen ungeahnten Ausmaßes für eine Dezimierung des Lebens sorgen werden, damit zumindest Einige noch überleben können. Was ist zu tun?

Wir müssen Wissenschaft und Politiker herausfordern, Pläne für die Zukunft der Menschheit zu entwickeln, statt sich über Handelsabkommen, Stakeholder Value und Rentenversicherungen zu verzanken. Offenbar haben wir nicht begriffen, worauf es in dieser Welt ankommen wird und schenken jedem Fernsehkoch mehr Aufmerksamkeit, als einem ernstmeinenden Wissenschaftler. Wir selbst sind begriffsstutzig und erlauben es daher, einfältigen Politkern, sich um alles zu kümmern, bis auf das: die Rettung der Menschheit, die Rettung unseres Planeten im Interesse künftiger Generationen und aller von uns abhängigen Lebewesen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gelassenheit

Ich denke, um des Denkens willen. Ich denke prozessorientiert. Ich denke zielgerichtet, aber abstrakt. Ich denke als Anliegen. Ich denke ergebnisorientiert. Ich denke für Andere. Ich denke alles einschließend, also umfassend. Ich denke die Gefühle nutzend. Ich denke Gefühle. Ich denke fließend. Ich denke Blockaden. Ich denke vor. Ich denke nach. Gedankenlos.

Denken verboten. Denken langweilig. Ich denke vergeblich. Ich denke an den Empfänger der Gedanken. Ich denke an mich. Ich denke morgens, abends und nachts. Ich denke im Bett, auf dem Klo, im Bad. Ich denke Blödsinn. Ich denke Kluges. Ich denke, um zu denken. Ich denke zeitlos, sinnlos, entfernungslos, weit, nah, auf den Punkt. Ich denke frei. Ich denke verkrampft. Ich denke mit Vorurteilen. Ich schichte Gedanken ab. Ich baue Gedanken auf. Ich lasse mich von Gedanken treiben. Ich denke selbst. Ich lasse andere denken. Ich habe keinen Bezug zu meinen Gedanken.

Meine Gedanken haben sich verselbstständigt. Vom Denken wird es mir schwindlig. Vom Denken wird mir stumpf. Ich denke, also bin ich? Ich denke, dass ich bin. Ich bin auch ohne zu denken. Gibt es einen Sinn des Denkens? Gibt es einen sich selbst denkenden Sinn? Methodenlehre des Denkens ist die Philosophie. Der Zirkus des Denkens ist die Religion. Das Denken besitzt eine unendliche Spielwiese der Mutmaßungen. Das Denken weist eine Richtung, aber keine Ergebnisse. Durch das Denken werden Probleme nicht gelöst, sondern geschaffen. Fühlen, Denken und Handeln sind miteinander verwandt, aber nicht vertraut. Kann Denken hilfreich sein? Kann ich durch Denken Einfluss auf etwas nehmen?

Kann mir jemand oder ein Umstand beim Denken helfen? Denken als Zeitvertreib. Denken als Prozess – des Träumens – des Fühlens – des Empfindens. Denken als Synapsengeflunkere. Maschinendenken. Computerdenken. Internetdenken. Denken als gesellschaftliche Bereicherung. Gemeinsames Denken. Ich habe mal so gedacht… Denken als l´art pour l´art. Denken ohne Vorkenntnisse. Plötzlicher Denkeinfall. Denkfalle. Denkexzess. Denkblockade. Eine Maschine hat es gut. Sie ist vom Denken befreit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Disruption

Disruption wird in der Wirtschaft gehandelt wie ein Versprechen. Disruptiv Industry. Wir machen alles anders, wir machen alles neu, durchbrechen gängige Denkmodelle. Ach wirklich? Was ist daran wirklich neu, abgesehen von der englischsprachigen Anmutung. Seit ihrem Bestehen ist die Menschheit immer wieder andere Wege gegangen, wenn die Umstände dazu zwangen oder Aufbruchssignale ertönten.

Auch Design Thinking ist nicht neu und bringt doch zum Ausdruck, dass der Einzelne in der Gruppe effektiver zu denken vermag. Solange die Ergebnisse nicht hinterfragt werden, reihen sich alle Menschen in die scheinbar erfolgreichen Prozesse ein. Alles nicht so hoch zu hängen, wäre eine geeignete Antwort, aber kein geeignetes Geschäftsmodell. Ich bin durchaus für alles, was digital angeboten wird und auch davon überzeugt, dass das beginnende digitale Zeitalter neue Bewältigungsinstrumente benötigt.

Wir müssen dabei aber nicht nur bedenken, wo der Mensch dabei bleibt, sondern auch im gesellschaftlichen Hinterkopf behalten, dass wir retardierende Wesen sind. Weder unser Körper, unser Geist, noch unsere Seele können stets Quantensprünge machen, geschweige denn uns von allen Gewohnheiten, Ritualen und bewährten Mustern verabschieden. So verlockend die Versprechungen sind, müssen wir um unser selbst Willen, zur Erhaltung der Menschheit etwas zurückstecken und nicht jede Mode mitmachen.

Es ist nicht Silicon Valley und die dort entwickelten Möglichkeiten, die uns in unserem Selbstverständnis als Menschen bedrohen, sondern – um bewusst in der englischen Ausdrucksweise hier zu verbleiben – unsere Cowerdness, unsere Infragestellung eigener Leistungsfähigkeit, obwohl gerade diese uns jederzeit mit brennendem Herzen die Herausforderung annehmen lassen könnte. Kann es denn nicht sein, dass ein werte- und geschichtsbewusstes Europa viel mehr leisten könnte als ein amerikanischen „Anything Goes“? Ich bin neugierig auf eine Zukunft, in der wir mit Geist, Körper und Seele neu gestaltend denken.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vampirismus

Neulich habe ich gelesen, dass es Forschern der Stanford Universität gelungen sei, die Lebenszeituhr so präzise zu beschreiben, dass eine im Menschen selbst verborgene Uhr leicht abzulesen sei. Wie alt bin, wie alt kann ich werden? Keine Frage der äußeren Umstände mehr, sondern der Gene und des Bluts. Alten Mäusen hat man bereits das Blut jüngerer zugeführt und dabei festgestellt, dass die Stammzellaktivitäten der älteren Mäuse angeregt werden. Die Mäuse haben sich erheblich verjüngt.

Was für Mäuse gilt, gilt bald auch für Menschen. Der Run auf Jungblut wird erheblich zunehmen und etliche werden ihre eigenen frühkindlichen Blutkonserven einfrieren, um später darüber bei Bedarf wieder verfügen zu können. Ob das alles klappen wird, wissen die Forscher natürlich jetzt noch nicht, werden es aber in ein paar Jahren herausgefunden haben. Es wird dann so sein, dass das „Jungbaden“ im Blute möglich wird und der Vampirismus in Hochform aufläuft.

Auf rätselhafte Art und Weise wird dadurch bestätigt, was wir alles im Hinblick auf Veränderungen schon kennen. Längst bevor die wissenschaftlichen Arbeiten aus Stanford dies belegten, war in den Mythen und Sagen bereits klar, was jetzt möglich zu werden scheint. Graf Dracula und die Sagenvampire werden mit Knoblauch und ins Herz gerammten Holzpflöcken bekämpft, denn sonst haben die Untoten ein langes Leben.

Werden künftige Menschen oder auch Maschinen zu ähnlich drastischen Mitteln greifen müssen, um den ewig sich erneuernden Menschen wieder loszuwerden? Von kommenden Generationen wird man nicht mehr reden können, wenn alle Menschen abhängig von der Frischblutzufuhr sich erneuern und ewig leben. Kriege, Krankheiten und Unfälle werden umständehalber die einzigen lebensbeendenden Maßnahmen darstellen. Lebenszyklen sind unbekannt, es sei denn, sie werden künstlich vorgegeben. Für jeden Menschen oder nur für Gruppen? Und wer stellt die Uhr neu? Die Maschinen?

Bewahrheitet sich das, was erste Forschungsergebnisse vermuten lassen, gibt es kein „geborgtes Leben“ mehr, eine andere Gesellschaft mit völlig neuen Herausforderungen und Perspektiven beherrscht dann den Planeten, wenn es ihn noch eine Weile geben sollte. Gott sei Dank werde ich das nicht mehr erleben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski